Herodot
Orientalische Königsgeschichten
Herodot

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Kambyses zieht zu den Äthiopiern

Nach diesem ging Kambyses (der Sohn des Cyrus) in seinen Gedanken noch mit drei Kriegszügen um, gegen die Karthagener, gegen die Ammonier und gegen die Äthiopier, welche Makrobii (die sehr lange leben) genannt werden und in Libyen an dem südlichen Meere wohnen. Er beschloß, die Karthagener zur See anzugreifen, die Ammonier zu Lande, zu den Äthiopiern aber vorher Kundschafter auszuschicken, welche sehen sollten, ob der Sonnentisch, welcher bei den Äthiopiern sein sollte, wirklich da wäre, und dabei auch andre Dinge auskundschaften, dem Könige aber zum Schein Geschenke bringen sollten.

Mit dem Sonnentische soll es diese Bewandtnis haben: In der Vorstadt ist eine Wiese, welche voll gekochten Fleisches von allerlei vierfüßigen Tieren ist. Die Vornehmsten unter den Bürgern, welche in Ämtern stehen, eilen dem Vorgeben nach des Nachts Fleisch dahin zu bringen, am Tage aber verzehrt dasselbe, wem es gefällt. Die Leute des Landes aber sagen, die Erde bringe dieses allemal selbst hervor. Diese Bewandtnis soll es mit dem also genannten Sonnentische haben.

Nachdem Kambyses Kundschafter abzuschicken für gut befunden hatte, ließ er aus der Elefantenstadt Leute von den Fischfressern, welche die äthiopische Sprache verstanden, holen. Unterdessen aber, daß sie diese zu ihm brachten, befahl er, daß die Seemacht gegen Karthago auslaufen sollte. Allein die Phönizier weigerten sich dessen und schützten vor, sie wären durch die stärksten Eidschwüre gebunden und handelten wider das Gewissen, wenn sie wider ihre Kinder Krieg führen wollten. Da nun die Phönizier nicht wollten, konnte man den Krieg mit andern Völkern nicht wagen. So entgingen die Karthagener der Dienstbarkeit der Perser. Denn Kambyses hielt es nicht für billig, gegen die Phönizier Gewalt zu gebrauchen, weil sie sich freiwillig den Persern ergeben hatten; und auf ihnen beruhte die ganze Seemacht. Die Cyprier hatten sich auch den Persern ergeben und dienten in dem Kriege wider die Ägypter.

Als die Fischesser aus der Elefantenstadt zu ihm gekommen, schickte er dieselben nach Äthiopien und befahl ihnen, was sie sagen sollten. Sie nahmen ein Purpurkleid, eine goldene Halskette, Armbänder, ein Balsamfläschchen und ein Kad Palmenwein als Geschenke mit. Diese Äthiopier, an welche Kambyses die Gesandtschaft abgehen ließ, sollen die größten und schönsten Leute und in ihren Gebräuchen und andern Dingen von allen andern Menschen unterschieden sein, besonders in Ansehung der königlichen Würde. Sie halten nämlich den der Regierung am würdigsten, welchen sie für den Größten und seiner Größe nach für den Stärksten halten.

Da die Fischesser zu diesem Volke kamen, hielten sie bei Überreichung der Geschenke an den König folgende Rede: Der König in Persien, Kambyses, wünscht dein Freund und Gast zu sein und hat uns daher geschickt, uns mit dir in eine Unterredung einzulassen; er überreicht dir diese Geschenke, deren Gebrauch ihm das größte Vergnügen macht. Der Äthiopier aber, welcher erfahren hatte, daß sie als Kundschafter gekommen, erteilte ihnen diese Antwort: Der persische König hat euch nicht gesandt, Geschenke an mich zu bringen, aus Verlangen mein Freund zu werden, und ihr redet die Wahrheit nicht. Denn ihr kommt als Kundschafter meines Reichs. Er ist auch kein gerechter Mann; denn wenn er gerecht wäre, so suchte er kein anderes Land als das seinige, und brächte nicht solche Leute, von welchen er nicht beleidigt worden, in die Dienstbarkeit. Nun aber gebt ihm diesen Bogen und sagt ihm: Der König von Äthiopien gibt dem König von Persien den Rat, alsdann wider die lange lebenden Äthiopier mit einer überlegenen Menge zu kriegen, wenn die Perser Bogen von solcher Größe ebenso leicht als wir spannen können; unterdessen mögen sie den Göttern danken, welche es den Äthiopiern nicht in den Sinn kommen lassen, sich eines andern Landes zu bemächtigen.

Mit diesen Worten ließ er den Bogen ab und gab ihn den Botschaftern. Er nahm den Purpurmantel und fragte, wozu er diene und wie er gemacht sei. Da nun die Fischesser von dem Purpur und dem Färben die Wahrheit sagten, sagte er: Die Menschen sind betrüglich und ihre Kleidung ist betrüglich. Zum andern fragte er wegen der goldenen Kette und der Armbänder. Als ihm darauf die Fischesser berichteten, daß dieses zum Schmuck gehöre, lachte der König, und in der Meinung, es wären Fesseln, sagte er, sie hätten stärkere Fesseln. Zum dritten fragte er wegen des Balsams. Da sie ihm nun von der Zubereitung und der Salbung sagten, fällte er darüber eben das Urteil als über die Kleidung. Als er aber auf den Wein kam, welcher ihm vortrefflich schmeckte, und von der Art, denselben zu machen hörte, fragte er nach der Speise des Königs und welches wohl das höchste Alter eines Persers sei. Die Fischesser antworteten, seine Speise sei Brot, und erklärten ihm die Beschaffenheit des Weizens: achtzig Jahr aber sei die höchste Lebenszeit. Darauf sagte der Äthiopier, da sie Kot äßen, so wundere er sich nicht, daß sie wenige Jahre lebten; denn sie könnten auch nicht einmal so lange leben, wenn sie es nicht diesem Tranke zu danken hätten, wodurch er den Fischessern den Wein andeutete; denn in diesem Stücke hatten die Perser einen Vorzug vor ihnen.

Die Fischesser fragten nun den König um ihre Lebensalter und um ihre Speise und Getränke, worauf sie zur Antwort bekamen, die meisten unter ihnen erreichten hundertundzwanzig Jahre, einige aber ein noch höheres Alter; ihre Speise sei gesottnes Fleisch, ihr Trank Milch. Da sich aber die Kundschafter über die Jahre verwunderten, führte er sie zu einem Brunnen, aus welchem sie sich wuschen und davon fetter wurden als von Öl und nach Violen rochen. Die Kundschafter sagten, das Wasser dieses Brunnens sei so leicht, daß nichts darauf schwimmen könne, weder Holz noch andere Dinge, die noch leichter als Holz wären; sondern alles sinke auf den Grund. Findet sich ein solches Wasser wirklich bei ihnen, so mögen sie wohl um deswillen lange leben, weil sie dasselbe beständig gebrauchen. Von dem Brunnen führte er sie zu dem Gefängnisse der Männer, wo sie alle mit goldenen Fesseln gebunden waren. Denn bei diesen Äthiopiern ist das Kupfer am allerrarsten und schätzbarsten.

Nachdem sie das Gefängnis besehen hatten, besahen sie auch den Sonnentisch, nach diesem aber die Totenbehältnisse, welche auf folgende Weise aus Glas sollten verfertigt werden: Wenn sie den Leichnam, entweder wie die Ägypter oder auf andre Art, ausgetrocknet haben, überziehen sie ihn ganz mit Gips, malen ihn zierlich und so ähnlich als es möglich ist. Darauf schließen sie ihn in eine Grabsäule, welche aus Glas ausgehöhlt ist, das sie in Menge haben und mit leichter Mühe ausgraben. Der Leichnam, welcher mitten in der Grabsäule ist, scheint durch und gibt keinen widrigen Geruch noch einen üblen Anblick, sieht auch dem Verstorbenen ganz gleich. Ein Jahr lang haben die nächsten Anverwandten die Grabsäule in den Häusern, bringen ihr die Erstlinge von allen Dingen und besondere Opfer; nachher tragen sie dieselbe heraus und stellen sie um die Stadt herum.

Nachdem die Kundschafter alles besehen hatten, gingen sie zurück und gaben dem Kambyses von allem Nachricht, welcher in Zorn geriet und gleich mit dem Kriegsheere gegen die Äthiopier aufbrach. Er hatte keinen Befehl gegeben, den Proviant zu veranstalten, noch bei sich selbst überlegt, daß er einen Zug in die äußersten Länder vornehme. Er begab sich unsinnig und rasend, sobald er die Fischesser angehört hatte, auf den Marsch, befahl den Griechen, welche er bei sich hatte, an dem Orte zu bleiben, und nahm alles Fußvolk mit sich. Nachdem er mit dem Heere bei Theben ankam, sonderte er von demselben ungefähr fünfzigtausend Mann ab und befahl denselben, die Ammonier zu Sklaven zu machen und das Orakel des Jupiters in Brand zu stecken. Er selbst führte die übrige Armee und ging mit derselben gegen die Äthiopier. Ehe aber das Heer die fünfte Tagereise zurücklegte, war aller Proviant, den es mitgenommen hatte, aufgezehrt; nachher fehlte es auch am Zugvieh, welches ebenfalls verzehrt war. Hätte nun Kambyses, als er dieses erfuhr, sich selbst überwunden und die Armee, nachdem er einmal einen Fehler begangen hatte, wieder zurückgeführt, so wäre er noch ein weiser Mann gewesen. Allein ohne einzige Überlegung rückte er immer weiter fort. Solange die Soldaten auf dem Felde noch was fanden, erhielten sie ihr Leben mit Kräuteressen. Nachdem sie aber in den Sand gekommen, begingen einige unter ihnen eine abscheuliche Tat. Denn unter zehn erwählten sie einen durch das Los und fraßen ihn. Als Kambyses dieses hörte und besorgte, sie möchten einander auffressen, ließ er den Zug gegen Äthiopien fahren und ging zurück. Er kam nach Theben, nachdem er viel Volk eingebüßt hatte. Von Theben gingen sie weiter und folgten den Wegweisern. Bei seiner Ankunft zu Memphis ließ er die Griechen wegschiffen. Das war der Ausgang des Zuges gegen Äthiopien.


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