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Einundvierzigstes Kapitel.

Erzählt von einer Entdeckungsreise, die zu einem gewünschten Resultate zu führen scheint.

Dieses Essen ging nun vorüber, wie manches andere Festessen, nur mit dem Unterschiede, daß hier keine Reden gehalten, vielmehr nur den Schüsseln zugesprochen wurde. Herr Holder saß neben den Kindern des Direktors, finster und in sich gekehrt, und warf zuweilen einen mißtrauischen Blick auf die neuen Kollegen, wogegen der würdige Herr Trommler sein Möglichstes that, um dieselben, die an seiner Seite saßen, auf's Beste zu unterhalten. Von dem Herrn Hannibal können wir nicht verschweigen, daß er – wahrscheinlich unbewußt – an der Seite der Schwägerin des Schauspieldirektors (sie hieß Thusnelde) niedergesessen war und sich dort sehr wohl zu befinden schien; wenigstens war ihm dieser zweite Akt seines neu begonnenen Künstlerdrama's nicht minder angenehm, als der eben vorübergegangene erste; denn hatte er droben fleißig mit Hammer und Säge gearbeitet, so that er jetzt hier unten mit Messer und Gabel deßgleichen, und fand dabei noch vollkommen Zeit, seine Nachbarin von der Seite anzusehen, die ihm häufig etwas zuflüsterte. Auch brachte er es in Folge dieser Zuflüsterungen zuweilen zu einem Lächeln; doch kam dies nicht häufig vor, denn die großen Bissen, mit denen er sich versah, drückten sein Gesicht so in die Breite, daß er trotz übergroßer Anstrengung nur selten im Stande war, obendrein auch noch zu lachen.

Daß der Reiz des Lebens in Abwechslung besteht, wußte auch der Schauspieldirektor; deßhalb arangirte er dieses heitere Familienfest nach der harten Arbeit droben, und um diesem Grundsatze treu zu bleiben, übergab er nach dem Diner dem Herrn Wellen, dem Herrn Müller und dem Herrn Hannibal jedem ein Paket alter vergilbter Papiere. Das waren Rollen zu verschiedenen Schau-, Trauer- und Lustspielen, womit sich diese drei Herren in den nächsten Tagen vertraut zu machen hatten.

Als nun die Tafel aufgehoben und die Gesellschaft auseinander gegangen war, Jedes seinem Geschäfte nach, verließen Eugen und der lustige Rath das Wirthshaus zur wilden Rose, um dem Schlosse droben in der Höhe einen Besuch abzustatten.

Sie gingen durch das Dorf, bei der alten Kirche vorbei; dort, hatte Eugen ganz richtig vermuthet, müsse ein Fußweg auf die Höhe führen. Da lag die kleine Kirche so still und friedlich inmitten des von Mauern eingefaßten Friedhofes, und die warme Sonne umschlang so freundlich und herzlich die alten Mauern, drang so unwiderstehlich durch die langen, schmalen, vergitterten Fenster, daß das alte Gebäude unter diesen warmen Küssen ordentlich aufzuleben schien. Es war so still hier zwischen den Gräbern, so feierlich selbst außerhalb der Kirche, daß unsere Freunde mit abgezogenem Hute durch das kleine Thor schritten. Der Friedhof schien nicht mehr zu dem, was er war, benutzt zu werden; da war kein frisch aufgeworfenes Grab, wo die schwarze Erde aussah, als sei sie feucht von Thränen, hier war Alles bedeckt mit einem mitleidigen Rasen, einem vielfarbigen Blumenteppiche, den die freundliche Natur über diejenigen von ihren Kindern deckte, die den Mühen dieser Welt erlegen waren und sich vertrauensvoll in ihren Schooß geflüchtet hatten.

Die alte niedrige Mauer war mit Grabsteinen bedeckt, von denen die meisten mit ganz geharnischten Ritterfiguren, oder mit Damen in dicken Halskrausen und langen, steifen Schnürleibern, oder auch mit Helm und Wappen von einer längst vergangenen Zeit erzählten, von alten Geschlechtern, die droben auf dem Schlosse eines nach dem andern gehaust, und die dann von der glänzenden Höhe ihres Berges und ihrer Stellung im Leben herabsteigen mußten in den engen Raum der kleinen Dorfkirche.

Wie schön waren die zwei kleinen Thore an beiden Seiten des Friedhofes! Ein flacher Bogen bedeckte jedes, und in dem Schlußstein war das Wappen der gräflichen Familie da droben eingemeißelt. Doch war die unnachsichtige Hand der Zeit darüber hingefahren und hatte die Linien dieses Wappens verwischt, und es kostete Mühe, aus den wenig übrig gebliebenen die Formen des Helms und des Wappenschildes heraus zu bringen. Auch der Epheu, der neben diesen Thoren an der Mauer lustig emporwucherte, hatte seine langen, faserigen Wurzeln in Zeichen und Schrift eingedrängt, Beides beschattend, und wenn man davor trat, um Worte oder Buchstaben zu entziffern, so schüttelten sich die Blätter lachend im sanften Winde, als wollten sie sagen: Gebt euch keine Mühe mit den alten, moderigen Steinen, betrachtet uns lieber und denkt an euer eigenes Leben, das noch wie wir, frisch und grün vom Glanz der Sonne beschienen wird. – So denkt der Epheu, und deßhalb hält er sich auch so gern an alten Mauern und Kirchhöfen auf, als Gegensatz zu diesen ein freundliches »Wir leben!« wir leben neben den trüben Zeichen der Vergänglichkeit.

Hinter dem Kirchhofe führte der Weg aufwärts in die Berge, eine Zeit lang bei jener Mauer vorbei, welche die Freunde heute Morgen aus ihrem Fenster gesehen. Es war ein schmaler, wenig betretener Fußpfad, den die Kräuter, Blumen und Sträucher, welche unter dem Schutze der Mauer wuchsen, dem Menschen beständig streitig machten. Oft, wenn in der Länge der Zeit ein dichter Hollunderbusch empor gewachsen war, zu dessen Füßen sich Gräser und Moose angesetzt, hatten sich diese hie und da so weit vorgeschoben, daß sich der Weg einen großen Bogen zu machen genöthigt sah.

»Kommt dir das nicht alles so heimlich und bekannt vor?« sagte Eugen zu seinem Freunde; »mir ist es gerade, als sei ich hier schon gewesen, als habe ich namentlich diesen Weg der Mauer entlang schon hundert Mal gemacht.«

»Ja, ja,« entgegnete Herr Sidel, »es geht einem zuweilen so. Hier ist das nun eigentlich kein Wunder, denn das alte Kirchlein da unten hat so viel Aehnlichkeit mit anderen, wo wir schon waren, und auch das Gemäuer, neben dem wir wirklich dahergehen. Erinnere dich, es befindet sich etwas so sehr Aehnliches in E., daß man wohl die beiden Orte mit einander verwechseln und glauben kann, man wäre hier schon gewesen, während einem doch nur das Andere vorschwebt.«

»Ganz recht! dies mag hier der Fall sein; aber dir ist es gewiß auch schon im Leben begegnet, daß du Städte, Gegenden, wo du niemals gewesen, nun auf einmal auf deinen Reisen vor dir siehst und du dir plötzlich befremdet sagen mußt: das ist mir nicht unbekannt, das habe ich alles schon einmal gesehen.«

»Vielleicht in Abbildungen,« meinte Herr Sidel.

»O nein, gewiß nicht!« fuhr Eugen fort. »Abbildungen zeigen dir nur eine einzige Seite, und wenn du nicht gerade auf den Punkt kommst, von wo man sie aufgenommen, so erkennst du meistens das Original nicht wieder, und dann ist die Kenntniß, welche du auf jene mir unbegreifliche Art von fremden Städten und Gegenden erhältst, eine so wahre, eigentlich möchte ich sagen erschreckend genaue. Wenn du mich nach deiner löblichen Gewohnheit nicht auslachen willst, so möchte ich dir eingestehen, daß ich zuweilen im Traum glaube, solche Städte, solche Orte gesehen zu haben, die ich also nun später in der Wirklichkeit so plötzlich wieder erkenne.«

»Ich gebe das zu,« versetzte der lustige Rath, »obschon mir dergleichen noch nicht vorgekommen ist.«

»Du wirst sehen, daß sich das, was ich dir vorhin sagte, droben bei dem Schlosse, ja sogar bei dem Wege, der dahin führt, vollkommen bestätigen muß.« – Bei diesen Worten war Eugen stehen geblieben und blickte seinen Freund lächelnd an. – »Da vor uns,« fuhr er fort, »siehst du jenes alte, halb verfallene Thürmchen; dort scheint der Weg, auf dem wir eben gehen, zu verschwinden. Obgleich ich nun, wie du selber weißt, niemals hier in dieser Gegend war, so will ich dir doch genau beschreiben, wie und auf welche Art jener Weg von dem Thurm an weiter geführt ist.«

»Darauf wäre ich begierig,« meinte der lustige Rath.

»So höre mich an,« sagte Eugen. »Dort links hinter dem Thurme fällt der Weg plötzlich, statt wie bis jetzt zu steigen. Wir gehen abwärts bis zu einem schattigen Grunde, dicht mit großen Bäumen bewachsen. Es ist dort ein Wasser, nur weiß ich nicht, ob ein kleiner Bach oder ein Teich oder nur eine laufende Quelle; von dort steigt der Weg wieder und wendet sich auf der anderen Seite um den Berg bis zum Schlosse empor.«

»Wenn dem so ist,« bemerkte lachend Herr Sidel, »so bekomme ich einen ungeheueren Respekt vor dir und werde dir, einem Hellseher und Propheten, meine vollste Achtung nicht versagen.«

»Deine Ungläubigkeit ist bekannt, mein edler Thomas,« sprach Eugen ebenfalls lachend. »Aber viel lieber, als deine übergroße Achtung, wäre mir eine kleine Wette, die wir um den fraglichen Gegenstand eingehen könnten.«

»Wozu das?« meinte Herr Sidel, »du würdest von mir doch dein eigenes Geld gewinnen. Aber sage mir, wenn du wirklich auf übernatürliche Weise Kenntniß von dem Weg und dem Schlosse erlangt hast, werden wir droben jene Kapelle finden oder nicht?«

»Wir werden sie finden,« sagte Eugen fest und bestimmt. Und da sie nun an dem kleinen Thurme angelangt waren, so sprang Eugen bei diesen Worten über das zerbröckelte Mauerwerk, um einen Blick in das Thal zu gewinnen.

Der lustige Rath, der ihm gefolgt war, konnte nicht umhin, ehe er ein Gleiches that, auf die Fortsetzung des schmalen Weges zu blicken, auf dem sie hieher gekommen und der sich nun hart am Fuße des Thurmes herum wand.

Ja, es war so, wie Eugen gesagt. Dort senkte sich der Weg hinab zu einem schattigen Grunde, der mit hochstämmigen Bäumen bewachsen war.

Der lustige Rath trat kopfschüttelnd und lächelnd an die Seite seines Freundes.

Eugen blickte in das Thal hinab, das sich weit, weit hinaus, rechts von ihnen, mit dem flachen Lande zu vereinigen schien. Die beiden Höhenzüge – der, auf welchem das Schloß stand, und der andere, von dem sie gestern Abend herabgestiegen waren – liefen jenseits des Dorfes auseinander und verflachten scheinbar wenige Stunden von da. Es mußte ein fruchtbares Land sein, das Thal zwischen diesen beiden Höhenzügen. Da erblickte man große Strecken mit Kornfeldern und unendliche Wiesen, auf welchen man hier, wie aus der Vogelperspektive, das zwerghafte Treiben der Menschen sah, wie sie mit Pferd und Wagen hinauszogen, wie sie hier Haufen des duftigen Heues zusammen trugen, dort das frische Gras erst niedermähten. Die letztere Arbeit konnte man deutlich erkennen an dem Blitzen der Sensen, wenn sie so gehalten wurden, daß ein Sonnenstrahl darauf fiel.

Zu ihren Füßen lag die Kirche und das Dorf, und sie sahen es wie heute Morgen, nur von einer anderen Seite; aber es war durch die Gleichheit der Dächer und der Schornsteine fast ganz dieselbe Ansicht. Dort war auch das Wirthshaus, die wilde Rose, von der Sonne hell beschienen, welche lustig in den vielen Fenstern glänzte. Auf der Terrasse sah man Leute, und die Frau Rosel saß vor der Hausthüre.

*

Eine Entdeckungsreise.

»Siehst du dort den Weg, wie ich ihn dir beschrieben?« rief Eugen, als er nun wieder herabgestiegen war. »Gib nur Achtung, es trifft Alles genau zu, wie ich dir gesagt.«

»Ich muß dich in der That bewundern,« entgegnete Herr Sidel mit vielem Ernste; »und sowie wir dort in jenem kühlen Grunde die mächtige Eiche erreicht haben, werde ich mich bemühen, einige Zweige davon abzubrechen, um dir, wie es in alten Zeiten der Brauch war, den wohlverdienten Seherkranz zu winden.«

So gingen sie mit einander fort, und es war in der That so, wie Eugen vorausgesagt. Zuerst führte der Weg sie abwärts zu jenem kleinen Thale, wo unter uralten Buchen und Eichen eine kleine Quelle aus den Felsen hervorrieselte und, abwärts eilend, zwischen dem dunkelgrünen feuchten Moose, zwischen den Farrenkräutern und Wasserpflanzen verschwand. Dann wandte sich der Pfad um den Berg herum, und nachdem sie hierauf eine gute halbe Stunde empor gestiegen waren, sahen sie das Schloß dicht über sich und vor sich liegen.

Der Weg führte sie zu einer kleinen Pforte, welche bis vor eine vorgeschobene, tiefer liegende Terrasse ging. Diese Pforte stand offen, und auf einer steinernen Treppe hinter derselben gelangten sie auf die Höhe jener Terrasse. Hier war Alles sorgfältig gehegt und gepflegt und auf's Beste erhalten. Feiner Sand bedeckte den Boden; neben zierlich angelegten Blumenbeeten wuchsen hohe Waldbäume, um deren Stämme Ruheplätze angebracht waren, und Alles hier zeigte eine schaffende, ordnende Hand. An einer zweiten, höher liegenden Terrasse, die an diese stieß, wuchsen Epheu, wilde Reben und Schlingrosen, und die verschiedenen Aeste und Zweige dieser Pflanzen waren künstlich geordnet und befestigt.

Zur zweiten Terrasse führte eine ähnliche Treppe wie zur ersten, und da die beiden Freunde Niemanden fanden, der ihnen den Eintritt verwehrt hätte, auch die kleine Pforte hier ebenfalls offen stand, so stiegen sie hinauf und sahen nun einen Theil des Schlosses vor sich liegen. Die Terrasse hier war ebenso angelegt, wie die untere, nur daß die hohen Bäume, welche die Aussicht benommen hätten, fehlten, und statt derselben zwischen Blumenbeeten und Gestellen mit duftigen Topfpflanzen überall kleine Partieen der seltensten und mannigfaltigsten Gesträuche waren, zwischen denen sich der Weg hindurch wand.

Das Schloß erschien auch hier als ein stattliches und gewaltiges Gebäude; doch war man zu nahe, um auch nur einen Theil desselben genau übersehen zu können. Hier lag vor dem Blick ein Theil des Gebäudes neben dem anderen, und eines erhob sich wieder über dem anderen. Da waren flache Dächer mit Terrassen und Zinnen neben hohen Giebeln, und zwischen zwei schlanken Thürmen wölbte sich ein gothischer Bogen, der offenbar einem dahinter liegenden Zimmer zum Balkon diente. Eine schwere Steinbalustrade schloß den Bogen von vorn, und hier sah man die ersten Zeichen, daß das Schloß bewohnt sei. Auf diesem Balkon befand sich ein Blumentisch mit zierlichen blühenden Gesträuchen, daneben stand ein kleiner Tisch mit einem Lehnsessel, auf der Balustrade selbst lag ein Buch, und neben demselben hing ein Damenshawl herab in röthlicher Farbe, was zwischen den grauen, gewaltigen Steinmassen dem Auge angenehm und wohlthuend erschien.

»Jetzt müssen wir Achtung geben,« sagte der lustige Rath, »und auf jeden Fall mit der Hand bereit sein, nach unseren Hüten zu fahren; denn ich bin fest überzeugt, im nächsten Augenblicke wird uns irgend ein knurrender oder murrender Cerberus in den Weg springen und uns fragen, warum wir uns zur Hinterpforte hereingeschlichen, statt den Haupteingang zu wählen, wie es anständige Fremde sonst zu thun pflegen.«

»Die Beantwortung einer solchen Frage,« entgegnete Eugen, »scheint mir sehr leicht zu sein; wir mieden den hellen, sonnenbeschienenen Fahrweg, wir schwangen uns durch der Wälder Dickicht hinauf, und als uns an der Hinterpforte kein »verbotener Eingang« entgegen glänzte, so traten wir unangemeldet ein. Aber es ist doch merkwürdig, was das Schloß öde und leer erscheint, und was dagegen Alles gut erhalten aussieht, so wohnlich, wie ich noch nie ein solches Gebäude erblickte. – Sieh die Fenster mit ihren ungeheueren Scheiben, alle die kunstreichen Gitter am unteren Stockwerk unverletzt, da fehlt kein Blatt, kein Schnörkel. Dann die Zinnen auf den Mauern: Alles gut erhalten; ebenso die Dächer mit ihren phantastischen Rinnen, aus welchen fabelhafte Ungethüme aller Art das Regenwasser speien; vor allen Dingen aber die zierlichen Terrassen. Ich sah nie etwas Lieblicheres und Angenehmeres, als namentlich die untere mit ihren dicken, schattigen Bäumen.«

Der Weg, den beide Freunde unter diesen Worten verfolgten, führte um einen runden Eckthurm herum, der am Ende der Terrasse zu stehen schien; und so war es denn auch. Die Schutzmauer der letzteren stieß hinter dem Thurme an das Mauerwerk, sich auf diese Art abschließend, und ließ nur Platz zu einem kleinen Thore, das zwischen Thurm und Mauer durch einen breiten und dunkeln Bogen in das Innere des Schloßhofes führte.

Derselbe war mit breiten Steinen gepflastert, und von dem großen Thore, welches die Beiden zur Rechten liegen sahen, führte ein breiter, mit Kies bedeckter Weg nach dem gegenüber liegenden Haupteingange. In der Mitte des Weges und des Schloßhofes war ein runder Platz, der offenbar die Bestimmung hatte, den Equipagen zum Ausweichen zu dienen. In der Mitte desselben erhob sich ein marmorner Brunnen mit zwei übereinander liegenden Schalen, deren oberste einen kleinen Wasserstrahl in die Höhe sandte. Dieser Brunnen mit seinem murmelnden, plätschernden Wasser belebte den Hof auf die angenehmste Weise. Um das Marmorbassin herum standen Sträucher und Blumen, ebenso wie an allen Thüren, die in den Hof mündeten, was den vier grauen hohen Steinmauern ein äußerst angenehmes und freundliches Ansehen gab. Fenster sah man keine hier heraus, wohl aber zwei Reihen sehr kunstreicher Arkaden, welche um alle vier Mauern herum liefen und den ersten und zweiten Stock zu bezeichnen schienen, auch zugleich für die Zimmer derselben als Verbindungsgänge dienten.

An einer der Thüren, links von dem kleinen Thore, durch welches die beiden Freunde eingetreten waren, bemerkten sie nun die ersten lebendigen Wesen. Das war ein Reitpferd, ein Jagdhund, ein Stallknecht und ein alter Herr, welche, jedes auf seine Art, beschäftigt waren. Der Hund spitzte die Ohren und sah die Eintretenden überrascht und neugierig an, das Pferd wandte den Kopf mit einem leisen Wiehern herum, wahrscheinlich nach den Ställen, wo sich seine Kameraden befanden. Der Knecht hielt es am Zügel und mochte dem alten Herrn etwas gesagt haben, welcher ihn aber nicht zu hören schien, indem er in diesem Augenblicke die beiden Fremden ansah, die so plötzlich durch das Thor und vor seinen Blick traten.

Eugen trat auf den alten Herrn zu, nahm freundlich grüßend seinen Hut ab und bat um Entschuldigung, so ohne Erlaubniß eingetreten zu sein. »Mein Freund und ich,« sagte er, »haben, wie es scheint, den Hauptweg zum Schlosse verfehlt, und erlaubten uns, zu der Hinterthüre einzutreten. Jetzt aber, da wir einmal oben sind, bitte ich, uns gestatten zu wollen, dieses schöne Schloß und seine Umgebungen etwas näher zu betrachten.«

Der alte Herr, der, dem Aeußern nach zu urtheilen, ein Verwalter oder Rentamtmann sein mußte, blickte die beiden Fremden mit klaren, freundlichen Augen fest an; dann zog er eine Sammtkappe von grüner Farbe, die er auf dem Kopfe hatte, höflich grüßend herunter und erwiderte, es mache ihm ein außerordentliches Vergnügen, ihnen diese Erlaubniß zu ertheilen, und wenn sie später auch das Innere des Schlosses zu sehen wünschten, bäte er nur, sich diese Thüre zu merken, hinter welcher sie zur Linken im Korridor sein Arbeitszimmer finden würden.

Der alte Herr hatte etwas so außerordentlich Angenehmes und Vertrauliches in seinem Wesen, sein Haupt war mit schneeweißem Haar bedeckt, und nachdem er die eben angedeuteten Worte gesagt, grüßte er nochmals auf eine liebenswürdige, herzliche Art.

Eugen und der lustige Rath schritten quer über den Hof dem Haupteingange zu, und als der Erstere sich nicht enthalten konnte, – er wußte selbst nicht, warum – nochmals nach dem alten Herrn umzuschauen, sah er, wie dieser noch an der Thüre stand und den beiden jungen Leuten ebenfalls nachzublicken schien.

Hatten diese auf jenen beiden Terrassen die freundliche, heitere, der Sonne zugekehrte Seite des Schlosses gesehen, so bemerkten sie jetzt, nachdem sie das Hauptthor hinter sich hatten, die nördliche, ernste und gewaltige. Hier war ein tiefer Graben in den Felsen gesprengt, über welchem an schweren Ketten die Zugbrücke hing. Die dicken Mauern und Thürme neben dem Thore, über welchem in Stein gehauen ein riesiges Wappen zu sehen war, lagen im tiefsten Schatten; um so reizender aber war von hier aus der Blick in das sonnenbeschienene, helle und glänzende Thal zu ihren Füßen. Die beiden setzten sich einen Augenblick auf das Geländer der Brücke und verloren sich so recht im Anschauen des lieblichen Bildes.

Das Dörfchen Schloßfelden war von diesem Punkte aus kaum sichtbar; nur der Kirchthurm ragte empor, und ein paar von den letzten Häusern, sowie das Wirthshaus zur wilden Rose; aber was man von dem Dorfe auch sah, lag ebenfalls im Schatten, dunkel, in tiefe Farbentöne getaucht, aber duftig am Fuße der gegenüber liegenden Bergwand, deren obere Theile jetzt von der Sonne hell beschienen wurden. Aus den Häusern drunten stieg hie und da Rauch auf, der tief unten violett gefärbt erschien, dann immer heller wurde und zuletzt, wie er das Sonnenlicht erreicht, glühend und durchsichtig erschien.


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