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XXV.

Als Heller an diesem Abend heimkehrte, trug er eine erschreckend demütige Miene zur Schau. Er sah bleich und verstört aus und nahm keinen Bissen zu sich. Er starrte auf die weiße Fläche des Tellers, und nur zuweilen entrang sich ihm ein stöhnender Laut. Allmählich überkam ihn eine gelinde Schadenfreude. Er sprach sich Mut zu. Sie denken, ich bin ihr Hahnrei; sie denken, ich wüßte nicht alles. Dann schielt er zu Regine hinüber und ist gerührt über seine Demut, die so wollüstig alles erträgt und letzten Endes siegen muß. Eine Art von religiöser Weihe durchdringt ihn: Gott wird ein Einsehen haben, Gott wird seinen Gram von ihm nehmen.

Dieser gutmütige Bursche fängt im Stillen mit Gott einen billigen Handel an, verspricht ihm Gläubigkeit und frommen Lebenswandel, wenn – Gott die schöne Gelegenheit benütze, ihm seine Existenz zu offenbaren. Gott müsse ihn verstehen, ohne daß er sein heißestes Gebet laut aussprach, Gott müsse wissen, daß alles in schönster Ordnung war, wenn dieser Gent zufällig das Genick brach, oder durch irgendeine andere dieser kleinen Zufälligkeiten, wie sie sich tagtäglich zutragen, die Himmelfahrt antrat. Wenn sich solches ereignete, niemand würde dem Kollegen ein besseres Andenken bewahren, als er.

Er schreckte plötzlich zusammen. Ob die ahnt, was in mir vorgeht, fragte er sich ängstlich. Geräuschvoll legte er Messer und Gabel auf den Teller und hustete laut. Regine rührte sich nicht.

»Das Satansweib – das Satansweib!« ächzte er in sich hinein. »Tut, als ob ich bereits unter der Erde wäre. Und ein übermächtiges Gefühl packt ihn, sich an ihr zu vergreifen, sie entweder zu umschlingen und mit heißen Küssen zu bedecken, oder mit Fäusten auf sie loszugehen und sie blutig zu schlagen, bis sie wimmernd und in ihrer Kraft und Bosheit gebrochen, ihm zu Füßen sinken und um Schonung betteln würde.

Mit einem Male erhebt er sich und geht langsam und feierlich auf sie los.

»Ich will wissen,« sagte er mit unsicherer, zitternder Stimme, indem er sie zwingt, seinen heißen Blicken zu begegnen, »ich will wissen, was findest Du eigentlich an diesem dicken, häßlichen Kerl?«

Sie kreuzt die Arme übereinander und mißt ihn mit so kalter, überlegener Ruhe und diesem entsetzlichen Hohn, mit dem eine haßerfüllte Frau den Mann bis zur Besinnungslosigkeit zu reizen vermag, daß er nicht an sich zu halten vermag und mit gellendem Lachen sich auf sie stürzt.

»Du Biest ... Du Biest!« stößt er heiser hervor und krallt seine Finger in ihre Arme, daß sie die Zähne in die Lippe gräbt, um nicht laut aufzuschreien. »Mit so 'ner Fleischmasse ... mit so 'nem Schwein sich einzulassen ...«

Er will sich bei diesen Worten vor Lachen schütteln, als hätte er ein unbezahlbares bon mot zum besten gegeben.

Da macht sie sich mit einem Ruck gewaltsam von ihm los, und den Blick in unsäglicher Scheu zur Erde wendend, will sie hinaus. Aber gerade zwischen Tür und Angel fühlt sie auf einmal, wie ihr die Sinne schwinden, und sie zu Boden sinkt. Eine Sekunde starrt Heller bewußtlos in ihr vom Blute überströmtes Gesicht, starrt er auf die Scherben der Meißener Porzellanschüssel, die er nach seinem Opfer so treffsicher geschleudert hat. Dann schleicht er auf sie zu, und knirschend trägt er sie hinaus.


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