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XXIV.

In geradezu enthusiastischer Stimmung kehrte Heller heim. Ganz erregt fragte er das Stubenmädchen, ob seine Frau zu Hause wäre. Als ihm diese Frage bejaht wurde, stürzte er, ohne seine Sachen abzulegen, in den Salon, wo Frau Regine am Schreibtisch saß und in alten, vergilbten Papieren sich verträumt hatte.

»Denke Dir nur,« rief er, und in diesem Augenblick vergaß er völlig die Spannung, die zwischen ihnen lag, »so denke Dir nur, Helene Berger hat auf ihren Mann einen Mordversuch gemacht!«

»Wa ... as?« stieß sie hervor, und ihre Züge verfärbten sich.

»Einen Mordversuch!« wiederholte Heller mit gehobener, fast triumphierend klingender Stimme. »Und dieser Person,« fuhr er entrüstet fort, »haben wir Gastfreundschaft gewährt ... dieser ...«

Er hielt inne. Eine nervöse Bewegung ihrer Finger machte ihn verstummen. Über ihr bleiches Gesicht zuckte es beständig, und in ihren Augen lag ein trostloser Ausdruck.

»Ja ... ja!« meinte Heller, »wer hätte das für möglich gehalten. Aber Gott sei Dank, diese Gemeinheit ist zuschanden geworden – und der saubere Patron dingfest gemacht worden. Nämlich,« unterbrach er sich, »diese niederträchtige Person hatte ihren Bruder, einen halb idiotischen Menschen, angestiftet, der unter dem Bett Berger auflauerte. Natürlich maskiert. Der Schelm dachte durchzubrennen. Nun, Berger ist mit ein paar Schreckschüssen davongekommen.

»Und Helene?« fragte sie bebend.

»Die!« Heller brach in ein derbes Lachen aus, »simulierte Schlaf. Als man sie aus den Federn riß, weißt Du, was die größte Sorge dieses Frauenzimmers – nimm mir den Ausdruck nicht übel – gewesen ist, als man sie wegführte? Nun, Du rätst es nicht: die Puderquaste! Ist das nicht kostbar?«

»Und was kann ihr passieren?« fragte sie tonlos.

Er blickte sie scharf an. »Zehn Jahre Zuchthaus ist wohl das Mindeste. Unter Umständen kann sie auch zum Tode verurteilt werden, was weiß ich!«

In lautloser Qual hielt sie die Hände vor das Gesicht.

Advokat Heller verfolgte mißtrauisch jede ihrer Bewegungen.

»Du bemitleidest sie wohl gar!« unterbrach er in gereiztem Ton die Stille, »ich denke, Mitleid verdient hier nur Berger, der um ein Haar sein Leben ...«

»Sie hat sich gewehrt,« unterbrach sie ihn dumpf.

»Gewehrt, nennst Du das?«

»Ja,« antwortete sie fest, »gewehrt! Sie wollte nicht länger Sklavin sein!«

»Das sind alles Überspanntheiten,« erwiderte er. »Übrigens, wenn Du wüßtest, was für Geschichten über sie im Schwunge sind. Die Zeitungen deuten nette Dinge an.«

Sie sah einen Augenblick mit bitterem Gesichtsausdruck zu ihm empor.

»Eine Frau,« sagte sie dann mehr für sich, »eine Frau, die mit solch einem Manne lebt, muß ja schlecht werden.«

Heller setzte eine nachdenkliche Miene auf.

»Ein vornehmer Mensch ist er nicht, er hat manches auf dem Kerbholz – ist schon richtig! Und leid kann sie einem auch tun. Wo Du hinkommst, spricht man nur davon.«

»Wer wird sie verteidigen?« fragte sie leise, »Dörmann?«

»Weiß ich's!«

»Übrigens,« sagte er, »bei so einer Geschichte ist der Ausgang ein unsicherer. Die Person hat merkwürdig viel Freunde. Und bei der Begriffsverwirrung, die in juristischen Fragen in der Laienwelt herrscht, gibt es sogar Leute, die einen derartigen Mordanschlag glorifizieren: die Täterin als Märtyrerin hinstellen und letzten Endes zu dem wahnsinnigen Schluß gelangen, eine Frau, die mit ihrem Mann nicht glücklich lebt, sei in ihrem guten Recht, wenn sie zu jedem Mittel greift, das ihr zu Gebote steht. Ob man da mit Anstand, Würde und Moral – und was in seinen Konsequenzen noch bedenklicher ist – mit dem Gesetz zusammengerät, ist dieser Sorte von Menschen gleichgültig.«

Diese Worte hatte Heller in sonderbar erregtem Tone hervorgestoßen, es lag in ihnen etwas wie Drohung, und Regine verstand ihn wohl.

»Es ist ein Glück,« antwortete sie kaum hörbar, indes sie ihm den Rücken wandte, »daß nicht lauter Juristen auf Erden wandeln; daß es neben dem geschriebenen Recht noch ein anderes gibt – ein solches, wonach in der Tat eine Frau das Recht hat, sich von dem Manne loszusagen, mit dem sie nicht leben kann.«

Advokat Heller setzte eine sauertöpfige Miene auf. Aber er war keineswegs beleidigt. Es war das erstemal nach langer, Zeit, daß sie wieder zusammenhängende Worte mit einander wechselten.

»Wie Du wieder sprichst! So hart, so unversöhnlich. Als ob nicht in jeder Ehe Zwistigkeiten und Mißverständnisse vorkämen. Als ob,« fuhr er mit erhöhter Stimme fort, »es nicht denkbar wäre, daß man durch gegenseitigen Einfluß sich abschliffe und schließlich eine Zeit käme, wo solche Gegensätzlichkeit ausgeglichen wäre. Nur wenn ein Teil direkt schlecht ist, hat eine Ehe, denke ich, ihre Daseinsberechtigung eingebüßt. In jedem anderen Falle sollte man es für seine Pflicht halten, an sich zu arbeiten und sich verstehen zu lernen. Das würde ich Selbstzucht nennen!« schloß er feierlich.

Sie hatte die Arme verschränkt und ihm ruhig zugehört.

»Du sprichst,« entgegnete sie, »in hohen Bibeltönen, und die Worte klingen voll und gut ... Aber,« fuhr sie fort, und ihre Stimme klang auf einmal versöhnlicher und weicher, »sieh in Dich selbst und urteile nüchtern. Ich will Dir keine Vorwürfe machen. Das scheint mir heute verkehrt und ungerecht. Was kannst Du dafür, daß Du so bist, wie Du bist – und daß infolgedessen Dein Wesen zu dem meinen so schlecht stimmt. Ich rede auch nicht mehr von Schuld, wie Du das tust, ich spreche mich nicht von Fehlern frei; denn ich empfinde, daß Dich meine Art herausfordern und reizen muß. Was ich behaupte, ist ja nur, daß wir beide so schlecht wie nur denkbar zusammen passen, und daß es nach meinen Begriffen eine Frivolität ist, unter solchen Verhältnissen bei einander zu bleiben. Wir beide können uns nicht mehr umschaffen – glaube mir das. Das ganze Resultat eines solchen Lebens wäre, daß alles Schlechte in uns emporwüchse, daß wir entweder stumpf und völlig müde oder immer verbittertet, feindseliger und gehässiger gegen einander würden. Und das arme Würmchen käme um seine ganze Jugend, bis es schließlich das alles verstände. Was hättest Du davon? Vielleicht,« endete sie schüchtern, »könnten wir, wenn Zeit und Raum zwischen uns läge, Kameraden werben. Halte mich nicht – gib mich frei.«

Heller hatte still zugehört. Dann schritt er wortlos mehrere Male auf und nieder, bis er vor ihr stehen blieb.

»Ich kann's nicht! Ich kann's nicht! Deine Liebe ist tot, und deshalb vermagst Du so zu sprechen. Aber ich ... ich wäre verloren. Das ist ein elendes Leben, wie ich es jetzt führe, gewiß – und doch ertrag ich's, bloß weil ich Dich sehe. Ich kann ja ohne Dich nicht sein,« schluchzte er plötzlich, »ich kann es ja nicht. Regine bleibe bei mir. Verlange, was Du willst, nur das nicht. Dein Wort soll in allem gelten, nur bleibe bei mir – hörst Du, bleibe bei mir!«

Sie senkte tief den Kopf. Eine feine Scham durchdrang sie. Seine Demut tat ihr weh. Wie ein winselnder Hund dachte sie, wie ein Hund, der gestoßen und gepufft, den Schwanz anzieht – und kläglich herangekrochen kommt.

Nun trat er einen Schritt näher und wollte seine Hand auf ihr Haar legen. Da zuckte sie jäh zurück. Er sah sie flehend an. Aber je demütiger er in Haltung und Gebärde wurde, desto härter und kälter fühlte sie sich werden. Sie dachte an all den Gram zurück, und Groll und Bitterkeit stiegen in ihr auf.

Heller jedoch wurde immer weicher und verlangender. Und ehe sie sich's versah, ergriff er plötzlich ihr Handgelenk.

»Habe keine Furcht!« stieß er bebend hervor, während es über sein Gesicht seltsam leuchtete. »Habe keine Furcht!« wiederholte er noch einmal.

Als sie zweifelnd und ungewiß ihn ansah und die Veränderung seiner Züge bemerkte, auf denen eine ihr so fremde Entsagung und Opferfreudigkeit ausgedrückt schienen, da jubelte sie im Stillen auf. Einen Augenblick, einen flüchtigen Augenblick, erfüllte sie der Gedanke, er könnte sie freigeben.

»Höre,« sagte er, und senkte scheu den Blick, »tu was Du willst ...« Und mit noch leiserer Stimme fügte er hinzu, »in nichts will ich Dir im Wege sein, nein, in nichts. Nur mit Deiner Nähe will ich mich begnügen – hörst Du, nur damit!«

Sie sah ihn mit zweifelnder, verständnisloser Miene an, ohne ihn zu begreifen.

»Ich meine,« fuhr er in eigentümlich gedehntem Tone fort, »ich meine, daß ich Deine Beziehungen zu ... zu Gent still ertra...«

Mit einem kurzen Schrei riß sie sich von ihm los und stierte ihn mit weitaufgerissenen Augen an.

»Bist Du denn toll?« zischte sie mit todesbleichen Lippen hervor. Dann lachte sie gellend auf.

Heller trat der Angstschweiß auf die Stirn. Eine Weile wich er ihren Blicken aus, als dann sein Auge das ihrige traf, las er darin so viel Geringschätzung, daß die Zornesröte ihm bis zu den Haarwurzeln stieg. Er war in grenzenloser Güte bis zur Verleugnung seiner Manneswürde gegangen – und dieses unberechenbare, launenhafte Wesen lohnte ihm das so! In diesem Augenblicke empfand er geradezu Haß gegen sie.

»Was willst Du denn eigentlich noch,« stieß er in mühsam verhaltener Wut hervor.

»Nur fort von Dir,« antwortete sie eisig.

»Du bist toll,« erwiderte er heiser, »eine tolle, überspannte Person, reif für's Narrenhaus. Ja, das bist Du, sieh mich nicht so an,« schrie er gereizt ... »sonst ... sonst geschieht was ... geschieht was!« wiederholte er noch einmal, während er unwillkürlich die Hände ballte und sie drohend anblickte.

Sie trat ganz dicht vor ihn hin.

»Was geschieht?« fragte sie tonlos. »Willst Du mich schlagen? Schlage mich! Ich wehre mich nicht!«

Heller richtete sich empor. Er atmete tief auf.

»Dazu bringst Du mich nicht – nein ... nein! Ich weiß, das wäre Dir das liebste! Glaub's schon,« setzte er hinzu, und seine Miene nahm einen boshaften Ausdruck an, »daß Du darauf nur lauerst, aber für so dumm brauchst Du mich nicht zu halten. Ich gebe Dir keinen Scheidungsgrund – nein, da bist Du schief gewickelt. Da mag Dir der saubere Patron – wirst Du mich nicht unterbrechen,« kreischte er wie rasend, »ich werd doch in meinen vier Wänden noch sagen dürfen, was mir paßt – da mag Dir dieser noble Kollege bessere Ratschläge geben, ehe Du mich in die Falle lockst, Du niederträchtige ...«

Er hielt mitten in seinem Wutausbruch inne und horchte auf.

Schritte näherten sich dem Zimmer; und gleich darauf hörten sie ein wohlbekanntes Pochen: und Advokat Gent stand in der Tür.

Beide prallten sie zurück, eine Sekunde unfähig, ihre Verlegenheit zu verbergen. Mit hilfloser Miene beobachtete sie Gent, während er beständig den Zylinder in den Händen drehte.

Endlich faßte er sich und stammelte: »Was sagen Sie zu der entsetzlichen Katastrophe bei Bergers?«

Heller lachte schrill auf.

»Ich,« rief er überlaut, »wundere mich über nichts mehr: Wie in einem Narrenhause kommt man sich vor, wie in einem Narrenhause. Was wollen Sie,« schrie er, »es dauert nicht mehr lange, und die Narren haben die Oberhand und zwingen uns den Glauben auf, daß wir die Verrückten sind. Was lächeln Sie, Herr Kollege? Ich spreche aus Erfahrungen, o ... aus Erfahrungen! Fragen Sie nur diese kleine, charmante Frau da, diese allerliebste Person mit den unschuldigen Taubenaugen. Und jetzt entschuldigen Sie, Kollege, habe nicht einen Augenblick mehr übrig – bitte sehr, keine Ursache zum Dank – tu ich gern ... empfehle mich, meine Herrschaften – adieu, mein Kind!«

Und mit verzwickter, unterwürfiger Miene, indem er eine demütige Lakaienhaltung zur Schau trag, verbeugte er sich und verließ eiligst das Zimmer. In tödlicher Verlegenheit ließ er die beiden zurück.

Frau Heller schüttelte sich wie im Frost.

»Ich bedauere sehr,« sagte sie, »daß Sie der Schlußszene einer kleinen Familientragödie beizuwohnen gezwungen waren. Ich weiß, wie peinlich das ist. Im übrigen,« fuhr sie schnell fort, »komme ich erst jetzt wieder zu mir, um an die ärmste Frau zu denken!«

Er nickte mit bekümmerter Miene.

»Das Schlimmste dabei ist,« entgegnete er, »daß Berger entschlossen ist, die Unglückselige preiszugeben – und das verwunderlichste, daß der Fall von seiten ihrer Familie einem ganz unfähigen Advokaten übertragen worden ist. Ich war heute bei ihrer Mutter. Die Frau hat mich wie eine Idiotin angesehen. Was das alles noch für Folgen haben wird – gar nicht zu Ende zu denken. Die Alte hat sich das Haar zerzaust und jammert in wirren Lauten. Mit einem Wort, es ist furchtbar!«

»Was wird aus den armen Kindern?«

Er hob die Achseln empor.

»Ich werde zu ihm gehen,« sagte sie in plötzlichem Entschluß ... »ich muß mich vergewissern, ob die Kinder versorgt sind, die armen Kinder! – Glauben Sie mir,« begann sie nach einer kleinen Pause mit trauriger Stimme von neuem, »ihr war nicht zu helfen. Sie konnte sich nicht aus dieser Sumpfluft herausreißen. Was habe ich nicht alles versucht; die Summe, die ich jetzt zu anderem Zweck bestimmt habe, wollte ich ihr zur Verfügung stellen. Mein Gott, ich wollte keine Madonna aus ihr machen, nur die Möglichkeit zu einem anderen Leben wollte ich ihr geben. Sie hat den Kopf geschüttelt und wie ein Kind mir in's Gesicht gelacht. Das Fünffache würde für ihre Bedürfnisse knapp reichen, hat sie geantwortet, und selbst dann könnte sie für nichts, für nichts stehen – mißverstehen Sie mich nicht,« fuhr sie fort, »ich wollte nicht zur Moralistin an ihr werden, das lag mir ferne ... auch verstehe ich solche Naturen durchaus. Aber was ich doch nicht begreife, trotz alledem nicht begreife, ist, daß eine Frau, die Mutter ist, sich ... sich ... mein Gott, wir sind wohl einig ... einer Leidenschaft sich hingegeben – oder wenn man zum Schlage dieser leicht entzündbaren Wesen gehört, die von Leidenschaft zu Leidenschaft den Weg finden – das alles finde ich menschlich und begebe mich jeder Kritik – aber das andere, das andere ... und noch dazu, wenn man unschuldige Kinder hat!«

»Es ist das,« sagte er, »die alte Geschichte, wie ein Mensch durch den anderen gemein werden kann. Nach allem, was ich gehört habe, hat dieser Mann sie auf dem Gewissen. Er hat sie systematisch schlecht gemacht. Im übrigen ist das wohl keine so seltene Erscheinung. Nur daß sich hier der Fall besonders scharf zugespitzt hat. Und das kommt daher,« setzte er in unsicherem Ton hinzu, »weil diese Menschen nur noch wie die Bestien zusammenleben.«

Er lächelte schüchtern.

»Sie sehen mich erstaunt an und warten gewiß, daß ich Ihnen wieder eine meiner beschränkten, asketischen Lehren vortragen werde. Sie dürfen beruhigt sein. Ich weiß, daß in mir wie in jedem anderen die bête humaine lauert – ich bin auch darin lutherisch gesonnen, daß mir nur der an Körper und Geist gesund erscheint, der seinen Sinnen ... nun es ist ja keine Nötigung vorhanden,« unterbrach er sich verlegen, »überdeutlich zu werden, ich meine nur, daß diese Ehen sich so schnell abwirtschaften, weil entweder gar kein Zusammenhang, oder nur ein erotischer vorhanden ist. Das ist der langen Rede kurzer Sinn!«

Frau Regine erhob sich.

»Ich habe,« begann sie ohne jeden Übergang, »einen Wunsch. Ich möchte mit Ihnen in's Freie. Draußen ist so warmer, weicher Frühling. Das junge Grün lacht einen nur so an! Lassen wir allen Ernst und alle Schwere in der stickigen Zimmerluft – und hinaus in's Freie!«

Er hatte ihr, kaum seinen Ohren trauend, zugehört, und eine frohe Erregung weitete seine Brust. Seine kleinen Augen leuchteten, als er ihre Hand drückte und erwiderte: »Wenn Sie wüßten, welch eine Freude Sie mir schaffen!«

Sie entgegnete darauf kein Wort; aber sie sah ihn eine flüchtige Weile mit jenen schimmernden Blicken an, in denen sich eine Frau rückhaltlos bekennt. Alles Harte und Verneinende, alles Unversöhnliche löste sich in ihr auf. Sie fühlte, daß seine Art Macht über sie gewonnen, daß von seiner Seele zu der ihrigen unzerreißbare Fäden sich geschlungen hatten. Aber plötzlich überzog sie eine feine Blässe, und unsichtbare Tränen stiegen in ihr auf. Sie wandte sich schnell ab, um ihm ihr Empfinden zu verbergen. Er sollte nichts von der bangen Traurigkeit wahrnehmen, die sie ahnungsvoll durchdrang, von diesem stillen, tiefen Schmerz, den sie allein, ganz mit sich allein niederringen mußte. Sie wußte es, daß die Zeit des Glückes für sie vorüber war, daß sie zu mürbe, zu sehr von Kümmernissen durchsetzt war, um das Recht zu haben, ihn, der erwartungsvoll mit unberührtem Kinderglauben der Zukunft entgegensah, an sich zu fesseln. Denn das war ja das nicht zu stillende Leid ihrer aufblühenden Liebe, daß es nur Entsagung gab. –

Rasch verließ sie das Zimmer. Draußen rang sie in stummer Qual die gefalteten Hände, bis das Blut ihr in die Knöchel drang. Dann lächelte sie schmerzhaft. Nein, ihre Liebe war stark genug, um allem Begehren Trotz zu bieten, ihre Liebe würde freudig entsagen.


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