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das Kloster auf dem Kreuzberg,

wovon wir hier rechts eine Ansicht geben. Etwa zehn bis zwölf Mönche unter einem Pater Guardian bewohnen es und sind heiter, freundlich, gastfrei und gefällig wie alle Bewohner hoher Gebirge. Selten, daß ein Tag im Sommer vergeht, wo nicht Wanderer an ihrer Pforte läuten, entweder fernher kommende Fußreisende oder die Zöglinge der Seminare oder Gymnasien aus den katholischen Städten der Nachbarschaft; allen wird geöffnet, der Pförtner geleitet die Ankommenden durch lange Kreuzgänge zum Refektorium, wo ihnen Brot und Wein zur Erfrischung gereicht werden. Freilich ist dieser Wein keiner von dem, der an der Leiste oder am Fuß von Saaleck gereift ist, aber er mundet dennoch vortrefflich dem, der den Kreuzberg soeben erstiegen hat. Auch ein sehr gutes Bier brauen die Mönche, und zwar von solcher Güte, daß sie, wie sie sich rühmen, jährlich eine Quantität davon nach München in den Hofkeller liefern müssen; wir für unseren Teil haben aber weder dieses Manna gekostet noch dessen Ablieferung für die königliche Tafel gesehen.

Das Refektorium oder der Speisesaal der Mönche ist hell, freundlich und sogar mit einer Art klösterlicher Eleganz ausgestattet, welche der Orden nicht ausschließt – wie der der Kapuziner –, obgleich sie beide Bettelorden sind. – In einem der Fenster des Refektoriums befindet sich eine in den Stein gehauene Vertiefung, ein kleines Bassin, immer voll des schönsten, frischesten Gebirgswassers, hell wie Kristall; es ist der Erguß eines Quells, der etwas höher liegt als das Kloster und den die Mönche, ihrer Bequemlichkeit halber, hierherzuleiten wußten. Trink- und andere Gefäße stehen immerwährend um den Rand dieses Bassins.

Das Innere der Kirche – wer sollte sie auf dieser Höhe vermuten – ist bunt, goldleuchtend und prächtig. Freilich ist sie das Ziel von Wallfahrten wie Vierzehnheiligen, Banz und Dettelbach. An der nördlichen Wand der Kirche, außen an der Mauer, befinden sich mehrere steinerne Köpfe mit einer Inschrift, welche den Wanderer belehrt, daß diese Köpfe Andenken schwedischer Gottlosigkeit seien, indem ein Haufe dieses Volks (während des Dreißigjährigen Krieges) bis auf diese Höhe gedrungen und verschiedene der Heiligenbilder auf den Stationen vom Kloster bis zum Kreuz, auf dem Gipfel des Berges, geköpft habe. Das war nun freilich sehr übel, denn es gibt nicht leicht ein unangenehmeres Ereignis für Personen und Heiligenbilder, als das, geköpft zu werden.

Unser Bild zeigt das Kloster von seiner Nordseite und den Weg der Stationen, wovon wir zwei erblicken, die eine dicht an der Klostermauer, die andere uns näher stehend, jedoch mit der Hinterwand uns zugekehrt; sie hat die Form einer kleinen Kapelle mit gerundetem Dach, und ihr Inneres birgt in lebensgroßen, buntbemalten Figuren, wobei vorzüglich der Hahn in vollem, naturgemäßem Farbenschmelz prangt, die Verleugnung Petri. Das Haus der Station gegenüber ist ein Wirtshaus, bestimmt für alle die, welche die Gastlichkeit des Klosters nicht in Anspruch nehmen möchten. Ein terminierender Mönch, ausgerüstet zu seiner Bettelwanderung in das Gebirge mit Sack und Körben für die frommen Gaben der Gläubigen, hat, bevor er aus dem Gebiet des Klosters kommt, erst noch eine fromme Handlung zu verrichten. In der Herde, die dort weidet, kränkelt ein Schaf, und der Hirt bringt das Tier zu den Füßen des Mönchs, damit sein Segen es heile. Vielleicht lächelt mancher darüber, aber es liegt doch etwas Schönes darin.

Indessen folgen wir dem Weg der Stationen und gelangen so zur letzten, Golgatha (der Kreuzigung), und von hier aus auf den Gipfel des Kreuzbergs und des ganzen Gebirges. Ein 80 Fuß hohes Kreuz, das der Blitz gespalten hat, erhebt sich auf diesem Gipfel neben einem kleinen steinernen Haus, in dem, wie man sagt, mathematische Instrumente verwahrt werden. Das Panorama, das sich hier dem Auge bietet, ist weit, groß und prächtig. Es umfaßt das ganze nördliche Franken bis zum Fichtelgebirge, das bei hellem Wetter dem Blick erreichbar ist. Auf der anderen Seite, nach Westen, soll er unter gleicher Begünstigung bis zum Taunus reichen. Südlich schließen die Berge von Würzburg und der Steigerwald die Aussicht, nördlich die Kette des Thüringer Waldes und die Fuldaschen Höhen. Wir sehen die Gleichberge bei Römhild, die Veste Coburg und noch manchen uns schon bekannten Punkt. Über das Nächste, worauf unser Auge weilt, über das Gebirge selbst, auf dessen erhabenstem Punkt wir uns 2835 Fuß hoch über dem Flußniveau der Saale befinden, gebe Nachstehendes eine nähere Erläuterung:

Die Rhön, deren Namensursprung wir nicht weiter nachforschen wollen, streckt sich vom Kreuzberg aus in zwei Armen einerseits hinauf in das Fuldasche, andererseits verliert sie sich bei Zell in dem Eisenachschen. Ihre Länge beträgt beiläufig sechs deutsche Meilen, ihre Breite an manchen Orten eine ganze oder halbe Meile, und ihre Höhe erreicht die vorhin angedeutete des Kreuzbergs. Im Osten ist Basalt, im Norden und Westen bunter Sandstein vorherrschendes Gestein dieses Gebirges. Rings um seine beträchtliche Kette sind noch heute die Spuren erloschener Vulkane zu erkennen. Die kegelförmige, fast isolierte Gestalt mancher Berge, verfallene Schlünde, die an manchen Orten aufrecht stehenden, großen, schwarzen und eisenfesten Steine, die Menge der vielen kleineren Basalte, die graue, lavaartige Erde, die sich vorfindenden Steinkohlen und noch manch andere nicht zu verwerfende Anzeichen lassen mit Bestimmtheit auf die einstige Existenz von Vulkanen in der Umgebung der Rhön schließen.

Das ganze Gebirge streckte wahrscheinlich vorzeiten ein kahles, steiniges Haupt empor, noch bedeckt es eine schwarzbraune Erde, und eine grüne Hülle von Moos, erzeugt von der Feuchtigkeit der Wolken, die es fast immer umgeben, überzieht größtenteils diesen Boden. Das Wasser, da es nicht imstande ist, durch das Innere der Berge zu dringen, sieht sich genötigt, nach der Neigung derselben zu fließen und sich hier, wenn es keinen weiteren Ausfluß findet, zu stauen. Daher kommt es, daß auf der Rhön, selbst auf ihrer größten Höhe, Moore und viele saure und wasserreiche Wiesen, selbst beträchtliche Sümpfe angetroffen werden, die man ohne Gefahr, zu versinken, nicht betreten darf. Der Volksglaube läßt in den beiden beträchtlichsten dieser Sümpfe, dem sogenannten Roten und dem Schwarzen Moor, Städte untergegangen sein, deren Glocken ein begünstigtes Ohr noch zuweilen läuten hört. Der Winter ist lang und rauh auf der Rhön, und die Armut ihrer Bewohner ist groß. Auch in ihren Städten, die noch nicht versunken sind – außer in dem Moor des Vergessenseins und der Unberühmtheit –, wie zu Frankenheim, Bischofsheim u. a., herrscht nur wenig überfließende Opulenz und fast keine Spur von orientalischem Luxus.

Ein in neuester Zeit in schnurgerader Linie durch den Wald gehauener Weg führt bei fortwährendem Niedersteigen bequem und angenehm auf der Ostseite des Kreuzbergs wieder hinab in die nächsten Täler. Burgwallbach, etwa zwei Stunden vom Kloster entfernt, ist das erste Dorf, das wir auf dem Weg nach Neustadt antreffen, wohin wir gedenken und dessen ehrwürdige Kaiserburg wir bereits vom Gipfel des Gebirges aus entdeckten. Burgwallbach hat schon wieder eine andere Physiognomie als die traurigen Dörfer der hohen Rhön und verkündet die Nachbarschaft des gesegneten Saaletals, in dem die Dörfer kleinen Städten gleichen und die Städte – wie Hammelburg – glänzen. Schöne Wiesen führen von Burgwallbach aus in das Tal der Brend, eines Flüßchens, das mit raschem Lauf in die Saale strömt. Lange schon winken die spitzen Türme von Neustadt, und die Ruinen der Salzburg, vom Gipfel des Gebirges aus fast in der Tiefe verschwindend, erheben sich immer gewaltiger in die Luft und scheinen, ihrem Umfang nach, bedeutend mehr Raum auf ihrem Bergrücken einzunehmen als die Stadt, die im Tal liegt. Überhaupt verschwindet die Merkwürdigkeit der letzteren gänzlich vor der uralten, historischen Burg.

Neustadt ist ein sauber und massiv erbautes Städtchen, mit doppelten Mauern eingefaßt, dessen Geschichte mit der über ihm thronenden Salzburg ungefähr so analog ist, wie die eines Küchenbuben mit der eines Fürsten, an dessen Hof er dient. Nur lebte der niedriggeborene Knabe länger als sein alternder Herr und ist noch jetzt ein recht tätiger Dienstmann, während jener längst zur Leiche geworden ist. Es ließe sich allenfalls anführen von Neustadt, daß es 1525 mit den rebellischen Bauern im Bündnis stand und dafür späterhin die Ehre genoß, von Bischof Konrad auf seinem Zug besucht zu werden und sechs Köpfe seiner Bürger hinzugeben. Ein recht wohlgebahnter Pfad führt von der Stadt nach der Burg an dem Dorf Neuhaus vorüber, worin sich ein schönes adliges Schloß in neuem Geschmack mit einem französischen Garten befindet, den wir im Vorbeigehen flüchtig durchwandern. Die Saale mit ihren geheimnisvollen heißen Quellen fließt dicht am Garten hin, und gerade hier hat sie deren zwei, welche mit die stärksten in ihrem ganzen Lauf sind. Das Schloß mit seiner anmutigen Umgebung war früher Besitztum der Familie von Jaxthausen, jetzt soll es einer Dame gehören, die allerdings um solchen Besitz zu beneiden ist, aber noch beneidenswerter sein würde, wenn ihr Name zugleich ihr freies Eigentum bezeichnete, denn sie heißt Freifrau von Messina. Man sieht, mit Feuer und Flammen will dieser Name verwandt sein, und sind es nicht des Ätna unterirdische Gluten, die er hier beschützt, so ist es doch wenigstens etwas Ähnliches, was unter dem Bett der harmlosen Saale kocht. Bei Neuhaus beginnt der Weg zur


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