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Dritte Reise.
Das Saaletal und das Rhöngebirge

Mehrere Städtenamen erschienen vor Jovis Thron im hitzigen Streit. Jeder machte Anspruch auf den Vorzug in Rücksicht der Anmut und Wahrheit seines Klanges und seiner Gefälligkeit für das menschliche Ohr. Der Göttervater sollte entscheiden. »Mir gib die Krone!« schrie Ochsenfurt.

»Nein, mir gebührt sie!« rief Schweinfurt.

»Mir! Mir! Mir!« riefen verschiedene andere Stimmen, unter denen auch die von Kissingen zu erkennen war.

Immer heftiger wurde der Streit, man brummte, grunzte, stieß mit den Hörnern und wühlte mit blanken Hauern in der olympischen Erde, den Sieg zu erkämpfen. Jupiter war in der Tat verlegen, was er unter diesen Umständen anfangen sollte. Da ließ sich in der Ferne ein sanfter Ton vernehmen, wie der eines Lamms, das soeben im Begriff ist, schuldlos in das reifere Alter zu treten, und der Gott war aus seiner Verlegenheit gerettet.

»Haltet ein!« sprach er zu den kämpfenden Parteien, »ein dritter besiegt euch. Seht, da kommt er, wolleduftend.«

Und Hammelburg nahte. Besiegt floh der Liebling des königlichen Schafhirten nach Schweinfurt; Ochsenfurt hielt sich am längsten, aber endlich mußte es auch dem Stärkeren weichen.

Diese Anekdote aus der Chronik des Himmels macht eben keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit, aber sie leitet unseren Blick auf eine kleine, süße Stadt, welche nicht allzufern von der Mündung der fränkischen Saale ihr harmloses Dasein behauptet. – Es würde sehr unrecht von den Geschichtsschreibern sein, wenn sie erzählen wollten, daß Hammelburg jemals blutige Kriege geführt oder mit der Schärfe des Schwertes Eroberungen gemacht, daß es sich je wider seine Landesherrn aufgelehnt habe, selbst wenn diese – wie man im gemeinen Leben zu sagen pflegt – es schoren, und was dergleichen Dinge mehr sind, die hier offenbar Verleumdungen wären. Strenggenommen gehörte Hammelburg nicht zum alten fränkischen Kreis, sondern es war ein Teil des oberrheinischen und Besitztum der Bischöfe von Fulda, die auch ein schönes Sommerschloß hier hatten, wo sie sich dann von Zeit zu Zeit niederließen wie in der Wolle und sich ihres bischöflichen Daseins erfreuten. – Jetzt aber gehört Hammelburg, so wie das ganze Saaletal, zum Königreich Bayern und nach der neuesten Einteilung desselben zu Mittelfranken. Wäre dies aber auch nicht, wir hätten bei unserem Eintritt in das Saaletal die liebe Stadt schon wegen des Klanges ihres Namens und wegen ihrer entzückenden Lage für uns erobert. Ohne Scherz oder Übertreibung: es ist der schönste Punkt des schönen Tals, auf dem Hammelburg gelagert ist. Mit hohen Mauern, viel ausgezackt und getürmt, erhebt es sich in der Mitte anmutiger und reizvoller Umgebungen, deren malerische Natur es nicht im mindesten stört. Eine steinerne Brücke führt dicht vor dem westlichen Tor über den Fluß, und die Aussicht von dieser Brücke ist in der Tat romantisch und prächtig. Von allen Seiten steigen schön geformte Berge, mit Reben und Waldungen bedeckt, zum üppigen Wiesenttal herab und tragen auf ihren Stirnen Schlösser oder Ruinen. Dicht vor uns, eine Viertelstunde vor der Stadt, erblicken wir das Schloß Saaleck auf der Höhe eines solchen Berges und an dessen Fuß die Kirche und langgestreckten Mauern eines Franziskanerklosters, das noch besteht und von dessen Gärten Stationen bis zu der Burg emporführen. Die letzte dieser Stationen, die aus weißem Stein geformt sind und aus dem traulichen Grün des Weinlaubs anmutig hervorschimmern, bildet ein Golgatha mit kolossalen Kruzifixen, welch letztere mit den Massen der altertümlichen Burg, an deren Pforten sie errichtet sind, wohl harmonieren und den malerischen Effekt derselben vollenden. Der Wein, der hier wächst, ist berühmt.

Überhaupt fehlt es Hammelburg nicht an Gründen zum Ruhm; es ist wohlgebaut, hat ein Landgericht, eine Irrenanstalt, ein Spital, 2450 Einwohner und, was mehr als das alles ist, seine Reisen, womit ihm der unsterbliche Ritter von Lang selbst etwas von seiner Unsterblichkeit abgab. Ganz in der Nähe liegen Fuchsstadt und Ochsental.

Ein sehr anmutiger Weg führt von Hammelburg, den Fluß aufwärts, immer zwischen Weinbergen hin, welche das wunderschöne Saaletal bekränzen, nach dem Dorf Trimberg. Die Ruine einer alten Burg erhebt sich hoch über demselben, und eine Kirche liegt auf halbem Weg aufwärts vom Dorf zur Burg. Diese letztere ist so schön, so malerisch gebrochen und gewährt eine so herrliche Umsicht nach allen Seiten, daß sie die Lieblingszuflucht der Gäste des nahen Kurorts zu sein pflegt. Hier, wo sonst hinter unersteigbaren Mauern, aufgezogenen Brücken, Türmen und Toren und unter eisernen Harnischen der einsame Ritter hauste, wandeln und streifen jetzt unzählbare fremde Füße in leichten Schuhen; unter seidenen Sonnenschirmen flüstert's leise von den Ufern der Spree und der Düna, und die Sprache des Vaterlands ertönt in allen ihren Mundarten. – Eine Gesellschaft Kissinger Badegäste lagert in den Ruinen. Hinter dem Marktflecken Euerdorf beginnt ein Waldpfad über die Berge zu steigen, der den Weg kürzt und zwischen anmutigen Schatten dahinführt. Der Wald öffnet sich, und das Tal liegt wieder vor uns, angefüllt mit einer Häusermasse, die uns beim ersten Blick unsicher macht, ob wir eine große Stadt oder ein prächtiges Dorf erblicken. Der in neuerer Zeit so berühmt gewordene Kurort


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