Horaz
Horazens Briefe
Horaz

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Horazens Briefe
Zweites Buch

Erster Brief
An Augustus

Einleitung

Die Veranlassung dieses an August gerichteten Diskurses wird von einem neuern Schriftsteller so erzählt: –

»Augustus, bezaubert von den Sermonen des Horaz, die ihm Mäcenas zu lesen gegeben, und überzeugt, daß sie sich bis in die späteste Nachwelt erhalten würden, ließ eine Menge Abschriften davon machen, und wünschte seinen Namen darin zu sehen. Er erwies sogar dem Dichter die Ehre, ihm ein Handbriefchen zu schicken, worin er, nachdem er sehr rühmlich von seinen Werken gesprochen, ihm einige Unzufriedenheit darüber bezeigt, daß sie nicht an ihn gerichtet seien. Warum, schreibt ihm August, willst du mir keine Stelle in deinen Dialogen gönnen? Besorgst du etwa, die Nachwelt möchte dirs übel nehmen, wenn du sie sehen ließest, daß du auf einem freundschaftlichen Fuß mit mir gestanden?«Mémoires de la Cour d'Auguste, édit. de 1781. Tom. II. p. 465.

Wir wissen nicht, was für geheime Nachrichten die Verfasser dieses Werkes (dem übrigens durch diese Anführung an seinem übrigen Werte nichts benommen sein soll) gehabt haben können; oder vielmehr, wir wissen ganz gewiß, daß sie hier aus keiner andern Quelle schöpfen konnten, als aus der bekannten kleinen Lebensbeschreibung unsers Dichters, welche den Namen des Suetonius an der Stirne führt, und, wenn auch kein untergeschobenes, doch gewiß ein ziemlich verunstaltetes Werk dieses berühmten Biographen der zwölf ersten Cäsarn ist.

Wer jene Erzählung des neuern Autors mit dieser ihrer Quelle vergleicht, kann sie als ein Beispiel ansehen, wie die Neuern gewöhnlich mit der alten Geschichte zu verfahren pflegen; und wieviel die Zuverlässigkeit dabei verliert, wenn ein Verfasser, des lebhaftern Vortrags wegen, seiner Einbildungskraft erlaubt, den Mangel historischer Nachrichten mit willkürlichen Dichtungen auszufüllen. Denn alles, was Suetonius von der Sache sagt, besteht bloß in folgendem: »August, nachdem er einige von Horazens Sermonen gelesen, habe sich darüber, daß seiner nicht darin erwähnt worden, folgendermaßen beschwert: Wisse, daß ich böse auf dich bin, daß du dergleichen Schriften nicht vorzüglich (oder größtenteils) an mich richtest. Fürchtest du etwa, es möchte dir bei der Nachwelt zur Schande gereichen, für einen meiner guten Freunde gehalten zu werden?«Iratum me tibi scito, quod non in plerisque eiusmodi scriptis mecum potissimum loquaris. An vereris, ne apud posteros infame sit, quod videaris familiaris nobis esse? – Durch diesen Vorwurf, meint der Verfasser der Vita Horatii, habe August unserm Dichter die gegenwärtige Epistel abgedrückt; und in der Tat, wenn die Echtheit dieser Anekdote außer Zweifel wäre, so könnte man wohl sagen, er habe dem armen Dichter diese Epistel mit dem Dolch auf der Brust abgezwungen.

Beim ersten Anblick scheint nichts unwahrscheinlicher, als daß Augustus, der sich, um diese Zeit, ohne übertriebne Einbildung als die erste Person in der Welt ansehen konnte, sich eines so auffallenden Ausdrucks gegen unsern Dichter bedient haben sollte. Denn, wann sollte er so gesprochen oder geschrieben haben? In den Zeiten des Triumvirats könnte ihm sein Gewissen vielleicht noch wohl, in einem unbewachten Augenblick, einen solchen Gedanken – aber, wenn auch einen solchen Gedanken, doch gewiß keinen solchen Ausdruck – abgenötigt haben. Allein diese Epistel ist, unstreitig, wenigstens acht Jahre nach der Epoke geschrieben, wo die große Verwandlung des Usurpators Octavius Cäsar in einen gesetzmäßig regierenden August vorgegangen war. Wenn sie also als eine unmittelbare Frucht des Vorwurfs, den er unserm Dichter gemacht haben soll, anzusehen wäre: so müßte dieser Fürst – zu einer Zeit, da die Dankbarkeit der Römer für das gegenwärtige Gute, das sie als Seine Wohltat ansahen, alle Erinnerungen des vergangnen Elends, mit dessen Schuld sie die Zeit und den bösen Dämon der Republik belasteten, verschlungen hatte – zu einer Zeit, da er im eigentlichen Verstand der Abgott der Römer war, und gleichsam in der Atmosphäre des Weihrauchs lebte, der täglich von tausend Altären zu ihm aufstieg, und ihn mit der süßen Täuschung, geliebt und angebetet zu sein, berauschte – fähig gewesen sein, sich selbst auf eine seltsame Art zu vergessen, und zu einem Ausdruck herabzusinken, der nur einem Tyrannen, der seine Infamie in der Nachwelt vorausfühlt, und auch einem solchen nur in einer starken Abwesenheit des Geistes, entwischen zu können scheint. Kann etwas Unglaublichers sein?

Man könnte allenfalls dieser anscheinenden Ungereimtheit dadurch entgehen, wenn man annähme, daß die Anekdote nur zur Hälfte wahr sei. August, dessen Eitelkeit nach allen Arten von Verherrlichung geizte, könnte gar wohl, zwischen Scherz und Ernst, einige Empfindlichkeit darüber geäußert haben, daß Horaz keinen von seinen sogenannten Sermonen an ihn gerichtet, oder (was sich noch eher glauben ließe) er könnte einige Verwunderung darüber gezeigt haben, daß ein so vorzüglicher Dichter, wie Horaz ihm vermutlich von Mäcenas, Pollio und andern angepriesen worden war, sein Talent nicht auf eine patriotischere Art anwende – sich nicht, nach dem Beispiel eines Varius und Virgil, unmittelbarer um den Staat verdient mache, und die alten Helden der römischen Republik, oder die großen Begebenheiten seiner eignen Zeit zum Gegenstand seiner Muse wähle. Horaz, könnte man sagen, habe den Wink verstanden: da er aber entschlossen gewesen, seinen eignen Weg zu gehen, und keiner andern Muse zu folgen, als seiner Laune oder dem lebhaften Gefühl des Augenblicks; kurz, da er aus guten Ursachen sich in kein großes Werk, am wenigsten von der Art, wie ihm August oder Mäcenas gern zugemutet hätten, einlassen wollen: so habe sichs wenigstens geziemt, seine Entschuldigungen an Augusten selbst zu richten; und er habe sich vermutlich um so lieber dazu bequemt, weil er dadurch Gelegenheit bekommen, die Begriffe dieses Fürsten von der römischen Literatur in manchen Stücken zu berichtigen, und so, unter dem Schein, als ob dies der Hauptgegenstand seines Diskurses sei, die Entschuldigungen, die es wirklich waren, auf eine ungezwungne Art herbeizuführen.

So scheinbar diese Auflösung des Knotens beim ersten Anblick sein möchte, so wird sich doch eine andere, die mit dem Texte des Suetonius besser zusammenstimmt, von selbst ergeben, wenn wir das wahre Verhältnis zwischen unserm Dichter und August genauer bestimmt, und zu diesem Ende einige Betrachtungen über den Charakter des Letztern, und seinen Einfluß auf die Literatur seiner Zeit überhaupt, vorausgeschickt haben werden; eine Arbeit, der wir uns in der Einleitung zu dieser Epistel um so weniger entziehen können, da sich daraus ein Licht über sie verbreiten wird, ohne welches vielleicht manche von ihren feinern Schönheiten unempfunden bleiben würde.


Über den Charakter des Augustus

Ich weiß nicht, ob die Geschichte in ihrem ganzen Umfang einen Sterblichen aufzuweisen hat, dessen Charakter zweideutiger, rätselhafter und schwerer unter einen Hauptbegriff zu fassen wäre, als eben dieser Augustus, von welchem, als der ersten Figur in dem großen Gemälde dieser Zeit, in gegenwärtigem Werke schon so oft die Rede gewesen ist. Wer, der die Begebenheiten der funfzehn Jahre seines Triumvirats, unter dem Namen Octavianus, und die Geschichte der übrigen zwei und vierzig Jahre seiner Regierung, in einem andern Buche unter dem Namen Augusts gelesen hätte, könnte sich vorstellen, daß er das Leben einer und eben derselben Person gelesen habe? Daß der feigherzige, undankbare, treulose, kaltblütiggrausame junge Bösewicht, dem keine Bande der Natur, keine Gesetze der menschlichen Gesellschaft, keine Verhältnisse des Lebens, mit einem Wort, dem nichts Göttliches noch Menschliches heilig, dem zu Beruhigung seiner mißtrauischen Furchtsamkeit, und zu Erreichung seiner ehrsüchtigen Plane kein Bubenstück zu schändlich war, – eben derjenige sei, der unter dem Namen August eine den Römern von jeher so verhaßte Autokratie durch eine Mäßigung, eine Klugheit, eine Aufmerksamkeit und Tätigkeit für das allgemeine Beste, die fast ohne Beispiel ist, beliebt und zu einer Wohltat für die Welt gemacht; – eben derjenige sei, mit dessen Namen die Römer ihre folgenden Beherrscher zu jeder Tugend eines guten Fürsten, eines allgemeinen Vaters, eines wohltätigen Genius, zu verpflichten und einzuweihen glaubten? – Es scheint unbegreiflich, und doch ist nichts gewisser, als daß der nämliche Mann in verschiedenen Perioden seines Lebens beides war.

Die Geschichte der Menschheit kennt kein andres Beispiel einer solchen Verwandlung; die Natur scheint, ohne ein Wunder, welches hier schwerlich jemand annehmen wird, keine solche Verwandlung zuzulassen; und diese seltsamste unter allen seltsamen Erscheinungen würde immer ein unauflösliches Rätsel bleiben, wenn wir nicht den Schlüssel dazu gebrauchten, den uns Augustus selbst in dem einzigen aufrichtigen Augenblick seines Lebens – in seinem letzten – gegeben hat. Nun, sagte er zu seinen umstehenden Vertrauten, dünkt euch, daß ich den MimusGebärdenspiel, oder, wie wirs nennen, Pantomime. Tragische und komische Süjets wurden in diesem damaligen Lieblingsschauspiel der Römer, wo nicht bloß, doch hauptsächlich durch Gebärden und Bewegungen gespielt, oder getanzt, wie man es damals hieß, weil alles seinen gewissen Rhythmus hatte, und mit Musik begleitet war. des Lebens leidlich gespielt habeEcquid iis videretur mimum vitae commode transegisse? Sueton. in. Aug. c. 100.?

August hätte sich nicht deutlicher über das, was wir von seinen so hoch gepriesenen Tugenden zu denken haben, erklären können, als durch diesen Ausdruck. Es würde uns zu weit von unserm Vorhaben abführen, dies umständlich zu entwickeln. Genug, daß durch diesen Aufschluß alle löblichen Handlungen seines Lebens in ihr wahres Licht gestellt, alle die schönen Gestalten, unter welchen er sich, von seinem vier und dreißigsten Jahre an, der Welt zeigte, begreiflich werden, und nichts Bewundernswürdiges mehr an ihm übrig bleibt, als die Kunst, womit er die Rolle, die ihn Mäcenas und Agrippa spielen gelehrt hatten, über vierzig Jahre auszuhalten wußte. Und auch da verliert sich noch viel von unsrer Bewunderung, wenn wir den mitwirkenden Ursachen – der Geschicklichkeit seiner Vertrauten, seiner eignen Schwäche und nie gänzlich schlummernden Furcht vor dem Schicksal Julius Cäsars, seiner Eifersucht über die großen Eigenschaften des Agrippa und die vielversprechenden Tugenden des jungen Marcellus, seines Schwester-SohnsIch bin überzeugt, daß die Welt, in den ersten Jahren seiner alleinigen Oberherrschaft über das Römische Reich, der bloßen natürlichen Wirkung, welche ein so großer Mann wie Agrippa, und ein so hoffnungsvoller Jüngling wie Marcellus, auf den zaghaften und so viel Böses sich bewußten Usurpator machen mußte, mehr, als man gewöhnlich in Anschlag bringt, von seinen Tugenden zu danken gehabt habe. Alle Augen waren mit Bewundrung und Vertrauen auf diesen Mann, mit Liebe und Hoffnung auf diesen Jüngling geheftet, dessen im Jahr 731 erfolgter frühzeitiger Tod als eine das ganze Reich betroffne Kalamität beweint wurde. Augustus mußte wenigstens zu sein scheinen, was jene waren; mußte alle die Tugenden, die ihre Namen den Römern so wert machten, zu ehren und zu lieben scheinen, wenn die Römer ganz und auf immer vergessen sollten, was er gewesen war. Wie leicht hätten sie nicht einmal unversehens gewahr werden können, daß Agrippa des ersten Platzes in der Welt würdiger sei, als Er? Oder wie leicht konnte sie ein präsumtiver Erbe wie Marcellus ungeduldig machen, die Zeit seiner Sukzession abzukürzen?, – und endlich, nachdem er alle Freunde seiner schönsten Jahre überlebt hatte, dem Einfluß der staatsklugen Livia, und der Gewohnheit, die zur andern Natur wird, – so viel Wirkung zuschreiben, als jede dieser Ursachen natürlicherweise auf ihn machen mußte.

Augustus spielte also, seine ganze glorwürdige Regierung durch, nur Komödie mit den albernen Römern. Er war nur Komödiant, wenn er sich die unbeschränkte Herrschaft, die er schon besaß und nie im Ernst abzutreten Lust hatte, stückweise und nach und nach unter allen möglichen legalen Titeln vom Senat und Volk aufzwingen ließ; er war Komödiant, wenn er die Mäßigung eines Privatmanns affektierte, und doch erlaubte, daß ihm Altäre gebaut und Tempel gewidmet wurden; Komödiant, wenn er einen bis auf die unbedeutendsten Kleinigkeiten ausgedehnten Respekt gegen die alten Gesetze und Formen spielte, denen er doch alle Augenblicke mit Gewandtheit zu entschlüpfen wußte; Komödiant, wie er die Mailänder, bei Erblickung einer dem M. Brutus (ihrem ehemaligen Patron) errichteten Bildsäule, wegen dieses Beweises ihrer Dankbarkeit und Treue gegen das Andenken eines unglücklichen Freundes, öffentlich lobte. Und er, der eine so große Leichtigkeit hatte, alle Arten von Regenten-Tugenden zu agieren, sollte er nicht auch Komödiant gewesen sein, wenn er mit einer Liebe der Musen Parade machte, die gewiß nie in eine so kalte, falsche und selbstische Seele wie die seinige gekommen ist, noch jemals kommen wird?

Die gelehrte Erziehung, die er in seiner ersten Jugend zu Apollonia erhielt, war entweder nicht darauf gerichtet, die Untugenden seiner natürlichen Sinnesart zu verbessern, und das feinere Gefühl des Schönen und Guten in ihm zu entwickeln, welches die wahre Grundlage der Tugend und der so nahe mit ihr verschwisterten Liebe der Musen ist – oder sie wurde durch den Tod seines Groß-Oheims, dessen Erbe er war, zu früh unterbrochen, um von merklichem Nutzen zu sein. Wenige Monate in dem neuen Element, worein er auf einmal geworfen wurde, in dem raschen Wirbel der Staatsangelegenheiten, in den er sich, ohne zu wissen wie ihm geschah, hineingezogen fand, in dem schwindlichten Taumel einer Größe und Wichtigkeit, wozu er mit Gewalt erhoben wurde, ohne sie ertragen zu können – eine sehr kurze Zeit in solchen Umständen war weit mehr, als es brauchte, um das wenige Gute, was die Mode-Erziehung eines jungen Römers von Stand und großen Erwartungen bewirken konnte, wieder auszulöschen. Der alte Cicero, der sich geschmeichelt hatte, der Mentor dieses Telemachs zu sein, sah sich gar bald in einer so unwahrscheinlichen Hoffnung aufs grausamste betrogen, und bezahlte die Schuld, die er an der gesetzwidrigen Erhebung dieses zweideutigen Knaben zu einem Protektor der Republik hatte, mit seinem grauen Kopfe. Der junge Octavius Cäsar überließ sich, sobald er sich nur von ihm loswickeln konnte, seinem natürlichen Hang, warf sich dem Antonius in die Arme, verlor in der Gesellschaft des Abschaums von Rom jeden Rest von Scham und Zurückhaltung, und entfaltete in den ersten Jahren des berüchtigten Triumvirats einen natürlichen Charakter, dem nichts als Mut und Stärke fehlte, um ihn zu einem zweiten Sulla zu machen.

Eine schwächliche Leibesbeschaffenheit, die schon in seinem ein und zwanzigsten Jahre den Folgen seiner Ausschweifungen unterlag, und eine natürliche Furchtsamkeit, die allen seinen tätigen Leidenschaften die Waage hielt, rettete Rom vom gänzlichen Untergang, und ihn selbst von der Schande, der Nachwelt bloß als der Zerstörer seines Vaterlandes bekannt zu sein. Die Schrecknisse des allgemeinen Hasses, dessen er sich würdig fühlte, zwangen ihm den Wunsch ab, Liebe zu verdienen, und das Verlangen nach seiner eignen Sicherheit wurde die Sicherheit des Staats.

Aber wie viel Gutes mußte er tun, um die Folgen des Bösen, das er nicht wieder ungeschehen machen konnte, zu vergüten! Was für Pflichten legte ihm eine solche Entschließung auf. Niemals würde er fähig gewesen sein, ihr getreu zu bleiben, wenn er in der Ausführung seinen eignen Kräften überlassen gewesen wäre. Allein, da er weiter nichts zu tun hatte, als zu dem, was ein Agrippa, ein Mäcenas, ein Pollio, ein Messala, an seiner Statt dachte und tat, seinen Namen herzuleihen; er die sichre Bahn, die ihm diese Männer vorzeichneten und bahnten, nur zu gehen, die Talente und Tugenden, die sie hatten, nur zu heucheln, und von ihren Arbeiten, ihren Gefahren, ihren Verdiensten nur die Früchte einzuernten brauchte: so fühlte er sich durch die Leichtigkeit der Ausführung so aufgemuntert, durch die fremden Kräfte, die ihm geliehen wurden, so gestärkt, durch den über alle seine Hoffnung glücklichen Erfolg mit so viel Vertrauen auf seinen Genius erfüllt, daß er Lust zum Werke bekam, und alle seine Aufmerksamkeit anstrengte, die Bemühungen seiner Freunde durch seine eignen zu unterstützen. Er studierte die Rolle, die sie ihn spielen lehrten, mit unermüdetem Fleiße; und, da er nicht ohne Talent zur hypokritischen Kunst war, lernte er sie so gut spielen, daß sie ihm endlich natürlich wurde. Er schien wirklich der Mann zu sein, den er vorstellte; die zu ihrem eignen Glücke getäuschten Römer erleichterten ihm die Mühe, sie zu betrügen, indem sie die Augen freiwillig zuschlossen; und, so groß wird die mit der Zeit vermehrte Kraft der Gewohnheit, daß er zuletzt selbst den künstlichen Charakter, den er so lange nur als Maske getragen hatte, wenigstens in gewissen Momenten, mit seinem eignen verwechselte, und wahre Tränen weinte, als ihm, an dem schönsten Tage seines Lebens, der glorreiche Name Vater des Vaterlandes von einem Volke, das sich glücklich durch ihn fühlte, mit schwärmerischer Liebe aufgedrungen wurde.

Agrippa und Mäcenas, denen die Welt für diese wundersame Verwandlung eines tyrannischen Usurpators in einen der besten Fürsten hauptsächlich verpflichtet war, hatten sich in ihren Einfluß so geteilt, daß jener an der Staatsverwaltung öffentlich und unmittelbar Anteil nahm, dieser hingegen, ohne sich jemals der Vorteile seines Privatstandes zu begeben, sich der Freund und Vertraute des Fürsten zu sein begnügte. Im Charakter des ersten zeichnete sich eine angeborne Neigung zum Großen, in dem des andern die Liebe des Schönen aus. Jener besaß alle Talente und Tugenden des Feldherrn und Staatsmannes, dieser alle Eigenschaften des feinen Weltmanns und angenehmen Gesellschafters. Beide liebten die Künste: aber jener wendete sie hauptsächlich zur Verherrlichung der Stadt Rom und durch große öffentliche Werke, dieser mehr zur Verschönerung des geselligen Lebens an. Agrippa beeiferte sich, der Regierung des neuen Augusts Stärke, Festigkeit und Majestät zu verschaffen; Mäcenas, sie den Römern angenehm und liebenswürdig zu machen; und während jener preiswürdige Taten verrichtete, munterte dieser diejenigen auf, welche sie würdig zu besingen fähig waren. – Alles aber kam auf Rechnung desjenigen, unter dessen Auspizien und zu dessen Vorteil sie, jeder in seinem besondern Kreise, wirkten.

Das Glück, welches vielleicht niemals für einen Sterblichen so viel als für Augusten getan hat, hatte fast zu gleicher Zeit mit ihm einige von den seltnen Günstlingen der Natur geboren werden lassen, welche dazu gemacht sind, die Zeit, in der sie leben, bei der spätesten Nachwelt als Epoke auszuzeichnen. Es schickte den Virgil nur sieben, den Horaz nur zwei Jahre vor ihm her, als Herolde, welche dereinst seine Regierung den Zeitgenossen als das große Werk des Schicksals, woran die Götter von Jahrhunderten her gearbeitet, und als den Anfang eines neuen bessern Weltalters, anpreisen sollten. Gleichwohl würde August diese Dichter vielleicht nie bemerkt, oder doch gewiß so hoch nicht geschätzt haben, wenn ihn Pollio und Mäcenas nicht von den Vorteilen zu überzeugen gewußt hätten, die er von ihren Talenten ziehen könne. Weder seine natürliche Sinnesart, noch der immerwährende Taumel, worin er seine Jugend zugebracht, noch die Größe und Weitläufigkeit der Sorgen, in welche ihn die Regierung des kaum übersehbaren Römischen Reichs verwickelte, waren mit der zarten Empfindlichkeit und reinern Stimmung der Seele verträglich, die erfodert werden, um einen wahren Sinn für die Komposition eines Virgils und ein Ohr für den Zauber seiner Verse zu haben. – Allein, an dem Platze, wo Augustus stand, hätte er noch weniger Geschmack haben können, als er vielleicht wirklich hatte, ohne darum weniger ein Beschützer und Belohner von Talenten zu sein, die ihm von seinen Vertrauten angepriesen wurden, die der öffentliche Ruf anerkannte, und die er sich durch ein edles und großmütiges Betragen auf eine seiner Regierung und seinem Nachruhm so vorteilhafte Weise verbinden konnte. Es war auf alle Fälle hinreichend, wenn er nur begriff, daß es wenigstens eben so sehr sein Interesse sei, sie zu Klienten, als das ihrige, ihn zum Patron zu haben: und es konnte ihnen sehr gleichgültig sein, ob er den Wert ihrer Werke wirklich fühlte, wenn er nur so handelte, als ob er ihn fühlte.


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