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Der Klang der Glocken

Den Klang der Glockenschläge hör' ich gern,
wenn eine Turmuhr nächtlich zählend hallt:
ich liege wach, im Fenster steht mein Stern,
Erinnerung mich wieder sanft umwallt.
Den heimatlichen Schall glaub' ich zu hören,
wenn er die Zwölf warf in der Gassen Schlaf,
als könnte er noch einmal mich betören
wie einst, da ich den Freund am Brunnen traf
und wir die langen Nachtgespräche hatten,
in die von Zeit zu Zeit die Turmuhr rief,
und oben hinterm Vorhang huschten Schatten
im Gasthauszimmer, wo die Fremde schlief.
Jetzt bin ich hier der Gast auf fremder Erde,
vom Heimatboden durch das Meer getrennt,
und wenn ich morgen früh erwachen werde,
grüßt mich Musik, die meine Sehnsucht kennt,
gleich jenem Glockenspiel der Stadt am See,
das dem Verbannten schon so tröstlich klang
und über Giebeln voller Märzenschnee
das Banner seiner Sonntagsbotschaft schwang.
Und manchmal läßt mich Krankheit nachts nicht schlafen,
dann sinn' ich allem Ueberstandnem nach
und sehne mich nach einem sichren Hafen,
und wieder läutet es durch mein Gemach,
ein Chor, in dem die Glocken sich vereinen,
die da und dort ich Tag und Nacht vernahm,
in dem die Schmerzen aller Wesen weinen,
um deren Freundschaft ich allmählich kam.
Doch einst wird mir die Stimme milder klingen,
die oft mich jetzt mit Strenge ehern schreckt,
und schließlich mich in einen Schlummer singen,
aus dem nichts Zeitliches mich mehr erweckt.


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