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XV.

Onkels fünfzigjähriges Doktorjubiläum sollte gefeiert werden. Es war im November und es sollte ein Fest werden, wie ich noch keines erlebt.

Schon ein halbes Jahr vorher war ich ln der größten Aufregung, ob es mir gelingen würde, das Geld zur Reise zusammen zu bekommen. Meine Kasse war immer leer, und meiner Mutter schmale Witwenpension reichte nicht zu solchen Extraausgaben. Ich gab Stunden für die kleinsten Preise, scharrte und sparte, und richtig, als der November vor der Tür stand, hatte ich das Reisegeld beisammen.

Ich wurde Georg anvertraut, der Mutter vor allem schwören mußte, mich in keine abenteuerlichen Unternehmungen zu stürzen, und mir nichts zu erlauben, was »gefährlich« sei. Es war meine erste große Eisenbahnfahrt, die ich machte. Sehr beklommen und sehr froh saß ich in einem Waggon dritter Klasse, an der Seite meines jugendlichen Ritters, der mich wie einen Sträfling bewachte. Angefüllt mit vielen Ermahnungen meiner lieben Mutter, deren eindringlichste immer wieder die war: »nicht zu übermütig und zu naseweis gegen junge Leute zu sein!«

Der schönste Moment der Reise war aber doch, als wir die Eisenbahn verließen und im Postwagen saßen. Wir jauchzten und jubelten um die Wette, schwenkten unsere Taschentücher und fuhren selig in die Novembernacht hinein.

Wie seltsam war es, Weißenstein im Spätherbst zu erblicken, ich kannte es ja nur im Sommerschmuck, und mit dem Leben im Garten. Aber das alte Haus war noch behaglicher, heimlicher und vertrauter als im Sommer, mit seinen prasselnden Feuern in den Kachelöfen, und den Vorsatzfenstern, zwischen denen Strohblumen, zu schönen Mustern geordnet, auf Watte lagen.

Wir waren die ersten Gäste, das ganze Haus atmete bereits Feststimmung. Die Veranda war zu einer Festhalle ausgebaut, in den Fremdenzimmern warteten hochgetürmte Federbetten auf Gäste, wer dort nicht mehr Platz fand, war bei Freunden und Bekannten im Städtchen untergebracht. Keller und Vorratskammern waren gefüllt!

Ja, es sollte ein Fest werden, wie das Städtchen noch keines gesehen, überall sprach man nur von dem einen, vom Fest. Alles sollte dabei sein, Stadt und Land, die Familie, soweit sie reisefähig war, Freunde, alte Studiengenossen, die studierenden Söhne des Hauses mit ihren Freunden, und vor allem die Korporation Livonia, die ihren Gründer mit einer Deputation der Landsmannschaft feiern wollte.

Meine Mutter war, was Toiletten betraf, von einer geradezu weltfremden Ahnungslosigkeit; dieselbe Ahnungslosigkeit besaß ich! Geld gab es für Toilettenzwecke bei uns nie »Rein und heil,« diese Devise, die über unseren Kinderjahren stand, blieb auch für unsere Jungmädchenjahre. Was würde wohl ein junges Mädchen der jetzigen Zeit zu meinen Festgewändern gesagt haben? Ein verwaschenes, weißes Batistkleidchen zum Ball, mein Konfirmationskleid himmelblau gefärbt, zum Fest, das war meine ganze Kleiderpracht. Dazu von Schneiderinnen gemacht, die man mit der Arbeit »unterstützte«, weil sie sonst infolge ihrer fragwürdigen Leistungen hungerten. Und trotz allem! Wie selig war ich! Völlig ahnungslos, wie ich unter den schön geschmückten jungen Mädchen wirken mußte! Mit dem einzigen Schmuck meiner gewaltigen, aschblonden Zöpfe, die ich lang herabhängend trug, weil ich sie auf dem Kopf durchaus nicht unterzubringen vermochte. –

Mit dem Näherkommen des Festtages strömten die Gäste von nah und fern herbei. Immer wieder klingelten die Postglocken durch die Straßen, über den Marktplatz, immer wieder stürzten wir vor die Haustür, um mit Jubel die Ankommenden zu begrüßen und sie in ihre Quartiere zu geleiten.

Die Güter schickten Kälber, Schweine, Brot, Kuchen, Würste. In der Küche regierte eine Wirtin, die von einem der Güter geschickt worden war. Unter ihr stand ein Heer von Hilfskräften, und über allem schwebte Jenny, für jeden einen Rat, einen guten Witz und einen guten Bissen bereit haltend. Tante Adele in stolzer Ruhe, stand wie ein Fels im Gewoge, nie gehetzt, nie eilig, immer vornehm, gut und klug. Aber am seligsten war Onkel, der wie ein Sturmwind überall war. Wie ein Strom ging die Freude von ihm aus, eine Freude, die immer und immer ihren Ausdruck in einem Dank gegen Gott fand.

Dazwischen verschwand er, heimlich ganze Schüsseln voll guter Sachen seinen Armen bringend. In Verzweiflung aber gerieten Jenny und Tante Adele, als Onkel sich einen ganzen Vormittag in seinem Zimmer einschloß. Es roch verräterisch nach Siegellack, und dann sah man ihn heimlich mit vielen Paketen auf die Post ziehn. Er hatte Konfekt und Gebäck in Schachteln gepackt, und an ferne Freunde und Verwandte versandt.

Das ging nicht so weiter, Tante Adele griff entschlossen ein. Sie wagte es, ihrem Eheherrn Vorwürfe zu machen, »so dürfe er nicht handeln, denn wie solle man da die Gäste befriedigen!«

Er war ärgerlich, denn es paßte ihm gar nicht, in seinem Tun gehindert zu werden. Er strafte uns damit, daß er eine ganze Weile nur in höflichem Ton mit uns sprach, immer betonend, »da er nichts zu sagen habe« – er nannte seine Frau »die Gnädige« oder »Katharina die Große«, dann zog auch diese kleine Wolke vorüber, und Freude und Liebe regierten wieder.

Ein ergreifender Moment war es, als Onkels alter Jugendfreund, Gregor von Helmersen, ankam. Er und Onkel waren die einzigen noch lebenden Stifter der Korporation Livonia. Ich sehe noch die beiden, wie sie Hand in Hand unter die Gäste traten. Herr v. Helmersen groß, schlank, mit herrlichem Aristokratengesicht und ruhigen, vornehmen Bewegungen. Onkel klein und untersetzt, beweglich, sprühend und funkelnd von Geist und Leben. Von der Schulbank her stammte ihre Freundschaft, die erst mit dem Tode endete.

Tage voll Freude, Jubel und Schönheit, wer könnte euch schildern! Es war, als hätte jeder die Sorgen und Lasten seines Lebens für die Zeit beiseite gestellt und wurde wieder jung und sorglos. Wie ein Sturm hatte die Freude alle erfaßt, der alles mit sich fort riß. Am Festtage konnten die Räume die Fülle der Gäste kaum fassen, alles drängte sich um den Jubilar, jeder wollte seine Hand fassen, ihm danken, ihm zeigen, wie er ihn liebte und ehrte.

Plötzlich eine Bewegung unter den Gästen, im Zuge über den Marktplatz kommen die Delegierten der Korporation Livonia. Voran der Senior mit der mächtigen, seidenrauschenden Livonenfahne, die Jünglinge sind alle geschmückt mit breiten Schärpen in den Farben der Korporation, die entblößten Schläger in den Händen tragend. So treten sie in den Festsaal, alles weicht zur Seite, läßt eine Bahn frei bis zum Jubilar. Die Fahne senkt sich tief vor dem alten Stifter, der sie mit strahlenden Augen grüßt. Er steht im Kreise seiner Söhne, die rot-grün-weiße Studentenmütze auf seinen Locken, stolze Freude in den jung blickenden Augen. Neben ihm steht sein Jugendfreund in voller Generalsuniform, geschmückt mit hohen Orden, aber auch auf seinem weißen Haupt liegt die farbige Studentenmütze.

So empfängt Onkel die Abgesandten seiner Korporation, einer Bruderschaft, die er vor mehr als fünfzig Jahren gegründet, und die Freude und Segen in das Leben vieler Jünglinge getragen, für sie ein festes Band bildend bis ins späteste Mannesalter hinein. Er spricht Worte zu ihnen, die ihre Herzen bewegen, das sieht man an den jungen Gesichtern. Ja, diese Jünglinge sollen nun in der Korporation die Ideale vertreten, und dann die Gedanken weiter ins Leben tragen, die er vor Jahren in die Verbindung gepflanzt. »Den Idealen treu bleiben und sein Leben in den Dienst der Heimat stellen.«

Er spricht in Versen, sie strömen ihm von den Lippen; als er geendet, klingt brausend das Livonenlied, von ihm als Jüngling gedichtet, durch den Raum. Mancher wischt da still eine Träne von den Wangen. Abends gab es Aufführungen, Scherz und Ernst, alles selbst gedichtete Verse, Theatervorstellungen, lebende Bilder, zum Schluß einen glänzenden Ball, den ich mit Georg eröffnete.

Tagelang blieb man beisammen, sang, lachte, aß und trank. Jeden Morgen hielt Onkel mit seinen Gästen seine hinreißenden Bibelstunden, jubelnd sangen wir unsere Choräle, und mit einem Lob- und Dankeslied schloß jeder herrliche Tag.

Wie man es nur ertragen konnte, so tagelang auf den hohen Wogen der Freude zu leben, muß ich jetzt manchmal denken. – Fast eine Woche dauerte es, bis die Gäste sich wieder zerstreuten und bis das Leben im Hause wieder seinen gewohnten Gang weiterging.

Für mich fiel in diese Zeit ein Ereignis, das mich aus meinen Kinderträumen aufschreckte: mein erster Antrag.

Der um mich warb, war ein Student der Theologie, der seine Gymnasiastenzeit zum Teil in unserem Hause verbracht hatte, eine feine, edle Mannesnatur, die ich aber in meiner kindisch phantastischen Seele damals gar nicht begriff. Das Verständnis für ihn ist mir erst viel später aufgegangen, und er ist mir ein lieber Freund geworden. Damals imponierte er mir wenig, und wer mir nicht imponierte, an dem ließ ich meinen Übermut aus.

Mein Betragen gegen Richard, wie er hieß, hatte mir manch mütterliches Donnerwetter zugezogen.

Er war gesellschaftlich ungewandt, konnte sich an unseren übermütigen Wortgefechten nicht beteiligen und war in unserem Kreise kein Führer.

Wie grausam kann man doch sein, wenn man jung ist, und mir gegenüber war er wehrlos. Niemals aber habe ich damals an eine Liebe von seiner Seite auch nur im Traume gedacht. Vielleicht war ich verwöhnt und zu sehr gewohnt, daß man mich gern hatte, doch war mir das so selbstverständlich, daß ich nie darüber nachdachte. An die Liebe dachte ich wohl manchmal und träumte von ihr, nach Mädchenart, doch schwebten diese Dinge in den Wolken, waren fern und phantastisch und entbehrten jeder Realität.

Wie ein Wolkenbruch kam dieses Ereignis mitten hinein in meine strahlende Festesfreude, in meine ahnungslose Seele, die noch in festem Kinderschlaf ruhte.

Ich lasse mein Tagebuch über dieses Erlebnis berichten:

 

Den 15. November.

Ich wollte, ich wäre tot, so furchtbar erschrocken bin ich heute!

Ein Abgrund hat sich vor mir aufgetan, der mich verschlingen will! Richard sagte so schreckliche Worte, er liebe mich und wolle mich heiraten. Ach warum hat er sich nur so Schreckliches ausgedacht, das mir alle Freude am Leben verdorben hat!

Wie kam er nur darauf? Ich habe jetzt nur ein Gefühl für ihn, das der Angst. Am Abend, als die Vettern und er wieder abreisen wollten, rief er mich für einen Augenblick ins leere Speisezimmer, er sagte, er habe einen Brief von Mutter, den er mir zeigen müsse. Ich folgte ihm sehr ungern, denn ich hatte ein rasend schlechtes Gewissen. Ich war recht unverschämt die Tage gegen ihn gewesen. Das kam nämlich daher, weil mich alle mit ihm neckten, das ärgerte mich so schrecklich! Ich dachte, für mich würden in Mutters Brief Ermahnungen stehen, die ich gar nicht hören wollte, doch wappnete ich mich innerlich gegen sie. Ich dachte schon, es ist am besten, ich sage es ihm, warum ich mich gegen ihn so schlecht betrug, da sah ich sein Gesicht, das ganz blaß war. »Na,« dachte ich, »so wütend braucht er nun auch nicht gerade zu sein.« Ich fing an, mich zu entschuldigen, er aber ließ mich gar nicht sprechen, unterbrach mich mit zitternder Stimme: »Lesen Sie Mutters Brief.« Ich fing an zu lesen und verstand zuerst gar nichts. Da stand, er solle warten, vorsichtig sein, ich sei so kindisch und so trotzig, er wüßte ja, ihren Segen hätte er, und so was! »Ja, was soll das?« fragte ich. Eine schreckliche Ahnung kam über mich, da sah ich in sein Gesicht; schneeweiß war es! Er stieß sinnlose Worte mit zitternden Lippen heraus, da wußte ich die Wahrheit! Ein namenloser Schreck überfiel mich, dann ein wilder Zorn! Das war ja eine abgekartete Geschichte, und Mutter hatte mich ihm ausgeliefert!

Ich nahm den Brief, ballte ihn in meiner Hand zum Knäuel und warf ihn weit fort, und stürzte dann fort, in Jennys Zimmer. Er kam mir nach, er stand in der Tür: »Sie müssen mich hören!« sagte er außer sich.

Ich dachte, ich müßte tot hinfallen, wenn ich ihn hörte. Aber ich war gefangen, denn in der Tür stand er und versperrte den Ausgang. Ich weinte laut auf, aber dann mit einem schnellen Entschluß stürzte ich auf ihn zu, und stieß ihn mit aller Kraft zur Seite, und schlüpfte unter seinem erhobenen Arm hinaus; ich war gerettet.

Ich lief zu den andern, hielt mich immer an die andern, damit er mich nicht allein festbekommen könne. Ach, es war mir, als sähen sie mir alle an, was geschehen, ich schämte mich so sehr, und dachte immer nur: »Könnte ich mich doch in die Erde verkriechen!« Aber es muß doch ein jeder einsehen, daß ich ihn nicht heiraten kann!

Endlich stand der Postwagen vor der Tür, sie fuhren alle ab! Nun sind wir allein. Die Festfreude ist verrauscht, und ich mußte so viel heimlich weinen, auch aus Zorn, daß Mutter es so gern will, daß ich ihn heirate. Kennt sie mich so wenig? Nun bin ich aus meinem Frieden gestoßen und sehr unglücklich, denn ich habe einen Menschen unglücklich gemacht!

Am andern Tag früh war ich allein im Garten, alles war traurig, voller Dunkelheit und Herbstlichkeit. Da kam Georg, er hatte einen Brief in der Hand, und sah verdonnert und aufgeregt aus.

»Diesen Brief soll ich dir geben, von Richard,« sagte er und steckte mir den Brief in die Hand. Da faßte mich ein heißer Zorn und Empörung: »Auch Georg verläßt mich und will, daß ich Richard heirate!« dachte ich. Ich riß ihm den Brief aus der Hand und warf ihn ihm vor die Füße, und sagte, er solle diesen Brief selber lesen, und sich schämen, so gegen mich zu sein!

Ich fing an zu weinen, so verlassen fühlte ich mich von allen, und alles war so schrecklich! Da fühlte ich mich plötzlich um die Taille gefaßt, ein Indianergeheul brach aus Georgs Kehle, und er riß mich in wildem Tanz mit sich fort, immer in die Runde. Erst wehrte ich mich, dann mußte ich doch lachen, und wir drehten uns, bis wir beide nicht mehr konnten. Dann fiel ich atemlos lachend auf eine Bank, Georg blieb vor mir stehen. »Ich dachte, du wirst Richard heiraten,« sagte er, als er Atem hatte. Wieder kam der Zorn über mich. »Alle erwarten es!« sagte er entschuldigend.

»Du bist ein Esel!« sagte ich heftig, »soll das mein Ende sein? Das fehlte mir noch gerade! Du solltest mich doch kennen! Ich heirate noch lange nicht, und Richard schon gar nicht, das ist so sicher, wie sonst nichts in der Welt!« Nun haben sie alle mit mir geredet, Tante Adele, Jenny, ich solle mir's doch überlegen, und bedenken – ja, mein Gott, was denn? »Daß er ein guter Mensch ist!« Daraus mache ich mir nun schon gar nichts, lieber schon ein bißchen schlechter und dabei interessant. Gute Männer gibt es genug in der Welt, da hätte man viel zu tun, wollte man die alle heiraten! Ich würde mich ja zu Tode mit ihm langweilen.

Und das soll dann das ganze herrliche Leben sein, auf das ich mich so freue, auf das ich so neugierig bin? Nein, und tausendmal nein!

 

18. November.

Und wenn ich mich totweine, ich muß nein sagen! Es kam ein langer Brief. Ich muß zu meiner Schande sagen, daß ich ihn nicht ganz durchlas. Es stand zu viel von Liebe darin. Ach! er liebt mich von meinen Kinderjahren an! – Nun bin ich aber ruhiger geworden, ich suchte mich zu zerstreuen, das half!

Heute zog ich Onkels Wasserstiefel an und ging allein in die weite Welt, in den hellen Herbsttag hinein. Und als ich so über die einsamen Felder wanderte, die so unbegrenzt vor mir lagen, und ich weit ins Land hinaussah, in die klare Herbstluft hinein, da ließ ich den Wind durch mich blasen, stark und kräftigend, und da war es, als machte er mich froh und gesund. Ich dachte plötzlich: »Richard wird schon eine Frau finden, die besser zu ihm paßt als ich und ich habe gewiß nicht sein Leben zerstört!« Und alles, was mich diese Tage gequält, fiel von mir ab. Da strömte es wie jauchzendes Entzücken durch mein Herz: »Du bist frei! Frei, wie der Wind, der durch die Felder streicht, frei wie die Wolken hoch am Himmel, du bist an keinen Mann gebunden, dem du dich opfern mußt. Noch liegt das Leben frei vor dir, mit all seiner Herrlichkeit, – wer weiß, was es dir noch alles bringen wird?«

Und jauchzend und atemlos stürmte ich vorwärts, dankte Gott und sang laut in die Welt hinein: »Ich bin frei! Ich bin frei!« Und dann stieg ich auf einen Zaun, hoch oben stand ich, riß mir den Hut vom Kopfe, schwenkte ihn in der Luft und grüßte meine Freiheit.

Ganz wild und heiß kam ich heim! Onkel saß in seinem Zimmer. Ich sah durch die Tür: »Onkel! Ich bringe die Wasserstiefel glücklich wieder heim!« Onkel, der eigentlich fürs Heiraten ist, sah zu mir hin; er ist ein wenig unzufrieden mit mir gewesen, hat aber nichts gesagt, alle diese Tage. Ich setze mich in den alten Lehnstuhl zu ihm: »Onkel, ich bin wieder froh!«

»So, so,« sagt er. Plötzlich braust er los: »Warum willst du denn nicht heiraten? Du Frauenzimmer, denkst du denn, du kannst ohne Mann auskommen?« »Gewiß denke ich das!« sage ich keck. »Was willst du denn?« sagt er halb ärgerlich. »Ganz was Besonderes,« sage ich. »Richard war doch nichts Besonderes.« Onkel lacht halb wider Willen. »Du wartest wohl auf Karl den Großen mit seinem Schwert?« sagt er. »Ich warte nicht gerade auf ihn,« sage ich, »aber wenn er kommt, dann nähme ich ihn gleich!«

»Du wirst noch manches erleben,« sagt Onkel drohend, »aber das sage ich dir, wenn du das nächste Mal ohne Mann hierher kommst, dann werfe ich dich hinaus!«

»Onkel,« sag' ich, »schaff' mir einen Mann, wie du es warst, als du jung warst, den nähme ich noch lieber als Karl den Großen!«


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