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XVIII.

(Weicher, warmer Frühlingstag. Erstes Treiben und Knospen. Frau Lerch im schweren Wintermantel, Regine einen Sealskragen um die Schultern, schreiten langsam durch den Garten einer Villa in Loschwitz.)

Frau Lerch. Was hat das nun für einen Zweck gehabt, Dich vor ihm zu verleugnen?

Regine (schweigt).

Frau Lerch. Er kam mit den besten Absichten.

Regine. Er kam zu spät Mutter – viel zu spät!

Frau Lerch. Ich sage Dir, treibe die Dinge nicht auf die Spitze – es könnte Dich ...

Regine (sich mühsam beherrschend). Ich will nur meinen Frieden.

Frau Lerch (leise lachend). Deinen Frieden ... Du und immer Du! ... Rücksichten auf andere kennst Du nicht.

Regine. Ich will nur meine Ruhe ... ich will nichts von Euch ... ich will ...

Frau Lerch (erregt). Hör einmal, Du scheinst nicht zu wissen, daß er nötigenfalls Dich mit Gewalt zwingen kann, zurückzukehren!

Regine (lacht). Mit Gewalt ...?

Frau Lerch. Noch wartet er damit. Er ist der gutmütigste Narr, der mir je vorgekommen. Jeder andere Mann ...

Regine. Ich kann nicht, Mutter. Ich finde noch ein Fleckchen, wo ich allein sein darf ... einen stillen Flecken, wo mich niemand ...

Frau Lerch. Und Dein Kind?

Regine (bewegt). Er muß es mir herausgeben.

Frau Lerch. Er denkt nicht daran. Er willigt überhaupt nicht in die Scheidung. – Weißt Du, was die Leute reden? Weißt Du das?

Regine (eisig). Was kümmert's mich.

Frau Lerch (fortfahrend). Die Leute sagen, Du hättest was mit Gent. Sieh mich nicht so an! Das sagen die Leute!

Regine (plötzlich stehenbleibend, die Hand an ihr klopfendes Herz pressend). Die Leute lügen ... sie lügen! Niemals, nein niemals hat es zwischen uns das Leiseste gegeben. Aber jetzt will ich Dir etwas verraten, Mutter, etwas, das der Rechtsanwalt Gent selbst noch nicht weiß ... hier in der Einsamkeit ist es mir klar geworden ... daß er mir der liebste, der teuerste Mensch ist ... (in heißer Erregung) und wenn ich nicht durch all das Leid mürbe und elend geworden wäre ... ich würde zu ihm gehen, ich würde ... Du, hab keine Angst ... ich weiß (schluchzend) ich weiß, daß es zu spät ... viel zu spät ist ...

Frau Lerch. Regine ... Regine! So nimm Dich zusammen!

Regine (starrt die Mutter erst eine Weile bewegungslos an). Aber mit ihm kann ich keine Stunde länger zusammenleben ... keine Stunde ... (in maßlosem Aufruhr) ich will nicht länger Dirne sein ... hörst Du ... ich will es nicht.

Frau Lerch. Du bist nicht bei Sinnen ... Du bist krank!

Regine. Ihr habt mich so gemacht ... Ihr, Ihr! Ich will nichts mehr auf der Welt als das Kind.

Frau Lerch. Wenn das Dein Ernst ist, so mußt Du zurückkehren.

Regine. Das verlangst Du jetzt noch?

Frau Lerch. Ja, um des Kindes willen!

Regine (sich einen Moment besinnend, tritt dicht an die Mutter heran). Gut, Du sagst ihm alles, was Du jetzt von mir gehört hast. Du sagst ihm, daß er für mich nicht existiert. Und wenn er dann noch darauf besteht – schön, so komme ich zu dem Fritzel.

Frau Lerch (aufatmend). Endlich ein Wort, über das sich reden läßt!

(Regine starrt in geistiger Abwesenheit zu Boden – beide Frauen gehen langsam in das Haus.)


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