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25

Niemand sprach ein Wort. »Was ist?« kam auf einmal eine dünne Stimme durch den Raum. Alle drehten sich um. Monika Bandler stand in der Tür des Nebenzimmers und sah sich verwirrt unter den fremden Menschen um. Ihre Augen suchten Klaus, der wie die andern erschüttert dasaß und keine Antwort zu geben wußte. Monika mochte merken, daß Klaus nicht mehr angeschuldigt war. Langsam wich die Angst aus ihren Zügen.

»Der Mörder Ihres Pflegevaters ist gefunden«, sagte der Kommissar. »Ihr Vetter Klaus Rambin und Frau von Tweel sind vollkommen unschuldig.«

Klaus ging auf sie zu. Sie hob die Arme, und ein leiser Freudenschrei kam von ihren Lippen. »Klaus!« rief sie, »das war ja alles falsch, du hast ja das Testament gar nicht herausgenommen!«

»Nein, es war ja kein Testament vorhanden. Aber jetzt ist alles gut.« Er hatte das Gefühl, sie in seine Arme schließen zu müssen. Sie standen beide unschlüssig voreinander und blickten sich an.

Langsam löste sich die Starrheit der Menschen in dem Raum. Ellen trat zu Frau von Tweel. »Verzeih mir, Ursula! Ich habe dir furchtbar unrecht getan. Jetzt weiß ich, daß du genau so bist, wie ich dich immer gesehen habe. Kannst du mir verzeihen?«

»Ach, Ellen!« Ursula ergriff ihre beiden Hände. Ellen drehte sich zum Grafen Koska um. »Sie müssen sie auch um Verzeihung bitten, Graf. Wenn Sie Stefan Rambin gekannt hätten, dann würden Sie verstehen, wie das alles gekommen ist.«

Graf Koska trat auf Ursula zu, beugte sich zu ihr hernieder und küßte ihre Hand. Vielleicht wollte er leise sprechen, aber auch jetzt füllte seine mächtige Stimme den Raum. »Du hast Furchtbares durchgemacht, Ursula. Aber jetzt wird alles gut werden.«

Kommissar Weigelt hatte leise mit Herrn Owelgaß gesprochen. Er wandte sich an Klaus. »Ihnen fällt nun doch die Hälfte des Erbes zu, Herr Rambin. Vielleicht kann das Sägewerk gerettet werden, wenn Sie wirklich Ihre ganze Kraft dafür einsetzen, wie Sie vorhin als Ihre Absicht äußerten. Die Unregelmäßigkeiten auf dem Konto Ihres Onkels werden sich vielleicht erledigen lassen, falls Frau von Tweel mit einem Arrangement einverstanden ist. Sie werden wohl auch sonst noch eine Anleihe aufnehmen müssen.« Er hielt inne und reichte ihm die Hand. »So trennen sich unsere Wege. Ich kann Sie leider nicht um Entschuldigung bitten, daß ich Sie in falschem Verdacht hatte, denn wir Kriminalisten müssen unsere Pflicht tun nach bestem Wissen und Gewissen.«

»Was wird aus Elm?« fragte Klaus. Aber Weigelt wandte sich schon zu Ursula von Tweel. »Auch Sie, gnädige Frau, darf ich nicht um Entschuldigung bitten, aber ich spreche Ihnen meine aufrichtigen Glückwünsche aus, daß sich alles so schnell aufgeklärt hat, so daß Sie makellos dastehen.«

Klaus faßte mit plötzlichem Entschluß Monika und Ellen bei den Händen. »Wie steht ihr beiden Schwestern jetzt miteinander? Seid ihr noch Feindinnen?«

»Nein«, sagten beide wie aus einem Munde. Klaus legte beider Hände ineinander und seine linke darauf. »Nun ist alles gut geworden!« Sie blieben alle drei einige Sekunden in dieser Haltung. Klaus' Augen überflogen die beiden: Ellen, die nun in das große Leben hinausgehen würde, um die Welt zu erobern, und die kleine Monika, deren verweinte Augen durch die Tränenspuren hindurch zu leuchten begannen. Dann blickte er zu der anderen hin, die einige Wochen hindurch alle seine Gedanken beherrscht hatte. Ursula von Tweel war noch bleich, aber ihr Gesicht hatte seine wundervolle lächelnde Ruhe zurückgewonnen. Sie stützte sich leicht auf den Arm des mächtigen Koska. Klaus dachte an ihre Worte. Dorthin gehört sie, fühlte er. Sie ist doch eine stille Frau, die ruhig leben und schöne Dinge um sich haben muß. Solche Frauen sind nicht für die unruhigen Rambins da. Sie würden aneinander zerschellen.

»Nun aber kommt!« rief der Graf und faßte Ursula unter, die noch ein wenig unsicher ging, benommen von den Erschütterungen der letzten Stunde. Sie reichten alle dem Kommissar die Hand, und er schüttelte sie jedem einzeln.

Auf den Gängen draußen herrschte noch immer reges Leben. Menschen standen in Gruppen beieinander, Beamte mit Akten hasteten vorbei. Als sie die Treppe hinunter, gingen, faßte der Graf Klaus beim Arm. »Hören Sie, Herr Rambin, wir sind da alle in ein Schicksal hineingerissen worden. Wenn Sie Hilfe für Ihr Sägewerk brauchen, ich stehe zur Verfügung.«

»Besten Dank, Herr Graf. Ich halte es für sehr möglich, daß ich auf Ihr freundliches Angebot zurückgreife, schon damit Frau von Tweel einmal ihr Geld zurückbekommen kann.«

»Ach«, sagte er und zwinkerte mit den Augen, »das soll sie zur Strafe nur ruhig verlieren!«

Auf der Straße wartete Koskas Auto. »Wer will mit, Kinder?« Ellen hob die Hand. »Als eure Stief- und Schwiegermutter muß ich euch wohl begleiten, um auf euch aufzupassen.« Zum erstenmal ging ein befreiendes Lachen durch sie alle. Es war noch leise und schüchtern, aber es schlug dennoch schon die Brücke in die Zukunft. Klaus und Monika blieben zurück und sahen den dreien nach, wie sie einstiegen. Ellens Blondhaar leuchtete unter dem schwarzen Hut, und das feine Gemmenprofil Ursulas schwebte in dem anfahrenden Auto an ihm vorüber. Klaus schaute ihnen nach, bis das Kabriolett in dem Gewühl der Straße verschwunden war.

»Klaus«, fragte Monika als sie allein waren, »wird es möglich sein, das Sägewerk zu retten?«

»Wenn du mir hilfst, kleine Monika, werde ich es schon schaffen.«

Sie sah ihn fragend an. »Wie soll ich dir helfen?«

»Indem du mich lieb hast.«

Sie sah strahlend zu ihm auf, so wie sie früher Stefan Rambin angestrahlt hatte. »Ich habe dich lieb seit vielen, vielen Jahren!«

»Und ich dich seit gestern abend, Monika!«

Sie nahmen eine Taxe und fuhren zum Stettiner Bahnhof. Oben in der Halle wartete schon der Zug, um sie nach Michaelsbrück zu bringen. Ihrem Michaelsbrück, das sie nun neu erobern mußten.


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