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Tausend und eine Nacht. Band VIII
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Der Dieb und der Kaufmann.

Ferner erzählt man, daß einmal ein Dieb lebte, welcher sich wieder in aufrichtiger Reue zu Gott, den Erhabenen, gekehrt hatte; er hatte einen Laden aufgethan, in dem er Zeug verkaufte, und hatte bereits geraume Zeit in dieser Weise gelebt, als es sich eines Tages traf, daß er seinen Laden verschloß und nach Hause ging. Des Nachts kam jedoch ein schlauer Dieb, der sich ganz wie der Ladeninhaber verkleidet hatte, und sagte zu dem Bazarwächter, während er die Schlüssel aus seinem Ärmel hervorholte: »Zünde mir diese Wachskerze an.« Da nahm der Wächter die Kerze und ging fort, um sie anzuzünden, –

Dreihundertundneunundneunzigste Nacht.

während der Dieb eine andere Kerze, die er außer der ersten bei sich hatte, anzündete. Als der Wächter zurückkehrte, fand er ihn im Laden sitzend, das Rechnungsbuch in der Hand haltend und in dasselbe schauend und ununterbrochen mit den Fingern rechnend, bis der Morgen dämmerte. Alsdann sagte er zum Wächter: »Hol' mir einen Kameltreiber mit seinem Kamel, daß er einige Waren für mich fortschafft.« Der Wächter holte ihm einen Kameltreiber mit seinem Kamel, und der Dieb nahm vier Ballen Zeug und reichte sie dem Kameltreiber, der sie aufs Kamel lud. Alsdann verschloß 68 er den Laden, gab dem Wächter zwei Dirhem und folgte dem Kameltreiber, während der Wächter ihn für den Ladeninhaber hielt. Als nun der Morgen anbrach und es lichter Tag ward, kam der Kaufmann an und verwunderte sich über den Wächter, der ihn wegen der beiden Dirhem segnete, da er nicht wußte, was er daraus machen sollte. Beim Öffnen des Ladens fand er dann Wachsflecken und sah, daß das Rechnungsbuch auf der Erde lag. Da schaute er sich im Laden um, und wie er nun die vier Ballen Zeug vermißte, fragte er den Wächter, was vorgefallen wäre, worauf der Wächter ihm erzählte was in der Nacht geschehen und zu dem Kameltreiber in betreff der Zeugballen gesprochen war. Da sagte er zum Wächter: »Hol' mir den Kameltreiber her, der mit dir das Zeug in der Morgenfrühe aufgeladen hat.« Der Wächter antwortete: »Ich höre und gehorche,« und holte den Kameltreiber, den nun der Kaufmann fragte: »Wohin hast du das Zeug in der Morgenfrühe geschafft?« Der Kameltreiber antwortete: »Nach dem und dem Landungsplatz, wo ich es auf das und das Boot verlud.« Da sagte der Kaufmann: »Begleite mich dorthin;« und der Kameltreiber führte ihn zu dem betreffenden Landungsplatz, wo er zu ihm sagte: »Das ist das Boot und der da ist sein Besitzer.« Nun fragte der Kaufmann den Schiffer: »Wohin hast du den Kaufmann und das Zeug gefahren?« Der Schiffer antwortete: »Nach dem und dem Ort; dort holte er einen Kameltreiber, lud das Zeug auf und zog fort, ohne daß ich wußte, wohin.« Da sagte der Kaufmann: »Hol' mir den betreffenden Kameltreiber.« Als der Schiffer ihn gebracht hatte, fragte er ihn: »Wohin hast du das Zeug geschafft, das du aus diesem Schiff verludst?« Er antwortete: »Nach dem und dem Ort.« Nun sagte der Kaufmann: »Begleite mich dorthin und zeig' mir das Haus.« Da führte ihn der Kameltreiber zu einen vom Strande weit abgelegenen Ort und zeigte ihm den Chân, in welchem er das Zeug abgeladen hatte, und auch das Magazin des angeblichen 69 Kaufmanns, in welchem er, nachdem er es geöffnet hatte, die vier Ballen Zeug noch unversehrt und uneröffnet vorfand. Da nahm der Kaufmann sein Zeug und gab es dem Kameltreiber zugleich mit einem Oberrock, den der Dieb über dasselbe gebreitet hatte, und der Kameltreiber lud alles auf sein Kamel. Der Kaufmann hatte bereits das Magazin wieder verschlossen und war mit dem Kameltreiber abgezogen, als mit einem Male der Dieb ihm begegnete und ihm nachfolgte. Als der Kaufmann das Zeug im Boot verladen hatte, sagte der Dieb zu ihm: »O mein Bruder, zieh hin in Gottes Hut! Doch, da du dein Zeug nun wieder erhalten hast, und dir nichts davon verloren gegangen ist, so gieb mir den Rock wieder.« Lachend gab ihm der Kaufmann den Rock zurück, ohne daß er ihn irgendwie belästigte; alsdann zog jeder von ihnen seines Weges.

 


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