Karl Immermann
Tulifäntchen
Karl Immermann

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Die Brummfliege

              Fürsten zürnen, böses Zürnen!
Königsgrimm, o schlimm Verhängnis!

Herrlich glänzt das Schloß, das güldne,
Von der Säulen Wald umkränzet,
Mit den Toren, blau, von Jaspis;
Aber das Entsetzen blicket
Tulifäntchen bleich entgegen
In dem Schloß aus jedem Antlitz.

Auf nun rauschen ihm die Flügel
Zu den innersten Gemächern,
Und er steht im Marmorsaale
Unter weiblichen Ministern,
Reichs-Kron-Würdeträgerinnen,
Adjutantinnen der Garde.

Die Brünette ging zurücke;
Tulifäntchen war alleine
Unter den besternten Weibern.
Alle schaun, von Angst geschüttelt,
Nach dem roten Damastvorhang,
Welcher deckt den Grund des Saales.
Aber die Premierministrin
Lauschet durch des Zeuges Falte.

Tulifäntchen naht sich zierlich
Der Ministrin, spricht in Züchten:
«Damen seh' ich voll Bedrängnis;
Wollet, Exzellenz, gebieten
Über Eures Ritters Kräfte!
Was trübt Euer Augen Sternglanz,
Daß sie, Sonnen des Gesichtes,
Nur durch Nebel düster brennend,
Künden finstern Tag der Seele?»

«Ritter», sagte die Ministrin,
«Wisse, dieses ist die Stunde,
Wo die nie genug gelobte
Große Kön'gin Grandiose
Denkt ans Glück der Untertanen.»

«Nicht versteh' ich Eure Rede»,
Sprach der Held, Don Tulifäntchen.

«Siehe!» sagte die Ministrin,
Hob den Vorhang auf; da schaut' er
Im gewölbten Kabinette
Hehr die Kön'gin Grandiose,
Angetan mit Hermelin-Vlies,
Auf dem Haupt die goldne Krone,
Goldnen Zepter in der Rechten,
In der Linken den Reichsapfel,
Ganz genau wie Karo-Dame.
Sinnend saß sie, tiefes Denken
Hatte sie durchaus umwoben.
Der bemeldete Reichsapfel
War gefüllt mit Spaniole,
Und sie schnupfte draus voll Inbrunst.

«Warum bebt Ihr, wenn der Kön'gin
Landesmütterliche Liebe
Sich zum Heil des Volkes abmüht?»
Frug der Held, Don Tulifäntchen.

Trüb versetzte die Ministrin:
«Fremdling du im Land der Frauen,
Wisse, daß die große Kön'gin
Nie so leicht ist aufzuregen,
Als wenn sie sich ganz vertieft hat
In die edelsten Gedanken.
Darum faßt uns stets ein Bangen,
Denkt sie an das Glück des Landes;
Denn dann fließen ihre Tränen
Einem schönen Ideale,
Wie es könnte sein und nicht ist.
Greift das Leben dann, das rohe,
Ins Konzert der Seele, stört sie
Nur ein Sonnenstäubchen, das nicht
Nach dem höchsten Willen kräuselt,
Fährt sie furchtbar auf, und meistens
Läßt sie, um sich herzustellen
Zum Regentengleichgewichte,
Ihrer Nächsten köpfen ein'ge.»

Ernst erwog in seiner Seele
Dies der Held. Urplötzlich aber
Sah er dringende Gefahren
Für die schutzvertrauten Frauen,
Für das Volk von Mikromona,
Denn so hieß die Stadt, die große.

Zu dem offnen Fenster sausend
Schoß herein der Fliegen eine,
Die uns Brummer oder Schmeißer
Nennet die Naturbeschreibung.
Erst vom weiten flog die Wüste
In unangemessner Weise
Um die Krone, um den Zepter,
Um das Vlies und um die goldne
Spaniol-Reichsapfel-Dose.
Doch der kugelrunden Augen
Freches Demagogenleuchten
Zeigte deutlich, daß sie strebet,
Auf die Nase sich der Kön'gin
Hochverrätrisch hinzupflanzen.

Da empfiehlt sich Tulifäntchen
Hergebrachterweis' im stillen
Der Geliebten, die noch nicht ihm
Ward beschieden, zieht vom Leder,
Zieh'nd am Lackgriff, schwingt und wetzet
Vaters guten Federflamberg,
Flüstert: «Edle Damen, gramschwer,
Betet für des Jünglings Heil nun!
Eine Tathandlung verrichtet
Seine Faust zu eurem Frommen.
Doch wenn ihn sein Stern dem Tod weiht,
Geb' ein simpler Stein Bescheid nur
Von dem Namen, dem Geschlechte.
Tulifäntchen heißt der Jüngling,
Tulifantens Sohn; er rühmt sich
Reinen Bluts und edler Eltern.»

Sprach's und sprang mit gleichen Füßen
In das Kabinett der Kön'gin.
Leise wie ein Mückchen schritt er
Über die gebohnten Dielen.
Kön'gin Grandiose hörte
Nicht des Paladines Schreiten,
Sondern dachte tiefgerühret,
Eine große Trän' im Auge,
An das Glück der Untertanen.


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