Herodot
Orientalische Königsgeschichten
Herodot

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Kambyses und der Apis

Bei der Ankunft des Kambyses zu Memphis erschien der Apis, welchen die Griechen Epaphus nennen, den Ägyptern. Sobald derselbe zum Vorschein gekommen, trugen die Ägypter die besten Kleider und hielten ein Freudenfest. Als Kambyses dieses Verhalten der Ägypter sah und den Verdacht wider sie faßte, als wenn sie darum so fröhlich wären, weil es ihm unglücklich gegangen, forderte er die Vorsteher der Stadt Memphis zu sich und fragte dieselben, wie es zuginge, daß sie bei seiner ersten Ankunft nichts dergleichen getan, was sie jetzt täten, da er nach einem erlittenen Verluste zurückkäme. Sie sagten, Gott sei ihnen erschienen, welcher nach einer langen Zeit zu erscheinen pflege, und bei seiner Erscheinung freuten sich alle Ägypter und hielten ein Fest. Er sagte, sie belögen ihn, und als Lügner verdammte er sie zum Tode.

Nachdem diese hingerichtet worden, ließ er die Priester vor sich kommen; als diese ebendiesen Bericht erteilten, sagte er, es würde ihm nicht verborgen sein, wenn ein so zahmer Gott zu den Ägyptern käme, und befahl, ohne weiter etwas zu sagen, daß die Priester den Apis zu ihm bringen sollten. Sie gingen fort, denselben zu holen. Dieser Apis, der auch Epaphus heißt, ist ein Kalb von einer Kuh, die sonst niemals hat können trächtig werden. Nach dem Vorgeben der Ägypter fällt auf diese Kuh ein Strahl vom Himmel, von welchem sie den Apis empfängt und gebiert. Dieses Kalb, der Apis genannt, hat folgende Zeichen: Es ist schwarz, trägt auf der Stirn einen weißen viereckigen Fleck und auf dem Rücken das Bild eines Adlers; an dem Schwanze hat es zweierlei Haare und auf der Zunge einen Käfer (oder schwarzen Fleck, der einem Käfer ähnlich ist).

Als die Priester den Apis vor ihn brachten, zog Kambyses, welcher halb wütend war, seinen Dolch und wollte damit den Apis in den Bauch stoßen, traf aber das dicke Bein und sagte lachend zu den Priestern: O ihr dummen Köpfe, sind das Götter, welche Blut und Fleisch haben und das Eisen fühlen? Ein solcher Gott gehört für die Ägypter. Allein ihr sollt mich durch eure Freude nicht zum Gelächter machen. Hierauf befahl er den dazu bestellten Bedienten, die Priester zu geißeln, die andern Ägypter aber, welche sie in Festverrichtungen anträfen, totzuschlagen. So hatte das Fest der Ägypter ein Ende; die Priester wurden gestraft, der Apis, welcher am dicken Beine verwundet war, verreckte in dem Tempel, und die Priester begruben ihn heimlich, daß Kambyses nichts davon erfuhr.

Kambyses aber wurde nach dieser Übeltat, wie die Ägypter sagen, alsbald unsinnig, da er doch schon vorher seines Verstandes nicht mächtig war. Zuerst mußte Smerdis, sein Bruder, leiden, welcher einen Vater und Mutter mit ihm hatte. Diesen schickte er aus Neid nach Persien aus Ägypten zurück, weil er allein unter den Persern den Bogen, welchen die Fischesser von dem Äthiopier gebracht hatten, auf zwei Finger breit spannen konnte, was keinem Perser möglich war. Nach der Abreise des Smerdis nach Persien träumte dem Kambyses, es brächte ihm ein Bote aus Persien die Nachricht, Smerdis säße auf dem königlichen Throne und rührte mit seinem Haupte an den Himmel. Aus Furcht also, der Bruder möchte ihn umbringen und sich des Reichs bemächtigen, schickt er den Prexaspes, welcher ihm unter allen Persern am getreuesten war, nach Persien, ihn hinzurichten. Dieser kam nach Susa und brachte ihn um. Einige sagen, er habe ihn auf die Jagd, andere aber, er habe ihn an das Rote Meer geführt und in demselben ersäuft.

Dieses soll der Anfang alles Unglücks des Kambyses gewesen sein. Die andere Bosheit übte er an seiner Schwester aus, die ihm nach Ägypten gefolgt war und mit welcher er ehelich lebte, ob sie gleich seine vollbürtige Schwester war. Mit ihrer Verheiratung war es so zugegangen; Es hatten die Perser niemals die Gewohnheit gehabt, ihre Schwestern zu heiraten, Kambyses aber verliebte sich in eine seiner Schwestern und wollte sich mit ihr vermählen. Weil er aber eine ungewöhnliche Sache vornehmen wollte, fragte er die zusammenberufenen königlichen Richter, ob ein Gesetz vorhanden sei, welches die Heirat mit der Schwester verböte. Die königlichen Richter sind bewährte Männer, welche aus den Persern genommen werden und in diesem Amte bis an ihren Tod bleiben, wenn sie keiner Ungerechtigkeit überführt werden. Diese halten Gericht und legen die Landesgesetze aus, und auf ihnen beruht alles. Auf die Frage des Kambyses gaben sie die gerechte und behutsame Antwort, sie fänden kein Gesetz, welches einem Bruder beföhle, seine Schwester zu heiraten; aber ein anderes Gesetz hätten sie gefunden, nach welchem einem Könige in Persien erlaubt sei, zu tun, was er wolle. Sie hoben also das Gesetz aus Furcht vor dem Kambyses nicht auf; damit sie aber sich selbst durch die Verteidigung des Gesetzes nicht unglücklich machten, fanden sie ein anderes Gesetz, welches seinem Verlangen wegen der Heirat zustatten kam. Darauf vermählte sich Kambyses mit seiner Geliebten, ja nicht lange darauf nahm er auch die andere Schwester. Die jüngere von diesen beiden aber, welche ihm nach Ägypten folgte, brachte er um das Leben.

Von ihrem Tode hat man eben wie von dem Tode des Smerdis eine zwiefache Erzählung. Denn die Griechen sagen, Kambyses habe einen jungen Löwen auf einen jungen Hund losgelassen, wobei seine Gemahlin zugesehen; als aber der junge Hund überwältigt worden, sei ihm ein anderer junger Hund, sein Bruder, welcher sich losgerissen, zu Hilfe gekommen, und so hätten sie beide zusammen die Oberhand über den jungen Löwen gewonnen. Kambyses habe dieses mit Vergnügen angesehen, die Schwester aber, welche bei ihm gesessen, geweint. Kambyses, welcher dieses wahrnahm, fragte sie, warum sie weine, worauf sie antwortete, sie weine deswegen, weil sie gesehen, daß der junge Hund seinem Bruder zu Hilfe gekommen, und ihr dabei eingefallen sei, daß ihm sein Bruder keine Hilfe werde leisten können. Um dieser Ursache willen soll sie nach dem Berichte der Griechen von dem Kambyses hingerichtet worden sein. Die Ägypter aber geben vor, als sie zu Tische gesessen, habe die Gemahlin einen Laktukenstengel genommen und abgestreift, und den König gefragt, ob der abgestreifte oder der blätterige Stengel besser sei; auf die Antwort desselben, der blätterige sei besser, habe sie gesagt: Du hast es gemacht, wie ich mit diesem Laktukenstengel, indem du das Haus des Cyrus entblößt hast, hierüber geriet er nach dieser Erzählung in einen heftigen Zorn, trat sie, da sie schwanger war, mit Füßen, wovon sie vor der Zeit niederkam und starb.

So wütete Kambyses gegen die, welche am nächsten mit ihm verbunden waren, entweder wegen des Apis oder aus andern Ursachen; wie denn dem Menschen mancherlei Unfälle zustoßen. Denn Kambyses soll eine angeborene große Krankheit, welche einige die heilige nennen, gehabt haben. Es war also nicht unwahrscheinlich, daß bei einer so schweren Krankheit des Leibes auch sein Verstand nicht gesund gewesen.

Gegen andere Perser beging er auch viel Unsinniges. Zu dem Prexaspes, welchen er in besonderen Ehren hielt, der ihm die eingelaufenen Berichte vortrug, dessen Sohn Mundschenk bei ihm war, welches auch keine geringe Ehre ist, zu diesem Prexaspes soll er gesagt haben: Prexaspes, für was für einen Mann halten mich die Perser? Was reden sie von mir? Worauf derselbe geantwortet: Herr, sie geben dir in allen Dingen ein großes Lob; sprechen aber, du wärest dem Weintrinken zu sehr ergeben, hierauf versetzte Kambyses im Zorn: Sie sagen also, ich sei dem Wein ergeben und daher meines Verstandes nicht mächtig? So sind denn ihre vorigen Reden der Wahrheit nicht gemäß gewesen. Denn als vorher die Perser mit ihm eine Ratsversammlung hielten, bei welcher Krösus auch zugegen war, fragte Kambyses, was er ihnen im Vergleich mit seinem Vater Cyrus für ein Mann zu sein schiene. Sie sagten, er übertreffe seinen Vater; denn er beherrsche dessen ganzes Reich und noch dazu Ägypten und das Meer. Krösus aber, welcher dabei und mit diesem Urteile nicht zufrieden war, sagte zu dem Kambyses: Nach meinem Bedünken bist du, o Sohn des Cyrus, deinem Vater nicht gleich; denn du hast noch keinen solchen Sohn, als er an dir hinterlassen hat. Dieses hörte Kambyses mit Vergnügen und lobte das Urteil des Krösus.

Dieses Gespräches soll er sich erinnert und im Zorn zu Prexaspes gesagt haben: Du sollst jetzt erfahren, ob die Perser die Wahrheit sagen oder ob sie als Narren reden. Denn wenn ich deinen Sohn, welcher in dem Vorhofe steht, mitten in das Herz treffen werde, so ist es offenbar, daß die Perser die Unwahrheit reden; fehle ich aber, so ist es klar, daß die Perser die Wahrheit reden und daß ich nicht vernünftig sei. Nach diesen Worten spannte er den Bogen und schoß nach dem Sohne. Als derselbe gefallen, befahl er ihn zu öffnen und nach dem Schusse zu sehen. Da man den Pfeil im Herzen stecken fand, sagte er lachend und von Freude zu dem Vater: Prexaspes, daß ich nicht unsinnig bin, die Perser aber närrisch denken, ist jetzt offenbar geworden. Nun aber sage mir, ob du wohl einen unter allen Menschen weißt, der so geschickt nach dem Ziele schießt. Prexaspes, welcher sah, daß er nicht wohl bei Sinnen war, und seinetwegen selbst in Sorgen stand, sagte: Herr, ich glaube, daß Gott selbst nicht so gut schießen kann. So handelte er damals. Zu einer andern Zeit nahm er zwölf Perser, die den vornehmsten gleich waren, und ließ sie, ob sie gleich nichts verschuldet hatten, lebendig mit dem Kopfe nach unten vergraben.

Krösus, der Lyder, hielt sich berechtigt, dem Könige wegen solches Verfahrens mit diesen Worten zuzureden: O König, tue nicht alles, was dir dein Alter und der Zorn eingibt, sondern zähme und bändige dich selbst. Es ist gut, vorsichtig zu sein, und die Weisheit erfordert, alles mit Bedacht zu tun. Du aber nimmst deinen eigenen Landeskindern das Leben, ohne eine Schuld des Todes an ihnen gefunden zu haben, und bringst ihre Söhne um. Wenn du viel dergleichen tust, so mußt du besorgen, daß die Perser von dir abfallen. Mir hat dein Vater Cyrus ernstlich anbefohlen und aufgetragen, dich zu erinnern und dir vorzustellen, was ich dir heilsam finden würde. So bezeugte er ihm sein Wohlmeinen durch den guten Rat. Kambyses versetzte darauf: Und du unterstehst dich, mir Rat zu erteilen, der du deinem Lande so trefflich vorgestanden und meinem Vater so wohl geraten hast, indem du ihn angetrieben, über den Araxes gegen die Massageten zu gehen, da diese in unser Land herüberkommen wollten? Du hast dich selbst unglücklich gemacht, weil du deinem Vaterlande übel vorgestanden, und hast den Cyrus unglücklich gemacht, welcher dir Gehör gab. Aber du sollst dich dessen nicht zu erfreuen haben; denn ich habe schon längst eine Gelegenheit an dich zu kommen suchen sollen. Mit diesen Worten ergriff er den Bogen, als wenn er nach ihm schießen wollte. Krösus aber sprang auf und lief hinaus. Als jener nicht schießen konnte, befahl er den Bedienten, ihn zu ergreifen und umzubringen. Die Bedienten, welche seine Absicht kannten, verbargen den Krösus, und zwar in der Absicht, damit sie, wenn es den Kambyses gereute und er nach dem Krösus ein Verlangen bezeigte, ihn wieder hervorbrächten und wegen Erhaltung desselben Geschenke bekämen, oder damit sie ihn umbrächten, wenn er keine Reue und Sehnsucht nach ihm merken ließe. Kambyses bezeigte kurze Zeit darauf ein Verlangen nach dem Krösus, und die Bedienten, welche solches hörten, zeigten ihm an, daß er noch am Leben sei. Kambyses gab sein Vergnügen darüber zu erkennen, sagte aber, daß er die, so ihn erhalten hätten, nicht ungestraft lassen, sondern hinrichten würde; und das geschah auch.


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