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Richard Wagner

Es ist Tiefes, Allzutiefes, Flaches, Allzuflaches genug über ihn gesagt worden. Trotzdem muß wohl das Schweigen immer wieder gebrochen werden. Ich bin als Jüngling in Wagners Bann gewesen, stand seiner Kunst lange fern und mußte ihr fern stehen, um eigene Kräfte zu entwickeln. Gefestigt bin ich zu ihr zurückgekehrt. Ich sehe sie heute ganz anders als im Jugendbann. Ich sehe sie heute als künstlerisches Urphänomen, stammend aus einer Zeit vor aller deutschen Kunst, auch Musik. Ich bin weit davon entfernt, mich an Richard Wagner deutschtümelnd zu entzücken, denn er ist ebenso griechisch wie deutsch, ebenso asiatisch wie europäisch. Ein Werk wie der »Ring« ist, was Ursprung, Wachstum und Vollendung anlangt, das einzige seiner Art in der Welt und vielleicht das rätselhafteste Kunstgebilde der letzten Jahrtausende. Kultur hat damit nichts zu schaffen, und es hat nichts mit Kultur zu schaffen. Es hat nichts mit dem deutschen Rhein, den germanischen Göttern und den Nibelungen zu schaffen, und alle diese schönen Sachen haben nichts mit ihm zu schaffen. Es hat auch nichts zu tun mit Christentum, obgleich es ganz und gar etwas Offenbartes ist.

Wer sie verstehen will, muß nicht in dieser Kunst ertrinken, auch nicht darin schwimmen. Er muß sie als das Große, Ewigfremde willkommen heißen. Man könnte sie gleichnisweise als einen unterirdisch hervorbrechenden kochenden Geysir bezeichnen, der ein unbekanntes glühendes Element emporschleudert aus dem Erdinnern, das die menschliche Seele, die es benetzt, von den Schlacken der letzten Jahrtausende rein baden und rein brennen kann.

1911.


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