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Tausend und eine Nacht. Band VIII
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Die drei unglücklichen Liebenden.

Ferner heißt es, daß El-Otbī erzählte: »Ich saß eines Tages in einer Gesellschaft gebildeter Leute, und wir unterhielten uns über allerlei Sachen, bis die Unterhaltung auch auf Liebesgeschichten kam, und jeder von uns etwas zum besten gab. Ein Scheich aber in der Gesellschaft schwieg, bis alle Anwesenden alles, was sie zu sagen hatten, vorgebracht hatten, worauf er sagte: »Soll ich euch etwas erzählen, desgleichen ihr zuvor nie gehört habt?« Wir versetzten: »Jawohl.« Da hob er an: »Wisset, ich hatte eine Tochter, die einen jungen Mann liebte, ohne daß wir etwas davon wußten; jener junge Mann aber liebte eine Sängerin, welche ihrerseits wieder meine Tochter liebte. Eines Tages befand ich mich nun in einer Gesellschaft, in welcher auch der junge Mann –

Vierhundertundzehnte Nacht.

und die Sängerin anwesend waren, und die Sängerin sang folgende beiden Verse:

Wie Liebe erniedrigt, das deuten die Thränen an,
Doch schlimmer noch ist des Liebenden Los, der kein Mitleid findet.

Da rief der Jüngling: »Das war schön, bei Gott, meine Herrin, du willst wohl gar meinen Tod?« Die Sängerin antwortete hinter dem Vorhange: »Ja; so du ein Liebender bist, so stirb.« Da legte der Jüngling sein Haupt auf ein Kissen und schloß seine Augen; und als der Becher an ihn kam und wir ihn schüttelten, da war er tot. Wir versammelten uns nun bei ihm betrübt, und gingen, da unsere 93 Freude gestört war, alsbald nach Hause. Als ich vor der verabredeten Zeit nach Hause kam, ahnten meine Angehörigen Schlimmes, und ich erzählte ihnen den Vorfall mit dem Jüngling im Glauben sie dadurch zu überraschen. Sobald jedoch meine Tochter meine Erzählung vernommen hatte, verließ sie das Zimmer und begab sich in ein anderes, und als ich ihr nachging und jenes Zimmer betrat, sah ich sie mit dem Kopf auf dem Kissen ruhen, ganz so wie ich es von dem jungen Mann erzählt hatte, und fand, wie ich sie schüttelte, daß sie tot war. Da richteten wir sie her und geleiteten sie am nächsten Morgen zu Grabe, zur selben Zeit als der junge Mann zu Grabe getragen wurde. Unterwegs trafen wir einen dritten Leichenzug, und als wir uns nach ihm erkundigten, da war es der Leichenzug der Sängerin, welche bei der Nachricht von dem Tode meiner Tochter das gleiche wie sie gethan hatte und gestorben war, so daß wir nun alle drei an demselben Tage bestatteten. Und dies ist die wunderbarste Geschichte, die man je von Liebenden vernahm.

 


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