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Ochsenfurt,

kein weiteres Verdienst, als die Seele leicht und kunstlos an diese Vorzüge zu mahnen und die treue, ehrwürdige Tiergestalt, welche sie alle in sich vereinigt, zur Hinnahme des ihr gebührenden Dankes vor unser geistiges Auge zu führen, so würde schon dies seinen Klang adeln, über den ein herzloser Spötter wohl gar ein wenig die Lippen verzieht. Wir wollen nicht unter die letzteren gezählt werden, sondern ganz ernsthaft versichern, daß deine Lage reizend ist, daß du eine schöne Brücke aus Stein über deinen Strom gebaut hast, der, indem er unter deinen Mauern dahinfließt – denn auch Flüsse sind Schelme –, ein Horazisches Liedchen zwischen den Zähnen murmelt. Und welche Vaterlandsliebe deinen Söhnen innewohnt, beweist folgendes:

Unter dem Heer Konradins von Schwaben befand sich ein Ochsenfurter. Dies war kein Unglück für das Heer, es war aber, wie bekannt, so unglücklich, geschlagen zu werden. Und als nun König Konradin gefangen und in seiner Feinde Gewalt war, da sammelte der Ochsenfurter das bestürzte und zerstreute Heer um sich und sagte ihm, er sei sein König. Lichtbraune Locken flossen von seinem Haupt, blühend war sein Antlitz, hoch und adlig seine Gestalt, und er sah König Konradin ähnlich wie ein Bruder dem anderen. Das Heer aber glaubte ihm, stellte ihn an seine Spitze und ließ sich von ihm glücklich durch Welschland über die Alpen zurückführen.

Und als er es soweit hatte, als Tausende ihm gehorchten und jeder seine Gebote befolgte, da trat er eines Tages vor die Reihen seiner Krieger, des blanken Harnisches entkleidet, ein Schurzfell um den Leib und in der Hand statt des Schwertes einen mächtigen Hammer. »Genossen«, sprach er, »ich bin nicht euer König, der, wie mir sichere Kunde geworden ist, zu Neapel auf der Henkerbühne geblutet hat. Ich bin eines Schmiedes Sohn aus Ochsenfurt. Glücklich habe ich eure zerstreuten Massen gesammelt und euch heimgeführt in das Vaterland – nun zieht es mich in die Heimat. Am Mainstrom ist sie gelegen zwischen köstlichen Rebenbergen, ein kleines, aber ein trautes Städtlein mit vielen spitzigen Türmen. Lebt wohl!«

Und da ging er, wie seine Krieger auch flehten, daß er bei ihnen bleiben möge. Gen Ochsenfurt zog er und wurde dort ein tüchtiger Schmied. Und wenn sein Hammer niederfiel auf den tönenden Amboß und die Funken aus der Esse lustig sprühten, da tönte und sprühte es von blutigen, schönen und glänzenden Erinnerungen um den fleißigen Schmied. Der blanke Harnisch, den er einst getragen, das Schwert, das er geführt hatte, die schönen königlichen Augen des unglücklichen Konradin, den seinigen so ähnlich, glänzten und leuchteten zuweilen durch seine Seele. Dann soll es geschehen sein, doch selten nur, daß er den Hammer ruhen ließ auf kurze Augenblicke, tief aufatmete und mit der berußten Hand über die Stirn fuhr. Aber das gab sich alles mit der Zeit. Er vergaß den italienischen Himmel, das Glänzen seines Harnischs und die Augen seines königlichen Herrn. Dagegen nahm er eine Ochsenfurterin zum Weib und lebte mit ihr lange und zeugte mit ihr viele Kinder.

Ochsenfurt! Du hast eine Schwester in Großbritannien, aber man sagt, daß ihr in geringem Verkehr miteinander steht. Die Britin ist vornehmer als du und lebt auf einem größeren Fuß, was nicht zu verwundern ist, denn England ist vornehmer als Deutschland und lebt auf größeren Füßen. Haben wir zu lange bei dir verweilt, edle Mainstadt, so entschuldige das dein eigentümlicher Zauber.

Wir eilen jetzt nach der einstigen Hauptstadt von ganz Franken – jetzt nur von Unterfranken, nach Würzburg. Die Straße von Ochsenfurt geht auf dem rechten Mainufer dahin, und der Fluß, nachdem er so lange eine südliche und westliche Richtung genommen hat, wendet sich plötzlich, gleich hinter Klein-Ochsenfurt, einem Dorf in der Nähe der Stadt dieses Namens, nach Norden, gleichsam als strebe er, erschreckt vor irgendeinem Spiegelbild, das seine Wellen vielleicht soeben empfangen haben, wieder umzukehren nach seinem Ursprung. Indessen beruhigt er sich später und findet seinen westlichen Lauf wieder. Über Sommerhausen, Eibelstadt und Randersacker nähern wir uns dem weiten und anmutigen Talkessel, aus dem eine schöne Turmspitze neben der anderen prächtig auftaucht; weithin schon leuchtete die majestätische Bischofsburg auf dem Felsenberg thronend, an dessen Fuß die Traube des Leistenweins von der Sonne gekocht wird, die Zinnen langgedehnter Paläste entwickeln sich aus der Masse der Stadt; wir sehen den Strom, mit Fahrzeugen bedeckt, sie teilen und in zwei ungleiche Hälften zerreißen und wandern in die stattliche, von St. Kilian beschützte Herbipolis ein.


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