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Sechzehntes Kapitel

Der kränkliche Großherzog, gegen dessen böses Fieber kein Arzt Rat wußte, konnte den Bericht seines Hofmathematikers gar nicht persönlich entgegennehmen. Galilei machte dem Kanzler Picchena Meldung. Ihm übermittelte er den für den Großherzog mitgebrachten päpstlichen Segen und alle anderen Nachrichten. So, daß er dem spanischen Gesandten seine nautische Erfindung, die schon seit Jahren im Labyrinth der Aktenschränke herumlag, wärmstens ans Herz gelegt habe und sich von ihm habe versprechen lassen, das Aktenstück wieder an das Tageslicht zu befördern, da er sowieso gerade heimwärts nach Spanien führe. Er vergaß auch nicht, die vertrauliche Bitte des Herzogs Cesi auszurichten: der junge Herzog hatte sich eine schöne und reiche Gräfin Salviati auserkoren, die in weitläufiger Verwandtschaft zu den Medicis stand, und bat nun um die Fürsprache Cosimos bei der Familie.

»Und was wird mit der neuen Weltordnung?« fragte schließlich Picchena.

»Eine Weile bin ich allerdings gezwungen, darüber zu schweigen. Und das fällt mir wirklich nicht leicht. Denn gerade jetzt hat ein sehr gescheiter Mann aus Ravenna, Ingoli heißt er, einen offenen Brief an mich gerichtet, in dem er seine Argumente gegen die kopernikanische Weltanschauung aufzählt. Mir kribbelt es zwischen den Fingern, ihm zu antworten, aber die Zeiten sind nicht danach. In Neapel hat man, als ich von dort wegfuhr, den Buchhändler verhaftet, der das kopernikanische Werk Foscarinis verlegt hatte. Foscarini selbst war den vielen Aufregungen nicht gewachsen und ist gestorben. Jetzt kann ich also nur für mich ganz allein arbeiten, aber eines schönen Tages werde ich wieder hervortreten. Mit irgendeinem Werk, in dem ich meine Behauptungen als Hypothese behandele. Wie es Kopernikus tat. Zunächst ziehe ich aber erst einmal um.«

»Wo habt Ihr Wohnung gefunden?«

»Nach Süden zu, auf dem Wege zum Monte Oliveto.«

»Aha, die Gegend kenne ich gut. Ihr habt doch nicht etwa die Villa Segni gemietet? Dann wären wir nämlich Nachbarn.«

»Doch, eben die. Ich weiß gar nicht, was ich vor Freude anfangen soll. Endlich kann ich mich nach meinem Geschmack einrichten. Ein großer Garten ist dort, die Aussicht ist herrlich. Auch ein Zimmer, aus dem man die Sterne gut beobachten kann, ist vorhanden. Dort werde ich ausgezeichnet arbeiten können. Es wird also später reichlich Material vorliegen, wo meine Feinde einhaken können!«

»Da fällt mir ein, fast hätte ich vergessen, Euch eine hübsche Neuigkeit zu erzählen. Erinnert Ihr Euch noch an Sizzi?«

»Natürlich. Er hatte doch auf Veranlassung von Giovanni Medici die ganze Lawine gegen mich ins Rollen gebracht.«

»Richtig. Also von Giovanni Medici habt Ihr nichts mehr zu befürchten, er ist in die Dienste Venedigs getreten. Uns war er hier ein wenig lästig geworden. Aber ich wollte von Sizzi berichten. Er ging also nach Paris und geriet dort in den Strudel der französischen Politik. Vor ein paar Tagen erhielten wir die Nachricht, daß man ihn gerädert habe. Er hat also kein rühmliches Ende genommen.«

»Das geschah ihm recht«, entfuhr es Galilei, aber sogleich meldete sich auch wieder sein gutes Herz, »obwohl er es wirklich zu arg hat büßen müssen. Eine fürchterliche Qual muß es doch sein, gerädert zu werden. Es hätte genügt, wenn man ihn tüchtig geohrfeigt hätte. Der Unglückliche! Jetzt beginnt er mir schon leid zu tun … Geht es Seiner Hoheit noch nicht besser?«

»Es geht ihm sehr unterschiedlich. Er ist nur noch der Schatten seiner selbst. Betet für ihn, Messer Galilei. Euer Gebet ist wirksamer, weil Euch der Papst gesegnet hat.«

Die Villa Bellesguardo-Segni war tatsächlich ganz etwas anderes als seine bisherige Wohnung in Florenz. Schon das Portal verriet, daß hinter einem solchen Tor nur ein vornehmer Herr wohnen könne. Gleich hinter dem Tor stand zwischen dichtbelaubten Bäumen die Gärtnerwohnung. Die Villa selbst lag weiter hinten im Garten, als wäre sie mitten im Walde erbaut worden. Galilei sah sich nach einer tüchtigen Haushälterin um. Er sprach mit seiner Verwandtschaft und seinen guten Bekannten, ob sie nicht eine anständige Person für ihn wüßten. Es meldete sich auch eine ganze Anzahl. Galilei wählte diejenige, die ihm am geeignetsten schien, zugleich aber auch die hübscheste war. Während er mit ihr verhandelte, blickte er sie so feurig an, daß die schmuck aussehende Witwe mit verständnisvoller Scham sogleich die Augen zu Boden senkte.

Allmählich nahm sein Leben wieder seinen geordneten Lauf. Der Hofmathematiker machte täglich, besser gesagt allnächtlich, seine Beobachtungen am Sternenhimmel, vervollständigte seine Aufzeichnungen und stand jeden Vormittag spät auf. Dann sprach er am großherzoglichen Hofe vor, unterhielt sich mit den Leuten, die er gerade vorfand, manchmal mit Picchena selbst; in seltenen Fällen konnte er dem großherzoglichen Paar oder der Großherzogin-Mutter seinen Besuch abstatten. Dann ging er wieder nach Hause und erledigte seine Briefschaften. Aus allen Teilen Europas strömten Briefe von den berühmtesten Gelehrten zu ihm, aber auch mit seinen alten Bekannten blieb er in ständigem Briefwechsel. Ununterbrochen bekam er Nachrichten von Sarpi, Sagredo, Cesi, regelmäßig auch von Bartoluzzi, der, wie ihm Besucher aus Padua berichteten, in sehr glücklicher Ehe mit Marina lebte. Auch über Keplers Aufenthalt und seine jeweiligen Arbeiten war er unterrichtet. Kepler lebte jetzt in Linz und hatte sich zum zweiten Male verheiratet. Und noch von vielen anderen Bekannten brachte ihm die Post Neuigkeiten. Den alten Fabrizio, den Mediziner von Padua, hatte ein stürmisches Frühlingsunwetter aufs Kranken- und Totenbett geworfen. In Bologna war Magini, seit dreißig Jahren sein Widersacher, plötzlich gestorben. Die Mitteilungen seiner ehemaligen Schüler berichteten aber auch über allerlei unbekannte Menschen. Ein ehemaliger Schüler von ihm, ein Engländer, schrieb ihm gerade in diesen Tagen, daß in Stratford am Avon eine der größten Berühmtheiten seines Vaterlandes, ein bekannter Schauspieler gestorben sei, der auch selber Theaterstücke geschrieben habe. Den Namen dieses Toten, den er noch nie gehört hatte, konnte er aus dem Briefe nicht recht entziffern, Shakespeare oder so ähnlich.

Nach dem Mittagessen besuchte ihn täglich sein Sohn. Er selbst brachte Vincenzo die Anfangsgründe der Schulweisheit bei. Er war zwar ein aufgewecktes Kind, aber schon jetzt in seinem zehnten Lebensjahr sah man ihm an, daß er kein Genie werden würde. Seine Gedanken waren nie beim Lernen. Die Aufgaben langweilten ihn, und nicht ein einziges Lehrfach gab es, das ihn zu fesseln vermochte. Was seinen Charakter betraf, so mußte der Vater überrascht feststellen, daß der Junge das genaue Ebenbild des sich immer auf andere verlassenden, immer zuerst den eigenen Vorteil suchenden, anspruchsvollen Michelagnolo war, der aus München nur sehr selten von sich hören ließ; auch er hatte schon zwei Kinder.

Wenn sein Sohn gegangen war, nahm er seinen Hut und schlenderte durch die Stadt. Wenn er keine Besuche machen wollte, begab er sich zur Apotheke Grazzini an der Ecke der Piazza del Duomo, dem altgewohnten Treffpunkt der angesehenen Florentiner, wo einst schon Macchiavelli zwischen den Regalen mit Medizinflaschen mit seinen Bekannten disputiert hatte. Oder er besuchte die Versammlung der Akademie »Crusca«. Dort gab es immer allerlei Neuigkeiten. Mit der Herausgabe des großen italienischen Wörterbuches hatte die Akademie »Crusca« einen so durchschlagenden Erfolg, daß auch andere Nationen dieses Beispiel nachahmten. Gerade jetzt traf die Nachricht ein, daß die Deutschen in Weimar auch eine Gesellschaft gegründet hätten, um ein solches Wörterbuch herauszugeben. Sie nannte sich »Fruchtbringende Gesellschaft«.

Sein liebster Tag war der Sonntag, die Besuchszeit im Kloster. Da hatte Vincenzo frei. Der Vater aber machte sich gleich nach dem Mittagessen auf den langen Weg. Seine zwei Töchter erwarteten ihn schon im Hofe des Klosters. Sie trugen jetzt ihre Taufnamen nicht mehr. Als sie ihr sechzehntes Jahr erreicht und die Weihen erhalten hatten, verlieh man ihnen bei der Ablegung ihres Gelübdes an Stelle ihrer weltlichen Namen neue. Virginia hieß jetzt: »Suor Maria Celeste«, Schwester der Himmlischen Maria, und Livia: »Suor Arcangela«, Schwester Erzengel. Ihr Vater aber nannte sie vertraulich »Celeste« und »Angela«.

Sein Liebling war immer noch unverändert Celeste. Sie war lieb, geduldig, einsichtsvoll, nachsichtig und unendlich gütig. Galilei fügte sich ihr völlig, er war glücklich, wenn ihn Celeste wegen seiner Kleidung schalt, und nahm geduldig die unzähligen Medikamente ein, die sie ihm brachte.

Aber diese Medikamente nützten nicht viel. Sein Gelenkrheumatismus überfiel ihn von neuem mit elementarer Gewalt. Zu allem Überfluß gesellten sich noch unmenschliche Nierenschmerzen hinzu. Der Arzt nickte bloß. Er erklärte, daß es vielmehr ein Wunder gewesen wäre, wenn sich nach so reichlichem Weingenuß die Nierenschmerzen nicht eingestellt hätten. Er konnte sie nur erklären, lindern aber nicht. Monatelang mußte Galilei wieder das Bett hüten. Sein einziger Trost während dieser fürchterlichen Qualen waren die Briefe Celestes. Sie schrieb ihrem kranken Vater häufig, tröstete ihn, unterhielt ihn mit kleinen Geschichten aus dem Kloster, und aus jeder ihrer Zeilen sprach ihre hingebende Schwärmerei. In mehreren Briefen bat sie den Vater flehentlich, er möge geloben, nach Loretto zu pilgern, zur Heiligen Jungfrau, dann würde er bestimmt genesen. Um Celeste eine Freude zu bereiten, legte er dieses Gelübde auch ab. Aber trotz dieses frommen Versprechens überwand er die Krankheit nur sehr schwer. Erst nach den entsetzlichsten Qualen eines ganzen halben Jahres war er wieder so weit, daß er aufstehen konnte. Als er ziemlich bei Kräften war und wenigstens wieder gehen konnte, pilgerte er nach Loretto, um vor seiner Tochter rein dazustehen.

Die Großherzogin-Mutter stellte ihm eine Sänfte zur Verfügung. Sie war zwar im allgemeinen nicht so freigiebig wie ihr Sohn, aber viel katholischer, und der Umstand, daß der so gefährliche Lehren vertretende Mathematiker nach Loretto pilgern wollte, erweckte ihre lebhafte Anteilnahme. Es war Juli und es herrschte eine unmenschliche Hitze. Der nur halb Genesene hockte schweißtriefend und mit schmerzendem Kopf in dem schaukelnden Marterinstrument. Ein weiter Weg lag vor ihm bis zum Meerbusen von Ancona. Aber endlich war auch das geschafft. Der wundervoll gelegene Wallfahrtsort entzückte ihn und erfüllte sein Herz mit Dankbarkeit für Celeste. Die Diener trugen ihn auf den lieblichen Hügel, wo das Wunderbild stand. Zwischen unzähligen Pilgern kniete auch Galilei vor den zwei Altarstufen nieder und versank in tiefes Gebet. Unter großen Schmerzen bestieg er auch noch den Campanile, weil ihm Celeste auch dieses ausdrücklich ans Herz gelegt hatte.

Als er sich später ausgeruht hatte und mit diesem und jenem in ein Gespräch kam, redete ein jeder nur vom Krieg. In den Ländern jenseits der Berge war ein großer Religionskrieg ausgebrochen und das Volk erzählte sich allerlei abergläubische Mären. Manche behaupteten, gesehen zu haben, daß die Heilige Jungfrau am Altar des Wallfahrtsortes tränenfeuchte Augen gehabt hätte. Andere wieder schworen, daß es irgendwo Blut statt Wasser geregnet habe. An unzähligen Orten sollten Kühe Fabeltiere geboren haben. Jetzt fehle nur noch das himmlische Zeichen …

Als Galilei, zu Tode erschöpft, von dieser Pilgerfahrt nach Florenz zurückkehrte, führte ihn sein erster Weg ins Kloster. Zugleich war auch das himmlische Zeichen erschienen. An einem Augusttage des Jahres sechzehnhundertundachtzehn, als der große Krieg ausbrach. Die bisherigen abergläubischen Mären interessierten den Pilger nicht, und um den Krieg kümmerte er sich nicht. Die neuen Zeichen aber erregten ihn unsagbar: drei Kometen erschienen am Himmel. Zwei davon waren kleiner und nicht besonders auffallend, aber der dritte leuchtete mit starkem, fast furchterregendem Glanz inmitten des Sternbildes des Skorpions. Ganz Florenz war halbtot vor Aufregung. »Ein schlechtes Zeichen!« murmelte ein jeder erschrocken und bebend.

Für den, der diese Sterne am eingehendsten hätte betrachten müssen, bedeuteten sie tatsächlich etwas Schlechtes. Die Pilgerfahrt war ihm nicht zum Nutzen, sondern zum Schaden gediehen. Kaum heimgekehrt, mußte er sich wieder legen. Die Schmerzen waren zwar nicht so unerträglich wie zuvor, aber sie raubten ihm jegliche Arbeitskraft. Er konnte die Kometen nicht beobachten. Weder seine körperlichen noch seine seelischen Kräfte reichten aus. Mario Guiducci, ein früherer Schüler und guter Freund, besuchte ihn täglich und erzählte, was er jede Nacht mit den anderen Gelehrten der Akademie »Crusca« beobachten konnte. Der Kranke hörte aber schweigend und unbeteiligt zu. Als endlich die Schmerzen nachließen und er sich wieder erheben konnte, waren die Sterne schon halb verblaßt. Der weltberühmte Astronom hatte also dieses astronomische Ereignis von unermeßlicher Wichtigkeit nicht mit verfolgen können, und als er wieder richtig arbeiten konnte, waren die Kometen endgültig verschwunden.

Und mit ihnen war noch jemand gegangen: aus Padua traf ein Brief ein, in dem Bartoluzzi verzweifelt mitteilte, daß Marina nach kurzer Krankheit unerwartet gestorben sei. Sie habe ein inneres Leiden gehabt, die Ärzte hätten nicht sagen können, was ihr eigentlich gefehlt habe.

Galilei sagte es zuerst seinem Sohne. Vincenzo begann sofort zu weinen, wie es sich gehörte, als er aber seiner Pflicht genügt zu haben glaubte, erbat er Geld vom Vater, um sich eine Muranoer Glaskugel zum Spielen zu kaufen. Galilei gab ihm das Geld, und in seiner Erinnerung stieg das ferne Murano auf, der betörende Duft des Gartens von der Villa Sagredo und die an der Brücke wartende Gondel …

Dann ging er ins Kloster und überbrachte die Trauerbotschaft den beiden Nonnen. Angela zuckte die Schultern:

»Ich habe sie kaum gekannt, sie hat sich nie um mich gekümmert. Ich werde um ihr Seelenheil beten, aber erst morgen, denn heute habe ich schon sehr viele andere Gebete zu verrichten.«

Celeste sagte lange nichts und sah nur sinnend vor sich hin.

»Die Arme tut mir unsagbar leid, denn ihr war ein furchtbares Los beschieden. Sie konnte nicht lieben. Ein schwererer Schicksalsschlag kann niemanden treffen. Das ist genau so, als wenn sie gar nicht gelebt hätte. Weil sie aber gut war, ist sie jetzt schon im Himmel bei den Engeln. Jetzt wird sie mit einem Male voller Liebe sein. Seht Ihr, wie gütig der Allmächtige ist!«

Wortlos streichelte Galilei die Hand seiner Tochter. Dann verabschiedete er sich bald von beiden, denn er hatte noch einen wichtigen Besuch vor. Er ging zu seinem Nachbar, dem Kanzler Picchena.

»Eure Exzellenz haben mich gebeten zu kommen, da Ihr mit mir reden wollt.«

»So ist es. Es tut mir leid, daß ich Euch habe bemühen müssen, aber ich dachte, Ihr könnt als Nachbar leichter in meine Wohnung als in mein Amt kommen. Ich möchte Euch um etwas bitten. Meine Tochter Katharina ist krank. Schon das ist eine sehr große Sorge für mich, den in solchen Angelegenheiten vollständig unerfahrenen Witwer, hinzu kommt aber noch, daß ich mit dem Hofe für längere Zeit nach Pisa muß. Würdet Ihr nun die Freundlichkeit haben, meine Tochter täglich zu besuchen, während ich fort bin?«

»Ich betrachte es als eine große Ehre, kommen zu dürfen. Wir werden es so einrichten, daß für diese Zeit meine Schwester, Frau Landucci, zu mir zieht, die eine seelensgute Frau ist. Sie kann, wenn erforderlich, den ganzen Tag am Krankenlager Eurer Tochter verbringen …«

»Ich wußte, daß ich mich nur an Euch zu wenden brauchte. Wie könnte ich Euch Euer liebenswürdiges Entgegenkommen und Eure Aufmerksamkeit lohnen?«

»Da will ich Eure Exzellenz gleich beim Wort nehmen. Ich habe drei uneheliche Kinder. Meine beiden Töchter sind Nonnen, für die ist also meine Bitte von nebensächlicher Bedeutung. Aber für meinen Sohn ist sie wichtig. Schon lange wollte ich ihn gesetzlich anerkennen, aber es ging nicht; denn ehe mir dies einfiel, war seine Mutter schon die Frau eines anderen geworden. Jetzt aber ist sie gestorben. Ich möchte Euch bitten, legt beim Großherzog ein gutes Wort für mich ein, er möge die gesetzliche Anerkennung aussprechen. Das Ganze ist ja nur ein Federstrich.«

»Es lohnt gar nicht, länger darüber zu reden, es wird geschehen.«

Galilei erhob sich, um sich zu verabschieden, aber plötzlich lenkten einige Ölgemälde, die an die Wand gelehnt standen, seine Aufmerksamkeit auf sich.

»Was sind das für Bilder, Exzellenz?«

»Diese Bilder stammen noch aus der Zeit des Großherzogs Francesco, aber Fernando hat sie entfernen lassen. Jetzt habe ich sie alle wieder hervorgeholt. Es ist genug Zeit vergangen, sie können wieder zum Hof zurück. Das da ganz links stellt Bianca Cappello dar.«

Galileo Galilei hörte nicht mehr zu, er war in die Betrachtung der Gesichtszüge seines einstigen Ideals versunken. Wie der Flügelschlag eines geheimnisvollen Vogels erbebte in ihm seine Jugendliebe. Seine Augen hingen an diesem einst mit überirdischer Schwärmerei angebeteten Antlitz, und er sah erschüttert, daß Marina dieser Frau nicht im geringsten ähnlich war. Und damals hatte er sich doch nur wegen dieser Ähnlichkeit in Marina verliebt. Er hatte ja nicht Marina, sondern in Marina Bianca geliebt. Aber warum? Wie konnte er einst nur glauben, daß Marina diesem Traumbild so ähnlich sähe?

Verwundert starrte er auf das Bild, das ein ganz anderes Gesicht zeigte als die Züge Marinas. Er erkannte sie wieder, aus seiner Erinnerung tauchte frisch und unberührt dieselbe wundervolle, unwiderstehliche, rothaarige Frau auf. Wie hatte er sich nur so gewaltig irren können? Und da mußte er daran denken, daß die Geheimnisse seiner Seele noch viel verwickelter und noch viel wundersamer waren als die aller Sterne.


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