Herodot
Orientalische Königsgeschichten
Herodot

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Darius bei den Skythen

Als Darius sich wider die Skythen rüstete und Boten ausschickte, welche einigen Völker zu stellen, anderen Schiffe zu geben, anderen eine Brücke über die thrakische Meerenge zu schlagen anbefehlen mußten, widerriet Artabanus den Krieg wider die Skythen, indem er vorstellte, daß den Skythen nicht beizukommen sei. Weil aber sein guter Rat keinen Eingang fand, so ließ er's gehen. Nachdem alle Anstalten gemacht waren, ließ Darius das Kriegsvolk von Susa aufbrechen, Öobazus, ein Perser, welcher drei Söhne hatte, die mit zu Felde zogen, bat ihn daselbst, daß ihm einer möchte zurückgelassen werden. Er gab ihm zur Antwort, weil er sein Freund sei und nur um etwas Geringes bäte, so wollte er ihm alle Söhne zurücklassen. Öobazus war darüber sehr erfreut und hoffte, seine Söhne würden ihrer Dienste erlassen werden. Allein Darius befahl denen, welche dergleichen Dienste zu verrichten hatten, die Söhne des Öobazus hinzurichten. Also wurden ihm seine Söhne ermordet zurückgelassen.

Nachdem Darius das Schwarze Meer in Augenschein genommen hatte, fuhr er zurück nach der Brücke über den Bosporus, deren Baumeister Mandrokles, ein Samier, war. Als er auch den Bosporus besehen, richtete er zwei Säulen an demselben auf und ließ in die eine mit assyrischen, in die andere mit griechischen Buchstaben die Namen aller Völker, welche er mit sich führte, einhauen. Er führte aber alle Völker, die er beherrschte, mit sich. Deren Anzahl ohne das Schiffsvolk belief sich mit den Reitern auf siebenhunderttausend Mann, und man hatte sechshundert Schiffe zusammengebracht. Diese Säulen haben nachdem die Byzantiner in ihre Stadt gebracht und zu einem Altare der Diana Orthosia gebraucht, einen Stein ausgenommen, welcher bei dem Tempel des Bacchus zu Byzanz gelassen und voll assyrischer Buchstaben war. Der Ort, wo der König Darius die Brücke über den Bosporus hat schlagen lassen, ist meiner Mutmaßung nach mitten zwischen der Stadt Byzanz und dem Altare an der Mündung desselben gewesen.

Darius hatte sein Vergnügen an dieser in Eile verfertigten Brücke und machte dem Baumeister Mandrokles deswegen allerlei Geschenke; deswegen malte Mandrokles den ganzen Brückenbau und den König Darius auf einem Stuhle sitzend und seine Armee übersetzend nach dem Leben und schenkte das Bild, als eine Abgabe von den Geschenken, in den Tempel der Juno und setzte diese Worte darunter:

Mandrokles, welcher über den fischreichen Bospor eine Brücke geschlagen,
Widmet der Juno das Denkmal dieses geschwind vollzogenen Werkes:
Er hat sich damit einen Kranz aufgesetzt und den Samiern Ruhm erworben,
Daß er alles nach dem Sinn des Darius zustande gebracht hat.

Dieses waren die Denkmale desjenigen, der die Brücke gebaut hatte.

Nachdem Darius den Mandrokles beschenkt hatte, ging er nach Europa hinüber, hatte aber vorher den Ioniern anbefohlen, in das Schwarze Meer bis an den Ister zu schiffen; wenn sie in den Ister eingelaufen, sollten sie ihn erwarten und eine Brücke über den Fluß schlagen. Denn die Ionier, Äolier und Hellespontier führten das Seevolk. Die Kriegsflotte ging zwischen den kyaneischen Inseln durch und gerade nach dem Ister zu. Als sie zwei Tage weit in dem Flusse hinaufgegangen, schlug sie daselbst, wo sich der Fluß in seine Arme zerteilt, eine Brücke, Darius aber, welcher über die Brücke über den Bosporus gegangen, zog durch Thrazien und kam an die Quellen des Flusses Tearus, woselbst er drei Tage mit dem Heere stillelag. Der Tearus soll nach dem Berichte der umherwohnenden Leute wie gegen andere Krankheiten also insbesondere gegen die Räude der Menschen und Pferde sehr gesund sein. Er hat achtunddreißig Quellen, die aus einem Felsen entspringen; einige derselben sind kalt, andere warm. Der Weg dahin ist gleich lang von Heräopel bei Perinthus und von Apollonia an dem Schwarzen Meere, von beiden Orten zwei Tagereisen weit. Der Tearus fällt in den Kontadesdus, dieser in den Agrianes, der Agrianes in den Hebrus, dieser aber bei der Stadt Änus in das Meer.

An dem Flusse Tearus fand Darius ein solches Vergnügen, daß er daselbst eine Säule aufrichten und eine Schrift dieses Inhalts daraufsetzen ließ: Die Quellen des Flusses Tearus geben das beste und schönste Wasser unter allen Flüssen; und zu denselben kam auf seinem Kriegszuge gegen die Skythen der beste und schönste unter allen Menschen, Darius, des Hystaspes Sohn, König der Perser und des ganzen festen Landes. Das war daselbst geschrieben.

Als Darius mit der Landarmee an den Ister gekommen und über denselben mit allem Volke gegangen war, befahl er den Ioniern, die Brücke abzubrechen und ihm samt dem Schiffsvolke zu Lande zu folgen. Da die Ionier die Brücke abnehmen und seinen Befehl vollziehen wollten, sagte Koes, des Erxanders Sohn, der Hauptmann der Milesier, zu ihm, nachdem er vorher gefragt hatte, ob es ihm angenehm sei, seine Meinung anzuhören: Du willst, o König, ein Land mit Krieg überziehen, wo man kein gepflügtes Land und keine bewohnte Stadt sehen wird. Laß also diese Brücke an dem Orte stehen und gib ihr die zur Bedeckung, welche sie gebaut haben. Gehen uns die Sachen glücklich, wenn wir die Skythen antreffen, so können wir hier wieder zurückgehen; können wir sie aber nicht antreffen, so haben wir doch einen sicheren Rückweg. Denn ich befürchte nicht, daß wir von den Skythen in einem Treffen überwunden werden möchten, sondern vielmehr, daß wir sie nicht finden können und alsdann im Herumirren einigen Schaden leiden. Es möchte zwar jemand sagen, ich gäbe den Rat um meinetwillen, damit ich zurückbliebe; allein ich trage, o König, die Meinung vor, welche ich für die beste halte; ich selbst will dir folgen und nicht zurückbleiben. Der Vortrag gefiel dem Darius sehr wohl, und er antwortete darauf also: Du Fremdling aus Lesbos, wenn ich glücklich wieder nach Hause komme, so stelle dich ja bei mir ein, damit ich dir für deinen guten Rat eine gute Belohnung gebe.

Er knüpfte darauf an einen Riemen sechzig Knoten und berief die jonischen Fürsten zu einer Unterredung, in welcher er sie also anredete: Ihr Männer aus Ionien, ich widerrufe meine erste Meinung wegen der Brücke. Diese Riemen gebraucht auf folgende Weise: Sobald ich gegen die Skythen aufgebrochen bin, so löst von der Zeit an alle Tage einen Knoten auf. Bin ich in der Zeit nicht wieder da, sondern es sind so viel Tage vergangen als Knoten sind, so schiffet nach euren Städten zurück. Bis dahin aber bewahrt die Brücke, weil ich meine Meinung geändert habe, und beweist alle Sorgfalt, sie zu erhalten und zu bewachen. Ihr werdet mir damit den größten Gefallen erweisen. Nach diesem Vortrage brach Darius auf.

Da nun die Vortruppen der Skythen die Perser drei Tagereisen weit von dem Ister fanden, selbst aber noch eine Tagereise weit von ihnen entfernt waren, lagerten sie sich und verdarben alle Gewächse der Erde. Die Perser aber, welche die skythische Reiterei entdeckten, zogen ihr immer auf dem Wege nach, auf welchem sich diese zurückzogen (denn sie gingen gerade auf den einen Haufen los), und verfolgten sie gegen Morgen nach dem Tanais zu. Nachdem diese über den Tanais gegangen waren, gingen die Perser auch über denselben und verfolgten sie, bis sie durch das Land der Sauromaten in das Land der Budinen gekommen.

Solange die Perser durch das skythische und sauromatische Land zogen, fanden sie nichts zu verderben, weil alles wüste war. Als sie aber in das Land der Budinen rückten und an die von Holz gebaute Stadt kamen, welche von den Budinen verlassen und ganz ausgeleert war, brannten sie dieselbe ab. Nach dieser Verrichtung folgten sie immer weiter auf dem Wege nach und kamen durch diese Landschaft endlich in die Wüste.

Diese Wüste wird von niemand bewohnt, liegt über dem Lande der Budinen und ist sieben Tagereisen groß. Jenseits der Wüste aber wohnen die Thyssageten. Es kommen aus derselben vier große Flüsse durch das Land der Mäoter und fallen in den Mäotischen See; sie heißen Lykus, Oarus, Tanais und Syrgis. Nachdem Darius in die Wüste gekommen, setzte er den Marsch nicht weiter fort, sondern lagerte die Armee an dem Flusse Oarus und baute acht große Schlösser, die gleichweit, nämlich sechzig Stadien, voneinander lagen und wovon die Überreste noch bis auf meine Zeit vorhanden gewesen. Als er damit beschäftigt war, zogen sich die verfolgten Skythen oben herum und kehrten nach ihrem Lande zurück. Als sich nun dieselben ganz verloren hatten und völlig unsichtbar geworden waren, verließ Darius die halb gebauten Schlösser und wandte sich zurück gegen Abend zu, indem er meinte, dieses wären alle Skythen, und sie nähmen die Flucht nach der Abendseite zu. Er ließ die Armee sehr geschwind fortgehen und kam in das Skythenland, woselbst er den zwei anderen Haufen der Skythen nahekam, welche er dann, weil sie eine Tagereise weit immer vor ihm her auswichen, unaufhörlich verfolgte.

Die Skythen aber flohen ihrem Entschlusse nach bis in die Länder derjenigen, welche ihnen die Hilfe abgeschlagen hatten, und zwar zuerst in das Land der Melanchläner. Als die Skythen und Perser dieselben durch ihren Einfall ln Furcht und Schrecken gesetzt hatten, zogen die Skythen die Perser in die Länder der Androphagen; und nachdem auch diese in Schrecken gesetzt waren, entwichen sie in das neurische Gebiet, aus welchem die Skythen sich nach den Agathyrsen zu zogen. Als die Agathyrsen sahen, daß ihre Grenznachbarn vor den Skythen flohen und von ihnen beunruhigt wurden, schickten sie einen Herold, ehe die Skythen in ihr Land fielen, und kündigten ihnen an, daß sie nicht über ihre Grenzen kommen sollten, oder wenn sie einen Einfall wagten, würden sie ihnen eine Schlacht liefern. Nach dieser Ankündigung kamen die Agathyrsen, ihre Grenzen zu bedecken und waren entschlossen, die, welche über dieselben gehen wollten, zurückzutreiben. Aber die Melanchlänen, Androphagen und Neuren setzten sich nicht zur Wehr, als die Perser mit den Skythen zugleich in ihr Land einfielen; sie vergaßen ihre Drohung und flohen erschrocken immer gegen Norden nach der Wüste zu. Ein Teil der Skythen aber kam zu denjenigen Agathyrsen, die es ihnen noch nicht untersagt hatten; der andere Teil zog aus dem neurischen Lande vor den Persern her.

Als dieses Herumziehen kein Ende hatte, schickte Darius einen Reiter an den König der Skythen, Indathyrsus, und ließ ihm sagen: Du unglückseliger Mensch, warum fliehst du immer fort? Du kannst eins von beiden tun: traust du dir zu, meinen Unternehmungen Widerstand zu tun, so halte stand und laß dich mit mir zum Gefechte ein; wo aber nicht, so stelle deine Flucht ein, bringe, mir als deinem Herrn Erde und Wasser zum Geschenk und komm, dich mit mir zu unterreden.

Hierauf antwortete der skythische König Indathyrsus also: Höre du, Perser, dieses ist mein Verhalten; ich bin sonst noch vor keinem Menschen aus Furcht geflohen und fliehe vor dir jetzt auch nicht. Ich habe auch jetzt nichts getan, was ich in Friedenszeiten nicht schon zu tun gewohnt gewesen. Daß ich aber mich nicht gleich mit dir zu einem Treffen einlasse, davon will ich dir die Ursache auch anzeigen. Wir haben weder Städte noch angebautes Land, deren Zerstörung oder Verwüstung zu verhüten wir nötig hätten, mit euch ohne Verzug zu fechten; verlangt ihr dieses aber notwendig, so haben wir die Begräbnisse unserer Väter; wohlan, wenn ihr dieselben findet, so untersteht euch, dieselben zu verwüsten; alsdann werdet ihr sehen, ob wir für die Begräbnisse fechten werden oder nicht. Eher werden wir uns, wo uns nicht sonst eine Ursache bewegen möchte, nicht mit euch einlassen. Soviel dient zur Antwort wegen des Fechtens. Als meine Herren aber erkenne ich allein den Jupiter, meinen Stammvater, und die Vesta, die Königin der Skythen, an. Statt der Geschenke des Wassers und der Erde werde ich dir solche schicken, die dir zukommen. Dafür aber, daß du dich meinen Herrn genannt, soll dir's nicht wohlgehen. Dieses war die skythische Antwort, welche der Herold dem Darius überbrachte.

Als die skythischen Könige von der Knechtschaft hörten, gerieten sie in einen großen Zorn. Sie schicken auch den Haufen, mit welchem sich die Sauromaten vereinigt hatten und welcher unter dem Befehle des Skopasis stand, ab und befehlen demselben, sich mit den Ioniern, welche die Brücke über den Ister bewachten, zu unterreden. Die aber, welche von ihnen zurückblieben, beschlossen, die Perser nicht mehr herumzuziehen, sondern sie zu überfallen, wenn sie von allen Seiten her Proviant einholten. Sie beobachteten also die Völker des Darius, wenn sie Proviant einholten, und taten, was sie beschlossen hatten. Die skythische Reiterei trieb die feindliche allzeit zurück. Die persischen Reiter nahmen alsdann ihre Flucht zu dem Fußvolke, welches ihnen beistand. Wenn nun die Skythen die Reiterei in die Flucht gebracht hatten, zogen sie aus Furcht vor dem Fußvolke wieder zurück. Sie taten auch des Nachts dergleichen Ausfälle.

Was aber den Persern zum Vorteil und den Skythen, wenn sie auf das Lager des Darius einen Angriff taten, zum Nachteil gereichte, will ich als eine sehr wunderbare Sache anzeigen; dieses war die Stimme der Esel und die Gestalt der Maulesel. Denn das Land der Skythen zeugt weder Esel noch Maulesel, wie ich schon vordem angezeigt habe. In ganz Skythien ist auch wegen der Kälte kein Esel und kein Maulesel. Daher brachten die schreienden Esel die skythische Reiterei in Unordnung. Wenn die Skythen anrückten und die Pferde die Stimme der Esel hörten, wurden sie scheu, wandten um, stutzten und spitzten die Ohren, da sie dergleichen Stimme niemals gehört und eine solche Gestalt nicht gesehen hatten. Dieses machte in dem Kriege einige Veränderung.

Damit aber die Skythen die Perser recht in Verwirrung bringen möchten und damit sie desto länger in Skythien bleiben und dabei wegen des Mangels an allen Bedürfnissen ins Gedränge geraten müßten, so ließen sie ihr Vieh mit den Hirten zurück und zogen in eine andere Gegend. Alsdann kamen die Perser und nahmen das Vieh weg, wodurch sie dann von neuem mutig wurden.

Nachdem dieses oft geschehen, geriet endlich Darius in Not und Mangel; und als die Könige der Skythen dieses erfuhren, schickten sie einen Herold, der dem Darius einen Vogel, eine Maus, einen Frosch und fünf Pfeile zum Geschenke bringen mußte. Die Perser fragten den Überbringer, was das Überbrachte bedeuten sollte; dieser gab zur Antwort, ihm sei nichts anderes befohlen, als daß er nach Übergebung dieser Dinge gleich wieder fortgehen sollte, sagte aber doch, wenn die Perser scharfsinnig wären, so möchten sie selbst entdecken, was diese Geschenke vorstellen sollten.

Die Perser stellten darüber eine Beratschlagung an. Die Meinung des Darius war, die Skythen übergäben sich ihm selbst, ihr Land und ihr Wasser. Er stellte nämlich diese Vergleichung an: Die Maus sei in der Erde und genieße mit dem Menschen einerlei Speise; der Frosch im Wasser; der Vogel sei einem Pferde sehr gleich; und mit den Pfeilen übergäben sie ihre Ställe und Macht. Diese Auslegung machte Darius. Aber die Meinung des Gobryas, welcher einer von den sieben war, die die Magier hinrichteten, hatte mehr Wahrscheinlichkeit, indem er die Geschenke so auslegte: Wenn ihr Perser nicht Vögel werdet, die in die Luft fliegen, oder Mäuse, die in die Erde kriechen, oder Frösche, die in einen See hüpfen, so werdet ihr, von diesen Pfeilen getroffen, nicht wieder in euer Land zurückkommen. So deuteten die Perser die Geschenke.

Als der Haufen der Skythen, welcher erst beordert war, den See Mäotis zu bedecken, nachher aber an den Ister zu gehen und sich mit den Ioniern in eine Unterredung einzulassen, an die Brücke gekommen war, tat er diesen Vortrag: Ihr Ionier, wir kommen, euch die Freiheit zu bringen, wenn ihr uns Gehör geben wollt. Denn wir haben Nachricht, daß euch Darius befohlen habe, nur sechzig Tage die Brücke zu bewahren und, wenn er in der Zeit nicht zurückkäme nach eurem Lande zu ziehen. Tut ihr nun dieses, so begeht ihr nichts wider ihn noch wider uns. Ihr seid die angesetzten Tage geblieben, gebraucht nun eure Freiheit und zieht fort. Als die Ionier dieses zu tun versprochen hatten, gingen sie unverzüglich wieder zurück. Die zurückgebliebenen Skythen zogen nach Übersendung der Geschenke an den Darius in Schlachtordnung gegen die Perser an, als wenn sie ihnen ein Treffen liefern wollten. Indem sie also standen, kam ein Hase in die Mitte gelaufen, welchen alle, die ihn sahen, verfolgten. Da nun die Skythen einen Lärm machten und schrien, fragte Darius, was die Feinde für einen Lärm machten. Als er hörte, daß sie einen Hasen verfolgten, sagte er zu denen, mit welchen er vertraulich zu reden pflegte: Diese Leute schätzen uns sehr gering, und nun glaube ich, daß Gobryas wegen der Geschenke wahr geredet hat. Weil ich mir nun die Sache ebenso vorstelle, so ist guter Rat nötig, wie wir sicher zurückziehen können. Darauf sagte Gobryas: O König, ich wußte zwar schon durch fremde Nachricht die Dürftigkeit dieser Leute; als ich aber hierhergekommen, bin ich davon noch mehr überzeugt worden, da ich sah, daß sie uns nur bei der Nase herumgezogen. Nun ist mein Gutachten, daß wir, sobald es Nacht wird, die Feuer, so wie wir sonst gewohnt gewesen, anzünden, die Soldaten, die am schwächsten sind, vieles auszustehen, unter einem scheinbaren Vorwande zurücklassen, alle Esel anzubinden und fortzuziehen, ehe die Skythen die Brücke abbrechen, gerade nach dem Ister gehen, oder ehe es den Ioniern einfällt, etwas gegen uns vorzunehmen, welches sie leicht ausführen könnten.

Das war der Rat, den Gobryas erteilte, welchem auch Darius, als es Nacht wurde, folgte. Er ließ die schwächsten Leute, an deren Verlust am wenigsten gelegen war, und die Esel angebunden im Lager zurück. Er ließ aber die Schwachen aus dem Volke und die Esel aus dieser Ursache zurück: die Esel sollten ein Geschrei erheben; die Leute aber mußten um ihrer Schwachheit willen zurückbleiben unter dem Vorwande, er wolle mit dem gesunden Teile des Volkes die Skythen angreifen, sie sollten inzwischen das Lager bewachen. Nachdem Darius denen, welche zurückgelassen wurden, dieses bekanntgemacht und die Feuer angezündet, ging er mit großer Geschwindigkeit nach dem Ister zu. Die Esel, welche allein gelassen waren, schrien nun desto mehr. Als die Skythen ihre Stimme hörten, glaubten sie gewiß, daß die Perser in der Gegend ständen.

Als es aber Tag geworden und die Zurückgelassenen sahen, daß sie von dem Darius betrogen wären, streckten sie die Hände gegen die Skythen aus und stellten ihnen ihren Zustand vor. Als die Skythen diese Umstände hörten, zogen sie sich zusammen, sowohl die beiden Haufen der Skythen als auch der eine, bei welchem sich die Sauromaten, Budinen und Gelonen befanden, und setzten den Persern nach, gerade gegen den Ister zu. Weil aber die Perser sehr viel Fußvolk hatten und die Wege nicht wußten, zumal da keine ordentlichen Straßen da waren, die skythische Reiterei aber der kürzesten Wege kundig war, so verfehlten sie einander, und die Skythen kamen viel eher als die Perser an die Brücke. Da sie aber vernahmen, daß die Perser noch nicht angekommen wären, sagten sie zu den Ioniern, die bestimmten Tage sind schon vorbei, und ihr tut nicht recht, daß ihr noch bleibt. Wenn ihr aber erst aus Furcht geblieben seid, so werft nun die Brücke ab, geht unverzüglich fort, nehmt die Freiheit mit Freuden an und erkennt euch den Göttern und den Skythen zum Dank verbunden. Den aber, der vorher euer Herr gewesen, wollen wir in einen solchen Stand setzen, daß er keinen Menschen mehr bekriegen soll.

Dieses zogen die Ionier in Überlegung. Der athenische Feldherr Miltiades, welcher die Chersoneser an dem Hellespont beherrschte, war der Meinung, man solle den Skythen folgen und Ionien in Freiheit setzen. Aber Histiäus, der Milesier, dachte ganz anders und sagte: jetzt hätte ein jeder von ihnen dem Darius die Herrschaft über eine Stadt zu danken; wenn aber Darius seine Macht verlöre, so würde er nicht über die Milesier und keiner von ihnen an anderen Orten die Herrschaft führen können; denn eine jede Stadt wolle lieber das Volk als einen allein regieren lassen. Diesem Gutachten stimmten gleich alle bei, die vorher der Meinung des Miltiades Beifall gegeben hatten.

Als nun diese der Meinung des Histiäus beigetreten waren, fanden sie für gut, die Brücke auf der Seite nach den Skythen zu, soweit ein Pfeil reicht, abzuwerfen, damit es schiene, sie täten etwas, obwohl sie doch nichts taten; und damit die Skythen nicht suchen möchten, Gewalt zu gebrauchen, und Lust bekämen, auf der Brücke über die Donau zu gehen, und daß sie sagen könnten, wenn sie die Brücke gegen Skythien abwürfen, sie täten den Skythen alles zu Gefallen. Nach dieser Entschließung antwortete Histiäus also: Ihr Skythen kommt uns einen großen Dienst zu leisten und stellt euch eben zur rechten Zeit ein. Ihr zeigt uns, was wir zu unserem eigenen Vorteil tun sollen; und wir lassen zu eurem Vorteil auch nichts ermangeln. Denn wie ihr seht, brechen wir die Brücke ab und werden dabei alle Bereitwilligkeit zeigen, weil wir die Freiheit zu erlangen suchen. Indem wir aber mit dem Abbrechen beschäftigt sind, so ist es Zeit, daß ihr die Perser aufsucht und, wenn ihr sie findet, für euch und für uns die verdiente Rache ausübt.

Die Skythen, welche den Ioniern zum andern Male trauten, kehrten um, die Perser aufzusuchen, verfehlten sie aber auf ihrem Zuge. Die Skythen waren selbst schuld daran, weil sie das Futter für die Pferde verdorben und die Brunnen verschüttet hatten. Denn wenn sie dieses nicht getan hätten, so würden sie die Perser gar leicht gefunden haben. Nun aber war ihnen das selbst nachteilig, was sie vorher als nützlich beschlossen hatten. Die Skythen zogen nämlich durch die Gegend ihres Landes, wo Futter für ihre Pferde und Wasser zu finden war, und suchten die Feinde, weil sie glaubten, daß dieselben ebendiesen Weg nehmen würden. Allein die Perser beobachteten, wo sie vorher durchgezogen waren, und gingen auf dieser Straße wieder zurück; und doch fanden sie kaum den Ort der Überfahrt. Als sie endlich des Nachts daselbst ankamen und die Brücke abgebrochen fanden, gerieten sie in eine Besorgnis, sie möchten von den Ioniern verlassen worden sein.

Darius hatte einen Ägypter bei sich, welcher die allerstärkste Stimme hatte; diesem befahl er, sich an das Ufer des Ister zu stellen und den Milesier Histiäus zu rufen. Er tat es. Sobald Histiäus das erste Zurufen hörte, machte er alle Schiffe fertig, die Armee überzuführen, und ergänzte auch die Brücke wieder. Auf die Weise entfliehen die Perser; die Skythen aber, welche sie suchen, verfehlen sie zum andern Male; daher sie die Ionier unter freien Leuten, wenn sie darunter zu zählen wären, für die allerniederträchtigsten und verzagtesten halten, als Knechte aber für solche Sklaven erkennen, welche die Dienstbarkeit lieben und derselben zu entgehen nicht die geringste Lust haben. So schimpften die Skythen auf die Ionier.


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