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XXVIII.

»Liebe Regine!

Nach der entsetzlichen Katastrophe wirst Du vielleicht zu dem Einsehen kommen, daß es nicht ganz ohne Wert für Dich ist, einen Mann zur Seite zu haben, der Dich mit seinem ehrlichen Namen deckt und schützt. Ich vergesse alles, was zwischen uns vorgekommen ist, ich verlange nur, daß Du eine Andere wirst und mir den Respekt entgegenbringst, den ich wohl beanspruchen darf. Solltest Du auch jetzt noch keine Neigung in Dir spüren, mir dieses »Opfer« zu bringen, so bin ich allerdings der Meinung, daß es das beste ist, wenn wir uns trennen. Die Bedingungen, unter denen dies zu geschehen hat, werde ich Dir dann mitteilen.

Auf Deine Einsicht vertrauend
Rechtsanwalt Heller.«

 

»Verehrteste Frau,

in dem Gefühl, daß Sie jetzt vielleicht mehr denn je eines Freundes bedürfen, finde ich den Mut, diese Worte an Sie zu richten. Es liegt mir fern, meine Empfindungen Ihnen aufzudrängen, nur versichern möchte ich Ihnen, daß Sie jede Stunde über mich verfügen dürfen, und daß ich es als ein namenloses Glück auffassen würde, meine Kräfte in Ihren Dienst stellen zu können.

Mit treuen Grüßen
Ihr Ihnen tief ergebener Gent.«

Als sie diese letzten Zeilen gelesen, glitt es wie Sonnenschein über ihre ernsten Mienen. Sie hielt die blasse Hand an ihr pochendes Herz, und blickte in's Weite. Aus ihren Augen perlten Tränen. In ihr war Sehnsucht nach Ruhe. Aber auch Frieden und Erfüllung waren in ihr.

An Heller schrieb sie nur Folgendes:

»Ich trete meine Reise an und wünsche Dir nur Gutes für Dein künftiges Leben. Ich will nichts als das Kind.

Regina«

Dann griff sie wieder zur Feder, um Gent zu antworten. Sie bebte leise. Und einen Augenblick trat ein unsäglicher Schmerz auf ihr Gesicht und verklärte es wunderbar.

Sie schrieb:

»Die Erfüllung meines Lebens waren Sie. Sie lehrten mich das Glück. Nicht im Tode kann ich das vergessen, Sie treuer, Sie lieber Mensch. Sie werden es verstehen, wenn ich von Ihnen gehe, weil Sie ahnen müssen, was es mich kostet. Ich will nur noch meinem Kinde leben und der Erinnerung an Sie.

Bewahren Sie ein gütiges Gedenken
Ihrer Regine.«

Eine kurze Weile saß sie wie gebrochen da. Ein leises Schluchzen entrang sich ihr. Dann erhob sie sich schwer und mühselig. An den Türpfosten klammerte sie sich fest. Endlich raffte sie sich auf und rief mit verhaltener Stimme das Fritzel.

Das Fritzel trippelte ängstlich heran und blickte scheu zur Mutter. Die hob es empor und schloß es in ihre Arme.


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