Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel

Der neue Gesandte von Toskana, Guicciardini, wohnte in der Medici-Villa oberhalb der Trinitatiskirche. Dort hatte man auch Zimmer für Galilei bereitgestellt. Dem Gesandten merkte man deutlich an, wie fremd er der ganzen Sache gegenüberstand. Als Galilei ihm erzählte, daß er einem zu erwartenden Inquisitionsverfahren zuvorkommen wolle, fuhr er in die Höhe, als wenn er feststellen müßte, daß er einen Leprakranken in sein Haus ausgenommen habe. Aber auf dem Tisch dort lag der eigenhändig geschriebene Brief des Großherzogs, in dem für den Gelehrten Wohnung, Bedienung und ein Schreiber bestellt wurden. Er zog die Augenbrauen hoch und hob die Schultern. Wenn es dem Herrscher so beliebte, ihm sollte es recht sein. Sobald aber Galilei mit Auspacken fertig war, suchte ihn der Gesandte gleich wieder auf, um mit ihm über den » modus procedendi« zu sprechen.

»Habt Ihr eine Mahnung oder eine Ladung vom Santo Offizio erhalten?«

»Nein. Meine letzte amtliche Fühlungnahme mit der Kirche bestand darin, daß eine vielköpfige kirchliche Kommission auf das Geheiß des Kardinals Bellarmin hin meine astronomischen Beobachtungen untersucht und bestätigt hat.«

»Dann dürft Ihr von der Inquisition auch nichts wissen. Ihr dürft sie niemals erwähnen, Euch nirgends nach ihr erkundigen. Merkt Euch das recht gut.«

»Was soll ich also tun?«

»Geht möglichst viel in Gesellschaft und suchet die Bekanntschaft von jedermann. Macht ein unschuldiges Gesicht, macht Besuche hier und da, unterhaltet Euch mit den Leuten und seht zu, daß Ihr soviel als möglich Verbindungen bekommt. Und flechtet geschickt in Eure Unterhaltung die Dinge ein, die man Euch vorwirft. Betont, was für ein guter Katholik Ihr seid, wie streng Ihr die Dogmen achtet und daß Ihr Euch mit den Feinden der Kirche noch nicht einmal in ein Gespräch einlassen würdet.«

»Das kann ich schwerlich behaupten; denn Fra Paolo Sarpi ist ein guter Freund von mir. Außerdem stehe ich mit dem Bürgermeister von Augsburg und dem Astronomen Kepler, beides Protestanten, in freundschaftlichem Briefwechsel.«

»Schon gut«, entgegnete der Gesandte gereizt, »aber ist es nötig, das auszuposaunen? Sprecht einfach nicht davon. Laßt Euch vor allem nicht in theologische Debatten ein.«

»Verzeiht, ich bin doch hergekommen, um zu beweisen, daß meine Lehre in keinerlei Gegensatz zur Heiligen Schrift steht.«

»Aber sprecht doch jetzt nicht von Euren Lehren! Laßt diese Lehren gefälligst beiseite! Zeigt Euch als guter Katholik, als treuer Sohn der Kirche. Sollte Euch die Inquisition dann offiziell vorladen, dann legt ein Bekenntnis ab und benennt als Zeugen all die Kardinäle, mit denen Ihr bis dahin gesprochen habt. So muß man das machen! Dann können auch wieder die Lehren an die Reihe kommen. Obwohl ich wirklich nicht einsehen kann, warum Ihr Euch mit Fragen befaßt, die Euch Unheil bringen können. Entwerft doch Kriegsmaschinen oder denkt Euch neue Methoden der Landesaufnahme aus und was weiß ich sonst noch alles. Eure Wissenschaft hat doch Gebiete genug.«

»Was«, schrie Galilei, »ich soll meine Weltordnung verleugnen? Was ich für die ganze Menschheit aufbaue, soll ich beiseite lassen?«

Der Gesandte zuckte mit den Schultern und erwiderte spöttisch, indem er sich vom Tisch erhob:

»Ich glaube, daß die Sterne abends genau so scheinen werden, wenn Ihr eine Weile nichts daran baut. Ich habe Euch meinen Rat jedenfalls gegeben, und ich empfehle Euch nochmals nachdrücklichst, ihn zu beherzigen. Was fehlt denn übrigens Eurer linken Hand?«

»Ich habe Gelenkrheumatismus. Er tritt immer wieder auf. Aber im Augenblick ist es erträglich.«

»Und damit kommt Ihr im November nach Rom? Wißt Ihr denn nicht, daß in ganz Italien hier die Luft am ungesündesten ist? Seht Euch einmal Eure Hand in einer Woche an. Ich kann mich übrigens des Eindruckes nicht erwehren, daß diese römische Reise jetzt … Aber lassen wir das, mich geht es ja nichts an. Wenn Ihr irgend etwas benötigt, so ruft bitte den Haushofmeister. Auf Wiedersehen.«

Zornig sah Galilei seinem Hausherrn nach. Was denkt sich denn so ein Diplomat überhaupt von der neuen Weltordnung? Was hätte Euklid gesagt, wenn man ihm geraten hätte, er möchte die Geometrie aufgeben? Oder was hätte der Paduaner Livius gesagt, wenn man ihm mitten in seiner Geschichtsschreibung gesagt hätte, jetzt wäre es genug, er solle aufhören? Laien sollte man doch nicht erlauben, sich in die Fachwissenschaften einzumischen. Bei diesem Gedanken fiel ihm sofort ein, daß er selbst in das Gebiet der Theologie eindrang, obwohl er hier bestimmt ein Laie war. Da wurde er noch wütender. Seine Hand schmerzte auch jämmerlich. Die ganze Angelegenheit schien einen schlechten Anfang zu nehmen. Er fluchte innerlich wie ein Märzgewitter; dem Diener, der im Zimmer herumhantierte und etwas fallen ließ, gab er eine Ohrfeige, schenkte ihm aber gleich darauf ein Goldstück.

Sein erster Weg führte ihn zum Herzog Cesi. Er fand den jungen Herzog in tiefem Schwarz. Seine Frau, Artemisia Colonna, war jung gestorben. Die Trauer trug der Herzog aber nur äußerlich, auf die Beileidserklärungen erwiderte er, daß er alsbald wieder heiraten werde. Dann aber war er gleich bei der Sache.

»Ich möchte Euch bitten, und sämtliche Luchse der Akademie stimmen in diesem Punkt mit mir überein, Euch in theologischen Fragen mit niemandem, aber auch wirklich mit gar niemandem, einzulassen. Es gibt nichts Gefährlicheres als das. Und auf der Akademie müssen wir auch aufpassen. Wir stehen ein wenig im Rufe, Gegner der Peripatetiker zu sein. Nicht zu Unrecht. Da aber die Kirche überwiegend peripatetisch ist, könnten wir mit theologischen Debatten nur den Anschein erwecken, daß wir gegen die Kirche eingestellt seien. Das ist nicht wünschenswert. Außerdem habe ich den Eindruck – aber es ist durchaus möglich, daß es nur eine Einbildung ist –, daß gegen Euch … daß man Euch … mit einem Wort, es wäre klug, ein wenig auf die Inquisition zu achten.«

»Diesen Eindruck habe ich auch, aber wie begründen Eure Durchlaucht dieses Mißtrauen?«

»Sobald von Euch die Rede ist, verhalten sich sofort sämtliche Kardinäle ganz zugeknöpft. Das ist alles. Immerhin bedeutet das nichts Gutes. Etwas Bestimmtes kann man freilich nicht erfahren. Die unermeßliche Kraft der heiligen Inquisition liegt ja gerade darin, daß alle, die ihr angehören, schweigen wie das Grab.«

»Was soll ich also tun?«

»Pflegt Eure Verbindungen und betont Eure katholische Gläubigkeit …«

Und so weiter. Der Herzog Cesi gab ihm genau den gleichen Rat wie der Gesandte. Mit fast denselben Worten. Hauptsächlich stimmten sie darin überein, daß man die Einrichtung der heiligen Inquisition niemandem gegenüber erwähnen dürfe.

»Aber man wird doch noch erfahren können, wer die führenden Mitglieder der Inquisition sind? Ich würde sie aufsuchen, ohne von der Inquisition zu sprechen.«

»Ich weiß nicht genau, wer sie sind. Mir ist die Zusammensetzung des Santo Offizio auch unbekannt. Ich weiß nur, daß der Präsident der Index-Kommission der französische Kardinal Saint-Cécil ist. Ich weiß es, weil ich wegen verschiedener Veröffentlichungen unserer Akademie mit ihm gesprochen habe. Ich weiß auch, daß dieser Kommission der Kardinal Bellarmin angehört. Und ich weiß, daß es Mitglieder gibt, die kein Urteil sprechen, sondern nur theologische Gutachten abgeben. So einer ist z. B. der Kardinal Gaetani. Nein, fragt nicht weiter, ich bitte Euch inständig, laßt die Frage ruhen!«

Von hier ging er zu Pater Grienberger in das Jesuitenkollegium, wo er sich einst mit dem aufrechten und lieben Pater Clavius so gut und vertraulich hatte verständigen können, obwohl ihre Lehren so sehr voneinander abwichen. Der alte Herr weilte jetzt schon nicht mehr unter den Lebenden, und seinen Platz hatte der ständig lächelnde Tiroler eingenommen. Galilei gehorchte seinen Ratgebern und sprach mit ihm weder von der Inquisition noch vom Buche Josua, sondern entwickelte ihm seine Theorie von Flut und Ebbe als Beweis dafür, daß sich die Erde bewege. Lange debattierten sie miteinander. Dann sprachen sie von dem Jesuitenpater Scheiner und von den Sonnenflecken. Galilei erwähnte, daß ihn die Jesuiten für ihren Feind hielten, obwohl ihm so etwas vollkommen fern liege. In herzlicher Freundschaft schieden sie voneinander. Auf der Straße blieb Galilei in gereizter Ungeduld stehen. Wohin sollte er sich wenden? Was sollte er beginnen? Wo sollte er den Hebel ansetzen? Ihm war, als stünde er am Fuße eines riesigen düsteren Gebäudes mit bis zum Himmel ragenden Mauern, das weder Fenster noch Tore hatte, und er müsse unter allen Umständen da hinein gelangen –

Zu Hause legte er sich eine Liste der Personen an, die er alle besuchen wollte. Seine Taschen waren voll von Empfehlungsbriefen des Großherzogs. In langer Reihe folgten die Namen aufeinander, angefangen beim Grafen Querenghi, den er noch gut von Padua her kannte, bis zum Kardinal del Monte, dem Dominikaner Maraffi und dem Kardinal Orsini. Er begann mit seinen Besuchen, gewissenhaft achtete er auf jedes seiner Worte, auf jede noch so belanglos erscheinende Kleinigkeit. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Die Inquisition und die Heilige Schrift durfte er nicht erwähnen. Er sprach also davon, daß seine Feinde gegen seinen wissenschaftlichen Standpunkt die unmöglichsten Beschuldigungen richteten, und daß er deswegen hierher in die ewige Stadt der Päpste gekommen sei, um ein offenes Bekenntnis zum Katholizismus abzulegen, und gleichzeitig zu erklären, den Fachleuten in ihrer Sprache, den Laien in der des Alltags, daß, was er behaupte, klar, verständlich und das einzig Richtige sei.

Anfangs ging alles noch einigermaßen. Es fanden sich Leute, die zustimmend nickten, obgleich sie von seiner ganzen Rede kein Wort verstanden. Es gab auch solche, denen das Neue und Besondere an dieser kopernikanischen Angelegenheit gefiel. Viele widersprachen ihm auch heftig. Aber alles dies bezog sich auf Kopernikus und nicht auf seine eigene Person. Gerade das letztere aber wollte er geklärt wissen: was spielte sich im geheimen um ihn ab? Wie ein eifersüchtiger Liebhaber seine turmhohen, schwierigen Beweise aus den unscheinbarsten Anzeichen aufbaut, so war auch er bestrebt, ohne handfeste Beweise zu haben, einen Schauerroman der Möglichkeiten aufzubauen. Manchmal gelang es ihm, sich selbst zu überzeugen, daß das Ganze nur Einbildung sei. Er stünde im Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Debatte, seine Gegner seien wütend, und das sei alles. Der Bischof von Pisa und der Brief Castellis, alles sei ohne Belang. Es war doch durchaus denkbar, daß der Bischof den Originaltext nur hatte sehen wollen, um zu einer offiziellen Schrift Stellung nehmen zu können. Nachdem er aber erkannt, daß er mit den Argumenten nicht fertig werde, habe er die ganze Angelegenheit fallen gelassen. Auch das geheimnisvolle Erscheinen Attavantes bewies noch nichts. Es war doch auch leicht vorstellbar, daß dem Bischof Marcimedici irgendein Gerücht zu Ohren gekommen war; daraufhin ließ man den jungen Mann in das Bischofspalais kommen, verhörte ihn, und als man sah, daß er nichts Wesentliches mitzuteilen hatte, hieß man ihn schwören, von der ganzen Angelegenheit zu schweigen. Der junge Kavalier hatte sich mit seiner überhitzten Phantasie eine Schauergeschichte ausgemalt, das Ganze war nur ein blinder Alarm und vielleicht hätte er gar nicht nach Rom zu kommen brauchen. Wenn er aber nun schon einmal hier war, wollte er sich wenigstens ein bißchen in der Stadt umsehen und dann noch nach Neapel reisen; denn er wünschte schon lange, diese Stadt kennenzulernen. Unterwegs wollte er den berühmten Wallfahrtsort Loretto besuchen, worum ihn seine Tochter Virginia so innig gebeten hatte.

Je länger er sich aber so beschwichtigte, um so kühler überlegte er nach der anderen Seite hin. Was könnte geschehen, wenn die Inquisition im geheimen doch ein Verfahren gegen ihn eingeleitet hätte? Dann hätte sich alles auch so abspielen können: der Bischof von Pisa hat den Befehl erhalten, sofort die Originalschrift seines Briefes zu beschaffen, damit die Inquisition einen unwiderlegbaren Beweis in Händen habe. Man hat Zeugen verhört, vielleicht zehn, vielleicht auch zwanzig, er aber hat nur von einem einzigen Kenntnis erlangt. Das Verfahren ist im Gange, und man sammelt Material gegen ihn. Alle, die davon Kenntnis haben, verraten nichts, sie verschließen sich vor ihm wie vor einem ansteckenden Kranken. Und während er so nachsinnt, spricht man vielleicht in irgendeinem geheimnisvollen Saale irgendeines Klosters gerade in dieser Minute von ihm und beschließt vielleicht gerade jetzt, daß der Augenblick gekommen, die Sache so weit gereift sei, daß man Galileo Galilei in die Engelsburg einliefern müsse.

Von derartigen Zweifeln gepeinigt, machte er in gereizter Stimmung einen Besuch nach dem anderen, wie ein gejagtes Wild, das selbst ein unsichtbares Phantom verfolgt. Und wie ein eifersüchtiger Liebhaber, der die Spannung nicht ertragen kann und sich danach sehnt, zu erfahren, ob man ihn wirklich betrogen habe, so sehnte auch er die Gewißheit herbei, ob gegen ihn tatsächlich etwas im Gange war; denn selbst die grausamste, vernichtendste Wahrheit würde ihn beruhigen.

Schließlich gelang es ihm doch, von dem Kardinal Bellarmin selbst einen gewissen Aufschluß zu erhalten. Zweimal hatte ihn dieser bereits nicht empfangen. Das dritte Mal durfte er endlich vor dem allmächtigen Kardinal erscheinen. Sofort lenkte Galilei die Unterhaltung auf Kopernikus.

»Laßt die Finger davon«, entgegnete der Kardinal kühl, »diese Lehre steht im Widerspruch zur Kirche.«

»Monsignore, ich bin von der Wahrheit dieser Lehre überzeugt. Zugleich aber auch davon, daß sie dem Geiste der Kirche mehr entspricht als Aristoteles. Ich habe mir jedoch vorgenommen, mich in keinerlei theologische Debatten einzulassen, und deshalb kann ich Euer Gnaden leider auch nicht auseinandersetzen, daß Kopernikus und die Heilige Schrift ein und dasselbe besagen.«

»Es wäre auch unnütz, wenn Ihr Euch in die Theologie einmischen würdet. Überlaßt das nur den Theologen, die sich mit dieser Frage sowieso befassen werden, und zwar aus zweierlei Gründen. Der eine ist das Buch Foscarinis, bester gesagt, sein offener Brief, der zweite die Beschwerde aus Florenz.«

»Aus Florenz, Monsignore? Was für eine Beschwerde ist aus Florenz gekommen?«

»Leute, denen die Belange unseres heiligen Glaubens am Herzen liegen, haben Klage gegen die Anhänger Eurer Lehre erhoben, weil diese der Kirche zum Schaden gereichen. Diese Frage muß also untersucht werden.«

»Vergebt mir, dürfte ich einige Fragen stellen?«

»Das hängt von der Art der Fragen ab.«

»Hat man gegen meine Person Klage erhoben? Und zu welcher Behörde ist diese Klage gelangt?«

Der Kardinal überhörte die zweite Frage. Er antwortete nur auf die erste.

»Ich wiederhole, daß die Klage gegen die Anhänger Eurer Lehren erhoben wurde; oder, wenn es Euch so bester gefällt, gegen die Anhänger des Kopernikus. Von Eurer Person ist hier gar keine Rede. Wegen Eurer eigenen Person könnt Ihr vollständig beruhigt sein. Aber, wie gesagt, laßt ab von dieser Lehre! Das ist mein wohlgemeinter Rat, und nun liegt es an Euch, ihn zu befolgen. Jetzt will ich Euch aber nicht länger aufhalten, denn ich muß zu unserem Herrn.«

»Unser Herr« war der Papst. Die hohen Geistlichen in Rom pflegten sich dieses Ausdruckes zu bedienen, wenn sie vom Papst Paul sprachen. Galilei verabschiedete sich mit einer ehrfürchtigen Verbeugung. Endlich wußte er etwas mehr. Aus Florenz hatte also jemand gegen seine Anhänger Klage erhoben, und zwar offensichtlich an einer Stelle, von der Bellarmin es erfahren konnte. Vielleicht also doch bei der Inquisition.

Bei dem Dominikaner Maraffi erfuhr er wiederum etwas Neues. Nämlich, daß Caccini, der ihn von der Kanzel herunter beschimpft hatte, sich hier in Rom aufhielt. Seine Klosterbrüder wußten nur so viel, daß er zufolge höheren Befehls hierhergekommen war. Ein weiterer Baustein zum Gebäude seiner Hypothesen. Eine ganze Festung hätte er errichten mästen und hatte bisher doch nur einzelne solche Steine. Aber bald kam wieder einer dazu: Pater Lorini, ein Geistlicher aus Florenz, der gleichfalls gegen die kopernikanischen Lehren öffentlich loszog, hielt sich auch in Rom auf. Was machte der hier? Langsam, ganz langsam kam Licht in die dunkle Angelegenheit. Gleichzeitig bemerkte er glücklich, daß es doch sehr zweckdienlich gewesen war, hierher zu kommen. Zahlreiche hohe Geistliche, die ihn erst nach langem Hin und Her und dann auch nur auf die Fürsprache Dritter hin zu empfangen geneigt waren, verhielten sich ihm gegenüber zuerst sehr steif und feindselig. Sobald aber Galilei von seinem überzeugten Katholizismus sprach, und auch seine beiden Töchter, die Nonnen, nicht zu erwähnen vergaß, schmolz der kühle Ton. Bei mehr als einem konnte er einen Wechsel in den Mienen beobachten, der beredter als alle Worte sagte: »Du bist ja ganz anders, als man dich hinstellt.«

Da bekam er Mut. Er setzte seine Besuche fort und sprach nun nicht mehr über wissenschaftliche Fragen, sondern klagte nur über die Verleumdungen, mit denen man ihn vernichten wollte. Bei diesem zweiten Rundgang sah er frohlockend die Wirkung seiner ersten Besuche. Ganz anders empfing man ihn diesmal: man tröstete und beruhigte ihn. Von fünf Kardinälen hörte er nacheinander an ein und demselben Tage, daß er nichts zu befürchten hätte, die Mächtigen der Kirche wären sich längst darüber im klaren, daß die über seinen Atheismus in Umlauf gesetzten Gerüchte nichts anderes seien als üble Erfindungen, wie sie sich oft an erbitterte wissenschaftliche Debatten hefteten. Was er jetzt zu hören bekam, klang, als ob das ohne sein Wissen im geheimen abgehaltene Verfahren zum Ergebnis geführt habe, daß an seinem Katholizismus nicht zu zweifeln sei. Langsam begann er aufzuatmen und sich damit abzufinden, daß er wohl niemals erfahren würde, was sich hinter verschlossenen Türen abgespielt hatte, aber daß er allem Anschein nach seiner persönlichen und kirchlichen Ehre wegen beruhigt sein könne.

Sein leidenschaftlicher Widerspruchsgeist wurde zu immer neuer Glut entfacht, je mehr er sich beruhigte. Seine Bekannten luden ihn wieder ein, wie zuzeiten seiner größten Siege hier in Rom. Und bei diesen Zusammenkünften begann er unverzüglich und vorsätzlich für Kopernikus zu plädieren. Immer fanden sich einer oder zwei, die ihm beistimmten, und zehn, die ihm hartnäckig widersprachen. Endlich war er in seinem Element! Er konnte debattieren! Nichts verstand er so gut! Er riß die Führung sofort an sich. Sein Grundsatz im Kampf war: Angriff ist die beste Verteidigung. Seine unvergleichliche Redegewandtheit und sein köstlicher Humor führten immer zum vollen Sieg. Er schwelgte wieder einmal in Erfolgen. Und immer wieder mußte er von neuem erfahren, woran ihn die wissenschaftlichen Debatten von dreißig langen Jahren nicht zu gewöhnen vermocht hatten: daß jene Gegner recht selten sind, die sich überzeugen lassen, selbst wenn sie unter der Last unwiderlegbarer Beweise völlig zusammenbrechen. Wen er mit seinen Argumenten vollständig zum Schweigen gezwungen hatte, der sagte an diesem Tage keinen Ton mehr. Aber drei Tage später, wenn er ihn zufällig in einem anderen gastlichen Hause traf, begann der Gegner hartnäckig die schon einmal widerlegten Behauptungen von neuem aufzustellen. Er aber wurde nicht müde. Vieles hätte ihn erschöpfen können, nicht aber die Debatten am gastlichen Tische. Er fühlte sich dabei wie der Fisch im Wasser, wie die Möve in der Luft. Er ließ seinen scharfen Verstand glänzen, seinem gutmütigen Spott und seiner guten Laune die Zügel schießen. Mit seltenem Geschick ordnete er blitzschnell die kompliziertesten Sätze in seinem Gehirn, goß sie in vollendete Form um und überschüttete alle mit der unwiderstehlichen Sprache seines kunstgerechten Vortrages. Zu zehnt begannen sie die Debatte, zum Schluß sprach aber immer nur er allein. In seinem mitreißenden Vortrag, in seinen ausdrucksvollen Gesten, in den unzähligen Nuancen der Betonung lag etwas von einem geborenen Schauspieler. Und sehr häufig kam es vor, daß man ihm bei einem Abendessen lauten Beifall spendete, wie man dies Schauspielern gegenüber tut.

Während er nach der vollkommenen Wiederherstellung seines persönlichen Rufes auch im Interesse seiner wissenschaftlichen Stellung einem begeisterten Herold gleich weiterarbeitete, erhielt er auch persönlich volle Genugtuung: Caccini besuchte ihn in der Villa Medici. Galilei wußte sich vor Verwunderung kaum zu fassen, als der Diener mittags um zwei Uhr, unmittelbar nach dem Essen, diesen Namen meldete.

Mit aalglatten Bewegungen, die Hände reibend, trat ein Mönch bei ihm ein. Sogleich wußte er, daß er diesem Pfaffen öfter in Florenz begegnet war; er hatte bloß nicht gewußt, daß es Caccini war. Auf den ersten Blick hatte er keinen guten Eindruck von ihm gehabt. Jetzt, in unmittelbarer Nähe, wo der Geistliche immer wieder mit tiefen Verbeugungen vor ihm dienerte, seine Hände ineinander knetete, seinem Gegenüber nicht ein einziges Mal offen in die Augen sah, verspürte er einen heftigen Widerwillen gegen ihn. Plötzlich fielen ihm jene frommen, gütigen Priester ein, denen er in seinem Leben aufrichtig zugetan war, und mit denen verglich er in Gedanken diesen hinterlistigen, falschen, kriecherischen Menschen, den er am liebsten an der Brust gepackt hätte. Aber er beherrschte sich. Wenn jemals überhaupt, so war es in seiner jetzigen Lage mehr als angebracht, einem Geistlichen gegenüber nicht grob zu sein.

»Ich bin gekommen«, sagte der Mönch mit salbungsvoller Stimme, beharrlich an Galilei vorbeisehend, »um Euch feierlich und gehorsam um Vergebung zu bitten.«

»Ich danke. Es ist verziehen.«

»Seit meiner denkwürdigen Predigt, zu der mich meine flammende Glaubensbegeisterung hinriß, habe ich mich davon überzeugt, daß Euer Gnaden ein eifriger und treuer Sohn der Kirche ist. Dies haben mir mehrere hohe Geistliche unserer Kirche hier in Rom versichert. Ich bin also gekommen, zu erklären, daß ich zu jedweder Genugtuung bereit bin.«

Galilei betrachtete den reuevollen Sünder aufmerksam. Sogar in seiner Demütigung lag etwas Widerwärtiges, eine süßliche Eitelkeit. Auch der war ein Schauspieler, aber ein schlechter. Seinem Gang nach Canossa, das sah man deutlich, fehlte die Überzeugung. Aber warum war er dann gekommen?

»Ich danke«, entgegnete Galilei, »aber auf dem Gebiete der Wissenschaft kann ich von Euer Hochwürden keine Genugtuung bekommen. Und was das Kirchliche anbelangt, so ist mir bereits Gerechtigkeit widerfahren.«

»An das wissenschaftliche Gebiet habe ich auch gar nicht gedacht, Euer Gnaden. In dieser Hinsicht schließe ich mich der Meinung des Monsignore Bellarmin an, der diese Lehre für irrig hält. Ich dachte an eine menschliche Genugtuung. Ich bitte hiermit um Verzeihung. Aber glauben mir Euer Gnaden, es wäre ungerecht, wenn Ihr nur mich mit Eurem Zorn straftet. Es gibt Fälle, wo dieser oder jener, der die Verantwortung für andere trägt, nicht reden kann.«

»Wen meint Ihr, Padre Caccini? Sprecht offen und macht keine dunklen Andeutungen!«

»Euer Gnaden haben vollkommen recht. Die Anspielung will ich hiermit zurückziehen. Möge diese Angelegenheit für ewig begraben sein. Mein Fehler ist aber trotzdem geringer, als zum Beispiel der meines Ordensbruders Lorini. Ich habe in unserer gemeinsamen Heimatstadt nur die Herde vor der verderblichen Lehre schützen wollen. Er aber hat sich nach Rom an die geistlichen Oberhirten gewendet, sich in einer Weise gegen diese Lehren gestellt, wie es Euer Gnaden nur schädlich sein kann.«

Galilei fuhr hoch.

»Lorini hat mich angezeigt? Hochwürden haben von der Kanzel gegen mich gewettert und zu gleicher Zeit hat er mich angezeigt? Das habt Ihr Euch schön ausgedacht! Aber warum, warum? Bin ich denn jemals einem von Euch zu nahe getreten?«

»Um des Glaubens willen. Dafür haben wir doch unser Gelübde abgelegt, Euer Gnaden.«

»Gut, also für den Glauben. Mag sein. Und wo hat mich dieser Lorini angezeigt? Bei der Inquisition? Darauf antwortet mir, ich bitte Euch inständig! Ihr erwidert nichts? Also doch! Das hätte Euch wohl so gepaßt, wenn man mich verbrannt hätte, he?«

»Verzeihung, ich habe nicht behauptet, daß er sich mit seiner Anzeige dorthin gewandt habe.«

Galilei blickte ihn schweigend an und holte tief Atem. Jetzt wurde endlich alles klar, die bedrückenden Schatten, die ihn seit langem quälten, wichen. Der Bischof von Florenz, sein einstiger Schüler, hatte diese beiden aufgehetzt. Caccini predigte gegen ihn und Lorini zeigte ihn an – ohne Zweifel bei der Inquisition – daß er ein Gottesleugner und Ketzer wäre. Das Santo Offizio hatte das Verfahren eingeleitet. Es hatte Beweise angefordert. Der Bischof von Pisa war bestrebt gewesen, den Originalbrief zu beschaffen. Zeugen waren verhört worden. Ximenes, dessen Ordensbruder und Attavante. Das Verfahren war jedoch ohne Erfolg geblieben. Inzwischen war er selbst nach Rom gekommen und hatte hier an Ort und Stelle einen ausgezeichneten persönlichen Eindruck gemacht. Die Angelegenheit war beendet. Und nun saß einer von seinen Verleumdern vor ihm.

»Es ist gut, ich will nicht in Euch dringen, Padre Caccini. Aber sagt mir noch aufrichtig und unter vier Augen: was wollt Ihr noch von mir?«

Die Unterhaltung wurde unterbrochen. Der Herzog Cesi trat mit zwei Luchsen ein. Galilei bot ihnen Platz an, stellte Caccini vor und ließ Wein kommen. Sogleich entstand ein lebhafter Gedankenaustausch, an dem sich zu Galileis größter Verwunderung Caccini am lebhaftesten beteiligte, indem er Kopernikus scharf verurteilte. Aus dem peripatetischen Arsenal tischte er jedoch so alte Argumente auf, daß sogar der Herzog Cesi diese mit Leichtigkeit widerlegen konnte. Währenddessen ließ Galilei den Geistlichen nicht aus den Augen. Er betrachtete prüfend seinen Schädel, der Verstocktheit verriet, und seine weibischen, den Eindruck der Falschheit erweckenden Hände. Scharf beobachtete er seine Art zu reden. Ein beschränkter Mensch war er und böswillig. Eine kleinliche, schlechte Seele. Und so ein Mann kann unter Umständen einen weltberühmten Gelehrten zu Fall bringen, von dessen Lehren er nicht die geringste Ahnung hat. Und warum? Damit er in der Kirche einen wirkungsvollen Erfolg erzielen und vielleicht einmal Prälat werden kann. Grausam!

Cesi ging, Caccini blieb. In süßlich leierndem Ton begann er von neuem:

»Jetzt, wo kein Groll mehr zwischen uns besteht, erlaubt mir bitte, daß ich mich nunmehr als Seelsorger und als Geistlicher Eures Glaubens an Euch wende. Lasset ab von dieser neuen Weltordnung!«

»Zum Teufel«, rief Galilei ärgerlich, »was denn noch?«

»Mögen Euer Gnaden doch in Betracht ziehen, daß der Kirche diese Lehre nicht zusagt. Schließlich muß Euch doch Euer Seelenheil, das Ihr einzig und allein durch die Kirche erhalten könnt, wichtiger sein, als hunderttausend solcher wissenschaftlicher Behauptungen. Ich bitte Euch bei Christi sieben Wunden, denkt einmal hierüber nach!«

»Ich danke Euch für den guten Rat, aber darüber habe ich schon länger als fünfundzwanzig Jahre nachgedacht. Was ich von der ganzen Welt anerkennen lassen will, soll doch nur der Kirche zum Ruhme gedeihen.«

»Das? Diese protestantische Erfindung?«

»Wieso protestantisch? Meines Wissens war Pythagoras kein Protestant. Und Kopernikus war ein Domherr in Thorn und hat sein Werk Papst Paul III. gewidmet. Lassen wir das, Hochwürden.«

Aber Caccini ließ nicht locker. Er blieb hartnäckig sitzen wie ein Missionar bei den Wilden. Als er endlich fortgegangen war, eilte Galilei sogleich zu dem Gesandten. Er erzählte ihm, daß seine Angelegenheit nunmehr vollkommen in Ordnung sei. Auch die unerwartete Genugtuung hätte er erhalten, daß ihn Caccini um Verzeihung gebeten habe.

»Um zwei Uhr kam er und erst um sechs Uhr verließ er mich wieder. Der Allmächtige möge beide Hände über ihn halten, aber jetzt habe ich es überstanden. Also, Exzellenz haben doch nicht recht gehabt. Es war gut, daß ich nach Rom gekommen bin. Meine Hand schmerzt auch nicht mehr so sehr, ich hinke kaum noch und meinen Verleumdern habe ich es tüchtig gegeben. Haben Exzellenz schon einmal gesehen, wie es aussieht, wenn man inmitten von Ruinen einen großen Stein von seinem Platze rollt? In Scharen flüchten die Würmer und Käfer, die unter dem Schutze dieses Steines ausgezeichnet lebten, das Sonnenlicht aber nicht vertragen können. So ist es hier gewesen.«

»Das freut mich außerordentlich«, erwiderte Guicciardini, »wann reisen Euer Gnaden?«

»Ich? Ich denke gar nicht daran. Jetzt muß ich erst recht hierbleiben. Jetzt kommt doch etwas viel Wichtigeres als meine persönliche Angelegenheit. Jetzt ist Kopernikus an der Reihe. Eure Exzellenz müssen nämlich wissen, daß dieser Lorini geschickterweise nicht mich, sondern die »Galileisten« bei der Inquisition angezeigt hat. Meine Anhänger. Sein Ziel ist, daß die Kirche diese Lehre verdammen soll, dann ist auch mir der Boden unter den Füßen weggezogen, und dann wäre es ihm ein leichtes, mit mir fertig zu werden. So leicht wird das aber nicht gehen! Morgen beginne ich meine Besuche wieder, aber diesmal Kopernikus zuliebe.«

Der Miene des Gesandten war anzusehen, daß er seine nervöse Ungeduld nur schwer verbergen konnte.

»Ihr seid wahrlich kein leicht zu behandelnder Mensch! Es tut nicht gut, so heftig und ungestüm zu sein. Aber ich will Euch nicht dreinreden. Wie lange Euch dieses Haus, welches nicht mein Haus ist, noch beherbergen wird, darüber beschließt der Großherzog.«

»Ihr seht mich nicht gern bei Euch?«

»Eure Gesellschaft freut mich unendlich. Aber es geht mir auf die Nerven, mit anzusehen, wie wenig Ihr Euch zähmen könnt. Was wollt Ihr mit dieser Weltordnung? Was ist diese Weltordnung? Wozu soll das gut sein? Kaum seid Ihr aus den Schwierigkeiten heraus, beginnt Ihr schon wieder von neuem. Macht was Ihr wollt, aber ich gebe Euch keinen Rat mehr.«

Der Gesandte wandte sich seinen Schriften zu und deutete hierdurch an, daß er die Unterredung beendet habe. Galilei zog die Schultern hoch und ging in seine Wohnräume zurück, um seinem Schreiber Briefe zu diktieren. Am anderen Tage begann er mit seinen abermaligen Besuchen. Vor allem suchte er den Kardinal Gaetani auf, von dem er wußte, daß er einer der Qualificatori des Santo Offizio war. Bis jetzt hatte dieser stets eine Möglichkeit gefunden, ihm aus dem Wege zu gehen. Diesmal aber empfing er ihn.

Er war also in den Amtsräumen der Inquisition! Das Santo Offizio war im Ordenshaus der Dominikaner untergebracht, neben der Kirche Santa Maria sopra Minerva, jenseits der Via Lata. Eine mächtige Insel inmitten vieler kleiner Gebäude war dieses Ordenshaus. Nur die große geschwungene Kuppel des Pantheon konnte sich mit ihm messen. Es war ein unregelmäßiger Bau, ein mächtiger Steinkoloß, als wollte er mit seiner Wucht seinen weltbedeutenden Einfluß noch unterstreichen. Als ob sich die Dominikaner der ganzen Welt eine neue Hauptstadt in der Hauptstadt des Christentums errichtet hätten. Nur Achtung konnte dieser große Gebäudekomplex erwecken, keineswegs Furcht und Schrecken. Seine schöne Kirche war stimmungsvoll und erwärmte im wahrsten Sinne des Wortes die Seele des Besuchers. In einer kleinen Nebenzelle lag die heilige Katharina von Siena in einem Glassarge, und geheimnisvoll ermahnte diese in Prunk gehüllte heilige Reliquie den Einkehrenden zu noch gedämpfterem Flüstern. Mit schlürfenden Schritten huschte der Küster über die Steinfliesen und machte sich mit einem langstieligen Kerzenlöscher an den Altarkerzen zu schaffen, beugte an die fünfmal seine Knie und bekreuzigte sich, sooft er vor dem Tabernakel der Heiligen Hostie vorüberging. Idyllische Andacht breitete sich über der Kirche der Inquisition aus, nicht Schrecken und Grauen. Und in den Stockwerken des jenseitigen Flügels, wo sich die Amtsräume des Santo Offizio aneinanderreihten, lachte die frühe Frühlingssonne freundlich durch die breiten Fenster der Gänge. Fratres kamen und gingen mit Aktenstößen oder Holzscheiten für den Kamin unter dem Arm, das Ganze schien eher eine bischöfliche Residenz zu sein, ein vornehmes kirchliches Institut, denn das fürchterliche Gericht über Unglückliche, die auf den Scheiterhaufen unter fürchterlichen Qualen verenden sollten.

Der Kardinal Gaetani empfing seinen Besuch äußerst zuvorkommend. Er beglückwünschte ihn, daß es ihm gelungen sei, wie man allgemein berichte, sich zu rechtfertigen. Dann fragte er sehr liebenswürdig, in welcher Weise er dem weltberühmten Gelehrten behilflich sein könne.

»Ich komme im Interesse eines längst verstorbenen deutschen Domherrn, Monsignore. Ich möchte mich erkundigen, ob sich dieses hohe Amt hier mit den Lehren des Kopernikus und seiner Anhänger beschäftigt.«

»Womit sich das Santo Offizio befaßt, darüber Auskunft zu geben, steht nicht in meiner Macht. Aber die kopernikanische Frage interessiert mich. Was ich diesbezüglich Lesenswertes fand, habe ich gelesen. Vorerst sehe ich noch nicht klar. Aber ich neige eher zu den alten, bewährten Lehren. Doch da Ihr schon einmal hier seid, so nennt mir wenigstens einen unparteiischen und angesehenen Sachverständigen.«

»Campanella«, entgegnete Galilei ohne Zögern.

»Hm, Campanella. Im Kerker von Neapel. Es ist vielleicht gar kein so übler Gedanke, mich außeramtlich bei ihm zu erkundigen. Ich danke Euch für den Hinweis. Und wie ist es um Eure Gesundheit bestellt? Wollt Ihr nicht eine Pfeife rauchen?«

Eine längere, angeregte Unterhaltung über vollkommen belanglose Dinge schloß sich an. Galilei kam wiederholt auf Kopernikus zu sprechen, er schnitt die Angelegenheit Foscarinis an, aber der Kardinal wich aalglatt jeder Frage aus und erkundigte sich nach den florentinischen Weinsorten. Galilei konnte nicht einmal von ihm in Erfahrung bringen, wann eine Beratung über diese grundsätzlichen Fragen stattfinden und wer sich mit ihnen befassen würde.

Von hier aus ging Galilei zum Kardinal Orsini, den er sich als einen der wichtigsten bis zuletzt aufgespart hatte. Orsini war dem Hofe von Florenz verpflichtet, andererseits erfreute er sich einer besonderen Beliebtheit beim Papst Paul. Ein warmherzig gehaltenes Empfehlungsschreiben des Großherzogs Cosimo an den Kardinal konnte Galilei vorzeigen.

»Monsignore«, sagte er zu dem beweglichen, heiteren, lebensklugen, zierlichen Greis, »ich bin gekommen, um Eure Unterstützung zu erbitten, und noch dazu in einer höchst wichtigen Angelegenheit.«

»Laßt hören, mein Lieber, laßt hören!«

»Mit der langen Geschichte der vorangegangenen Ereignisse will ich Euch gar nicht erst langweilen. Das Wichtigste ist, daß eine grundsätzliche astronomische Frage vor einem kirchlichen Plenum beraten wird. Ich weiß nur nicht, vor welche Behörde der Kirche sie gelangen wird. Aber ganz gleich. Das entscheidende Wort wird sowieso Seine Heiligkeit sprechen …«

»Einen Augenblick, mein Lieber, wie lautet denn diese prinzipielle astronomische Frage genau?«

»Ob sich die Sonne um die Erde oder die Erde um die Sonne dreht.«

Der Kardinal Orsini lachte.

»Ist denn das nicht ganz gleichgültig? Seht doch hinunter auf die Straße, welch herrlicher Frühling da blüht! Mein Gott, mit was für unnützen Sachen beschäftigen sich die Menschen, statt dem Allmächtigen für diese wunderbare Welt zu danken. Nun?«

»Ich behaupte, daß sich die Erde um die Sonne bewegt. Seiner Heiligkeit kann es doch wirklich einerlei sein, um wen sich wer bewegt. Meine Frage wäre also: möchtet Ihr die Güte haben, mit dem Heiligen Vater zu sprechen, damit er nicht meinen Gegnern, sondern mir recht gebe. Seine Heiligkeit soll so gnädig sein, durch irgendein Kirchenamt erklären zu lassen, daß sich die Erde um die Sonne dreht.«

»Das ist das Ganze? Herzlich gern! Morgen ist zufällig Sitzung. Ich werde Unserem Herrn gleich Bescheid sagen. Kommt morgen nachmittag, ich werde Euch dann berichten, was ich erreichen konnte.«

Und noch beim Abschied wiegte der kleine, weißhaarige Alte mit nachsichtigem Lächeln das Haupt: was für eine Kinderei, daß erwachsene Menschen solche Bagatellen zum Problem machen!

Als Guicciardini hörte, daß Galilei den Kardinal Orsini gebeten habe, den Papst zu beeinflussen, vermochte er seinen Ärger nicht mehr zu verbergen. Er schlug vor Erregung auf den Tisch.

»Messer Galilei, Ihr macht doch die größten Dummheiten! Schon Eure fixe Idee, daß Ihr in dieser Stadt ganz allein die Hartnäckigkeit der Priester brechen wollt, läßt einem die Haare zu Berge stehen. Warum wühlt Ihr bloß diese Sachen immer wieder von neuem auf? Warum geht Ihr mit Euren Siebensachen nicht schön nach Hause, nach Florenz, und wartet dort ab, bis sich die Kirche entschieden hat? Vielleicht läßt man die ganze Sache einschlafen, und die Kirche gibt gar keine Entscheidung? Ihr könntet Eure wissenschaftlichen Debatten in Ruhe weiterführen, aber nein, Ihr hört einfach auf kein vernünftiges Wort. Jetzt habt Ihr wieder einmal einen himmelschreienden Fehler begangen!«

»Wieso?«

»Wenn Ihr mich vorher gefragt hättet, hätte ich Euch sagen können, daß Papst Paul in Fragen der Naturwissenschaft vollkommen unbewandert ist und daß ihn jede Frage dieser Art reizbar macht und ärgert. Am päpstlichen Hofe ist es Sitte, daß die Kardinäle mit ihrer Unwissenheit in naturwissenschaftlichen Dingen prahlen; denn das hört der Papst gerne. Und jetzt hetzt Ihr den alten Orsini mit solch einer wissenschaftlichen Frage auf ihn? Da bleibt einem doch der Verstand stehen. Warum beschwört Ihr eigentlich Euer Schicksal gegen Euch herauf?«

»Vom Schicksal ist hier gar keine Rede. Mir kann überhaupt nichts geschehen. Aber ich kämpfe, weil ich siegen will.«

»Ihr ganz allein wollt gegen Rom siegen?«

»Ich bin nicht allein. Die Wahrheit ist mit mir. Die Wahrheit ist stärker als Rom.«

Guicciardini hob seine Hand gegen den Himmel.

»Allmächtiger Gott dort oben, hörst du das? Und stürzt denn das ganze Haus nicht ein, wenn ein erwachsener Mann derartiges über die Lippen bringt? Ich verstehe mich selbst nicht, Messer Galilei, warum ich mich immer wieder mit Euch einlasse. Das Ende vom Lied ist doch jedesmal nur, daß ich mich aufrege und Euch erkläre, Ihr sollt machen, was Ihr wollt. Auch jetzt kann ich Euch wieder nichts anderes sagen. Ich meinerseits bin mit der ganzen Angelegenheit fertig! Aber eins muß ich noch sagen. Der Haushofmeister hat mir gemeldet, daß Ihr heute nacht nicht ganz nüchtern in Gesellschaft Eures Schreibers, Messer Annibale, und zweier überlustiger Damen nach Hause gekommen seid.«

Galilei erwiderte nichts. Er ließ den Kopf hängen wie ein kleiner Knabe, den man beim Äpfelstehlen ertappt hat.

»Da ich für den guten Ruf des Hauses Seiner Hoheit dem Großherzog verantwortlich bin, bitte ich Euch inständig, mich nicht nochmals in eine solch peinliche Lage zu bringen. Welche Beträge Eure Tagesrechnung aufweist, die meine Kanzlei täglich bezahlt, darüber will ich gar nicht reden. Das ist Sache des Großherzogs und sein Geld. Aber gegen solche nächtliche Szenen kann ich Einspruch erheben. Nehmt zur Kenntnis, daß ich Euch dies nachtrage!«

»Zürnt mir nicht, Exzellenz, ich werde von nun an mehr achtgeben.«

»Worauf? Auf dieses Haus oder auf Eure eigenen Angelegenheiten? Aber fangen wir nicht wieder von vorne an. Den Kardinal Orsini zu einer so heiklen Angelegenheit auszuwählen … man hält es einfach nicht für möglich. Ihr werdet morgen schon sehen, wie sehr ich recht gehabt habe. Jetzt geht und trinkt heute abend nicht soviel.«

Der Kardinal Orsini sprach am anderen Tage tatsächlich mit dem Papst. Er bat ihn, in dieser astronomischen Frage, von der jetzt die Rede sei, Galilei recht zu geben. Das Gesicht des Papstes verdüsterte sich und er entgegnete, daß Orsini besser täte, Galilei von dieser Marotte abzubringen. Orsini aber blieb fest und sagte, schließlich sei es doch nicht so wichtig, welcher Stern sich bewege und welcher sich nicht bewege. Da unterbrach ihn der Papst mitten im Satz mit der Bemerkung, daß sich die Inquisition bereits mit dieser Frage befasse.

»Aber das hätte ich Euch gar nicht sagen dürfen! Eben fällt es mir ein, mein Lieber! Doch nun habe ich mich einmal versprochen«, sagte Orsini zu Galilei. »Ich freue mich, daß ich Euch diese gute Nachricht überbringen kann.«

»Gute Nachricht?«

»Natürlich! In Eurer persönlichen Angelegenheit habt Ihr Euch doch vor dem Santo Offizio glänzend rechtfertigen können, sicherlich wird das jetzt genau so werden. Allem Anschein nach seid Ihr bei der Inquisition sehr beliebt, mein Lieber. Ich kann Euch auch noch verraten, daß Unser Herr sich mit dem Kardinal Bellarmin sofort zurückzog, um zu beraten. Das ist auch eine gute Nachricht.«

»Das ist keine gute Nachricht, Monsignore. Bellarmin schätzt diese Lehre nicht.«

»Er schätzt sie nicht? Ei, ei. Ist ihm denn das nicht gleichgültig? Wie sich doch die Menschen das Leben schwer machen!«

Galilei eilte zum Kardinal Bellarmin. Die Unterredung begann mit der Erklärung des Kardinals, daß er nur zwei Minuten Zeit habe. Er verweigerte jedwede Auskunft und gab seinem Befremden darüber Ausdruck, daß der Kardinal Orsini die Angelegenheiten des Santo Offizio ausgeplaudert habe, obwohl das mit einer sehr strengen Strafe geahndet werde, wenn es bekannt würde. Und schon reichte er Galilei die Hand zum Kuß, doch im letzten Augenblick hielt er ihn noch zurück.

»Nehmt nochmals Platz. Ich möchte noch rein menschlich einige Worte an Euch richten. Das Santo Offizio kann sich unter keinen Umständen mit Euren Lehren identifizieren.«

»Warum nicht, Monsignore?«

»Das will ich Euch erklären. Ich möchte aber betonen, daß ich es Eurem Ehrgefühl anheimstelle, darüber zu schweigen und zu keinem etwas von dem zu erwähnen, was ich Euch jetzt sagen werde. Solltet Ihr trotzdem nicht schweigen, werde ich es ableugnen. Und Euch wird man schwerlich mehr Glauben schenken als mir. Also, – habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, welch geniale Institution unsere Kirche ist? Mit welch unerhörtem Geschick sie alles in ihre Dienste stellte, was die menschliche Seele zu fesseln und zu erheben vermag? Denkt an unsere Kirchen und an ihren Prunk, der dem einfachen, armen Menschen den Trost gibt, daß wenigstens die Pracht der Prozessionen, der Glanz der golddurchwebten Meßgewänder ihm gehört, wenn ihn das Leben schon mit keinerlei irdischen Gütern bedacht hat. Denkt an die Kunstschätze, die die größten Meister aller Jahrhunderte in Bildern und Statuen für die Kirche schufen! Denkt an den hinreißenden Ton der Orgel, an die wiegende Harmonie der Chorgesänge! An den Weihrauch, womit wir den Andächtigen auch noch durch seine Sinne an seinen Glauben fesseln! Denkt an die Sakramente, die den Menschen von seiner Geburt an bis zu seiner Reife und weiter bis zum Tode an die Kirche binden! Denkt an die Beichte, diese wunderbare weise Einrichtung, die Millionen und aber Millionen Menschen Seelenruhe, Lebensfreude und friedlichen Schlaf wiedergibt! Die menschliche Seele kennt keinerlei Regungen, über welche die Kirche nicht wachen würde, um sie nicht einen Augenblick vom Pfade der Religion abirren zu lassen. Diese wundersame Institution, deren Zielsicherheit und Weisheit man nicht genug verherrlichen kann, stammt vom ersten bis zum letzten Teil aus der Heiligen Schrift, in der jede kirchliche Funktion, der unbedeutendste Teil der Messe, ihren Ursprung hat. Die heutige Organisation der Kirche ist also, wie sie dasteht, mit allen ihren Einzelheiten göttlichen Ursprungs. Ihre ganze Leitung, ihre zahlreichen Orden, ihre Herrschaft über die ganze Welt, alles ist göttlichen Ursprungs. Wer dies in Zweifel stellt, ist ein Ketzer.«

»Ich zweifle nicht im geringsten daran, Monsignore, Gott behüte!«

»Seht Ihr. Und uns Priestern, die durch die Gnade und Berufung Gottes an führendem Posten stehen, ist es heiligste Pflicht, diese heilige Institution zu pflegen, für ihr Gedeihen zu sorgen und ihre Herrschaft mit weiser Voraussicht den jeweils auftauchenden Problemen anzupassen. Aristoteles, und auf seinen Spuren Ptolemäus, haben lange vor dem Siege des Christentums das Bild des Weltalls umrissen. Das Christentum hat sich dies zu eigen gemacht, weil es seinen heiligen Zielen entsprach. Gott schuf Adam und Eva, durch sie die Menschheit und erlöste sie dann durch seinen eigenen Sohn. Nach dieser Menschheit richtet sich alles im Kosmos, nach ihr als Gegenstand der Erlösung. Nichts kann wichtiger sein, als das Seelenheil eines noch so bettelarmen Menschen. Auch die Sonne kann nicht wichtiger sein. Die Sonne, der Mond, die Sterne, alles dies sind nur Teile dieser irdischen Welt, wo sich das unerhörte Mysterium des Opfers der Erlösung abspielte. Wenn also ein noch so bettelarmer Mann, dessen Seelenheil mir wichtiger ist als alle Wissenschaften der Welt, so gelebt hat und im Schoße der Kirche so erzogen wurde, daß nichts wichtig ist als nur das eine, nämlich sein Verhältnis zum Opfer des gekreuzigten Gottessohnes, der auf diese Welt herabstieg, wie soll ich dann jener Idee Vorschub leisten, die Erde sei nur ein nebensächliches Sternchen, Mittelpunkt des Weltalls aber die Sonne? Kann ich der Menschheit denn diese ungeheuerliche Vorstellung gestatten, daß die Erlösung, die Erde und die Menschheit nicht der Mittelpunkt der Weltschöpfung seien? Kann ich denn zulassen, daß Zweifel in ihren Herzen Platz greift? Das wäre ein größerer Schlag als die Reformation und als jedes andere Ketzertum. Das könnte die weltliche Macht des Papsttums, mithin also die herrliche und weise Institution der Kirche untergraben. Und dem ersten Zweifel dürften hundert andere folgen. Das ganze Gebäude würde einstürzen und an Stelle des Glaubens würde ungehemmte Willkür die Macht ergreifen und die Menschheit unglücklich machen. Nein, Galileo Galilei, solange ich auf meinem Posten stehe, werde ich das nicht zulassen!«

»Entschuldigt, Monsignore, darf ich noch eine Frage stellen?«

»Bitte.«

»Ist es denn ganz und gar unvorstellbar, daß das, was ich lehre, wahr sein könnte?«

»Das weiß ich nicht. Mein Geist vermag sich nicht in diese Lehre hineinzufinden, aber deswegen könnt Ihr doch recht haben. Ich frage aber gar nicht danach, ob das wahr sein könnte. Für mich kommt nur das eine in Betracht: was soll ich die Menschheit im Interesse der Kirche und im Interesse ihres Seelenheiles glauben lassen? Ist es denn so wichtig, was wahr ist? Dem Gelehrten mag es wichtig sein, damit er streiten kann. Mir aber ist der Glaube von Millionen und aber Millionen einfacher, unbedeutender Menschen das Wichtigste. Und ich gehe noch weiter. Wenn Eure Lehren sich als wahr erweisen würden, mein Glaube könnte das ertragen. Mein Glaube ist stark genug. Das heilige Mysterium der Erlösung kann ich mir auf einer Erde vorstellen, die sich um die Sonne bewegt. Aber die Millionen unreifer Seelen kann ich nicht mit dem Maße meines Glaubens messen.«

»Dahin wollte ich ja gelangen, Monsignore. Auch mir geht es ebenso. Ich glaube an meine eigene astronomische Weltordnung und vermag trotzdem fromm zu bleiben. Und ich weiß selbst, daß ich von einem Menschen, den ich aus der Masse herausgreife, nicht verlangen kann, daß er genau das Gegenteil dessen glaubt, was er sieht: daß er mir also glauben soll, die Sonne gehe in der Frühe nicht auf, sondern verharre auf ihrem Platz. Ich verlange das aber auch nur von den Gelehrten, deren Glaube dies ertragen kann. Die Menschheit lernt sehr langsam, sie entwickelt sich auch nur sehr langsam und kommt auch nur sehr langsam vorwärts. Nach dem Gebote der Heiligen Schrift: »Werdet vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.‹ Einmal wird die Zeit kommen, wo der Glaube von Hunderttausenden den kopernikanischen Gedanken erfragen kann und noch später auch der von Millionen. Warum könnte ich es also den Gelehrten, den Fachleuten im wahrsten Sinne des Wortes nicht schon heute verkündigen?«

»Weil es unter den Gelehrten sehr viele Geistliche gibt. Der Geistliche aber soll nicht mit seinem eigenen Kopf, sondern mit dem Kopf des Papstes denken. Denn wenn er nicht glaubt, was er predigt, dann kann seine Predigt auch keine Kraft besitzen.«

»Und wie steht es mit den gelehrten Laien?«

»Man kann sie nicht trennen. Ich kann doch von der Inquisition nicht zweierlei Indices anfertigen lassen. Findet Euch endlich damit ab, daß ich diese Lehre als Tatsache nicht verbreiten lassen kann. Wir haben Euch persönlich sehr gerne. Ich scheue mich gar nicht, Euch das ins Gesicht zu sagen. Und Eure wissenschaftliche Arbeit schätzen wir außerordentlich. Und Unser Herr, der keine Zeit hat, sich mit den Wissenschaften zu befassen, achtet in Eurer Person den Beamten eines Herrschers, der ihm für die Außenpolitik seines Kirchenstaates außerordentlich wertvoll ist. Wir behandeln Euch wie ein rohes Ei. Über Euer Buch von den Sonnenflecken zum Beispiel haben wir bislang noch kein Wort verloren, obwohl auch dies eine kopernikanische Arbeit ist. Meine Auffassung geht aber dahin, daß man darin die neue Lehre kaum erkennen kann. Andererseits habe ich persönlich nichts dagegen, wenn sich herausstellt, daß auch die Sonne nicht vollkommen ist; denn die Sonne ist mein kirchenpolitischer Feind. Mit einem Worte also, wir behandeln Euch ganz anders als zum Beispiel Foscarini. Wenn Ihr diese Lehre als eigentümliche Hypothese behandelt, ohne sie in das praktische Leben übertragen zu wollen, so kann ich sogar beide Augen schließen. Aber verkünden und verteidigen lasse ich sie nicht, weil ich ein guter Priester und guter Katholik bin und jeden Sohn der Kirche glücklich wissen möchte. Was Ihr nun machen wollt, das überlasse ich Eurem katholischen Gewissen. Was ich tue, habe ich bereits beschlossen. Und ich kann Euch auch mitteilen, daß in dieser Frage Unser Herr seine Entscheidung gleichfalls bereits getroffen hat; denn sein väterliches Herz hegt die gleichen Gefühle wie ich. Was Ihr sonst noch erfahren müßt, werde ich Euch zu seiner Zeit mitteilen lassen.«

Kurze Zeit darauf erhielt Galilei eine Mitteilung, daß die Qualificatori des Santo Offizio sich zufolge einer päpstlichen Verfügung zu versammeln hätten, um in einer theologischen Frage ein sachverständiges Urteil abzugeben, und zwar darüber, ob erstens die Lehre richtig sei, wonach die Sonne der Mittelpunkt des Weltalls und ihre Bewegung auf der Himmelsdecke nur eine scheinbare sei, – und ob es zweitens wahr sei, daß die Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls sei, sondern ein Planet, der sich zudem noch täglich einmal um die eigene Achse drehe?

Am dreiundzwanzigsten Februar versammelten sich die Qualificatori im Palazzo sopra Minerva und erklärten: die erste Lehre sei irrig, stehe im Gegensatz zur Philosophie und sei ausgesprochen ketzerisch, da sie offensichtlich sowohl an mehreren Stellen grundsätzlich, als auch des öfteren dem Wortlaut der Bibel und den Auslegungen der Kirchenväter und gelehrten Theologen widerspreche. Von der zweiten Lehre gelte im wesentlichen dasselbe, zum mindesten sei sie, vom Standpunkt der theologischen Wahrheit betrachtet, irrig.

In diesem Sinne faßten sie ihren Beschluß, obwohl Campanella aus dem Gefängnis in Neapel in einer langen Abhandlung erklärt hatte, daß Galilei recht habe. Aber das Sachverständigenurteil Campanellas entschied diese Frage nicht.

Galilei wartete in der Villa Medici auf eine Nachricht. Endlich kam sie: er möge den Kardinal Bellarmin sofort in dessen Wohnung aufsuchen. Er beeilte sich, dieser Einladung Folge zu leisten. Als er dort anlangte, waren bei dem Kardinal gerade noch einige Dominikaner anwesend, die Galilei nicht kannte. Sie wollten sich zurückziehen, aber Bellarmin befahl ihnen zu bleiben.

»Die Frage ist entschieden, Euer Gnaden. Die Sonne bewegt sich um die Erde!«

»Ich habe es schon gehört, Monsignore. Aber ich bitte um Verzeihung, sie ist noch nicht entschieden! Es ist nur entschieden, daß dies die Auffassung der Inquisition ist. Deswegen kann sich doch die Erde um die Sonne drehen.«

»Sicherlich. Aber zu dem, was ich Euch jetzt mitteilen will, ist es erforderlich, daß ich Euch an das Gespräch erinnere, das wir kürzlich miteinander hatten. Nicht die Wahrheit ist bei dieser Frage das Ausschlaggebende, sondern die Interessen der katholischen Menschheit. Meines Erachtens kann die weltliche Macht des Papstes an der kopernikanischen Lehre zerschellen. Ich teile Euch also nunmehr mit, daß die Index-Kommission der Heiligen Inquisition sich auf diese Euch soeben mitgeteilte Grundlage stellt. Ich habe Euch jetzt hierher gebeten, um Euch im Namen Unseres Herrn darauf aufmerksam zu machen, daß Ihr Eure Vorträge und Debatten in der Gesellschaft von jetzt an zu unterlassen habt; denn die Kirche hat nunmehr Stellung genommen.«

»Ich verstehe, Monsignore. Ich gehorche. Ich kann es aber nicht verschweigen, daß ich auch jetzt noch felsenfest von der Wahrheit besten überzeugt bin, was ich lehre.«

»Das kann ich verstehen. Ich habe mir auch gar nicht vorgestellt, daß Euch die Stellungnahme der Qualificatori sofort zu überzeugen vermöchte. Ich möchte aber nochmals nachdrücklichst betonen, daß Ihr die kopernikanische Lehre anders denn als Hypothese von nun an nicht mehr behandeln dürft. Kopernikus selbst hat sie auch als eine solche behandelt, deswegen setzen wir sein Buch auch nicht auf den Index, sondern vermerken lediglich: › donec corrigeretur.‹«

Galilei war sich über diese Bezeichnung der Inquisition im klaren. Ein » donec-corrigeretur‹-Buch wird einem Kirchengelehrten ausgehändigt. Solange die einzelnen Sätze oder gar Kapitel nach dem Wunsche der Inquisition nicht korrigiert oder gestrichen sind, gilt das Buch als »suspendiert«. Wenn die Korrekturen vorgenommen worden sind, darf das Buch weiterhin benutzt werden. Sein Herz begann stürmisch zu klopfen.

»Und welche Änderungen werden am Text des Kopernikus vorgenommen, wenn ich fragen darf?«

»Natürlich, es ist ja sehr wichtig, daß Ihr das wißt. Wir werden aus der an Papst Paul V. gerichteten Widmung jene Zeilen streichen, in denen Kopernikus behauptet, daß seine Hypothese nicht im Widerspruch zur Heiligen Schrift stünde. Sonst werden wir an einzelnen Stellen nur das Wort ›Stern‹ streichen, und zwar wo er die Erde als solchen bezeichnet. Im übrigen bleibt der Kopernikus, wie er ist. Aber ich kann nicht genug betonen: einzig und allein deswegen, weil er seine gesamte Anschauung als eine Hypothese darstellt! Ich wollte meine Freundschaft zu Euch dadurch bezeugen, daß ich Euch hierauf besonders hinweise. Lest einmal aufmerksam das korrigierte Kopernikus-Buch durch und richtet Euch danach!«

Galilei sah den Kardinal an, dann erklärte er begeistert:

»Solche Bindungen erschweren meine Arbeit natürlich außerordentlich. Aber ich muß gestehen, Monsignore, daß ich mich vor der Weisheit und Eurer Glaubenskraft beugen muß.«

»Die Anerkennung von seiten eines Gelehrten Eurer Bedeutung weiß ich wohl zu schätzen, ich will sie auch gleich mit einer guten Nachricht vergelten. Unser Herr ist nicht abgeneigt, Euch zu empfangen, um Euch einige Worte des Trostes zu sagen, sofern Ihr Eure wissenschaftliche Lage als peinlich empfindet.«

Als er nach Hause ging und überlegte, was eigentlich geschehen war, sah er die ganze Angelegenheit nicht allzu düster an. Es hätte vieles noch schlechter kommen können. Als er damals in diese Stadt kam, hätte er sich nicht besonders gewundert, wenn man ihn sofort eingekerkert hätte. Und jetzt hatte er überall nur Entgegenkommen gefunden. Daß die Kirche die Lehre des Kopernikus auf den Index setzt, ist allerdings sehr unangenehm. Wenn sie sie hingegen als Hypothese weiterbestehen läßt, so bedeutet das nur eine formale Unbequemlichkeit. Mit einem Worte also, eine halbe Niederlage und ein halber Sieg: der widerwärtige Caccini hat gesiegt, denn die Kirche verkündet ja, daß diese neue Lehre doch im Gegensatz zur Heiligen Schrift stünde; dagegen hat auch er gesiegt, denn, wenn auch erschwert, kann er doch an dem großen Werke seines Lebens weiterarbeiten.

Am fünften März veröffentlichte der Heilige Stuhl den Beschluß der Indexkongregation:

 

»Weil es zur Kenntnis der genannten Kongregation gekommen ist, daß jene falsche, der Heiligen Schrift geradezu widersprechende, pythagoräische Lehre von der Beweglichkeit der Erde und der Unbeweglichkeit der Sonne, welche Nikolaus Kopernikus in seinem Werke: › Von den Bewegungen der Himmelskörper‹ und Diego Zuñiga in der Erklärung zum Buche Josua vorgetragen, schon sich ausbreite und von vielen angenommen werde, wie man aus den gedruckten Briefen des Karmeliterpaters Foscarini sehen kann, in welchem der genannte Pater zu zeigen sucht, daß die erwähnte Lehre von der Unbeweglichkeit der Sonne im Zentrum der Welt wahr sei und der Heiligen Schrift nicht widerspreche: so glaubt die Kongregation, damit eine derartige Meinung nicht zum Schaden der katholischen Wahrheit weiter um sich greife, das Buch des Nikolaus Kopernikus und jenes des Diego Zuñiga so lange suspendieren zu müssen, bis sie korrigiert werden, das Buch des Karmeliterpaters Foscarini aber gänzlich zu verbieten und zu verdammen, und ebenso alle anderen Bücher, die dasselbe lehren.«

 

Die päpstliche Audienz wurde für den vierzehnten März angesetzt. Papst Paul V. empfing den Gelehrten sehr gnädig, ja sogar mit offenkundigem Wohlwollen. Nach dem Kuß des mit Edelsteinen besetzten Pantoffels ließ er ihn nicht knien, sondern hieß ihn sich erheben und sprach ihm Trost zu:

»Es tut Uns außerordentlich leid, lieber Sohn, daß Ihr in Eurer Wissenschaft Schwierigkeiten habt. Aber du bist ein guter Katholik, und der Kardinal Bellarmin hat dir, wie Uns bekannt geworden, Unseren heiligen Standpunkt erklärt.«

»Ja, mein Heiliger Vater.«

»Nun, du wirst also schon damit fertig werden. Wir haben keine Angst um dich, du bist ein gescheiter Kopf. Aber genug davon. Was gibt es Neues bei Euch in Florenz?«

Dann folgte eine dreiviertelstündige Unterhaltung. Über Kopernikus, die Astronomie, die Bewegung der Sonne und der Erde fiel kein einziges Wort, um so mehr sprachen sie von der Familie der Medici, von dem bevorstehenden Besuch des jungen Kardinal-Herzogs Carlo, von den toskanischen Volkssitten, vom Leben in Florenz. Zum Schluß wollte Galilei aber doch noch einmal seine eigene Angelegenheit zur Sprache bringen.

»Das Leben wäre schön, Heiliger Vater, wenn ich nur nicht so viele Feinde und Verleumder hätte. Ich kann es Euer Heiligkeit gar nicht schildern, was für Qualen ich durchgemacht habe. Noch einmal könnte ich das nicht überstehen.«

»Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Bei der Heiligen Inquisition hat sich deine Unschuld, dein gutes Katholikentum und deine anständige Gesinnung klarer als die Sonne erwiesen. Die Inquisition kennt dich nunmehr als einen bedeutenden Mann und als solchen kennen auch Wir dich. Wer in diesem Leben Ruhm erlangt, der wird auch stets Verleumder haben. Solange Wir aber leben, brauchst du dich vor nichts zu fürchten. Solange du ein treuer Sohn der Kirche bleibst, wirst du dich nie vergeblich an Uns wenden, ganz gleich in welcher Angelegenheit du an Unsere väterliche Macht oder Unser Wohlwollen appellierst.«

Galilei küßte abermals Hand und Pantoffel des Papstes und ging stolz nach Hause. Nicht viele Menschen konnten sich rühmen, daß ihnen Papst Paul V. zu einem seiner Beschlüsse sein Bedauern ausgesprochen hätte. Er konnte es kaum erwarten, dem Gesandten einen Bericht mit allen Einzelheiten geben zu können. Gelangweilt nickte der ihm einige Male zu und entgegnete dann:

»Ich freue mich wirklich aufrichtig, daß diese Angelegenheit nunmehr ihr Ende gefunden hat. Solange Euer Gnaden aber noch in Rom sind, werde ich aufpassen wie ein Spürhund, daß Ihr nicht nochmals einen derartigen beispiellosen Bock schießt, nur der sogenannten ›Wahrheit‹ zuliebe.«

»Und trotzdem bleibe ich noch eine Weile da, Exzellenz. Ich habe mit dem Kanzler Picchera brieflich vereinbart, daß ich noch den Einzug unseres Kardinal-Herzogs Carlo abwarte.«

Der Gesandte blickte enttäuscht drein. Dann seufzte er heimlich. Vier Monate saß nun dieser ewig streitende, heftige und höchst unangenehme Mensch schon hier. Jetzt hatte er gehofft, ihn endlich loszuwerden. Er hatte sich getäuscht. Galilei war nunmehr von seiner schweren Last befreit und wollte ein wenig aufatmen. Es kam sowieso selten genug vor, daß er sich vollkommen gesund fühlte. Der Einzug des jungen Kardinals Medici interessierte ihn im Grunde genommen nicht allzusehr, aber unter den Luchsen gab es so viele kluge und lebensfrohe Menschen, in den Gastwirtschaften von Trastevere schenkte man einen so vorzüglichen Wein aus, und der Herzog Cesi, dessen Trauerjahr vorüber war, kannte so viele lustige und nicht allzu sittsame junge Mädchen, daß man sich jetzt wirklich einmal seines Lebens freuen konnte …

Alsbald fand er aber auch einen neuen Grund, länger hierzubleiben. Die Prophezeiung des Papstes, er würde immer Neider und Verleumder haben, erfüllte sich sehr schnell. Es kam ihm ein Gerücht zu Ohren, daß er mit der Inquisition einen großen Skandal gehabt habe und er gezwungen worden wäre, seine bisherigen Lehren vor dem Kardinal Bellarmin abzuschwören. Er leitete eine Untersuchung ein, um festzustellen, von wem diese Behauptung ausging. Aber wie es meistens in solchen Fällen ist, konnte er den Übeltäter nicht finden. Alle, die er befragte, wie sie dazu kämen, etwas derartiges zu behaupten, erwiderten schlicht: »Alle sagen es.«

Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als abermals bei Bellarmin vorzusprechen. Er klagte ihm sein Leid. Ohne jegliches Zeichen der Ungeduld hörte ihn der Kardinal an und sagte:

»Auch mir sind diese Behauptungen schon zu Ohren gekommen. In der Tat eine üble Sache! Habt Ihr jemanden im Verdacht?«

»Hunderte, Monsignore, Hunderte und niemanden. Ich bin hilflos.«

»Aber ich vielleicht nicht. Was meint Ihr denn, daß ich für Euch tun könnte?«

»Ich wäre Euch sehr, sehr dankbar, wenn Ihr mir eine schriftliche Bestätigung geben würdet, daß an diesem Gerücht kein wahres Wort ist!«

»Herzlich gern! Was wahr ist, muß wahr bleiben.«

Sogleich stellte er ihm das folgende Dokument aus:

 

»Wir Robert Kardinal Bellarmin, da Wir vernommen, daß dem Herrn Galileo Galilei verleumderisch angedichtet worden sei, in unsere Hand abgeschworen und infolgedessen heilsame Bußen erlitten zu haben, erklären, um Bezeugung der Wahrheit ersucht, hiermit, daß obengenannter Herr Galileo weder in unsere noch eines anderen Hand, in Rom so wenig als an einem anderen Orte, soviel wir wissen, irgendeine seiner Meinungen oder Lehren abgeschworen, noch irgendeine heilsame Buße auferlegt erhalten habe, sondern nur: daß ihm die von Unserem Herrn abgegebene und von der heiligen Index-Kongregation publizierte Erklärung mitgeteilt worden sei, laut welcher die dem Kopernikus zugeschriebene Lehre, daß die Erde sich um die Sonne bewege und die Sonne im Zentrum der Welt stehe, ohne sich von Ost nach West zu bewegen, der Heiligen Schrift zuwider sei, und deshalb weder verteidigt noch festgehalten werden dürfe. Und zur Beglaubigung dessen haben Wir Gegenwärtiges eigenhändig geschrieben und unterzeichnet: am sechsundzwanzigsten Mai sechzehnhundertsechzehn wie oben Robert Kardinal Bellarmin.«

 

Dieses Schreiben beruhigte ihn einigermaßen. Er wartete noch den Einzug des Kardinal-Herzogs Carlo ab, der sich inmitten eines riesigen Menschenauflaufes mit großem Pomp abspielte, von dem legendären Reichtum der Medici Zeugnis ablegend. In der Villa Medici begegnete er auch noch dem jüngeren Bruder des Großherzogs, der ihn mit herzlicher Freude begrüßte und ihn gnädig den Saum seines Ornates küssen ließ, obwohl diese Ehrung nur Mitgliedern der Dynastie zustand. Am letzten Tage ging Galileo Galilei dann noch einmal in die Kirche sopra Minerva, die Kathedrale der Inquisition.

»Ich lebe«, flüsterte er glückselig und dankerfüllt in seinem Gebet vor dem Altar, »man hat mich nicht verbrannt …«

Als er aus der Kirche trat, blieb er auf dem kleinen Vorplatz stehen und sah auf den Gebäudekoloß zurück. Er lenkte seine Blicke nach links zu den Fenstern, hinter denen die Theologen der Inquisition berieten, wo sie ihr Urteil fällten. An dem strahlend blauen Himmel glänzte die Sonne. Diese Riesenkugel, um die herum sich auch in dieser Sekunde, wie seit Zeit und Ewigkeit eine kleine Steinkugel bewegt: die Erde. Einige wenige Menschen, der millionste Teil eines Staubkörnchens, haben sich an einem winzigen Punkt dieser winzigen Erdkugel, den man mit bloßem Auge gar nicht sehen kann, zu einer Beratung zusammengesetzt, und während diese winzige Kugel im unermeßlichen Weltall mit ihnen vorwärts saust, beschließen sie, daß diese Kugel sich nicht bewegt. Die Erde bewegt sich nicht!

Galilei blickte zu den Fenstern hoch und rief fröhlich und unbeschwert, überzeugt und fast schelmisch wie ein unartiges Kind:

»Und sie bewegt sich doch!«


 << zurück weiter >>