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Kulmbach

kündigt sich bereits in weiter Ferne durch seine hohe Bergfeste, die Plassenburg, an. Es war früher Residenzstadt der Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach und ziemlich gut befestigt, wovon noch die Spuren übrig sind. Fast wie Berneck ist es im tiefen Taleinschnitt, der sich jedoch nach Westen bedeutend öffnet, gebaut; das Tal ist fruchtbar, und die umgebenden Berge, deren urbar gemachte Bezirke Riethen genannt werden, sind mit Weinreben, Hopfen und Obstbäumen bepflanzt. Fünfhundert Häuser sind die Wohnstätte von 3000 bis 4000 glücklichen Bürgern, die hier in ungetrübter Ruhe, fern vom Geräusch der Welt, die mäßigen, aber sicheren Güter genießen, die ihnen das Schicksal verlieh. Nicht immer war es so. Die Fehden des Mittelalters mit ihrem Schwertergeklirr und Trompetengeschmetter zogen oft durch dieses Tal und um die Wälle dieser hohen und weitläufigen Fürstenburg, von der wir hier eine Ansicht liefern. Kulmbach wurde 1430 von den Hussiten überfallen, niedergebrannt, und seine Bewohner wurden mit der Grausamkeit jener Zeit gequält und ermordet. Im Dreißigjährigen Krieg erlitt es gleichfalls viele Drangsale, besonders durch den kaiserlichen General Lamboy, denselben, der auch die Veste Coburg belagerte.

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Kulmbach

Die Stadt ist nett gebaut, ihre Straßen haben ein reinliches Ansehen, und in ihrer nächsten Umgebung befinden sich Gesellschaftsgärten, von denen einer, der des Kasinos, eine wahrhaft grandiose Aussicht auf das mächtige Bergschloß gewährt, das sich ihm gegenüber erhebt. – Der Weg, der auf die Plassenburg führt, ist wohlgebaut, obgleich sehr steil, und er steigt schneckenförmig zwischen Lindenalleen aufwärts. – Die gewaltigen Mauern, die mit Kanonen gespickten Basteien, der weite Umfang, die Opulenz des Baus deuten auf einen fürstlichen Erbauer, und in der Tat war derselbe Herzog Otto aus Meraner Geschlecht, der sie im dreizehnten Jahrhundert zum Sitz seiner Erben bestimmte. 1554 wurde sie von den Bundständen nach einer siebenmonatigen Belagerung unter Herzog Heinrich von Braunschweig zerstört; zwölf Jahre später hielt jedoch Markgraf Friedrich schon wieder seinen feierlichen Einzug in die hergestellte Burg. Bis zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts blieb sie Residenz, welche dann unter Markgraf Christian von Kulmbach und Plassenburg weg nach Bayreuth verlegt wurde. An einem Wachhaus vorüber, worin Helme glänzen und lustige bayerische Soldaten sich vernehmen lassen, gelangen wir durch Vorhöfe und gewölbte Tore in einen sehr schönen, viereckigen Hofraum, der mit Türmen und Arkaden voll reicher Architektur ausgeschmückt ist. Alles verkündet altdeutsche Festigkeit und Pracht, den Fürstensitz früherer Zeiten, und schon wähnen wir, einer der zahlreichen Türme oder Altane werde sich öffnen und ein geschmückter Edelknabe im Schimmer eines seidenen Wamses, den Falken auf der leichten Hand, werde hervortreten – oder Schöneres: ein holdseliges Fräulein im Jagdkleid, das nach ihrem purpurgeschirrten Zelter ruft –, da schreiten bleiche, kränkliche Gestalten des Unglücks und der Schmach über den Hof, ihre Kleidung ist zweifarbig, ihr Antlitz aber trägt nur eine Farbe, die des Grams; und wir werden inne, daß es ein Strafhaus ist, in das wir getreten sind. Seit mehr als zwanzig Jahren dient die Plassenburg dieser traurigen Bestimmung. – Gefängnisse, Kerker und Strafhäuser, Schafott und Galeeren sind leider Notwendigkeiten des Staatenlebens, aber gern wenden wir unseren Blick von der Stelle hinweg, wo unser Bruder – wenn auch der schuldige – leidet. Die Behandlung der Gefangenen von Plassenburg wird indessen als menschlich gerühmt; sie werden beschäftigt, und man verfertigt in ihren dichtgefüllten, aber traurigen Sälen, in denen gezwungenes Schweigen herrscht, allerlei Zeugstoffe, selbst Tuch.

Indessen können wir nicht weiterschreiten, ohne einen Blick seitwärts auf Lukas Cranachs Vaterstadt geworfen zu haben, welche nur zwei Meilen nördlich von Kulmbach gelegen ist. Kronach, am Zusammenfluß der Bäche Kronach, Haßlach und Rodach gelegen, ist eine kleine, gutgebaute Stadt mit einer Festung, Rosenberg genannt, welche hoch über ihr thront wie die Plassenburg über Kulmbach. Hier wurde im Jahre 1472 der berühmte Maler geboren, der sozusagen der Repräsentant der altdeutschen Schule ist. Während des Bauern- und des Dreißigjährigen Krieges zeichneten sich die Bewohner Kronachs durch unerschütterliche Treue gegen ihren Landesherrn, den Fürstbischof von Bamberg, aus. Die Schweden begingen hier die Grausamkeit, aus Rache, daß sie den Rosenberg nicht erobern konnten, drei gefangene Bürger lebendig zu schinden, deren Bild später in das Stadtwappen aufgenommen wurde. Der Rosenberg ist nicht wie die Plassenburg ein Strafarbeitshaus geworden, sondern ist seiner ursprünglichen Bestimmung treu geblieben. Er wurde in verschiedenen Zeitpunkten erweitert, besser befestigt, und der erste Krieger unserer Zeit sogar, Napoleon, wandelte auf seinen Wällen, ließ sie in besseren Zustand setzen und mit Palisaden umgeben. Heutzutage ist Rosenberg eine bayerische Festung dritten Ranges unter einem Kommandanten und einer mäßigen Besatzung.

Eine Stunde westlich von Kulmbach erhebt sich ein hübsches Schloß von grauem Quadergestein, von Bäumen und Wiesen umgeben, deren üppiges Grün und schwellendes Gras erraten lassen, daß ihr Boden von irgendeiner Najade benetzt wird. Das Schloß heißt Steinhausen und ist ein Besitztum der freiherrlichen Familie von Guttenberg.

Im Angesicht seiner Mauern begegnen sich zwei Flüsse, silbern und hell, noch unverdorbene Söhne des Gebirges – zwei Brüder, der Weiße und der Rote Main; und sie umarmen sich, freudig rauschend, wie zwei Jünglinge, die, aus der Tür des Vaterhauses tretend, sich zur langen Wanderung durch die Fremde die Hand reichen. Wir müssen die Wiege des Roten Mains aufsuchen, nachdem wir an der des Weißen gestanden sind. Er entspringt unter einem Felsen des sogenannten Gottesfeldes, unweit dem Städtchen Creußen, nimmt bei dem Dorf St. Johannes die Steinach auf und eilt in schönen Windungen durch die Auen der Hauptstadt des ehemaligen Markgrafentums und jetzt von Oberfranken, dem ansehnlichen, ja prächtigen


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