Herodot
Orientalische Königsgeschichten
Herodot

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Der falsche Smerdis

Als Kambyses lange in Ägypten blieb und in seiner Unsinnigkeit fortfuhr, machten zwei Magier, welche Brüder waren, einen Aufstand gegen ihn. Dem einen von diesen beiden hatte Kambyses die Besorgung seiner häuslichen Angelegenheiten aufgetragen. Dieser empörte sich gegen ihn, als er von dem Tode des Smerdis gehört hatte, daß derselbe geheimgehalten würde und daß wenig Perser davon wüßten, die meisten aber glaubten, daß er noch am Leben sei. Dieses brachte ihn auf den Entschluß, sich der königlichen Gewalt zu bemächtigen. Er hatte einen Bruder, der sich, wie ich gesagt habe, mit ihm zugleich empörte. Dieser war der Gestalt nach dem Smerdis, des Cyrus Sohne, welchen Kambyses, sein Bruder, hatte hinrichten lassen, sehr ähnlich und führte gleichen Namen. Der Magier Patizethes beredete denselben, er wolle alles für ihn ausrichten, und setzte ihn also auf den königlichen Thron. Sobald dieses geschehen, schickte er an alle Orte und besonders nach Ägypten Herolde, um der Armee anzukündigen, daß sie künftig nicht mehr dem Kambyses, sondern des Cyrus' Sohne, Smerdis, gehorsam sein sollten.

Die Herolde verkündigten dieses an allen Orten, und der, welcher nach Ägypten abgeschickt war, den Kambyses aber und sein Heer zu Ekbatana, einer Stadt in Syrien, antraf, trat mitten unter das Volk und posaunte das aus, was ihm der Magier anbefohlen hatte. Als dieses Kambyses von dem Herold hörte und besorgte, daß er die Wahrheit sagte und daß er selbst von dem Prexaspes verraten sei, welcher den ihm anbefohlenen Mord seines Bruders nicht vollzogen habe, sah er den Prexaspes an und sagte: Prexaspes, du hast die Sache, welche ich dir aufgetragen habe, nicht ausgerichtet. Dieser aber gab zur Antwort: Herr, es ist nicht wahr, daß dein Bruder Smerdis wider dich aufgestanden sei, und du hast von ihm weder einen großen noch kleinen Streit zu besorgen. Denn ich habe das, was du mir anbefohlen, selbst ausgerichtet und ihn mit diesen meinen Händen begraben. Wenn nun die Toten wieder aufgestanden sind, so erwarte, daß auch Astyages, der Meder, wieder aufstehen werde. Wenn es aber noch so ist wie vordem, daß die Toten nicht aufstehen, so wird von jenem keine neue Widerwärtigkeit gegen dich entstehen. Mein Rat ist also, dem Herolde nachzusetzen und von ihm mit Fragen auszuforschen, von wem er komme, uns anzukündigen, daß wir uns dem Könige Smerdis unterwerfen sollen.

Nach dieser Vorstellung des Prexaspes, welche dem Kambyses gefiel, wurde der Herold verfolgt und zurückgebracht. Prexaspes tat diese Frage an ihn: Du sagst, mein Freund, du kämest als ein Botschafter von dem Smerdis. Wirst du uns nun die Wahrheit sagen, so kannst du in Frieden wieder fortreisen. Hat sich Smerdis selbst vor dir sehen lassen und dir dieses anbefohlen oder einer von seinen Bedienten? Er sagte: Ich habe des Cyrus' Sohn, Smerdis, nicht gesehen, seitdem Kambyses nach Ägypten gezogen ist; sondern der Magier, welchem Kambyses die Besorgung seiner häuslichen Angelegenheiten aufgetragen hat, der hat mir diesen Befehl erteilt und gesagt, daß Smerdis, des Cyrus' Sohn, derjenige sei, welcher den Befehl erteile, euch dieses anzukündigen. Er redete hier die lautere Wahrheit. Kambyses aber sagte: Prexaspes, du hast als ein ehrlicher Mann meinen Befehl vollzogen und dich außer alle Verantwortung gesetzt; wer mag mir aber wohl der Perser sein, welcher sich unter dem angenommenen Namen Smerdis gegen mich empört? Er gab zur Antwort: Mich deucht, o König, zu begreifen, wie die Sache zugegangen sei. Die Magier, welche sich wider dich empört haben, sind Patizethes, welchen du zum Aufseher deines Hauses hinterlassen, und sein Bruder Smerdis.

Als Kambyses den Namen Smerdis hörte, schlug ihn die Wahrheit der Reden und des Traumes, in welchem ihm jemand zu berichten schien, daß Smerdis auf dem königlichen Thron säße und mit dem Haupte den Himmel berührte. Da er nun erkannte, daß er seinen Bruder vergeblich hingerichtet, beweinte er den Smerdis. Nachdem er ausgeweint und das Unglück bejammert hatte, schwang er sich auf das Pferd in dem Entschluß, mit der Armee auf das geschwindeste nach Susa wider den Magier zu ziehen. Indem er sich aber auf das Pferd schwang, ging das Ortband von der Scheide des Degens ab und der entblößte Degen stach ihn in die Hüfte. Da er nun eben an dem Orte verwundet war, wo er vordem den Gott der Ägypter, Apis, verwundet hatte und ihm die Wunde tödlich zu sein schien, fragte Kambyses, was die Stadt für einen Namen hätte. Sie sagten Ekbatana. Es war ihm aber durch ein Orakel aus der Stadt Buto vorhergesagt worden, daß er zu Ekbatana sein Leben beschließen würde. Er meinte also, daß er zu Ekbatana in Medien, wo er seine Hofhaltung hatte, in einem hohen Alter sein Leben endigen würde; aber das Orakel redete von dem Ekbatana in Syrien. Nachdem er also auf sein Befragen den Namen der Stadt hörte und dabei sowohl über die Widerwärtigkeit, so ihm der Magier verursachte, als über die Wunde bestürzt war, ging er in sich, bedachte den göttlichen Ausspruch und sagte: Hier ist dem Kambyses sein Ende bestimmt. Das waren damals seine Worte.

Zwanzig Tage darauf ließ er die vornehmsten Perser, welche zugegen waren, zu sich fordern und redete sie also an: Ich sehe mich genötigt, das, was ich am sorgfältigsten verborgengehalten habe, euch zu entdecken. Als ich in Ägypten war, sah ich ein Gesicht im Traume, welches ich nicht gesehen zu haben wünschte. Es kam mir vor, als wenn ein Bote aus meinem Hause käme und mir berichtete, Smerdis säße auf dem königlichen Throne und berührte mit seinem Haupte den Himmel. Weil ich nun befürchtete, ich möchte durch meinen Bruder des Reichs beraubt werden, so verfuhr ich hitziger, als die Klugheit erforderte. Denn es bestand nicht in menschlichem Vermögen, das, was geschehen sollte, abzuwenden. Ich war so töricht und schickte den Prexaspes nach Susa, den Smerdis umzubringen. Nachdem diese Übeltat vollbracht war, lebte ich ohne Furcht und besorgte keineswegs, daß jemand anders, nachdem Smerdis aus dem Wege geräumt war, sich wider mich empören würde. Ich habe mich aber wegen des Zukünftigen sehr betrogen, bin schändlicherweise ein Brudermörder und nichtsdestoweniger des Reichs beraubt worden. Denn der Smerdis war der Magier, von welchem mir Gott im Traume offenbarte, daß er sich wider mich empören würde. Die Sache ist geschehen und ihr könnt sicher glauben, daß Smerdis, des Cyrus Sohn, nicht mehr am Leben sei. Die Magier haben sich der Herrschaft über euch bemächtigt, nämlich der, den ich zum Aufseher des Hauses hinterlassen, und dessen Bruder Smerdis. Der mir vornehmlich wegen dieser von den Magiern erlittenen Schande helfen sollte, der ist schändlicherweise von seinen nächsten Verwandten hingerichtet worden. Da nun derselbe nicht mehr vorhanden ist, so ist das notwendigste, daß ich euch anbefehle, was nach meinem Tode geschehen soll. Ich verlange also von euch und rufe darüber die Schutzgötter des Reichs zu Zeugen an, ich verlange von euch allen und besonders von denen, die aus dem Stamme der Achämenider zugegen sind, es nicht geschehen zu lassen, daß die Herrschaft wieder an die Meder komme; haben sie sich derselben durch List bemächtigt, so nehmt sie ihnen durch List wieder weg, oder haben sie dieselbe durch Gewalt an sich gebracht, so sucht sie mit Gewalt und allen Kräften wiederzuerlangen. Tut ihr dieses, so wünsche ich euch eine beständige Fruchtbarkeit der Erde, wie auch eurer Weiber und Herden und daß ihr allezeit freie Leute bleiben möget; erlangt ihr aber die Herrschaft nicht wieder und sucht sie auch nicht zu erlangen, so treffe euch der Fluch, und das Gegenteil von diesen Dingen widerfahre euch; und über dieses nehme ein jeder Perser ein solches Ende, als ich nehmen muß. Nach diesen Worten beweinte Kambyses alles, was er getan hatte.

Als die Perser den König so weinen sahen, rissen sie alle ihre Kleider ab und erhuben ein großes Klagegeschrei. Nachdem, als der Knochen angefressen und die Hüfte sehr schnell in eine Fäulnis geraten war, mußte Kambyses sterben, da er nur sieben Jahr und fünf Monate regiert und gar keine Kinder, weder männlichen noch weiblichen Geschlechts, hatte.


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