Horaz
Horazens Briefe
Horaz

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Die gegenwärtige Epistel scheint also wirklich auf die von Sueton angegebene Veranlassung geschrieben zu sein, und wir haben nun, deucht mich, den wahren Gesichtspunkt, woraus sie betrachtet werden muß. August – der bei aller seiner Eitelkeit Verstand genug hatte, zu sehen, wie unendlichmal mehr Glanz der Beifall der vorzüglichsten Geister seiner Zeit ihm bei der Nachwelt geben würde, als alle Ehrenbezeugungen, deren unermüdete Erfindung beinahe das einzige Geschäft des Senats war – August wollte, daß Horaz wenigstens eines seiner größern Werke unmittelbar an ihn richten sollte: und der Dichter, der sich dieser Pflicht nicht länger entziehen konnte, fühlte ohne Zweifel die ganze Schwierigkeit und Delikatesse einer solchen Unternehmung. Er sollte ein Werk hervorbringen, das Augusts würdig, aber seiner selbst nicht unwürdig, für jenen nicht zu klein, für ihn nicht zu groß, kurz, das so beschaffen wäre, daß der Imperator zufrieden sein könnte, ohne daß Horaz sich dadurch weder vor sich selbst noch vor der Nachwelt mehr, als er verantworten könnte, auflasten müßte. Das Süjet mußte eben so unverfänglich als interessant, und dabei fähig sein, in der Manier seiner Sermonen und Episteln, mit der ihm eignen Laune, behandelt zu werden. Es mußte ihm eine Mannigfaltigkeit von Sachen darbieten, die sich in ein schönes Ganzes verarbeiten ließen; die den erhabnen Leser, dem es besonders gewidmet war, unterrichteten, indem sie ihn bloß zu unterhalten schienen; und die zugleich dem Dichter Gelegenheit gäben, seine Eitelkeit auf eine so feine Art zu kitzeln, daß die Annehmlichkeit des Vehiculums die darein gemischte Medizin unmerklich machte.

Horaz hätte schwerlich ein Süjet wählen können, das alle diese Eigenschaften so vollkommen in sich vereinigt, und zugleich der von ihm selbst gegebenen Regel

Sumite materiam vestris qui scribitis aequam
viribus –

besser entsprochen hätte, als dasjenige, das er in diesem poetischen Diskurs ausgeführt hat. August, der in seiner ersten Jugend von Griechen und unter Griechen erzogen worden war, und in dem unermeßlichen Wirbel von Geschäften und Zerstreuungen, worin er sich seit seinem neunzehnten Jahre herumtrieb, wenig Zeit gehabt hatte, sich mit der römischen Literatur genauer bekannt zu machen, konnte nicht anders als Vergnügen daran finden, daß ihm von einem so zuverlässigen Kenner als Horaz die Geschichte derselben in einem einzigen leicht zu übersehenden Gemälde dargestellt, und zugleich die Ursachen angezeigt wurden, warum die Römer in den verschiednen Fächern der poetischen Kunst noch so weit hinter den Griechen zurückgeblieben. Horaz erhielt dadurch Gelegenheit, dem August die Dichtkunst in ihrem wahren Lichte, in ihrem Verhältnis zur Kultur und in ihrem Einfluß auf die Sitten der Nation zu zeigen, und ihm begreiflich zu machen, daß der Zustand des Geschmacks in den Musenkünsten dem Beherrscher eines Staats, auch bloß um seiner eignen Ehre willen, nicht ganz gleichgültig sein dürfe. In dieser Rücksicht kann man sagen, daß dieser Brief an alle Auguste, so wie der siebente im ersten Buch an alle Mäcene der folgenden Zeiten, geschrieben sei. Er konnte sich über diesen Punkt um so anständiger erklären, da er, teils aus Bescheidenheit und feiner Lebensart, teils um seinen am Schlusse dieser Epistel auf eine gar ungezwungene Art angebrachten Entschuldigungen nicht selbst die Kraft zu benehmen, sich gar nicht die Miene gibt, als ob er, für seinen eignen Teil, sonderlich bei der Sache interessiert wäre.

Was Blackwell in seinem schon mehrmals angezognen Werke von den Schriften unsers Dichters überhaupt sagt: »daß die Kunst in seinen Planen zu fein sei und zu versteckt liege, um von dem gemeinen Mann in der gelehrten Welt wahrgenommen zu werden«Mémoir. de la Cour d'Auguste Vol. II. p. 460. – das gilt ganz vorzüglich von dem gegenwärtigen Stücke, worin der Dichter seinen Plan und die besondern Absichten desselben durch die Laune des Vortrags und die ungemein feinen und leisen Übergänge gar meisterlich zu verbergen gewußt hat. Daß aber darum nicht weniger überdachter und zweckmäßiger Zusammenhang im Ganzen sei, wird durch folgende kurze Exposition jedem sichtbar werden. Wer sodann diesen Grundriß, der gleichsam nur den Knochenbau des Ganzen darstellt, mit dem Werke selbst vergleichen will, wird ein für seinen Geschmack nicht unnützliches Studium machen, wenn er mit eignen Augen forschen wird, wie der Dichter dieses Knochengebäude mit Muskeln bekleidet, wie symmetrisch er alle Teile zusammenordnet, wie schicklich und ungezwungen alles zusammenhängt, in welchen leichten, anmutigen Schwüngen die Übergänge dahinfließen, und durch wie feine Bande die vivida vis animi alle Elemente und Glieder in ein lebendiges Ganzes zusammenwebt.

Nach einer kurzen Anrede, – worin der Dichter einen eben so ehrerbietigen als unverwerflichen Grund angibt, warum er ein zu guter Bürger sei, um den August mit einem langen Diskurse zu belästigen, – fängt er mit der Bemerkung an: daß die größten und um das menschliche Geschlecht verdientesten Helden des Altertums erst von der Nachwelt an ihren verdienten Platz gestellet worden, bei ihrem Leben hingegen nichts als Neid und Undank erfahren hätten. »Du allein, August, fährt er fort, machst hievon die Ausnahme; wir setzen dir schon bei deinem Leben die Altäre, bei denen, wenn du einst (wie jene Heroen) unter die vergötterten Menschen aufgenommen sein wirst, unsre Nachkommen schwören werden, und wir bekennen dadurch, daß die Welt deines gleichen nie gesehen hat. In diesem Stücke, ich gestehe es, urteilt dein Volk gerecht und billig; aber – sobald die Rede von Werken unsrer Zeit, von itztlebenden Verfassern ist, wird es ungerecht, weicht von jener Regel ab, und will nichts für gut gelten lassen, was nicht mit dem Rost des Altertums überzogen ist.«

Dies letzte war es eigentlich, womit Horaz seinen Diskurs anfangen wollte. Aber wie geschickt hat er es so zu wenden gewußt, daß er, ohne daß man erraten kann wo er hinaus will, von Romulus und Liber Pater anfängt; und wie fein hat er sogar von der Ungerechtigkeit der Römer gegen die Dichter ihrer Zeit Gelegenheit zu nehmen gewußt, dem August eine Schmeichelei zu sagen, die so arg ist, daß jeder andre als – Er, dem nicht leicht zu grob geschmeichelt werden konnte, sie für – Spott aufgenommen hätte! Nachdem er das Lächerliche der Vorneigung der Römer für ihre alte Literatur im allgemeinen mit vieler Laune durchgezogen, geht er ihre ältern Dichter, d. i. alle die noch vor Anfang seines Jahrhunderts gestorben waren, vom Vater Ennius, ihrem angeblichen Homer, an, der Reihe nach durch, macht einen jeden im Vorbeigehen mit einem Zug kenntlich, wirft ihnen Härte, Mangel an Geschmack, Sprachrichtigkeit und Ausfeilung vor, und gerät in einen komischen Eifer darüber, daß man für solche Anfänger – nicht Nachsicht, welches billig wäre, sondern Bewunderung fodre. Und warum das? »Der wahre Grund kann freilich nicht in einer Vortrefflichkeit liegen, die sie – nicht haben: aber dafür liegt er in einer Eigenschaft des menschlichen Herzens, die den schlimmen Geschmack bei denen, die damit behaftet sind, unheilbar macht – in der natürlichen Eigenliebe, vermöge deren niemand gern gesteht, unrecht gehabt zu haben; niemand leicht im Alter über sich erhält, für schlecht zu erkennen, was er in der Jugend schön gefunden hat, und sich nicht entbrechen kann, einen gewissen Groll auf diejenigen zu werfen, die sich unterstehen, es besser zu machen, als diejenigen, die er einmal in Affektation genommen hat.«

»Gleichwohl (fährt er fort) liegen in den Umständen, in welchen unsre Literatur anfing, in den Hindernissen, die ihr unsre Verfassung, unsre Sitten, unsre immerwährenden Kriege in den Weg legten, und selbst in unserm National-Charakter sehr wesentliche Ursachen, warum es gar nicht möglich ist, daß sie bis zu der Zeit, die zunächst an die unsrige reicht, große Fortschritte tun, geschweige die Vollkommenheit hätte erreichen können. Wir haben die Griechen, unsre Lehrer und Muster, zu spät kennen gelernt; und auch seitdem wir nach ihnen zu arbeiten anfingen, hat uns unser Feuer, unsre Ungeduld, unsre Scheu vor der Feile verhindert, echte Werke der Kunst hervorzubringen, Werke, die eine Vergleichung mit unsern Mustern aushalten könnten.«

Dies ist der Inhalt des großen Stücks dieser Epistel vom 90sten Vers bis zum 167sten des Originals. Aber mit welcher geheimen Kunst hat der Dichter, um immer den natürlichen Konversations-Ton und den Schein eines kunstlosen unstudierten Gangs seiner Gedanken beizubehalten, das Methodische im Vortrag zu vermeiden gewußt! Ein unvermerkter Übergang – die ganz simple Frage: wenn die Griechen das Neue so gering geachtet hätten wie wir, was wäre jetzt alt? – führt ihn auf die Griechen, als die wahren Erfinder der Musenkünste, und er zeichnet den Charakter ihres Kunst-Genies, ihres Geschmacks und ihrer Werke, in acht Versen, mit flüchtiger Hand, aber mit der treffendsten Wahrheit, indem er bloß die Zeitumstände, unter welchen sie sich dem Hang zu ihren Wettspielen und schönen Künsten überließen, angeben zu wollen scheint. Jedes Wort in diesen acht Versen ist ein bedeutungsvoller Zug. Mit diesem Bilde der Griechen, welche die Künste als Spiele trieben, aber mit der Leidenschaft trieben, womit ein Mädchen seine Puppen oder ein Knabe seine Leibesübungen behandelt, stellt er die alten Römer und die Römer seiner Zeit in einen doppelten Kontrast. Unsre Vorfahren, sagt er, hatten von allen diesen Genie-Spielen der Griechen keinen Begriff, oder doch gewiß weder Zeit noch Lust dazu: sie beschäftigten sich, wie Männer, mit ihrem Hauswesen und mit ihrem Glücke; von innen mit Erhaltung des Gleichgewichts in der Republik; von außen mit den Kriegen, die den Umkreis ihrer Macht und ihrer Sorgen immer weiter ausdehnten. Aber jetzt, fährt er fort, wie plötzlich hat sich der Charakter unsers Volks umgekehrt! Ehemals hatten wir gar keine Dichter: nun macht die ganze Stadt Verse. Niemand läßt sich einfallen, daß Kunst, Wissenschaft und Studium dazu gehöre; wir sind alle geborne Poeten. Unsre Vorfahren waren zu ernsthaft, um Poeterei zu treiben; von uns sollte man denken, wir trieben sie, weil wir vor Alter wieder kindisch geworden wären.

Eine von den natürlichen Folgen einer solchen epidemischen Versewut ist diese, daß (auf eine Zeitlang wenigstens) die Kunst selbst verächtlich wird, und die wahren Künstler sich unter der ungeheuren Menge der Ansprüchler verlieren, und mit ihnen verächtlich werden. Aber Horaz wollte nicht, daß der Mißbrauch, der von den Musenkünsten zu Rom gemacht wurde, der Kunst selbst bei Augusten Schaden tun sollte. Er lenkt also wieder mit einer ganz leichten Wendung auf die andere Seite. »Es ist eine Art von Tollheit um dies Versefieber, womit ganz Rom angesteckt ist, sagt er: aber es ist nicht nur eine unschuldige Tollheit, sie hat sogar ihren Nutzen.« – Und nun scherzt er in seiner Shandyschen ManierWiewohl wir ihn deswegen für keinen Nachahmer von Tristram Shandy ausgegeben haben wollen: so wie auch daraus, daß Sterne 1800 Jahre nach Horaz gekommen ist, nicht folgt, daß er Horazen nachgeahmt habe, wenn er gleich an Witz, Laune und Manier viel Ähnliches mit ihm hat. über gewisse angebliche Vorteile, die dem Staat aus der Menge so harmloser und ungefährlicher Leutchen, als die Versemacher seien, zuwuchsen – und so schlüpft er unvermerkt, ohne den Ton verändern zu müssen, zu den wirklichen Vorteilen über, welche die Dichtkunst der menschlichen Gesellschaft bringt; und von dieser, bei aller Kürze, sehr vollständigen und richtigen Darstellung, kommt er, sozusagen, auf die Naturgeschichte der Poesie, oder vielmehr eines ihrer Hauptzweige, bei den Römern; schildert sie in ihrem ersten rohen Zustande, und zeigt, wie sie sich allmählich verfeinert, und endlich, durch Nacheiferung der Griechen, zu dem, was sie jetzt sei, gehoben habe.

Das dramatische Fach der Poesie ist, bei jedem Volke, das eine Schaubühne hat, das, was am stärksten und allgemeinsten interessiert. Horaz schränkt sich daher vorzüglich auf dasselbe ein, und bemerkt die Ursachen, warum es den Römern in der Tragödie besser als in der Komödie gelungen sei. Unvermerkt leitet ihn dies auf die allgemeinen Hindernisse, die dem Fortgang der dramatischen Dichtkunst bei den Römern entgegenstanden – auf das Unangenehme von den Launen des Volks abzuhängen, auf den schlimmen Geschmack des großen Haufens, und auf die Neigung zu bloßem Schaugepräng, neuen seltsamen Dekorationen, pompösen Aufzügen, prächtigen Kleidern u.s.w., die sich auch des vornehmern Teils der Zuschauer sosehr bemächtigt hätten, daß auf das Stück selbst gar nicht gehört, und selbst der beste Schauspieler nicht mehr applaudiert werde, weil er gut spiele, sondern weil seine Kleidung gefalle.

Die verstellte Besorgnis, August möchte es einer eigennützigen Ursache zuschreiben, daß ihm Horaz das römische Theater in einem so wenig vorteilhaften Lichte gezeigt hatte, gibt ihm Gelegenheit, diesen Absatz seines Diskurses mit vier Versen zum Lobe der Tragödie zu schließen, worin er das Erhabene dieser Kunst, und die großen Wirkungen desselben, mit vorzüglicher Rücksicht (wie es scheint) auf Äschylus und Sophokles, bezeichnet, und zu erkennen gibt, daß ein Mann, der dies könne, in seinen Augen das Nonplusultra der Musenkünste erreicht habe. Indessen wünscht er doch, daß August diejenigen Dichter, die nicht für Zuschauer, sondern für Leser arbeiten, seiner Aufmerksamkeit nicht ganz unwürdig achte.

Er sprach von einer großen Heerschar, indem er auf diese Klasse von Dichtern kam; und er fängt deswegen (um Augusten durch einen komischen Nebenweg auf die kleine Lehre, die er ihm geben wollte, zu führen) mit einer drollichten Rezension aller der Umstände an, wodurch die guten Musensöhne, bald aus Mangel an Lebensart, bald aus zu großer, wiewohl oft gerechter Empfindlichkeit, bald aus überspannten Hoffnungen, sich lächerlich und lästig zu machen das Unglück hätten: eine Stelle, die (außer der naiven Wahrheit, womit sie die schwache Seite seiner Mitbrüder darstellt) noch die geheime Schönheit hat, daß sie zugleich die feinste Satire über die hohen Beschützer der Musen ist, und dem August mit der besten Art von der Welt zu verstehen gibt, wie traurig am Ende doch auch wieder das Los der Schriftsteller sei, wenn sie Personen amüsieren sollen, die von ihnen amüsiert zu werden erwarten und doch nicht amüsabel sind. Es ist dies einer von den so häufig vorkommenden Fällen, wo beide Teile Recht haben. Dem August ist's wahrlich in keine Weise übel zu nehmen, wenn er lange Weile bei einem Buche hat, das ihn unmöglich interessieren kann; es sei nun, daß er (wie gewöhnlich der Fall ist) ganz andre Dinge im Kopfe hat, oder nicht recht versteht, was er liest, oder vermöge der Natur seines Standes nicht mitempfinden, nicht teilnehmen kann, u.s.w. Hingegen ist von dem armen Schelm von Dichter auch nicht zu erwarten, daß es ihm Vergnügen mache, wenn er seinen August, gerade bei der Stelle seines Werks, die ihm am meisten Mühe gekostet, oder bei dem, was er selbst für das Beste daran erkennt, gähnen, oder mit seinem kleinen Maurischen ZwergeAugust war ein besondrer Liebhaber von artigen jungen Zwergen, die er aus allen Enden der Welt, besonders aus Mauritanien und Syrien, zusammensuchen ließ. Sie mußten aber bei der möglichsten Kleinheit vollkommen wohl gebildet, schön und lebhaft sein. Er ergötzte sich an ihren Plaudereien, spielte mit ihnen um Nüsse, und vergaß so, indem er das Kind mit ihnen machte, seiner natürlichen Traurigkeit, und der Sorgen für die Welt. Sueton. in Aug. c. 83. Aus dem Dion wissen wir, daß auch die vornehmen römischen Damen damals in dem Geschmacke gewesen, schöne kleine Knäbchen, die ausdrücklich dazu dressiert wurden, der Augenlust wegen, in ihren Zimmern nackend herumlaufen zu lassen. Hist. Rom. L. 48. spielen sieht. Horaz ist, wie wir sehen, der billigste Mensch von der Welt; indessen nimmt er sich die Erlaubnis, mit aller möglichen Bescheidenheit und Freimütigkeit, dem August zu Gemüte zu führen: daß es, bei allem dem, einem großen Herrn nicht ganz gleichgültig sein dürfe, wenn er (etwa um seine eignen Taten der Nachwelt vorsingen zu lassen) nach einem Dichter gegriffen, und von ungefähr statt eines guten einen schlechten erwischt hätte. Glücklicherweise kommt ihm hier das berechtigte Beispiel Alexanders des Großen zu statten, den er, weil er – ein König, und schon seit dreihundert Jahren begraben war, so lächerlich machen durfte, als er wollte: zumal nach dem feinen Kompliment, das er Augusten wegen seiner Vorneigung zu Virgil und Varius – die um diese Zeit schon vom Schauplatz abgetreten waren – gemacht hatte. Daß Horaz diese Gelegenheit nicht unbenutzt werde gelassen haben, zu beweisen, »daß die Entschließung, die er selbst genommen, sich gar nicht an einen so erhabnen Gegenstand, als die Taten Augusts, zu wagen, für ihrer beider Ehre die beste sei«, – ist, nach allem, was wir bereits von den Gesinnungen unsers Dichters über diesen Punkt gesagt haben, leicht zu vermuten.

Dies ist nun das Skelett dieses interessantesten unter allen Sermonen unsers dichterischen Philosophen; und es ist, denke ich, alles, was wir nötig haben können, um von der Wahrheit dessen, was ich über den Plan des Stücks gesagt habe, überzeugt zu werden.

In der Ausführung vereinigen sich die sämtlichen charakteristischen Schönheiten, welche machen, daß Horaz, bei aller seiner anscheinenden Simplizität und Leichtigkeit, seit so vielen Jahrhunderten der einzige in seiner Art geblieben ist; und in keinem andern seiner Werke sehen wir, so zu sagen, alle Fassetten seines Geistes so schön zusammen spielen, als in diesem. Besonders geht durch die ganze Epistel eine Art von ungezwungner Zurückhaltung, und immerwährender Beobachtung des rechten Tons, der sich für ihn gegen den allgewaltigen, aber immer die Bescheidenheit eines bloßen Privatmanns affektierenden August schickte; eine schöne Mittel-Tinte zwischen Erniedrigung und Gleichheit, zwischen Ernsthaftigkeit und Pläsanterie, zwischen kriechender Schmeichelei und unschicklicher Affektation, den Cato mit demjenigen zu spielen, in dessen Händen nun einmal die Welt war – kurz, eine so glückliche Mischung von Philosophie, Witz und Laune, mit Imagination, Verstand und Lebensart, daß vielleicht nichts Vollkommners in dieser Art existiert.

Was ich hier sage, ist, wiewohl ichs aus eignem Gefühl sage, immer das Urteil der feinsten Köpfe aller gelehrten Nationen gewesen; und wenn der Leser – vorausgesetzt (was immer vorausgesetzt werden muß) daß die Schuld nicht an seinen Augen liege – nicht alles dies in der Übersetzung wiederfinden sollte: so ist wenigstens Horaz unschuldig; und der Deutsche, der sich mit ungleichen Kräften und mit einer der römischen so ungleichartigen Sprache an ein solches Original gewagt hat, trage die Strafe seiner Verwegenheit allein!


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