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Die schwarze Frau in der Stubbenkammer

Die Stubbenkammer, wie bleich und hehr,
ragt leuchtend hinaus in das dämmernde Meer.
Es strahlet der Mond mit silbernem Blick
von Kanten und Schluchten und Gipfeln zurück. –
»Da draußen, da ist ein gar eigenes Reich,
die Tiefen so dunkel, die Höhen so bleich;
und Höhlen gibt es im felsigen Strand,
den Fischern aus heiligen Sagen bekannt.« –
So sprach mir der Fischer; ich lauschte ihm still
vom Munde, was ich erzählen euch will:

Im tiefen Gefelse, im feurigen Schacht
da hält eine Jungfrau Jahrtausende Wacht;
von feurigen Garben wird sie umloht,
von Schlangen mit dampfenden Rachen umdroht;
rotgoldenem Becher mit Edelgestein,
dem mußte sie einsame Hüterin sein.
Sie selbst, in düstere Schleier gehüllt,
ist Menschen und Göttern ein Rätselbild.
Einst war sie zu lösen – die Zeit ist vorbei.
Nun ringen sie Menschen und Götter nicht frei. –
Aus fernem Gebiete zum kreidigen Riff
kam windschnell geschwommen ein düsteres Schiff,
und Männer entstiegen dem eichenen Bord,
die führten einen an Ketten fort.
Das Leben, das hat er verwirkt im Rat;
er wollte sich lösen durch Wahnsinnstat
und tragen den Becher der schwarzen Frau
aus feuriger Höhle zum Himmelsblau.
Er grüßte wie scheidend das Licht und die Luft,
dann stieg er hinunter zur brennenden Gruft
und sah das Bild in dem feurigen Kreis
und drang durch die Flammen und suchte den Preis.
Den hielt sie mit zarter, verschleierter Hand
nur leise am blinkenden Fuße umspannt;
doch als er nun greift nach der güldenen Last,
da neigt sich die Jungfrau und spricht zu dem Gast:
»Nun wähle mir recht, der du alles gewagt!
Dein harren die Schätze, dein harret die Magd.
Der Becher ist golden, die Minne ist heiß.
Nun wähle den rechten, den herrlichsten Preis!« –
Er sieht ihre Blicke, er hört, was sie spricht;
doch Todesangst quält ihn, er achtet des nicht:
Das Richtbeil schneidend im Nacken ihm saust,
und was ihn befreiet, das packt seine Faust.
So hat er den Becher, so hält er ihn fest
mit blutigen Händen ans Herz sich gepreßt.
Doch wie er ihn hält, da erwacht er und sieht,
was lieblich und hold unter Schleiern erblüht:
ein Mägdlein, entknospend wie Blumen im Mai,
mit irdischen Gliedern, die himmlische Fei;
wie Märzschnee der Busen, das Auge wie Licht,
sehnsüchtige Tränen im holden Gesicht.
Doch wie er nun bebend die Rechte ihr beut,
da tönt ihre Stimme wie Sterbegeläut:
»Dein wär' ich gewesen, wenn du mich gewählt;
nun bin ich auf ewig den Flammen vermählt.
Nun gehe, du Arger, von wannen du kamst,
und der du mein einziges Hoffen mir nahmst.«
Er sinkt in die Knie, es stockt ihm das Herz
vor brennendem Wehe, vor zehrendem Schmerz;
wie ringt sich sein Atem so schwer aus der Brust
in Worten des Wehs und in Worten der Lust.
Es quillt ihm der Born in den Augen mit Macht.
Wahnsinnige Liebe ist lodernd entfacht,
wahnsinnige Liebe, die nimmer vergeht,
bis daß sie genossen, was heiß sie erfleht.
Doch wie er auch fleht mit umflortem Blick,
es treibt ihn weiter und weiter zurück,
und ob er verzweifelt auch vorwärtsringt,
die feurige Lohe ihn dennoch bezwingt.
Er fühlt sich gehoben, sie trägt ihn zurück,
woher ihn getrieben sein dunkles Geschick.
Er muß durch der Flammen Wogen und Wehn
zuletzt noch zwei schimmernde Augen sehn,
ein Klagen und Wimmern vernehmen von fern;
und darf nicht verweilen – und hülfe so gern.
Und ferne erstirbt in unsäglichem Leid
die Klage der ewig verlorenen Maid. –

So sprach mir der Fischer; ich hörte ihm zu
und fand in der Seele nicht Frieden noch Ruh'. –
Da draußen, da ist ein gar eigenes Reich:
die Tiefen so dunkel, die Höhen so bleich;
und Saga schwebet um Woge und Strand
und wirket und webet ihr Zaubergewand.


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