Friedrich Wilhelm Hackländer
Namenlose Geschichten - Erster Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Drittes Kapitel. Unter dem Stadtgraben.

Die Frau, welche bei dem großen Jammer der Lampenanzünderinnen plötzlich erschien und vor denselben ihren festen, aber eiligen Schritt anhielt, war die ehrsame Wittwe eines königlichen Hofkutschers, der in seinen besten Jahren das Zeitliche gesegnet und die Frau mit drei kleinen Kindern zurückgelassen hatte.

Da die Besoldung des Kutschers von jeher nicht groß zu nennen war, auch derselbe bei dem stundenlangen Sitzen auf dem Bock, wenn er bei Bällen, Concerten und dergleichen in bitterkalter Nacht aus seine Herrschaft zu warten hatte, von dieser kleinen Besoldung ein Erkleckliches verwenden mußte, um sich Behufs innerer Erwärmung etwas Geistiges anzuschaffen, so kann man sich leicht einbilden, daß der Frau von den Ueberbleibseln des Gehaltes nicht viel zu gute kam, weßhalb sie ein einträgliches Geschäft, das sie von ihrer Mutter überkommen, sorgsam beibehielt und möglichst ausdehnte. Dieses Geschäft bestand in dem Besorgen der Wäsche für die Gesandtschaften und andere große Häuser der Stadt.

Frau Welscher hatte ihren Mann, den Hofkutscher, eigentlich nur zum Staat geheirathet, und es ließ sich auch in den ersten Jahren ganz gut an, wenn die junge hübsche Frau mit dem stattlichen Manne in glänzender Livree Arm in Arm dahin wandelte.

Sie hatten drei Kinder miteinander, als der Mann starb, und der Frau blieb von ihm nichts übrig, als das Andenken an manchen guten und manchen bösen Tag, die sie mitsammen verlebt, sowie die Kundschaft einiger Hofdamen, die der selige Kutscher Welscher beständig gefahren und in welch' angestrengtem Dienst er sich, so behaupteten nämlich seine Kameraden, den frühen Tod geholt; denn so eine Hofdame läßt nicht mit sich spassen und spaßt auch nicht mit ihrem Kutscher und ihren Pferden, und wenn Nachts alle Geschöpfe zur Ruhe gegangen sind, wenn sogar Wachposten und Nachtwächter einnicken, so hört man gewiß noch eine verspätete Equipage auf dem Pflaster rasseln – einen Hofdamenwagen.

Frau Welscher hatte sich bei ihrem Geschäft und durch den Umgang mit vornehmen Leuten oder doch mit deren Kammerdienern und Kammerjungfern einen gewissen Grad von Bildung angeeignet, die sonst Leute ihres Ranges nicht besitzen; hierdurch, sowie durch einen außerordentlich rechtlichen und ehrsamen Lebenswandel hatte sich die Frau nicht nur in dem Hause, wo sie wohnte, sondern im ganzen Stadtviertel, wo dieses Haus lag, ein größeres Ansehen erworben, als selbst der Polizei-Commissär besaß. Sie wohnte in dem alten Kapuzinerkloster und war bei häufig vorkommenden Streitigkeiten der Nachbarschaft eine vollkommen competente richterliche Behörde, und wer bei einem Streit von ihr Unrecht bekam, der mochte sein Urtheil in aller Geduld hinnehmen, denn eine Appellation dagegen würde ihm die ganze Nachbarschaft für ein Majestätsverbrechen ausgelegt haben.

Dieses Ansehen nun, in welchem die Waschfrau stand, äußerte sich auch bei ihrem Erscheinen sogleich auf die heulenden Lampenanzünderinnen, ja sogar auf den hartherzigen Steinmann. Die Weiber hörten auf zu weinen und eine beeilte sich auf die Frage der Frau Welscher nach dem Spectakel die schreckliche Ursache desselben anzugehen und hinzuzusetzen, auf welch' boshafte und scheußliche Weise der Stadtsoldat ihnen ihre Entlassung mitgetheilt.

Die Waschfrau stemmte den Arm in die Seite, und die beiden Dienstmädchen hinter ihr thaten das Gleiche, es gehörte ihr ganzes Ansehen dazu, die keifenden und lärmenden Weiber zu vermögen, sich ruhig zu verhalten, nachdem sie, wie eine Schaar Gänse durcheinander schreiend, ihre Anklage alle zusammen bekräftigt hatten.

Jetzt aber schwiegen sie mit Einemmal und hoben ihre Laternen in die Höhe, um aus den Gesichtszügen der Frau Welscher zu erfahren, ob sie aus denselben eine Hoffnung schöpfen könnten; natürlicher Weise war dem nicht so, die Waschfrau schüttelte den Kopf und sagte: »Seht, ihr Weiber, da ist nichts zu machen, der Stadtrath ist in seinem Recht; er hat euch angenommen, um die Straßenlaternen anzuzünden und jetzt, da keine mehr anzuzünden sind, wenigstens nicht in der Art wie früher, entläßt er euch und hat sein vollkommenes Recht dazu.«

Ein tiefer Seufzer war die Antwort auf diese Entscheidung, und die Weiber waren von diesem Augenblick an so hoffnungslos, als hätte der oberste Gerichtshof des Landes diesen Ausspruch gethan.

»Ihr könnt nichts thun,« fuhr die Frau fort, »als euch an die Gnade des Rathes wenden, um irgend ein anderes Aemtchen zu erhalten; leider habt ihr keine Aussicht, mit diesem Gesuch von eurem Aufseher, – diesem Menschen da, – unterstützt zu werden; doch Gott ist barmherzig, und wenn ich einer von euch mit meinem besonderen Rathe dienen kann, so wißt ihr alle, wo ich wohne. Ihr aber,« wandte sie sich zum Stadtsoldaten, »solltet Euch in Eure Seele hineinschämen, diese armen Weiber, die mit dem erbärmlichen Lohne oft noch Mann und Kinder ernähren mußten, zu verhöhnen und ihren Abschied sauer zu machen.«

»Vor wem soll ich mich schämen?« grinste der Steinmann, »vor Euch vielleicht?«

»Ja, und vor der ganzen Stadt, die Euch kennt,« sagte die Frau, und die beiden Dienstmädchen setzten laut genug hinzu: »der widerwärtige, häßliche Kerl!«

Der Stadtsoldat wollte alles Ernstes böse werden, doch war er klug genug, sich zu besinnen, daß er in einem Viertel sei, dem nicht zu trauen, und daß es nur ein Wort von der Frau, die vor ihm stand, bedürfe, um ihm den nächsten Besuch unter dem Stadtgraben sehr unangenehm zu machen; auch standen die beiden handfesten Mädchen der Waschfrau so herausfordernd da, ja, sie faßten schon an ihren schweren Körben, um sie auf den Boden zu setzen, was ganz wie eine Vorbereitung zum Kampfe aussah, wie ein: »Macht Euch fertig!« – um bei dem geringsten beleidigenden Worte, das er gegen ihre Frau und Meisterin ausstoßen würde, über ihn herfallen zu können, daß er es für besser hielt, unter verschiedenartigen Drohungen für die Zukunft mit seiner Laterne den Heimweg anzutreten.

Auch die Weiber verabschiedeten sich von der Frau Welscher und gingen still seufzend ihres Weges. Anfänglich wankten die Laternen auf Einem Punkte durch das Gewölbe bis zum Ausgange, die ärmlichen Schuhe schlurften auf dem Pflaster, die Oelmaße klapperten, hie und da hustete Eine schwer auf, und als die Weiber von dem noch heftig strömenden Regen auf's Neue durchnäßt wurden, sagten sie einander wehmüthig gute Nacht und gingen nach allen Richtungen auseinander.

Noch lange sah man die kleinen rothen Lichter in den Straßen umher irren, hörte die schweren Seile der Straßenlaternen niederrasseln und sah manch' blasses, eingefallenes Gesicht, wie es sich bemühte, den halb durchnäßten Docht in dem gläsernen Gehäuse anzuzünden.

Droben aber, in den Fenstern der Häuser, wurden ebenfalls Lichter angezündet, und manch' frohes Kindergesicht drückte in dem behaglichen, warmen Zimmer die Nase platt an das angelaufene Fenster und konnte nicht begreifen, was die Frau an ihrer Laterne so lange zu schaffen habe; der Vater aber, der hinzu trat, sagte: »Nun, das hört glücklicher Weise auf, die ganze Stadt wird sich freuen über das Gaslicht, das wir jetzt bekommen.«

Unterdessen ging die Frau Welscher ihrer Wohnung zu und hatte ein Gespräch angeknüpft mit der Winklere, die nebenher hinkte, um an dem alten Kapuzinerkloster eine Laterne anzuzünden.

»Wie geht's Eurer Kranken?« sagte die Waschfrau, »Ihr könnt morgen eine warme Suppe für sie holen, – was macht die Marie?«

»Ach, Ihr wißt ja noch nicht, – – Gott, das hab ich vergessen,« entgegnete die Winklere und setzte Oelmaß und Laterne auf den Boden, »Gott hab' sie selig, die unglückliche Person! Sie ist heute Mittag gestorben, ich glaube an Entkräftung, denn mit ihrer Schwindsucht hätte sie's noch ein paar Monate ausgehalten; ich hätt' es aber auch gewiß nicht früher sagen dürfen, denn wenn der Steinmann erfahren hätte, daß sie schon heute Mittag gestorben sei, so hätte er mir unbedingt den Lohn für den letzten Tag abgezogen.«

»Die arme Person!« sagte die Frau Welscher weich. »Und wo ist das Kind?«

»Ja, das Kind, das hab' ich bei ihr lassen müssen; ich hab's bei seiner armen Mutter eingeschlossen.«

»Bei der Todten?« fragte erschreckt die Waschfrau.

»Ich konnt's nicht anders machen,« entgegnete die Winklere, »es klammerte sich an das Bett fest und wollte seine Mutter durchaus nicht verlassen; hätt' ich es mit Gewalt hinweggenommen, so hätte das Gezeter und Geschrei des kleinen Mädchens die Nachbarn aufmerksam gemacht.«

»Aber was wollt Ihr heute Nacht machen?« fragte die Frau; »wo soll das Kind bleiben?«

»Ich will es in Gottes Namen in mein Stübchen nehmen und morgen sehen, ob sich mitleidige Seelen finden, die etwas für das Kind thun wollen.«

»Und von dem Vater hat man nichts gehört?« fragte die Waschfrau, »hat er sie so elend zu Grunde gehen lassen, die arme Marie?«

»Ach, daß sich Gott erbarme,« entgegnete die Winklere, »was denkt so ein Herr weiter an ein armes bürgerliches Mädchen, wenn er sie in's Unglück gebracht! Von sich hören lassen? ja, abgereist ist er und hat sie nicht wieder gesehen, und was hat er ihr zurückgelassen? ein paar seidene Kleider, einen goldenen Ring und so etwas Flitterkram.«

»Ich mochte die Marie immer leiden,« sagte betrübt Frau Welscher, »es war ein gutes Geschöpf, eine fleißige Näherin, aber immer etwas leichtsinnig.«

»Ob sie ein gutes Geschöpf war!« sagte die Winklere, und Thränen rollten über ihre Wangen. »Wie hat sie ihr Mädchen, das arme Kind, gepflegt! und sie hat es recht gut erzogen und immer aufgeputzt, wie eine Puppe; ach, daran hat sie sich die Schwindsucht an den Hals und zu todt genäht, Gott hab' sie selig! Und als sie nun endlich auf dem Bett lag und nicht mehr ausgehen konnte und auch am Ende nicht mehr im Bette nähen, und der Armendoctor kam, wie hat sie es da getrieben? Obgleich ihr der Tod in den Augen saß, hat sie ihn nie um ihren Zustand gefragt, sondern nur gesagt: »Das Kind darf doch auch davon nehmen? das arme Kind ist so schwach.« Und denken Sie nur, als er einmal Wein mitgebracht, da mußte die Kleine den Wein trinken, und die arme Creatur sagte, es stärke sie so viel mehr, wenn sie sehe, wie das Kind wieder zu Kräften komme, als wenn sie den Wein selbst trinke; ja, Frau Welscher,« schloß die Winklere ihre Rede und trocknete ihre Augen mit dem Halstuche: »es ist viel Elend in der Welt!«

Die Waschfrau, deren Augen ebenfalls feucht wurden, schien über etwas ernstlich nachzudenken; sie ließ die beiden Mägde in das Haus hinauf gehen und ließ sie droben sagen, sie werde in einer halben Stunde nach Hause kommen; dann besann sie sich noch einen Augenblick und sagte darauf zur Winklere: »Komm' Sie, Frau, wir wollen zu dem armen Kinde gehen, ich will es heute Nacht zu mir nehmen, und morgen wollen wir sehen, was weiter zu machen ist.«

Die arme Lampenanzünderin, welche über diesen Entschluß höchlich erfreut war, versicherte wiederholt, Gottes Segen werde solch' einem edlen Werke nicht fehlen, und so gingen die beiden Frauen dahin durch den Stadtgraben bis an's Ende der andern Straße, wo sie vor einem kleinen, unscheinbaren und höchst ärmlich aussehenden Hause stehen blieben; die Winklere deutete mit dem Finger auf ein Fenster im untern Stock, das gänzlich finster da lag und so niedrig am Boden, daß man daraus abnehmen konnte, das Zimmer, zu welchem dieses Fenster gehöre, müsse mehrere Fuß unter dem Boden liegen; das erste Stockwerk dieses Hauses war, wie es bei alten Gebäuden oft der Fall ist, über das untere hinausgebaut, und dann kam eine zweite, dritte und vierte Etage, und in allen brannte Licht, sogar in dem einzigen Giebelfenster, zu welchem die schneidenden Töne einer Violine in die Nacht hinausseufzten. – – Nur unten war's finster! –

Vor diesem Hause befand sich eine Straßenlaterne, und die Winklere öffnete den kleinen Kasten und ließ sie herab, dann zündete sie das Licht in derselben an, mehr zu sich selber, als zu der Waschfrau sprechend: »Ach, diese Laterne habe ich immer am liebsten angesteckt, ein Licht konnten wir bei aller Sparsamkeit für die arme Person da drinnen nicht herausschlagen, und nun wußt' ich wohl, wie sehr sie sich in ihrem dunklen Zimmer freute, wenn sie mich endlich kommen hörte, sie und ihr Kind, und wenn sie in einem leichten Schlummer lag, dann wachte sie gern auf bei dem Rasseln der alten Laterne und versicherte, es sei ihr ordentlich, als erwärme sich die Stube, wenn die Lichtstrahlen hineinfielen. Sie fielen gerade auf ihr Bett, und wenn Sie durch das Fenster schauen wollten, Frau Welscher, so könnten Sie die arme, todte Person in ihrem Bette liegen sehen.– –Gott! das kleine Kind, es hat mich erkennt, hören Sie, wie es mir ein Zeichen gibt!«

Und die Waschfrau, der es schauderte, durch das Fenster zu sehen, hörte wirklich, wie von innen an die Thür leise geklopft wurde – drei leichte, dumpfe Schläge.

Rasch fuhr die Winklere in die Tasche, holte einen Schlüssel heraus und öffnete die Hausthür, welche zugleich den Eingang zum Zimmer bildete. Es war hier früher einmal ein Laden gewesen, aber die Specereiwaaren verdarben, weil das Gewölbe zu feucht war.

Klopfenden Herzens traten die beiden Weiber in das Gemach, und ein kleines Mädchen von vier bis fünf Jahren lief eilig auf die Winklere zu und verbarg ihr Gesicht in den Falten ihres Rockes. »Ach Frau, ach Frau,« sagte das kleine Wesen, »laßt mich nicht mehr allein, die Mutter lacht nicht und spricht nicht mit mir, freilich ist sie todt, habt Ihr gesagt, und der Kummer habe sie todt gemacht, aber ich habe ihr ja nichts gethan, und mit mir könnte sie doch wohl sprechen.«

»Sei ruhig, mein Kind,« sagte die Winklere; »das kommt Alles wieder.« Und sie trat mit gefalteten Händen und schweigend vor das Bett der todten Mutter.

Die Waschfrau hatte sich vor demselben auf ein Knie niedergelassen und betete leise und innig; das Kind kauerte sich neben sie hin und legte die kalte starre Hand auf seinen Kopf, um die Mutter zu vermögen, ihr durch die dichten Locken zu fahren, was sie in früheren besseren Tagen so oft gethan.

Aermlich war das Gemach über alle Beschreibung, sowie das Bett, in welchem die Todte lag; ein Stuhl mit einigem elendem Weißzeug und eine Kiste in der Ecke, keine Truhe, die etwas Werthvolles verschloß, sondern eine einfache Kiste aus weißen Brettern, mit Heu ausgefüllt, welches mit einem alten Weiberrock bedeckt war, – dort hatte das Kind geschlafen.

Die Todte lag auf ihrem Bette ausgestreckt, eine Hand auf dem Herzen, die andere hing an der Seite herab; ihr Gesicht war, wie es bei Brustkranken gewöhnlich der Fall ist, eingefallen und wachsbleich, doch hatte der Tod dasselbe nicht verzerrt; es war das Antlitz eines jungen Weibes von einigen zwanzig Jahren, dem man ansah, daß es einstens schön gewesen war. Durch das gewölbte Fenster drang der Schein der Straßenlaterne, und da dieselbe vom Winde hin und her bewegt wurde, so warf das flackernde, zitternde Licht seine beweglichen Strahlen über das Antlitz der Gestorbenen, daß man hätte glauben können, sie zucke bisweilen mit den Lippen.

Nachdem die beiden Weiber eine Zeitlang still gebetet, erhob sich die Frau Welscher und zog das ärmliche Leintuch über das Angesicht der Verstorbenen. Die Winklere nahm den alten Weiberrock aus dem Kasten in der Ecke und heftete ihn mit einigen Stecknadeln vor das Fenster des Zimmers; sie sagte, es sei ihr schauerlich, wenn das Licht der Laterne die ganze Nacht durch auf das Gesicht der armen Marie falle, und sie könne sich nicht des Gedankens erwehren, als werde sie davon aufgeweckt und schaue um sich, verwundert, daß sie gestorben sei; auch setzte sie mit leiser Stimme hinzu: »Ich wohne hier neben dran, und wenn ich heute Nacht vorbeiginge, so müßte ich durch das Fenster hineinsehen und würde immer glauben, sie lebe doch noch.«

Als dieses geschehen war, zog sie eine Putzschachtel unter dem Bette hervor und nahm daraus einige alte seidene Tücher, welche sie dem kleinen Mädchen um den Kopf und um den Hals wand, zog ihm ein Paar Handschuhe an und schob ihm ein zusammengedrehtes Hemdchen unter den Arm. Damit war der An- und Auszug für das Kind besorgt, die Frau Welscher nahm es bei der Hand, und alle drei verließen das Zimmer. Nachdem die Thür geschlossen war, beteten sie noch ein Vaterunser, und die Waschfrau sagte: »Komm' Sie morgen früh, um nach dem Kinde zu sehen. Winklere,« – und alsdann ging sie ihrem Hause zu.

Die Lampenanzünderin nahm ihre Laterne auf, überzeugte sich, daß der alte Rock das Fenster vollkommen verdecke, und ging dann eilig an ihr Geschäft, die übrigen Straßenlaternen anzuzünden. Sie hatte viel Zeit verloren und fürchtete nun, der Steinmann möge ihr unterwegs begegnen. Doch war dieser Plagegeist längst zu Hause; überhaupt schien Niemand sonderlich darauf Acht zu haben, daß jetzt erst die Laternen angezündet wurden; es stürmte und schneite an Einem fort, auf den Straßen war Niemand mehr zu sehen, und nur zuweilen hörte man in der Entfernung eine herrschaftliche Equipage rollen.


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