Karl Immermann
Tulifäntchen
Karl Immermann

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Die Hoffnung des Hauses

          Welch ein Rennen, welch ein Kramen
In dem Zimmer Tulifantens!
In Geschlechtsregistern sucht er
Namen, voll und hoch erklingend:
Roderich, Fadrique, Perez,
Luis, Jose, Pedro, Sancho,
Juan, Toribio, Quadradillos,
Tönen ihm noch nicht genugsam.
Endlich hat er ihn gefunden,
Einen Namen majestätisch:
«Christoph heiß' er! Wie Sankt Christoph
Einst das Heil der Welt getragen,
Wird das Heil des Hauses dieser
Tragen auf den beiden Schultern.»

Jetzt den Diener ruft er: «Gines!»
Gines kommt gewackelt: «Sennor?»

«Steck ein Küchlein an den Bratspieß,
Kauf ein Krüglein guten Schmalbiers,
Such uns einen Korb voll Schötlein,
Iß dich selber satt in Weißbrot!»

Zweifelnd steht der treue Gines,
Zuckt die Achseln, sagt mit Schwermut:
«Herr, vergebt, es ist ja Fasttag
Heute nach der Zeiten Ordnung.
Gestern war der Tag des Fleisches,
Heute leben wir im Geiste.
Ach, bedenkt, bedenkt das Morgen,
Essen heute wir das Küchlein,
Trinken heute wir das Schmalbier,
Pflück' ich heut Euch ab die Schötlein,
Zehr' ich selber auf das Weißbrot!»

Spricht der Herr: «Gines, verrichte,
Was ich dir befahl, nicht zaudre!
's ist ein Festtag, nicht ein Fasttag.
Wenn der Himmel sie begnadigt,
Soll'n die Menschen fröhlich sein.»

Zweifelnd stand noch immer Gines,
Da, die Hüft' umbauscht vom Reifrock
Aus gestreiftem gelbem Atlas,
Der gesehn drei Menschenalter,
Trat zur Tür hinein voll Würde
Die erhabne Donna Tulpe.

Und Don Tulifant, entgegen-
Gehend der Genossin, küßt' ihr
Ernst die Hand, die Wange küßt' er,
Und er sprach zu ihr bedeutsam:
«Immer wart Ihr, o Gemahlin,
Meiner Gegenwart Beglückung;
Nun schafft Ihr der Zukunft Segen.
O, wie fühl' ich mich verschuldet
Tief für alles, was Ihr gabet,
Gebt und mir noch geben werdet!»

Zweifelnd stand nicht länger Gines,
Rannt' hinaus und rief mit Jubel:
«Gerne fahr' ich nun ins Grab ein;
Denn ich seh' des alten Hauses
Junge Hoffnung winken glanzreich!»
Pflückte tänzelnd drauf die Schötlein,
Kochte sie und briet das Küchlein,
Kaufte, halb im Taumel, Schmalbier
Für den letzten Groschen, trug dann
Seinen Herren auf die Mahlzeit,
Aß sich selber satt in Weißbrot,
Zechte tapfer dazu Wasser
Und sank auf das Stroh, betrunken.


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