Herodot
Orientalische Königsgeschichten
Herodot

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Des Xerxes Flucht

Xerxes ging eilig nach dem Hellesponte zu. Er kommt innerhalb fünfundvierzig Tagen bei dem Orte der Überfahrt an und bringt sozusagen einen Teil der Armee mit. Wo seine Völker hinkamen, und bei welchen Leuten es auch sein mochte, bei denen raubten und verzehrten sie alle Früchte. Fanden sie aber keine Früchte, so aßen sie das Kraut, welches kaum aus der Erde hervorwuchs, schälten die Schale sowohl von wilden als zahmen Bäumen, streiften das Laub von denselben ab und aßen dasselbe, ohne etwas übrig zu lassen. Dazu brachte sie der Hunger. Überdies griff die Pest und Ruhr das Volk an und rieb es unterwegs auf. Die Kranken ließ er zurück und befahl den Städten, wo er durchzog, für sie zu sorgen und sie zu unterhalten, einige in Thessalien, zu Siris in Päonien und in Mazedonien. Den heiligen Wagen des Jupiter fand er daselbst, wo er ihn auf seinem Zuge nach Griechenland gelassen hatte, nicht wieder. Die Päonier, welche ihn den Thrakern gegeben hatten, sagten, als ihn Xerxes wiederforderte, die Pferde, welche auf die Weide gegangen, wären von den Thrakern, die um die Quellen des Strymons wohnten, geraubt worden.

Daselbst hat auch der König der Visalter und des krestonischen Landes, ein Thraker, etwas Außerordentliches getan. Er wollte selbst dem Xerxes nicht dienen, sondern zog auf das Gebirge Rhodope und verbot auch seinen Söhnen wider Griechenland Kriegsdienste zu tun. Allein diese achteten entweder das Verbot nicht oder hatten sonst Lust, den Krieg zu sehen, und gingen also in die Dienste des Xerxes. Als sie aber alle sechs an der Zahl unverletzt wieder zurückkamen, stach ihnen der Vater um dieser Ursache willen die Augen aus. Das war der Lohn, den sie empfingen.

Die Perser, welche aus Thrakien an dem Hellespont ankamen, gingen mit großer Eilfertigkeit mit Schiffen über denselben nach Abydus. Denn sie fanden die Schiffsbrücke nicht imstande, sondern vom Sturm zerrissen. Sie hielten daselbst Rast und bekamen mehr Lebensmittel, als sie unterwegs gefunden hatten; weil sie kein Maß hielten und anderes Wasser gebrauchten, starben viele von dem noch übrigen Kriegsvolke. Die übrigen kamen mit dem Xerxes nach Persien.

Man hat aber auch noch eine andere Erzählung, nach welcher Xerxes, als er von Athen weggezogen und an das Ufer des Strymons gekommen, nicht weiter zu Lande gereist, sondern das Kriegsvolk dem Hydarnes übergeben hat, dasselbe an den Hellespont zu führen, worauf er selbst auf ein phönizisches Schiff gegangen und mit demselben nach Asien zurückgekehrt sein soll. Auf dieser Fahrt soll ihn ein heftiger und stürmischer Wind überfallen haben, bei welchem er in desto größerer Gefahr gewesen sei, weil das Schiff überladen gewesen, so daß viele Perser, die mit dem Xerxes zurückgingen, auf dem Verdeck standen; daher sei der König in Furcht geraten und habe den Steuermann gefragt, ob noch Hoffnung übrig sei, welcher denn geantwortet habe, nicht anders, als wenn das Schiff von den vielen Leuten in etwas erleichtert würde. Hierauf soll Xerxes gesagt haben: Ihr Perser, nun zeige jemand unter euch, daß er für den König besorgt sei, denn auf euch scheint meine Erhaltung anzukommen. Kaum habe er dieses gesprochen, als sie schon ehrerbietig vor ihm niedergefallen und darauf ins Meer gesprungen seien; dadurch sei das Schiff erleichtert und er also glücklich nach Asien übergekommen; sobald er aber ausgestiegen, habe er den Steuermann, weil er das Leben des Königs erhalten, mit einer goldenen Krone beschenkt; aber weil er vielen Persern den Untergang verursacht, ihm den Kopf abgehauen.


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