Friedrich Wilhelm Hackländer
Namenlose Geschichten - Erster Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Zweites Kapitel. Unter dem Stadtgraben.

Wenn der alte Stadtgraben schon am hellen Tage bei Sonnenschein ein unheimlicher und trübseliger Aufenthalt war, so konnte man ihn wirklich trostlos nennen, wenn man ihn an einem Abende betrat, wie an demjenigen, an welchem unsere namenlose Geschichte beginnt.

Es war ein unfreundlicher, trüber Novembertag; dichte Nebel, welche die Erde einhüllten, hatten Vor- und Nachmittags kräftig mit einander gerungen, bald waren sie aufgestiegen und bedeckten die Höhen rings um die Stadt mit schweren, grauen Kuppen; bald sanken sie auf den Erdboden nieder und hüllten dort Alles so dicht ein, daß man, auf der Straße gehend, nicht auf drei Schritte deutlich bemerkte, ob einem ein Mensch, ein Pferd oder ein Wagen begegnete; dazu war es naßkalt, das Pflaster feucht und schlüpfrig, und man mußte fest auftreten, um nicht auszugleiten. Was der Nebel schon am Morgen hätte thun sollen, nämlich vollständig auf die Erde herab kommen, das that er erst am Abend, indem er sich in einen feinen, scharfen Regen auflöste, der mit einigem Schnee vermischt, den Dahinwandelnden vom Wind unangenehm in das Gesicht geweht wurde. Dabei befanden sich die Straßen der Stadt theilweise in großer Zerstörung; man war im Begriff, die alten Straßenlaternen zu pensioniren und die Residenzstadt mit Gas zu erleuchten; deßhalb war das Pflaster in einer Breite von vier Fuß und dabei oft ganze Straßenlängen ausgehoben und ein tiefer Graben gemacht, um den Gasrohren im Schooße der Erde ein bequemes Lager bereiten zu können. Wo diese Röhren bereits lagen, da war der Graben wieder zugeworfen, und wenn auch der harmlos Vorüberwandelnde, der zufällig auf die lose Erde trat, tief einsank, wenn auch Eilwagen und Omnibus, die mit zwei Räder hineingeriethen, dem Umschlagen nur mit genauer Noth entgingen, so waren das kleine Uebelstände, die in Anbetracht der allgemeinen Nützlichkeit der Sache wohl zu ertragen waren. Wo aber die Röhren noch nicht gelegt waren, da gähnte der Graben in einer Tiefe von vier Fuß, und um den Darüberschreitenden zu warnen, hatte man an solchen Stellen kleine schwarze, schmutzige Laternen aufgesteckt, die, schon an sich trübselig, jetzt durch Oelmangel, Nebel und Regen in einem wahrhaft jammervollen, trübrothen Licht dämmerten und den Wanderer schon allein durch ihr melancholisches Aussehen darauf vorbereiteten, daß sich zu seinen Füßen etwas Furchtbares aufthue.

Ein solcher Graben mit einer solchen Laterne sperrte den einen Eingang des Stadtgrabens vollständig und zum großen Aerger aller Leute, die ihren Weg eigens hieher lenkten, um unter dem Gewölbe eine Zeit lang im Trockenen gehen zu können, und man hörte an dieser Stelle viele leise Flüche, sowie den halbunterdrückten Schrei weiblicher Stimmen, wenn sie an den tiefen Graben kamen und den Sprung wagten, das Lachen der Straßenjungen, die diesen unwillkürlichen Kraftanstrengungen zuschauten und sie mit einem Zungenschlag, wie auf der Rennbahn, begleiteten; dann traten Alle schallenden Schrittes in das Gewölbe, stampften mit den Füßen und schüttelten ihre Mäntel und Regenschirme, um den anhängenden Schnee zurück zu lassen, der auf diese Art in dem Gewölbe liegen blieb und dasselbe noch feuchter und unbehaglicher machte. Dazu pfiff der Wind von einer Seite, und die Straßenlaterne, die in der Mitte dieses Durchganges hieng, ächzte kläglich hin und her. In dem kleinen Seitenhofe brach sich der Luftstrom und fuhr heulend und pfeifend, da er keinen Ausweg an den steinernen Mauern fand, in die Höhe und in's Freie. Kein Thier war auf der Straße oder im Gewölbe zu sehen, und eine Katze, die eben von einem nachbarlichen Besuche kam, eilte mit rasenden Sätzen über den kleinen Hof in's Kapuzinerkloster, um sobald als möglich ihren warmen Ofenwinkel zu erreichen.

Wer hätte nach allem dem glauben sollen, daß in diesem Gewölbe trotz des Unwetters eine Gesellschaft menschlicher Wesen, auf einem Stein neben der verwitterten Klosterthür saß und ruhig und unerschüttert von Sturm und Regen auf etwas zu warten schien? Es mochten sechs bis acht Frauen aus der niederen Volksklasse sein, die dort neben einander kauerten, mit einem trübseligen Schweigen, das nur zuweilen unterbrochen wurde durch einen absichtlich sehr laut ausgestoßenen Seufzer oder durch die Bemerkung, es scheine, als wolle der ganze Himmel mit all' seinen Wassern auf die Erde herabkommen. Die Weiber waren ärmlich angezogen, sie hatten unter ihre Umschlagtücher Kopf und Arme verborgen und zitterten trotzdem vor Kälte und Nässe; eine brennende Laterne stand in der Mitte vor ihnen, beleuchtete die abgemagerten und traurigen Gesichtszüge, und zeigte zu gleicher Zeit, daß vor jedem der Weiber auf dem Boden eine ebensolche Laterne, aber unangezündet, nebst einem kleinen blechernen Gefäße stand.

Diese Frauen waren nichts mehr und nicht weniger als Dienerinnen der Stadt, und hatten die wichtige Verrichtung, täglich die Straßenlaternen mit frischem Oel zu versehen und sie anzuzünden. Das Oel wurde jeden Abend unter sie ausgetheilt, und beim Eintreten der Dämmerung fanden sie sich zu diesem Zwecke an gewissen Orten ein und verkürzten sich die Zeit, bis sie ihr Oel erhielten und an die Arbeit gehen konnten, mit allerlei Bemerkungen über ihr sauer verdientes geringes Brod, wobei sie gewöhnlich versicherten, daß das Amt einer Laternen-Anzünderin eine langsame Art von Hungertod sei. Doch hatten sich diese Ansichten der armen Weiber seit einiger Zeit bedeutend geändert, und wenn wir vorhin von unterschiedlichen Seufzern sprachen, so waren sie nicht vom schweren Amte erpreßt, sondern galten einer neuen Einrichtung, die sie mit dem Verluste ihres Erwerbs bedrohte – der Gasbeleuchtung nämlich.

Ein neuer heftiger Windstoß, der durch das Gewölbe heulte und vor der Oeffnung desselben die kleine Laterne an dem breiten Graben auslöschte, brachte die Zungen der Laternen-Anzünderinnen auf einmal in Bewegung.

»Geh' Sie doch hin, Winklere!« sagte eines der Weiber, »und zünd' Sie die Laterne wieder an; nicht wahr, Sie thut's mit Ihrem guten Gemüth? Mir war's dort finster genug, und wenn's in der Finsterniß ein paar zerbrochene Beine gäbe, welche die Gassenlicht-Herren zu bezahlen hätten, thät' mich's auch freuen.«

»Natürlich werd' ich's wieder anzünden,« entgegnete die Angeredete, indem sie gewaltig hustete und sich zugleich erhob. Es war eine kleine buckelige Person, welche die brennende Laterne vom Boden aufhob und damit dem Eingange zuschritt.

»Gebt nur Acht,« fuhr die andere Stimme fort, »die Winklere weiß schon, warum sie besorgt ist, die schleicht sich schon wieder in ein Aemtchen hinein, die wird schon wieder angestellt, und wenn sie sie auch um als Wetterhex auf das Dach setzen.«

»Habt ihr denn eigentlich eine Idee davon,« sagte eine andere Stimme, »was das mit dem Gassenlicht eigentlich sagen will, und warum wir unsern Dienst deßhalb verlieren müssen? Laternen müssen sie nun doch einmal haben, und die Laternen muß auch ein Christenmensch putzen und muß ihnen Oel geben, das liegt auf der Hand; aber ich weiß schon, wir sollen abgeschafft werden, denn die Herren vom Stadtrath werden schon andere Leute im Auge haben, welche die Laternen anzünden sollen, ja, ja, ganz andere Leute als wir, und natürlich viel jünger und verständiger.«

»Schwätz' Sie kein so dummes Zeug!« sagte die erste Stimme wieder, »das Gassenlicht ist nichts, wie so verflucht's Maschinenwerk; da bauen sie draußen ein Gassenhaus, und in dasselbe kommen große Maschinen, wie in der Spinnerei drüben am Bach, und ein großer Schornstein daneben, und das arbeitet in einer Viertelstunde alles das, wofür sich alle Laternen-Anzünderinnen Morgens und Abends zu plagen haben; ich sage euch, diese Maschine ist unser Unglück, und wo so ein Unrath anfängt zu laufen und zu wuseln, sollt man's gleich zerschlagen.«

Eine dritte Stimme erhob sich jetzt schüchtern und wollte gehört haben, das Gassenlicht bekäme kein Oel, sondern werde durch die Luft allein hervorgebracht, – eine Behauptung, über deren Unhaltbarkeit und Lächerlichkeit sämmtliche Weiber in ein gellendes Gelächter ausbrachen.

»Luft, Luft?« sagte die erste Stimme wieder; »wie man nur so dumm sein kann und so etwas glauben! Wozu legen sie denn diese dicken eisernen Röhren? Wohl damit die Luft hindurch geht? eine eiserne Röhre für die Luft! nun hör' mir einer an, so was hab' ich mein Lebtag nicht gehört. Ich will's euch sagen, was die Röhren bedeuten: Diese Röhren laufen in dem Gassenhaus alle in einem großen Kessel zusammen und dieser große Kessel ist voll Oel, und da thut man nichts, als jeden Abend den Hahnen aufmachen und läßt das Oel in die Laternen laufen, und so braucht man euch nicht mehr – verstanden?«

»Bloß die Winklere allein,« sagte eine vierte Stimme mit krächzendem Ton; »dort kommt sie zurück gehumpelt, bloß die wird beibehalten, und, wenn man sie nicht als Wetterhex brauchen kann, so darf sie an dem großen Oelhahnen sitzen und ihn langsam aufdrehen.«

»Spottet nur,« sagte die Verhöhnte und setzte die Laterne ruhig auf den Boden. »Ihr wißt Alle, daß ich ein so armes Weib bin, wie ihr, die ihre paar Groschen vom Laternenanzünden für ihr kümmerliches Leben ebenso braucht und die sonst nichts hat.«

»Und die uns das Geschäft verderbt,« sagte die erste Stimme mit bitterem Tone, »ja Winklere, Sie hätte uns doch das Geschäft verdorben, wenn's der Teufel in den nächsten Tagen nicht ganz holen würde.«

»Ich? – Und womit denn?«

»Ja Sie! Hat Sie nicht durch Ihr Scharwenzeln und durch Ihre Bittgänge herausgeschlagen, daß die nichtsnutzige Weibsperson, die Marie, die Laternen in der hohen Gasse anzünden darf, und sind wir dadurch nicht alle verschimpfirt worden, und sagt nicht seit der Zeit der Stadtsoldat Steinmann, der, beiläufig gesagt, einst in der Hölle in dem Oel braten wird, das er uns abgezwackt und dem Rathe gestohlen, – hat er nicht seit der Zeit gesagt, wir seien alle zusammen liederliche Weibsbilder?«

»Ja, ja, das hat er gesagt!« riefen mehrere Weiber; »und sobald wir entlassen sind,« setzte eine schrille Stimme hinzu, »kratze ich ihm sein scheeles Auge aus.«

»Und das ist noch nicht Alles,« sagte die erste Stimme, »jetzt liegt die Marie schon ein halbes Jahr zu Bette als Strafe für ihren sündhaften Lebenswandel, und was thut die Frau Winklere, die hochmüthige Mama von dem hochmüthigen königlichen Stallknecht? Anstatt die Gelegenheit zu benutzen, um die Weibsperson los zu werden, geht sie her und versieht die ganze Zeit den Dienst der Marie.«

»Und ist da was Böses drinn?« fragte die Winklere.

»Ei, nun seh' mir eins die Frage an!« antwortete die Andere, »was hat der Steinmann neulich gesagt? Er hat gesagt, wenn er gewußt hätte, daß eine von uns zwei Stadtviertel versehen könnte, so hätte man eigentlich nur die Hälfte der Lampen-Anzünderinnen anzustellen gebraucht, und hat hinzugesetzt, wenn nicht ohnehin Alles aufhörte, so würde man darauf hin die Hälfte von uns fortjagen.«

»Der Steinmann ist ein hartherziger, schlechter Kerl,« sagte die Winklere, die auch anfing in Zorn zu gerathen, so heftig es ihre zarte Stimme erlaubte, »und der Steinmann wird seiner gerechten Strafe nicht entgehen.«

Ueber diesen Punkt waren sämmtliche Weiber vollkommen einig und Eine mit sehr schriller Stimme meinte, wenn es unter dem größten Höllenofen ein recht tiefes und glühendes Aschenloch gäbe, so wäre das ein passender Platz für den Steinmann.

Doch wie man in der Fabel nur den Wolf zu nennen braucht, damit er erscheine, so war es auch hier, und die Weiber, die im Begriff waren, noch einige besondere und recht empfindliche Strafen zu erdenken, die den Stadtsoldaten im Jenseits unfehlbar erwarten dürften, bemerkten in demselben Augenblick am Ende des Durchgangs eine lange Gestalt und den Schein einer Laterne, welche hinter dieser Gestalt hergetragen wurde, wodurch dieselbe, da man weder das Licht selbst noch den Träger sah, wie in einem rothen Feuer heranzuschweben schien. Diese Gestalt war Herr Steinmann, welcher ein großes Oelgefäß in der Hand trug, und hinter ihm drein wandelte ein kleiner Bube mit der Laterne, von welcher der oben erwähnte Schein herkam.

Bei diesem Anblick verstummten die Weiber plötzlich und flüsterten sich nur leise zu, keine solle mit dem Ungeheuer ein Wort sprechen.

Dieses Ungeheuer näherte sich nun langsamen Schrittes, hustete zuweilen, und wenn dasselbe auch nicht gerade aussah, wie man sich die Ungeheuer gewöhnlich vorstellt, so war sein Gesicht doch so seltsamer Art, daß man glauben konnte, der Herr Stadtsoldat Steinmann habe einmal bei einer nächtlichen Runde etwas ganz furchtbar Entsetzliches gesehen, wodurch seine Gesichtszüge auf eine solch' unangenehme Art verzerrt worden seien, wie sie zum Schrecken aller kleinen Kinder sich öffentlich sehen ließen; dabei war er blatternarbig und hatte nur noch ein einziges Auge, welches sehr unangenehm schielte.

Wenn er als Diener der öffentlichen Gewalt die Knabenschaar zur Ruhe bringen wollte, so brauchte er sich nur vor sie hinzustellen und sie mit seinem einzigen Auge scharf anzusehen, was vollkommen hinreichte, um die Buben in höchster Angst nach Hause zu jagen. Ja, sein Anblick erschien denselben so entsetzlich, daß sie, um sich selbst recht in Furcht und Schrecken zu jagen, zuweilen Steinmannles spielten, wobei dann der Knabe, der ihn vorzustellen die Ehre hatte, sich bemühte, durch die furchtbarsten Grimassen und Fratzen die Gesichtszüge des Stadtsoldaten nachzuahmen.

In seiner Eigenschaft als Oberaufseher der Lampenputzerinnen und Oelvertheiler hatte er sich den Ruhm erworben, daß ein Wort von ihm, ja sein Anblick hinreichte, um die armen alten Frauen zur strengsten Pflichterfüllung anzuhalten. Wie eine Katze schlich er Tag und Nacht umher, und wenn eines der Weiber zufällig ein bischen Oel in ihrem Kännchen übrig behielt und nicht alles in die Laterne goß, so konnte plötzlich in dem hellen Scheine dicht vor der Uebelthäterin das schreckliche Gesicht des Herrn Steinmann auftauchen und sie lächelnd an ihre Pflicht erinnern. Dabei maß er ihnen das Oel so knapp zu, daß die Laternen schon eine Stunde, bevor sie erlöschen durften, auffallend zu kränkeln begannen und durch ein trübes Aufflackern deutlich anzeigten, daß es ihnen an der nothwendigen Nahrung fehle. Doch konnte man dem Steinmann darüber nichts anhaben, denn das Gefäß war bis an den Rand gefüllt, und wenn er der letzten Anzünderin ihr Oel gegeben, so drehte er dasselbe um, und es rann kein Tropfen mehr heraus; böse Zungen aber behaupteten, der Steinmann habe unten in seinem Oelgefaß einen großen Schwamm, den er später zu Hause in seine eigene Lampe auspresse.

Die Oelvertheilung heute Abend begann von Seiten der Empfängerinnen mit einem melancholischen Schweigen und von Seiten des Austheilers mit einem bösartigen Blinzeln seines einzigen Auges; er bemerkte wohl, daß die Weiber beschlossen hatten, keine Unterhaltung anzuknüpfen, und es verursachte ihm deßhalb die größte Freude, durch ein einziges Wort im Stande zu sein, ihre Zungen aufs Feindseligste zu entfesseln.

Während die Weiber ihre Oelgefäße schlossen und jede ihre Laterne anzündete, zog der Stadtsoldat eine Schnupftabaksdose aus Birkenrinde hervor, nahm bedächtig eine Prise und versicherte, wie leid es ihm thäte, daß er durch die neue Gasbeleuchtung gezwungen sei, bald für immer eine so angenehme Unterhaltung, wie ihm die Oelaustheilung gewähre, verlieren zu müssen.

Die Winklere schloß mit einem stillen Seufzer ihre Laterne, die übrigen Weiber rafften sich entschlossen von ihrem Steinsitze auf, um davon zu gehen.

»Von morgen an,« sagte der Stadtsoldat sehr bedächtig und langsam, indem er eine zweite Prise nahm, »braucht nur die Hälfte hieher zu kommen, um Oel zu fassen!« Und bei diesen Worten verzerrte sich sein Gesicht zu einem scheußlichen Lachen, als er bemerkte, wie auf diese Neuigkeit hin die Weiber plötzlich Halt machten und ihn ängstlich und erwartungsvoll ansahen.

»Ja, ja, von morgen an nur noch die Hälfte,« fuhr er fort und klappte den Deckel auf seine Dose; »wir haben die Gasbeleuchtungs-Gesellschaft unabläßig angetrieben, und obgleich sie erst im nächsten Monat anfangen wollte, so werden doch schon, Dank unsern Bemühungen, in dem dritten, sechsten und achten Stadtviertel die Gaslaternen morgen Abend angezündet werden können; die betreffenden Weiber sind deßhalb von heute an schon entlassen.«

Wie der Steinmann vorausgesehen hatte, so brach auf diese Ankündigung hin ein wahrer Strom von Worten, Klagen, ja Schmähungen los; manche Weiber setzten ihre Laternen hin, fuhren mit dem Schurzzipfel an die Augen und meinten, es sei gar nicht möglich, daß man ihnen so plötzlich und über Nacht ihr bisschen Brod nehmen könne. Es war in dem engen Durchgang ein Klagen und Lamentiren, daß es einen Stein hätte erbarmen können; aber je mehr die armen Weiber wehklagten und weinten, um so inniger freute sich Herr Steinmann; auch schien es ihm durchaus nicht wehe zu thun, wenn mitunter sehr harte Aeußerungen gegen seine eigene Person fielen, ja er nahm ganz ruhig und lächelnd eine neue Prise, als der Jammer der Weiber in offene Rebellion auszubrechen drohte, indem die Hartnäckigsten erklärten, wenn man sie so schonungslos fortjage, so würden sie auch heute schon keinen Dienst mehr thun, und der Teufel möge die Stadt beleuchten wie er wolle, und ihnen sei es gleich, wenn dies sogar durch eine große Feuersbrunst geschehe.

Der Stadtsoldat stand, wie gesagt, in diesem Lärmen ruhig und lächelnd da, als wenn ihn das alles durchaus nichts anginge, und nur wenn eines der Weiber in ihrer Aufregung etwas zu nahe auf ihn zutrat, wandte er sich um und scheuchte sie mit einer furchtbaren Grimasse weit zurück; ihn schien dieses Geschrei außerordentlich zu amusiren, und anstatt, daß er sich Mühe gab, den Sturm zu beschwichtigen, vermehrte er ihn vielmehr noch durch seine Bemerkungen.

»Dankt Gott,« sagte er lachend, »daß der scheußliche Hundedienst ein Ende hat! Habt ihr nicht allesammt oft bedauert, daß ihr euch je zum Geschäft des Lampenanzündens hergegeben, was? he? Habt ihr nicht immer euch verschworen und euch selbst Esel genannt, daß ihr je dieses Geschäft übernommen? Jetzt seid ihr's ja los, dankt eurem Heiland auf den Knieen dafür, dankt dem Steinmann, – jetzt macht, daß ihr fortkommt, oder ...«

Das einzige Auge des Stadtsoldaten begann vor innerer Lust und Bosheit zu funkeln, und er streckte den gebieterischen Arm nach dem Eingange aus.

Dies war das gewöhnliche Ende von dergleichen Scenen gewesen, und es hatten sich die Weiber darauf stillschweigend entfernt; heute aber, wo das lange Befürchtete so plötzlich über sie hereingebrochen war, wo die armen, durchnäßten und frierenden Weiber den harten Winter vor der Thür sahen, folgten sie nicht dem gebieterischen Wink ihres ewigen Plagegeistes, sondern ihre Thränen begannen reichlicher zu fließen und ihre Klagen übertönten das Geheul des Windes und den niederplätschernden Regen in dem engen Hofe nebenan.

Leute, die durch das Gewölbe eilten, blieben einen Augenblick erstaunt stehen und gingen dann rasch fort, als sie den Steinmann gewahrten. Dieser schnupfte heftig und wollte ebenfalls den Schauplatz seiner Thaten verlassen, als eine große starke Frau, gefolgt von zwei Dienstmädchen, die auf ihren Köpfen große Körbe mit Wäsche trugen, in das Gewölbe trat und erstaunt bei den heulenden Weibern stehen blieb.

Der Leser aber soll im nächsten Kapitel erfahren, wer diese Frau war und was sich weiter begeben.


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