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VIII

August baut, ein Haus mit zwei Zimmern, Gang und Küche im Erdgeschoß und zwei Schlafkammern mit schiefen Wänden darüber. Er arbeitet mit vier Leuten, einer davon ist Edevart, Edevart ist nicht der Geringste, er hat allerhand gelernt, als er auf der Farm arbeitete und seine eigenen kleinen Häuser errichtete.

Wenn August baut, entsteht daraus natürlich nicht irgendein Haus in der Bucht mit einfachen vier Wänden und einem Wasendach, nein, sein Haus holte seine Form von Villen und Landhäusern in der Welt draußen, es hatte da einen Ausbau und dort einen Erker, Vorrichtungen für Markisen, eine Veranda mit Säulen, bunte Glasscheiben in der Tür, ein gewölbtes Dach, das mit Schiefer gedeckt war. Teufel noch einmal, wenn das nicht ein ausländisches Haus und eine Sehenswürdigkeit wurde! Am allermeisten aber grübelten die Leute darüber nach, weshalb er so viele Zimmer brauchte.

Was hast du denn vor? fragt Pauline ihn, baust du für Weib und Kinder, gedenkst du dich zu verändern?

Jetzt nicht mehr so schnell, antwortet er. Wir haben ja erst kürzlich gesehen und gehört, wohin es die Menschen führt, wenn sie sich verändern.

Sie dachten beide an Lovise Magrete und Edevart, an deren Szenen und Streitigkeiten, die sich ihnen schließlich ganz schwer aufs Gemüt gelegt hatten, Pauline brachte sie den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf.

Kannst du verstehen, daß sie so lange auf Doppen bleibt? fragt sie.

August sieht sich um und antwortet leise: Ja, ich verstehe es. Sie ist durchgebrannt!

Was du nicht sagst!

Durchgebrannt. Sie ist an Doppen vorbeigefahren.

Hast du ihr soviel Geld gegeben?

Genug, sie bis über den Atlantischen zu schaffen, wenn sie wollte.

Pauline schüttelt bedächtig den Kopf und sieht zu Boden, um unschuldig zu sein, oh, aber sie hat sicher in den letzten Wochen ihren Verdacht gehegt, – ihre heimliche Hoffnung. Jetzt hat sie wohl Angst, sich zu verraten, und biegt langsam ab von dem gefährlichen Thema: Wenn du glaubst, daß es wirklich so ist, dann könntest du ja wieder in deine Stube über dem Café einziehen. Wo hast du dich denn all die Zeit her nachts aufgehalten?

Ist es nicht gleichgültig, wo man sich aufhält? Ich habe im Urwald und auf dem Deck eines Schiffes und in der Wüste und in Daunenbetten gelegen, ich kümmere mich nicht um solche Dinge.

Mir ist, als hätte ich manchmal Halme an deinem Anzug gesehen?

Und wenn auch! Ich habe in Karolus' Scheune geschlafen und hatte es gut und weich. Ich kannte mich dort von früher her aus, fügt August munter hinzu, in jüngeren Tagen saß ich einmal dort und spielte eine ganze Nacht auf der Ziehharmonika.

Pauline: Ach richtig, ich habe ganz vergessen, dich danach zu fragen: warum spielst du nie mehr? Du warst doch solch ein Meister darin! Hast du kein Instrument mehr?

Ich war kein Meister und ich spiele nie wieder, entgegnet August. Bin ich nicht siebenundvierzig Jahre lang über die Erdkruste gewandert, – das ist etwas! Musik, so ein Mist! Ich trinke auch nichts und rühre nichts an, was Liebe und Weiber heißt, das gehört alles zusammen und ist der gleiche Mist! Hast du mich zum Beispiel russisch und englisch und die Sprache der Menschenfresser reden hören? Schluß damit! Hast du mich je wieder lügen und prahlen und übertreiben hören? Kommt nicht vor! Einmal müssen wir denn doch vernünftig und erwachsen werden.

Pauline konnte wohl ihre Zweifel an verschiedenen Dingen nicht ganz ausschalten, und sie unterbrach ihn: Wie dem auch sei, so solltest du doch jedenfalls wieder in dein Zimmer ziehen!

Das kann ich noch nicht, erwidert August. Und dieser alte gleichmütige Seemann und unerschrockene Bursche fügt hinzu: Denn dann würde Edevart es vielleicht so empfinden, als sei sie schon tot und verschollen.

Glaubst du, er erwartet sie noch?

Das tut er wohl, ich weiß nicht.

Du willst nicht mit ihm reden?

Ich möchte noch eine Weile damit warten, meint August, eines Tages wird wohl ein Brief kommen. Den wievielten haben wir heute?

Den Zwanzigsten.

August wirft beide Arme in die Luft und läßt sie fallen.

Was ist denn? ruft Pauline.

Ich habe den Achtzehnten vergessen, sagt er finster. Plötzlich bricht er in Gelächter aus: Ich möchte bloß wissen, was am Achtzehnten geschehen ist, weißt du es?

Wieso –?

Nichts. Das war nur so eine Erfindung von mir.

 

Schiffer und Mannschaften von den Heringsfahrzeugen in der Äußeren Bucht kamen jetzt öfters an den Feiertagen oder wenn sie an Land liegen mußten, in den Ort und nahmen Augusts Haus in Augenschein. Das war ja auch des Anschauens wert, fremd und verziert wie ein Emporkömmling unter den Häusern, innerlich aber herrschte gute Ordnung und Zusammenhang zwischen den Zimmern, wo Schränke und Wandfächer in die Vertäfelung eingelassen waren. August führte die Leute bereitwillig herum. Wenn das mein Haus wäre! wünschten sie. Dieses Dach wird nicht allzu schnell verfaulen, meinten sie. Und die bunten Scheiben in der äußeren Tür waren ein Wunder.

Einer der Schiffer hatte das Haus mehrere Male angesehen und wollte es schließlich kaufen. Es würde gut für seine Familie passen, und dadurch, daß er hier in der Bucht wohnte, brauchte er nicht mehr im Frühjahr und im Herbst zwischen den Fischfangzeiten hin und her zu fahren. Es waren noch ein paar Vorteile dabei: das Haus stand bereits fertig da, und die Bucht war ein schöner Hafen für sein Fahrzeug. Was meinte August zu einem kleinen Geschäft?

Sie redeten miteinander darüber, August hatte eigentlich nicht an Verkaufen gedacht, aber er lehnte den Gedanken auch nicht schroff ab, so schnell wäre er wohl ohnehin nicht eingezogen.

Nun, was verlangte er für das Haus?

Wenn ich verkaufen soll, so verkaufe ich es um das, was Haus und Bauplatz mich kosten, erklärte August, ich pflege nicht zuviel zu sagen und zu übertreiben, fuhr er fort, das wissen alle, die mich kennen! Er nannte eine Summe. Es sei zwar verdammt viel Geld, aber der Schiffer müsse bedenken, daß das Material aus Namsen gekommen sei, die bunten Glasscheiben wären sicherlich bis von Indien her, und der Schiefer stamme von Malangen, es seien keine Geringfügigkeiten, die hier zusammengetragen worden wären und schließlich dieses Haus geschaffen hätten. Der Schiffer war ein vermögender Mann, besaß sein eigenes Fahrzeug und noch Geld obendrein, er wollte sich vielleicht auch von seiner besten Seite zeigen und nicht handeln, so kam es, daß Haus und Grundstück sein Eigentum wurden, bares Geld einerseits und ordentliche Papiere andererseits. Schiffer Rolandsen hieß der Käufer.

Ich hatte nicht vorgehabt, zu verkaufen, erklärte August; aber wir brauchen ja Leben und Bewegung in der Bucht, das Geschäft muß blühen!

Jawohl, das Geschäft blühte, aber jetzt war August ebenso obdachlos wie zuvor, und Karolus dachte ein wenig gekränkt darüber nach, wie es mit seinem Bauplatz gegangen war. Und außerdem hatte doch August das schönste Haus im ganzen Bezirk gebaut und würde nie wieder etwas Ähnliches zustande bringen. Aber das geht mich ja nichts an, sagte Karolus.

Das ist wohl mein Los, erwidert August. Ich kaufte ja auch ein Netzgerät in der einen Woche und verkaufte es in der nächsten an euch Burschen. Es sieht so aus, als wäre es mein Schicksal, daß ich auf der Erdkruste weder Haus noch Heim haben soll.

Ane Maria ist gerührt von seinem mutlosen Ton und sagt darauf: Nein, so sollst du nicht denken, August! Sie erinnert sich wohl des Geschäfts mit dem Bauplatz, das für sie eine große Freude gewesen war, wahrhaftig, sie braucht jetzt nicht mehr darauf zu warten, bis sie in Paulines Kramladen an die Reihe kommt, um ein halbes Pfund Kaffee zu kaufen, sie steht ja jetzt mit Bargeld in der Hand da, jetzt müssen die andern warten. Sie schaut zu ihrem Mann hinüber und sagt: Du mußt dem August ein anderes Stück Land überlassen!

Langes Schweigen bei Karolus, bis er ausweichend antwortet: Wir wissen ja nicht, ob August wieder bauen will.

Doch, doch, August wollte bauen und sein Schicksal noch einmal versuchen. Und er sah sich imstande, dieses Mal etwas mehr für das Grundstück zu bezahlen, vorausgesetzt, daß er die Wiese oberhalb von Schiffer Rolandsen bekam. Ob Karolus sich vorstellen könnte, daß er die hergeben würde?

Langes Schweigen. Karolus wollte es überlegen.

Und wieder kam ein Geschäft zustande, hier war viel Geld zu haben, Karolus verkaufte, und August ließ von neuem bauen. Dies gereichte der Bucht und der Umgebung zu großem Segen, denn man war jetzt in einer toten Zeit, wo es keinen Fischfang gab und die Leute keinen Verdienst hatten; vier Zimmerleute, abgesehen von den Fuhrleuten und Malern, standen jetzt mehrere Wochen lang in fester Arbeit bei dem Bau, August zahlte jeden Samstag den Lohn aus, und zu guter Letzt war es Pauline vom Kramladen, die das Geld einnahm. Die Steuerquote fiel.

August selber entwickelte sich zu einem phantasievollen Bauherrn, das neue Haus wurde noch flotter, der Gang unten bekam ein Fenster, und in dieses ganze Fenster wurden rote und gelbe Scheiben eingesetzt. Es war unglaublich und wundervoll, man kam wie in ein Märchen, wenn man diesen Gang betrat: ein Blick auf die Landschaft draußen machte das Gras rot und das Meer gelb, würdige Leute und Bewohner der Bucht hatten noch nie einen ähnlichen Anblick erlebt, das war nicht, wie wenn man auf den Kopf gestellt wurde, nein, das drang durch und durch, das war wie ein kleiner Pfahl durch den Verstand, sie konnten nicht anders als dastehen und dumm lachen.

Und hier endeten wohl Augusts Pracht und Luxus? Nicht, ehe er das Ganze mit einem weißgestrichenen Zaun um das ganze Grundstück und einer Flaggenstange auf dem Giebel des Hauses abgerundet hatte. Jetzt weiß ich nicht, ob noch etwas fehlt, sagte August und hielt Umschau, ehe er die Flagge hißte.

Er ging heim wie ein Sieger, sah sich ein wenig um, nickte und murmelte. Edevart folgte ihm, die alten Kameraden hielten zusammen, und einer wünschte dem andern nur das Beste.

August fragte: Du hast heute mittag einen Brief bekommen, soviel ich gesehen habe?

Ja, antwortete Edevart, er war von Lovise Magrete. Sie schreibt wohl nur, daß sie bald kommen wird.

Hast du ihn denn nicht gelesen?

Nein, ich hatte keine Zeit.

Wo ist sie denn?

Wo soll sie sein? Auf Doppen oder dort in der Nähe, denke ich.

Wie kann man so töricht sein und einen Brief nicht lesen, sagt August.

Edevart, plötzlich ärgerlich: So nimm doch du ihn und lies ihn!

Amerikanische Briefmarken! nickt August und öffnet den Brief.

Edevart scheint ein Wunderknäuel, einen Himmelsbrief bekommen zu haben: Was sagst du, sie ist nicht auf Doppen? Ich sah nur die Schrift an. In Amerika, sagst du, wo in Amerika?

Bei unserer Tochter, Mrs. Adam, liest August, und wohin ich dich auch erwarte, sobald du das Geld zu der Reise beisammen hast –

Edevart lächelte und nickte während des Lesens. Hatte er einen Verdacht gehabt, daß die Frau durchgebrannt war? Es war ihm nichts anzumerken, er lauschte interessiert auf jedes Wort und sagte schließlich: So, da ist sie also gleich auf einmal nach Amerika gefahren, – ja, sie versteht es, sich durchzubringen! Wir hatten in Amerika öfters kein Reisegeld, aber sie redete mit dem Schaffner, und niemand konnte so Englisch wie sie: Die Fahrkarte verloren, sie war einfach auf der Plattform fortgeweht worden –

Edevart redete immer noch weiter, der schweigsame Mann war sehr mitteilsam geworden, gleichviel, ob er damit die Frau decken wollte, oder ob es aus einer inneren Unsicherheit bei ihm selber herauskam. Als er in den Laden trat, fuhr er noch in demselben Ton fort und erzählte es Pauline wie eine unerwartete Neuigkeit, daß Lovise Magrete in Amerika sei, – einfach in Amerika, sag ich dir, und dabei ist es noch merkwürdig, daß sie nicht in China ist, denn sie versteht es unglaublich, sich durchzubringen! Ich werde sie entbehren, wenn ich jetzt selber wieder hinüberfahre. Ist es nicht großartig, schwätzt Edevart weiter, sie schreibt, sie habe verschlafen, als sie an Doppen vorbeifuhr, und da ließ sie es darauf ankommen und landete in Amerika! Ja ja, sie ist ja so gut aufgehoben bei unserer Tochter, aber ich sage es immer wieder, nicht jeder hätte diese Reise fertiggebracht! Jetzt schreibt sie natürlich inständig, daß ich nachkommen soll. Du mußt mir gutes Papier geben, Pauline, ich will sofort antworten –

 

Wieder kamen Heringsschwärme und Fischzüge. Joakim versammelte seine Netzmannschaft und zog hinaus, Aufkäuferschiffe suchten die Äußere Bucht wieder auf, und es gab Arbeit, Verkehr und Handel. Wiederum kamen Schiffer und Mannschaften an den Feiertagen und wenn sie an Land liegen mußten herbei und nahmen Augusts Bauwerk in Augenschein, sie besuchten Rolandsen, der bereits mit Weib und Kindern in sein neues Haus eingezogen war, sie versammelten sich um Augusts letzten Bau und erhielten bereitwillig die Erlaubnis, hineinzugehen und durch die bunten Scheiben zu schauen.

Und eines Tages war auch für das neue Haus ein Käufer da.

August hatte nicht vorgehabt, es zu verkaufen. Es war außerdem ein sehr teures Haus, die Stube war neumodisch vertäfelt, das Gangfenster hatte Scheiben aus indischem Glas.

Gerade deshalb hatte der Käufer so viel Lust darauf bekommen, außerdem hatte er gar nichts dagegen, Schiffer Rolandsen zu übertrumpfen. Was kostet das Haus?

August wollte keinen Gewinn bei ihm herausschlagen, dazu hatte er viel zu große Geschäfte in Hamburg und an anderen Orten, – schaut her, die Tasche ist voll von Briefen, die gestern und heute eingetroffen sind! Außerdem hatte er dieses Haus für sich selber gebaut –

Es vergingen ein paar Tage, dann verkaufte August. Der Käufer war diesmal ein junger Netzbesitzer, Gabrielsen, Sohn eines Mannes, der vor etwa zwanzig Jahren hier in der Gemeinde Handel getrieben und Bankerott gemacht hatte. Der junge Herr war es etwas großartig gewöhnt, hatte Deutsch gelernt mit einer Gouvernante, war bei vermögenden Verwandten aus dem Kaufmannsstand aufgewachsen, er war verlobt und verfolgte bestimmte Pläne mit dem Kauf eines eigenen Heimes, vorläufig besaß er nun das stattlichste Haus der Bucht.

August ist zum drittenmal obdachlos.

Ja, sagte Ane Maria, jetzt wisse sie keinen Rat mehr für ihn.

Nein, gab August zu, das ist wohl wahr. Und wenn er nun wartete, bis Karolus vom Fischfang heimkäme, so bedeutete das wohl auch keine Hilfe?

Nein.

August wunderte sich darüber, daß manche Leute so töricht wenig Lust hatten, Land zu verkaufen. Sie bekamen doch Geld dafür. Sollte das Geschäft nicht blühen?

Ane Maria nickte zustimmend, denn die beiden Grundstückverkäufe hatten sie und ihren Mann zu ganz anderen Menschen gemacht, sie hatten nun Geld, waren wirkliche kleine Kapitalisten, sie hatten ein Vermögen liegen, bald konnten sie sämtliche Waren aus Paulinens Laden aufkaufen und sie bezahlen. Und was hatte es außerdem noch für Ane Maria persönlich bedeutet! Wenn sie wirklich je einmal im Gefängnis gesessen hatte, so mußte sich das doch in ihrer blühenden Jugend zugetragen haben, damals, als sie noch wenig Verstand besaß. Auf was für Dummheiten verfallen doch viele junge Leute und werden dafür bestraft, aber mit der Zeit werden doch auch sie vernünftig!

Es ist nicht so zu verstehen, daß ich noch mehr bauen würde, erklärte August. Ich habe die Sache in Gang gebracht, nun können die anderen von mir aus bauen, soviel sie mögen. Mit der Zeit muß die Bucht doch wohl ein großer Ort werden, mit Industrie und Läden.

So, du würdest nicht mehr bauen? fragte Ane Maria.

August: Nein. Ich würde nur ein Stück Land kaufen und etwas ansäen.

Zu diesem Zweck brauchte man ja gar nicht viel Land herzugeben, dachte Ane Maria wohl dabei.

August immer noch: Ein kleines Stück Land oberhalb des Grundstückes, wo ich zuletzt gebaut habe, würde mir gerade recht sein. Ich möchte dort etwas ansäen, ich sage nicht, was, den Samen dazu habe ich in meinem Koffer. Und ich würde dieses Mal gern erheblich mehr bezahlen.

Noch mehr?

August: Noch mehr, ja. Aber es lohnt sich ja nicht, darüber zu reden, wenn Karolus nicht einmal daheim ist.

Plötzlich sagt Ane Maria: Und wenn du nun einfach hingingst und dir das Stück Land nähmst, ehe Karolus heimkommt?

Das kann ich doch nicht.

Er bekommt doch Geld dafür, meint sie.

In diesem Augenblick fuhr wohl der Teufel in August, er warf sich auf Ane Maria und fing an, sie überall zu streicheln. Es war unglaublich, er hatte einen verzweifelten Ausdruck, und sie verstand ihn wohl nicht, sie sah in die Luft hinaus und ließ alles mit sich geschehen.

Wenn ich mich doch trauen würde! hörte sie ihn flüstern.

Was denn? fragte sie.

Nichts.

Traust du dich nicht?

Nein, jetzt – noch nicht – nein – noch ein Jahr lang –

Dummheit! dachte Ane Maria wohl und machte sich frei.

Aber sie trugen alle beide einen Gewinn aus dieser Stunde davon: Ane Maria blieb zurück mit einem schönen Bündel von Geldscheinen, und August ging fort als Besitzer eines neuen Grundstücks in der Bucht. Ein verdammt schönes und passendes Stück Wiese, eine Klippe als Hintergrund, ein Bach daneben, steinfreie Erde, man konnte es sich nicht besser wünschen. Er traf keine Anstalten, als wollte er ein Haus dort errichten und die kostbare Nährerde zerstören, er schien mit dem Bauen fertig zu sein, was er auch selber sagte. Und als Karolus vom Fischfang heimkam und sie keinen Schwarm eingeschlossen und nichts verdient hatten, konnte Ane Maria ihn mit Leichtigkeit dazu bringen, ihren Landverkauf anzuerkennen, sie lieferte ihm nur einfach das Geld ab. Das ist ja großartig, rief Karolus überwältigt.

Alles in Ordnung.

 

August hielt sich viel bei den Aufkäuferschiffen und den Netzbooten in der Äußeren Bucht auf, er war ein großartiger Erzähler und besaß auch große Erfahrungen auf vielen Gebieten, es gab keinen Zweifel über seine Vielseitigkeit, er wurde oft um Rat gefragt und er war freundlich und hilfsbereit in seinen Antworten. Es behagte ihm, daß die Leute anfingen, Ihr zu ihm zu sagen.

Wenn Ihr doch auch für mich ein Haus bauen wolltet! sagten sie.

Du sollst selber bauen, antwortete August. Dann wird es billiger.

Aber ich habe ja nicht einmal einen Bauplatz.

Dafür soll Rat werden!

So sagt Ihr. Aber ich habe auch kein Geld zum Bauen.

August überlegte: Es ist wirklich ein Elend, daß wir immer noch keine Bank in der Bucht haben. Denn dann könntest du dir das Geld dort leihen.

Daß August in seiner Gutmütigkeit niemals jemand abwies, genügte bereits, ihm Freunde zu gewinnen. Er konnte in vielen Fällen einen Ausweg sehen oder auf ein Licht in der Dunkelheit hinweisen, manchen half er auch wirklich mit mehr als nur mit Worten.

Roderik kam zu ihm, Teodors und Ragnas Sohn, er, der zusammen mit seinem Vater die Post beförderte, ein junger, frischer Bursche, der als Arbeiter ringsum auf den Höfen in bestem Ruf stand. Er kam zu August und brachte es fast nicht heraus, was er sagen wollte, aber es lief darauf hinaus, daß er einhundertdreißig Kronen oder besser gesagt dreißig Taler habe, und nun verhalte es sich so, daß das Mädchen wolle, sie sollten sich verändern, aber er selber habe keine Eile damit, keineswegs, das dürfe August nicht von ihm glauben –

Hundertdreißig Kronen, sagte August und überlegte. Ich habe oft weniger gehabt.

Ach, ist das wahr? Aber es genügt doch nicht, um ein kleines Haus zu bauen.

Nein, darin kannst du recht haben, sagt August. Hast du ein Grundstück?

Ja. Und ich kann an das Haus meines Vaters anbauen, auf diese Weise spare ich eine Wand.

August nickt und fragt: Kannst du nicht beim Heringsfang in der Äußeren Bucht mitarbeiten?

Roderik: Ja seht, ich habe doch das Amt, die Post an die Dampferhaltestelle zu bringen, und das kostet mich fast zwei ganze Tage in der Woche mit dem Hin- und Herweg. Wenn ich dann schließlich in die Äußere Bucht hinauskomme, haben die andern dort bereits den größten Teil der Arbeit nach einem Fischzug geleistet, und ich stehe dann überflüssig herum. Ich habe es schon versucht.

August denkt nach.

Andernteils aber, fährt Roderik fort, habe ich nun diese Postbeförderung als Amt und nehme außerdem Miete für das Boot ein, so daß ich das ganze Jahr hindurch auf einen sicheren Verdienst rechnen kann, und nicht nur während der Heringszeit.

August sieht ein Licht in der Dunkelheit: Zunächst einmal, sagt er, sollst du einen Tag lang Pferd und Pflug zu leihen nehmen und meine Wiese oberhalb von Gabrielsen pflügen, dafür bekommst du zwanzig Kronen, dann hast du hundertfünfzig.

Ja.

Am liebsten wäre es mir ja gewesen, wir hätten mit Dampf gepflügt, wie wir es draußen in der Welt machen, meint August, aber es dauert so lange, bis man die Maschine bekommt. Wenn du gepflügt hast, gehst du mit der Egge darüber, das Wichtigste aber dabei ist, daß du unentwegt eggst und eggst, bis ich Halt sage –

Was wollt Ihr auf dem Acker anbauen?

Wenn du damit fertig bist, sollst du rings um das ganze Stück Land Pfähle für einen Stacheldrahtzaun in die Erde treiben. Verstehst du dich auf diese Arbeit?

Ja. Ich habe das schon früher gemacht. Was habt Ihr denn dort vor?

Wenn du mit dem Eggen und den Pfählen und dem Stacheldraht fertig bist, bekommst du weitere fünfzig Kronen. Das macht zweihundert.

Großartig! ruft Roderik aus.

August sagt schließlich folgendes: Und über den Rest werden wir schon noch reden!

Roderik war nicht der einzige, dem August half, ein Haus in der Bucht zu bauen. Zunächst einmal galt es, Bauplätze zu bekommen. Er hatte Mühe, die Grundbesitzer zu der Einsicht zu bringen, daß es zu ihrem eigenen Besten sei, wenn sie Land verkauften und Geld dafür bekamen, er war bei Ezra und erhielt eine Absage, er sprach mit Joakim darüber, der ihn nur auslachte, er redete wiederum mit Ane Maria und Karolus und hatte anfangs wenig Glück.

August arbeitete jetzt für zwei Leute aus der Mannschaft eines Aufkäuferschiffes, jeder der beiden wollte ein kleines Haus bauen, nur entsprechend den Verhältnissen, vier Wände und ein Wasendach, sie brauchten nicht mehr als den Bauplatz und ein kleines Stück sandige Erde, auf dem man eine halbe Tonne Kartoffeln anbauen konnte, hier war keine Rede von Acker oder Wiese. August führte ein Gespräch mit Karolus und Ane Maria, er ließ durchblicken, daß er, wenn es sich um sein Land handelte, jeden Fußbreit verkaufen und Geld dafür einnehmen würde, jetzt, solange die Zeit so günstig war. Wozu brauchte Karolus denn so viel Land? Er hatte keine Kinder, denen er es hinterlassen konnte, er wurde allmählich alt und mußte fremde Kräfte einstellen, nichts als sich schinden und rackern im Schweiße des Angesichts, das ganze Jahr hindurch. Wohingegen das Gefühl, eine dicke und anständige Summe Geld in der Brusttasche zu haben –

Die Sache mit den Bauplätzen für die beiden Heringsaufkäufer ging in Ordnung; ja, Karolus verkaufte. Übrigens war es Ane Maria, die am schnellsten einsah, wie sehr recht August hatte. Oh, sie war immer die schnellere, wenn es galt, etwas einzusehen, Karolus hatte eine überragende Hilfe an ihr.

Er wurde auf einmal ansteckend, dieser Grundstückhandel, auswärtige Leute kamen her und sahen sich in der Bucht um, es gab eine Einwanderung, Bauplätze wurden gekauft, und die Leute bauten Häuser je nach Lust und Vermögen. Edevart war überall festangestellter Bauschreiner und ging von einem Bau zum andern, ohne auch nur einen Tag arbeitslos zu sein. Er fuhr nicht umgehend nach Amerika, nein, die Reise wurde verschoben und verschoben, er kam nicht einmal dazu, Lovise Magretes Briefe zu beantworten, er war jetzt kein Briefschreiber mehr wie in jüngeren Tagen; eine Feder in den Fingern zu halten, war für ihn ein schwieriges Kunststück, er hatte mehr Interesse an der Zimmermannsarbeit, und je mehr Wochen vergingen, desto besser verstand er sich auf sein Fach; mein Gott, wie er mit der Axt ausholte und wie er sägte und hämmerte, ein Roß auch mit dem Hobel, ein Werkteufel von morgens bis abends, er richtete viel aus, Berge von Spänen wuchsen hinter ihm auf. Mit der Zeit rissen sich die Leute um Edevart, er redete kein unnötiges Wort und lachte nie, man hatte die Gewähr, daß die Arbeit bei ihm vorwärtsging, keiner von den zugezogenen Fremden wollte ihn bei seinem Hausbau entbehren, sie lockten ihn durch Lohnerhöhung an sich.

Konnte unter solchen Verhältnissen die Rede davon sein, der Frau nach Amerika nachzureisen? Sie hat es gut bei unserer Tochter, Mrs. Adams. Edevart selber wünschte sich keine besseren Tage, als er sie jetzt hatte.

Auch August ging es gut, er war der Neuschöpfer und wirksame Geist der Bucht, er gönnte sich selber einen Triumph. Es kam jetzt viel bares Geld in die Bucht herein, die Bauplätze warfen Tausende ab, Arbeiter und Fuhrknechte verdienten gut, die Steuerquote fiel ständig. Der ganze Aufschwung war August zu verdanken, er hatte mit dem Finger auf einen Knopf gedrückt und etwas zum Schnurren gebracht, jetzt galt es nur, seinen klaren Plan durchzuhalten: die Bucht zu einem großen Ort zu machen. Jawohl, sagte August, wir müssen mit der Welt wetteifern, sonst bleiben wir zurück! Er betonte mit gutem Recht, daß er mit seinen zwei Prachthäusern Glanz über seine Kinderheimat gebracht hatte: Wo kannst du so friedlich im Schatten sitzen wie unter meinem Sonnensegel? fragte er. Ja, aber es ist so kalt, ich werde ganz blau vor lauter Frieren! wandte Madame Rolandsen, die Frau des Schiffers, ein. Dann brauchst du ja nur in den Gang zu gehen, sagte August; wo hast du je so bunte Glasscheiben gesehen wie dort? Überhaupt wußte August auf alles eine Antwort, er hatte auch keine gegnerische Partei, ein jeder konnte den unvergleichlichen Umschwung in der Bucht sehen, der Ort wuchs, es standen jetzt etwa zwanzig Häuser mehr da als früher, hier war es nun dichter bebaut als in der Inneren Gemeinde, die immer etwas Besseres hatte sein wollen. Gebt nur acht, vielleicht endet es noch damit, daß die Kirche und der Pfarrhof in die Bucht herüberziehen müssen –

Große Veränderungen, jeder hatte Geld auf der Hand, gute Laune, sorglose Lebensweise, frohe Augen. Auch Ane Maria ging es gut, und sie triumphierte. Angefangen hatte es damit, daß sie ihren Mann dazu überredete, achtmal ein Stück von seinem Grundbesitz zu verkaufen, das schienen ihr acht Siege zu sein. Als sie mit dem Rest des Grundstücks kein Pferd mehr füttern konnten, fing Karolus an, für die Zukunft des ganzen Hofes besorgt zu werden. Wir haben jetzt so viel Geld, daß es eine Schande ist, sagte er, aber wir haben einen Teil des Hofes verkauft! Ja, das war nicht zu leugnen, und Ane Maria widersprach ihrem Mann auch nicht mit Heftigkeit und blitzenden Augen, obgleich sie so überlegen recht hatte. Sie war ja viel klüger: sie überredete ihn während der Nacht.

Da fing sie offenherzig damit an, daß sie einmal im Gefängnis gesessen habe, nicht daß ihr das etwas hätte anhaben können, aber die Menschen scheuten sie und zogen sich bei ihrem Kommen zurück. Sie hätte sich einen anderen Empfang erwarten dürfen, wenn sie von der Welt draußen, aus viel größeren Verhältnissen als in der Bucht, zurückkam, oder was meinte Karolus? Er war ein Mann, der zu seiner Zeit mehr als nur eine Sache verstanden hatte, und er war doch Bürgermeister und alles miteinander gewesen, was meinst du, Karolus, habe ich nicht recht? Sie war im Leben draußen gewesen und hatte viel gelernt, hatte Städte gesehen, viele Menschen getroffen und reden hören, die Bewohner der Bucht hätten sich ihr zu Füßen hinsetzen und sie über das große Drontheim ausfragen sollen. Aber nein. Hatte sie nicht wirklich an Paulines Ladentisch stehen und darauf warten müssen, bis sie ein halbes Pfund Kaffee bekam? Aber jetzt, Karolus, jetzt, – nur weil sie diese Bauplätze verkauft hatten und einen Haufen Geld besaßen! Jetzt! Bitte schön, ein ganzes Pfund Kaffee, aber etwas schnell, mir kocht sonst der Topf daheim über! Und Pauline läuft, was sie kann. Hätte sie etwa nicht laufen sollen? Sie riskierte ja, daß die Frau von dem reichen Karolus sich am Ende selber einen ganzen Sack Kaffee aus der Stadt kommen ließ!

Karolus geschmeichelt: Hahaha, ja, das will die Pauline wohl nicht riskieren!

Sie riskiert noch weniger. Jetzt sagt sie Ihr zu mir.

Aber Karolus ließ sich nicht davon abbringen, daß der Hof verkleinert und das Pferd geopfert worden war, das war so eine Sache für sich, ja eine Hauptsache. Bis zu dem Zeitpunkt, da Ezra auf der Neusiedlung Großbauer wurde, war ja Karolus der größte Grundbesitzer in der Bucht gewesen –

Aber kannst du klagen? ruft Ane Maria aus. Du bist doch reich und kannst noch reicher werden. Hast du jemals soviel Achtung und Ehre genossen wie jetzt? Möchtest du mit den früheren Zeiten tauschen?

Nein, das war freilich wahr, nicht einmal als Bootsbesitzer und Anführer auf dem Lofot und als Ortsvorsteher in der Heimat hatte er so viel Achtung genossen. Er ging jetzt nur umher und rauchte Kardustabak in der Pfeife, genau wie der Lensmann, und wenn er anderen begegnete, so grüßten sie ihn. Wie war es mit den Kleidern? Ging er jemals noch mit einer Hose, die einen aufgesetzten Fleck hinten hatte? Band er seine Stiefel mit einer Schnur zusammen? Den ewigen Südwester hatte er weggehängt und sich einen Hut gekauft, sein Wollbinder um den Hals leuchtete in vielen Farben, er ging täglich mit der Taschenuhr an einer blanken Kette – ja, er trug sogar Galoschen!

Nein, Karolus wollte nicht tauschen gegen frühere Zeiten. Diese verteufelte und gesegnete Ane Maria war wiederum die Raschere gewesen, das Richtige einzusehen, selbstverständlich war sie die Meisterin.

Karolus wußte im stillen, daß er für seine männerliebende Frau nichts Besonderes bedeutete, er war ein ziemlich schwach begabter und fauler Mann, der am liebsten seinen Frieden haben wollte, trotzdem hatte er vor langer Zeit einmal einen milden Anfall von Eifersucht gehabt. Die Frau war alles andere als weich, sie war ein gut ausgestattetes Frauenzimmer, in ihrer Art großzügig und stolz, dazu besonders gewinnend, wenn sie sich Mühe gab, es zu sein. Sie konnte schon als kleines Kind lesen, während ihres Aufenthaltes im Süden hatte sie auch schreiben gelernt, sie schrieb Buchstaben, Zahlen und Worte, sie erledigte alles Schriftliche bei den Grundstückverkäufen. Der Mann sah erstaunt ihrer flinken Hand zu.

Kurz und gut, Ane Maria überredete den Mann, und mit der Zeit erreichte sie es, daß sie die Kontrakte über die Bauplätze bis ganz hinunter zu den Schiffshütten schrieb. Karolus sagte: Jetzt haben wir nur noch den oberen Acker, wir können bald nicht einmal mehr zwei Ziegen für die Kaffeemilch füttern!

Aber seine Brusttasche schwoll mächtig an.


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