Horaz
Horazens Briefe
Horaz

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Zweiter Brief
An Julius Florus

Einleitung

Diese Epistel ist eben derjenigen Person zugeschrieben, an welche der dritte Brief des ersten Buches gerichtet ist. Was Julius Florus unserm Dichter, und was er dem Tiberius gewesen, sagt uns Horaz selbst. Ein alter ungenannter Scholiast macht ihn zu einem Satirenschreiber; mit welchem Grunde, ist mir unbekannt. Daß er unter die schönen Geister derselben Zeit gezählt worden, und artige Verse gemacht habe, erinnern wir uns vielleicht noch, ebenfalls von Horaz gehört zu haben; aber die Ausdrücke – »quae circumvolitas agilis thyma, und seu condis amabile carmenL. I. epist. 3. v. 21. 24« – lassen eher einen Dichter in der leichten, gefälligen, scherzhaften Catullischen Art, als einen Satirenschreiber vermuten; und dies scheint auch die Stelle in dieser Epistel zu bestätigen, wo ihm Horaz sagt:

Du liebest Lieder;
ein andrer Jamben; einem dritten will
nichts schmecken, was mit Bions scharfem Witz
nicht stark gesalzen ist.

Wenn Florus in dem letztern Falle gewesen wäre, so würde Horaz von ihm gesagt haben, was er von diesem dritten sagt.

Wie dem auch sei, die Epistel selbst kann, insofern sie uns die damalige literarische Welt in Rom, wiewohl nicht von ihrer vorteilhaftesten Seite, schildert, als ein Seitenstück zu der vorhergehenden an August betrachtet werden. Sie hat mit der ersten Epistel an Mäcen beinahe einerlei Veranlassung und Absicht, und liefert nicht unbeträchtliche Zusätze, zu der neunzehnten (oder dritten Epistel an Mäcen) im vorigen Buche. Julius Florus, der sich mit dem Tiberius, seinem Patron, abwesend befand, hatte unserm Dichter Vorwürfe darüber gemacht, daß er ihm gewisse längst versprochene Gedichte noch nicht geschickt habe. Horaz machte zwar, seitdem er den Mäcen versichert hatte,

nunc itaque et versus et cetera ludicra pono

noch immer Verse, so oft ihn die Lust dazu anwandelte; aber er wollte nicht dazu genötigt sein – und er protestierte, je länger je mehr, gegen alle Ansprüche, die man von dieser Seite an ihn machte, um so ernstlicher, je weniger es ihm anstand, mit den Poeten und schönen Geistern von Profession – womit Rom angefüllt war, ohne daß sich die römische Literatur desto besser dabei befand – in einer Kategorie zu stehen. Er speiset also seinen jungen Freund mit einer langen Reihe von Entschuldigungen ab, deren jede eine Ursache ist, warum er sich auf die versprochenen Gedichte keine Rechnung zu machen habe.

Die Art, wie er diese Ursachen vorträgt, erhält durch eine gewisse, halb wirkliche, halb angenommene, üble Laune ein Salz, das sich besser empfinden als beschreiben läßt. Das Lächerliche, womit er seine anmaßlichen poetischen Zunftgenossen reichlich beträufelt, hat die zwiefache Tugend: erstens, mit einer so naiven Gutherzigkeit vorgebracht zu sein, daß es die getroffnen Herren selbst kaum übel nehmen konnten; und zweitens, so wahr zu sein, daß alles noch jetzt so gut paßt, als ob es recht ausdrücklich für unsre Zeit und mitten unter uns geschrieben worden wäre. Ich hätte noch eine dritte Tugend hinzusetzen sollen, zumal da es im Grunde die verdienstlichste ist, nämlich: daß er (nach seiner Gewohnheit) seine Satire durch eine Menge feiner Bemerkungen und Winke, besonders durch die schöne Stelle – At qui legitimum cupiet fecisse poema, etc., worin er den Charakter und das Verfahren eines echten Virtuosen in der Musenkunst darstellt, lehrreich zu machen gewußt hat.

Die moralischen Betrachtungen, womit er diese Epistel schließt, sind die Philosophie aller seiner Briefe, so wie diese die Philosophie seines Lebens war. Sie können uns daher nicht neu sein: aber die Grazie, die ihm immer zur Seite schwebt, gießt einen Reiz über sie aus, der den Reiz der Neuheit wert ist; und auch die bekanntesten Dinge werden durch die Manier und den Ton, womit er sie sagt, so interessant, daß man ihm Tage lang zuhören möchte.


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