Friedrich Wilhelm Hackländer
Namenlose Geschichten - Erster Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Zehntes Kapitel. Aus dem Marstall.

Es mochte drei Viertel auf Acht sein, als Joseph die beiden Schimmel Pluto und Tibull abermals in ihren Ständern herumdrehte und zum Einspannen fertig machte.

Der Stall hatte ein ganz anderes Aussehen, als heute Nachmittag; viele Laternen, die von der Decke herab hingen, beleuchteten den langen Gang ziemlich hell, und man sah jetzt wenigstens ebenso viel, wie am Tage; denn die kleinen Fenster ließen kein überflüssiges Licht herein. Die Pferde hatten soupirt, und unter ihnen war frisches Stroh geschüttet, in welchem ihrem Bette sie so recht behaglich standen und herumtrampelten. Hie und da wandte eins den Kopf herum und sah mit seinen leuchtenden Augen nach den Laternen, deren Licht sich in denselben wiederspiegelte; manches wälzte sich auch schon behaglich in seinem Strohlager und sah äußerst vergnügt den armen Collegen zu, welche eingeschirrt dastanden, um in Nacht und Schnee hinaus zu gehen.

Es war diesen Abend viel mehr Leben, viel mehr Spektakel in dem Stall, als heute Nachmittag; auch eine Menge Kutscher liefen umher oder schirrten auf, dort wurde den Pferden laut zugerufen, hier wieherte ein Hengst, der neben seinen Gefährten zurückbleiben mußte, dort zog einer der Stallleute den Rock an und kämmte sich vor einem handgroßen Spiegel den Backenbart. Auch sah man diesen Abend in der Stallgasse viel weniger Pferdeschweife, aber desto mehr Köpfe, indem fast ein Drittel sämmtlicher Pferde zum Einschirren bereit standen; – bei so einem großen Ball sind eine Menge Equipagen nothwendig und der ganze Hof bedient sich derselben, einschließlich der Kammerherren und Adjutanten, wenn sie auch Pferde selbst genug im Stall stehen haben.

Joseph stand neben seinen Schimmeln und war eben beschäftigt, an dem Kopfzeug Tibull's den Kehlriemen zuzuschnallen, und zog über dem Stirnband das lange, weiße Haarbüschel herunter. »Ich möchte doch wissen,« sprach er zu sich selber, »was der alte Baron von mir will! Wenn der Lukas ein Kerl wäre, der überhaupt zu so dummen alten Spässen aufgelegt wäre, so würde ich glauben, er wolle sich einen mit mir machen; aber den alten Jäger habe ich nie lachen sehen; er schaut beständig mit einem so finsteren Gesicht in die Welt, daß man darauf schwören kann, ihm fällt's nie ein, einen alten schlechten Witz zu machen. Nun, will schon sehen, was man von mir will.«

In der Stallgasse wurde unterdessen bedeutend gelärmt, auch mitunter gejubelt, und allerlei Witze und lautes Lachen erscholl in diesen sonst so stillen Räumen. In der Mitte des Ganges ging eine sehr dicke Gestalt auf und ab, die Hände auf den Rücken gelegt, in blauem, bis unter den Hals zugeknöpftem Livreerock; derselbe war von Farbe und Schnitt wie alle übrigen, nur hatte er an dem Kragenrande eine schwere Goldborte. Die Beine dieser Gestalt waren zum Unterschiede von den übrigen Stallleuten mit langen, blauen Beinkleidern versehen, auch trugen sie Stiefel ohne Sporen.

Wo sich aber in der Stallgasse der dicke Mann sehen ließ, da sank das laute Sprechen zum leisen Flüstern herab und das Lachen zu mühsam unterdrücktem Kichern; auch langten die Meisten ehrerbietig an ihren lakirten Hut, wenn er würdevoll vorüberschritt, und die Stallungen standen in solchem Augenblicke bolzgerade in den Ständern der Pferde, wo sie gerade einschirren halfen.

Dieser Mann war auch eine außerordentlich wichtige Person im Staate, es war der Oberkutscher, Herr Mundels, und er allein hatte das Vorrecht, die Allerhöchsten Personen zu fahren – er war nämlich Leibkutscher des Königs und vollkommen mit sich darüber einig, daß sein Amt wichtiger als das einer jeden der obersten Hofchargen sei; war es doch z. B. nur bei ganz großen und feierlichen Gelegenheiten so einem Hofmarschall vergönnt, mit seinem Stabe vorauszutreten, und konnte sich auch diese Charge nicht rühmen, vor dem König bedeckten Hauptes sitzen zu dürfen, wohl aber der Oberkutscher. Wie feierlich und würdig schaute er von seiner reichgestickten Bockdecke herunter, wie wohl that es ihm, wenn Jeder, der nur von Weitem die dicke Gestalt mit dem Zügel in der Hand da oben erblickte, stehen blieb und ehrerbietig an den Hut langte, wie war er so voll Ehre, wenn er, freilich etwas mühsam, auf seinen Sitz hinaufkletterte! Ja, Herr Mundels, der im gewöhnlichen Leben der leutseligste und freundlichste Mann war, machte ordentlich ein ernstes, ingrimmiges Gesicht, wenn er, den dreieckigen Hut quer auf den Kopf gedrückt und die Peitsche majestätisch auf den rechten Schenkel gestützt, da oben saß. Wie ehrfurchtsvoll langte aber auch der Leiblakei an seinen Hut und ersuchte ihn, ob er so freundlich sein wolle, da- und dorthin zu fahren!

Als er heute Abend so in der Stallgasse herumspazierte, hätte man ihn für einen alten Ritter halten können, der eben im Begriffe ist, sein Schlachtroß zu besteigen und Alles vor sich nieder zu werfen, so feierlich und festen Fußes schritt er einher, den Kopf hoch erhoben und im stolzesten Selbstbewußtsein frei um sich schauend. Sein Page, in Gestalt eines kleinen Stalljungen, ging Schritt für Schritt hinter ihm drein und trug ihm Helm und Lanze, das heißt: den dreieckigen, goldbordirten Hut und die mächtig lange Peitsche mit dem Elfenbeingriff.

Jetzt wurde dem Oberkutscher gemeldet, daß für ihn eingespannt sei, worauf er langsam zur Thür hinausschritt, eilfertig gefolgt von den andern Kutschern, welche, ihre Pferde an der Hand, ihm folgten, auch Joseph mit Pluto und Tibull.

Dieses Mal waren in der Remise sämmtliche Thüren geöffnet, und aus allen schauten die Wagendeichseln hervor; das sonst so finstere Gelaß sah jetzt mit den vielen Wagenlaternen wie illuminirt aus und bot einen freundlichen Anblick dar.

Nachdem der Oberkutscher aus den Händen seines Pagen Helm und Lanze empfangen und sich auf seinen Bock geschwungen hatte, fuhr er langsam und feierlich davon, ebenso Joseph mit dem Gespensterwagen und die übrigen alle, worauf sie sich nach allen Richtungen zerstreuten und bald die Remise so dunkel ließen, wie früher.

Die Stallthüre wurde geschlossen, und wir sind überzeugt, daß die Stallwache, sich außerordentlich freuend, bei dem nassen Schneewetter hier bleiben zu können, sich abermals auf einen Strohhaufen warf und abermals anfing, das Schwalbenlied zu pfeifen.

Jean hatte Recht gehabt: die erste Hofdame fuhr allein auf den Ball und ließ außerdem, ehe sie herunter kam, ihren Wagen noch eine kleine Weile warten, so daß Joseph, als er zum Palais des Prinzen Eugen hinauf fuhr, schon seinen sämmtlichen Collegen begegnete, die von dort zurückkamen. Als er nun zum zweiten Male vor das Schloß fuhr und wieder zum Palais hinauf und dann in die Remise zurückkehrte, waren die andern Wagen schon alle wieder ausgespannt, und er befand sich in dem dunklen Raum allein, da auch Jean schon am Palais sich eilfertig entfernt hatte.

Joseph hatte kaum die Stränge gelöst und die Aufhalter los geschnallt, als er das dumpfe, leise, zitternde Rollen eines leichten Broughams vernahm und jetzt die beiden Laternen dieses Wagens sah, der auf einmal an der Schloßecke hielt; er hörte den Schlag öffnen und sah, wie ein Herr, in einen Mantel gewickelt, sich der Remise näherte.

Eine Stimme sagte: »Ist es Joseph?« und der Kutscher trat vor.

»Es freut mich, daß Ihr Wort gehalten,« sagte der Baron Karl, denn er war es, und zog den Kutscher mit sich in das Innere der Remise; »ich glaube, ich kann mich auf Euch verlassen.«

»Was ich verspreche, gnädiger Herr,« entgegnete Joseph, »daran pflege ich ein für allemal nichts zu ändern, und es muß mir eine Ehre sein, von einem Herrn wie Sie ausgesucht zu werden.«

»Ihr seid ein gescheidter Mensch,« fuhr der Baron fort, »und werdet mich verstehen.«

»Was das Gescheidtsein anbelangt,« sagte der Kutscher, »so will ich mich allenfalls dazu verstehen, wenn es in mein altes Geschäft hineinschlägt, wenn ich damit dienen kann und es nicht gegen die alte Stallordnung anstößt, recht gern!«

»Ihr sollt mir einen Gefallen erzeigen,« entgegnete der Baron; »es ist durchaus nichts Unrechtes, was ich verlange, und es liegt in Eurem Geschäft.«

»Nun, wenn etwas mit Peitsche und Zügel auszurichten ist und sonst keinen alten Hacken hat, da will ich einmal hören.«

»Ihr holt heute Abend die Hofdame, Frau von C., vom Balle ab?«

»Allerdings um zwölf Uhr, und auch das alte Hoffräulein.«

»Wen, altes?«

»Bitte um Entschuldigung, wollte sagen das Hoffräulein auch von dem alten Balle, Punkt zwölf Uhr, das heißt, etwas später, da ich zweimal fahren muß.«

»Ganz recht, ganz recht! Und wenn Ihr mit dem Hoffräulein zurückkommt, so könnte es Euch ja in der Nähe des Triumphbogens passiren, daß eines von Euren Pferden sich einen Stein in das Hufeisen träte; was man in dem Falle thut, wißt Ihr ja.«

»Ah ja!« sagte der Kutscher, und ein leichtes Lächeln flog über sein Gesicht.

»So wie Ihr also am Triumphbogen merkt, daß das Handpferd einen Stein im Hufe hat, so ...«

»Halte ich an,« sagte Joseph, »und klopfe den alten Stein wieder heraus, ich verstehe.«

»Ganz recht! Zu lange wird das Herausklopfen nicht dauern,« fügte der Baron hinzu; »und wenn man in dem Wagen ungeduldig wird, wird man es Euch schon sagen.«

»Verstanden,« antwortete der Kutscher; »ist das Alles?«

»Vor der Hand, ja,« entgegnete der Baron und näherte zu gleicher Zeit seine Hand der des Kutschers, wo er etwas hineingleiten ließ.

Joseph sträubte sich anfänglich, die Geldstücke zu nehmen, und hielt den Baron, der sich aus der Remise entfernen wollte, am Mantel fest.

»Laßt nur gut sein, Joseph,« sagte dieser, »eine Kleinigkeit! Oder wollt Ihr sonst noch etwas sagen?« fügte er hinzu, als ihn der Kutscher nicht los ließ.

»Verzeihen Sie, Herr Baron,« sagte Joseph, »aber ich hätte allerdings noch etwas zu bemerken; ich wollte nämlich nur fragen, ob auch dem Hoffräulein ein Gefallen damit geschieht, wenn ich sie an dem alten Triumphbogen mitten in der Nacht auf einmal halten lasse, ich kann es wahrhaftig nur in dem Falle thun, wenn es ihr recht ist, und das werden Sie mir in Wahrheit sagen.«

»Unbesorgt,« sagte der Baron, »es geschieht mit ihrem Willen – nun was weiter?«

»Dann möchte ich noch wissen,« fuhr der Kutscher pfiffig lächelnd fort, und faßte zur Entschuldigung, daß er den ungeduldigen Cavalier so lange aufhielt, ehrerbietig mit der Hand an seinen lackirten Hut, »dann wollte ich also nur noch wissen, wenn die alte Hofdame da oben die Geschichte zufällig einmal erfahren sollte, ob es sie auch vielleicht recht freuen würde.«

»Im Gegentheil,« lachte der Baron, indem er davonsprang, »die würde kein sonderliches Gefallen daran haben.«

»Ganz gut,« sagte der Kutscher, »Tibull soll sich einen mächtigen Stein in den alten Huf eintreten.«

Draußen rollte der Brougham davon, und Joseph trat an seine Wagenlaterne, öffnete behutsam seine Hand und sah mit wirklich außerordentlichem Erstaunen, daß er vier Dukaten in derselben hielt; doch mochte die Größe dieser Summe daran Schuld sein, daß er auf den Gedanken kam, es könne für so viel Geld unmöglich etwas Anderes als etwas sehr Unrechtes von ihm verlangt werden, weßhalb er sich die Sache hin und her überlegte und zu Beruhigung seines Gewissens endlich vollkommen mit sich im Klaren war, daß es durchaus nicht gegen die Stallordnung und gegen den königlichen Dienst verstoße, an dem alten Triumphbogen einen Augenblick zu halten.

»Was ich versprochen, werde ich thun,« sagte er zu sich selber, »aber etwas Anderes geschieht unter keiner Bedingung; die alte Wagenthür darf mir nicht geöffnet werden, und es darf Niemand hinein, und es darf Niemand heraus.«

Ihm schwebte etwas von einer gewaltsamen Entführung vor, und in Folge dessen beschloß er, daß unter gar keinen Bedingungen die Wagenthür geöffnet werden dürfe.

»Der Teufel auch,« sagte er, »das gäbe eine saubere alte Geschichte, wenn sie mir das Hoffräulein wegnähmen, und es hieße am andern Morgen: Der Joseph, der Esel, ist mit einem leeren Wagen nach Hause gekommen! Daraus wird nichts! Und was das Geld anbelangt,« fuhr er in seinem Selbstgespräch fort und besah die vier funkelnden Goldstücke, »so ist es besser, ich behalte für meine Person nichts davon. Dieß da,« er schob ein Stück in die linke Westentasche, »ist für die alte Frau, 's ist da so gut angelegt, als wenn ich es in die Armenbüchse thäte; dieß da,« er schob zwei Stück in die rechte Westentasche, »ist zur Collekte für das arme Kind, und für den letzten Dukaten werde ich heute Abend in der Kutscherstube einen capitalen Punsch aufwichsen; ich bin das meinen Kameraden schuldig, denn jeder von ihnen hätte eben so gut wie ich zufällig den alten Gespensterwagen heute Abend fahren und das Geld ebenfalls verdienen können. Abgemacht! Komm, Pluto!«

Damit warf er die Zügel über die Schulter, nahm die Peitsche in die Hand und zog in den Stall.

Bald waren die Pferde ausgeschirrt; Joseph steckte die Hände in die Taschen und ging in die Stadt hinaus, um augenblicklich die Ingredienzien zum erwähnten Punsch einzukaufen.

Wie naß war es auf den Straßen, wie fegte der Wind und rasselten die wenigen alten Straßenlaternen, die noch hier und dort hingen und trübselig roth brannten! Wenige Leute waren in dem Wetter draußen, und diese Wenigen eilten, in Mäntel eingehüllt, rasch ihres Weges oder balancirten mühsam die durch den Sturm rebellisch gewordenen Regenschirme.

Der Kutscher mußte lachen, als er vor sich her einen Mann gehen sah, der mit seinem ohnehin defekten Regenschirm alle möglichen Versuche machte, sich vor der Nässe zu schützen und dem Sturme Trotz zu bieten. Bald drehte er das hellbraune, vor Alter verschiedenartig gestreifte Dach links, bald rechts, hob es jetzt hoch empor und senkte es dann auf seinen Kopf, wobei er bald aussah, wie ein wandernder Pilz, und jetzt, als er sich ganz niederduckte, um eine vom Regen angeschwollene Rinne zu überspringen, und dann wieder, vom Winde geweht, rechts fuhr und darauf wieder links, wie eine wahnsinnig gewordene Schildkröte.

Der unglückliche Träger des unglücklichen Regenschirms, der sich noch zu guter Letzt durch einen außerordentlichen Windstoß verzweiflungsvoll überschlug und wie um Barmherzigkeit jammernd seine früher abwärts gekehrten Spitzen nun wie eben so viel Arme aufwärts gen Himmel streckte, trat zu gleicher Zeit in den Laden des Spezereihändlers.

Wie lachte der Kutscher, als er nun in das Gesicht des Regenschirmmannes sah und auf die ärmlichen Kleider desselben, an welchen das Wasser heruntertröpfelte! Doch lachte Joseph nicht aus bösem Herzen oder aus Schadenfreude, sondern weil er sich freute, in dem Durchnäßten einen alten Bekannten zu finden, und weil er merkte, daß derselbe trotz des schauerlichen Wetters in einem dünnen schwarzen Frack sich befand und daß er gelbe nasse Glaçehandschuhe anhatte und daß der eine seiner Vatermörder schlaff herabhing und der andere hoch aufgerichtet dastand, als fordere er die ganze Welt zur Rechenschaft auf über die Niederlage seines leblos hingesunkenen Kameraden.

Dem Durchnäßten war nicht wohl zu Muthe; er blickte mit einer Jammermiene auf seinen zerstörten Schirm und auf seine ruinirte Toilette, und der Kutscher mußte alle möglichen Trostgründe aufsuchen, ehe es ihm gelang, auf dem blassen Gesicht des Andern ein leichtes Lächeln hervorzurufen.

»Nehm' Er's mir nicht übel, Dubel,« sagte Joseph immer fort lachend, »aber Er sieht so komisch und defekt aus, so einer nassen alten Katze ähnlich, daß man Ihn unmöglich ohne Freuden ansehen kann! Was hat Er denn zum Teufel in dem alten Hundewetter auf den Straßen herum zu laufen, und obendrein in dem alten schwarzen Frack? Ich glaube gar, Er will auf den Hofball, he? alter Suitier!«

Der Schneider mußte bei dieser Anrede ebenfalls mitlachen, und seine feurige Phantasie spiegelte ihm vor, es könne einem Cavalier, der wirklich zum Hofball gehe, ebenfalls ein solches Unglück zustoßen; doch beschatteten sich gleich darauf seine Züge wieder und er stieß einen schweren Seufzer aus.

»Hatt' Er heute Abend was vor, alter Dubel?« fuhr der Kutscher fort; »ich glaube wahrhaftig, Er war auf dem Wege zu einem alten Rendezvous, he! hab' ich's getroffen?«

Der Herr Dubel erhob sein niedergeschlagenes Auge, und der schmerzlich lächelnde Blick, mit dem er den Kutscher ansah, sagte mehr als tausend Worte, daß das unerbittliche Regenwetter wirklich eine der schönsten Hoffnungen des Schneiders vernichtet.

»O Gott!« seufzte er, »was soll sie – was soll man, wollte ich sagen, von mir denken?«

»Also wirklich so ein altes Rendezvous?« lachte der Kutscher, »Dubel, Dubel, Er ist ein Himmelsakermenter!«

»Ach, geht mir weg, Joseph,« entgegnete der Schneider, »man kann so was nicht gleich Rendezvous nennen! sagen wir: eine Einladung in ein höchssss-t anssss-tändiges und achtbares Haus, wo sich allerdings eine junge Dame befindet, die mir gewissermaßen eine Erkenntlichkeit schuldig issss-t, ein sehr anssss-tändiges Haus.« – Dabei machte er den vergeblichen Versuch, den herabhängenden Vatermörder sanft aufzurichten.

»Jetzt ist aber diese Einladung,« antwortete der Kutscher, »aus lauter Wasser zu Wasser geworden, und ich will Ihm was sagen, alter Dubel: so kann Er in das anständige Haus nicht gehen, also weiß Er was, komm' Er mit mir in den Stall; ich will hier eben das Nöthige zu einem tüchtigen Punsch einkaufen, und da kann Er mithalten, 's ist besser so; in dem anständigen Hause bekommt Er doch nur Thee zu saufen, und kann auch an einem andern Abend hingehen. Komm' Er nur mit! ich geb' Ihm da meinen alten Mantel, und da kann Er Seinen Frack zum Trocknen an den Ofen hängen.«

Der Schneider stellte den rechten Fuß zierlich vor den linken, erkundigte sich, wie viel Uhr es sei, und versank, indem er die Hände auf den Rücken legte, einen Augenblick in tiefes Nachdenken. Wollte man der Wichtigkeit seiner Mienen glauben, so konnte man voraussetzen, er spräche ungefähr folgender Maßen zu sich selber: 's ist jetzt halb Neun; bis ich zu Hause bin, ist es Neun; meinem Kammerdiener gab ich die Erlaubnis, auszugehen, mein Kutscher, der Schlingel, ist im Wirthshaus; ehe ich mich also umkleide, ehe ich durch den Stallbuben einspannen lasse, ist es halb Zehn; nein, nein, das geht nicht! ich komme auf jeden Fall zu spät! Und nachdem der Schneider also gedacht, entschloß er sich, von seiner hohen socialen Stellung herab zu steigen und im Kutscherzimmer des königlichen Marstalles einen Punsch einzunehmen.

Einige Flaschen Rum, sowie der nothwendige Zucker und Citronen waren bald gekauft, und die Beiden traten ihren Rückweg an.

Der Herr Dubel machte keinen weitern Versuch, mit dem widerspenstigen Regenschirm gegen Wind und Wetter zu steuern, und langte aus diesem Grunde so ziemlich bis auf die Haut durchnäßt in dem warmen Kutscherzimmer an, wo er sich behaglich an dem Ofen niederließ und seinen dünnen Frack mit dem dichten Mantel vertauschte.


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