Friedrich Wilhelm Hackländer
Namenlose Geschichten - Erster Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Fünftes Kapitel. Ein Bürgerball und seine Folgen.

Die Gasbeleuchtung der Stadt, deren wir in den vorigen Kapiteln gedacht, war nun in einigen Stadtvierteln, namentlich in den neueren und breiteren Straßen, ins Leben getreten; die schmutzigen Gräben hatte man meist zugefüllt, an einigen Stellen dieselben sogar wieder gepflastert; doch erwies sich dies sehr bald als unpraktisch; das lockere Erdreich gab nach, und wo man die Röhren gelegt, bildeten schon nach wenigen Tagen die Pflastersteine eine ziemliche Vertiefung, in welcher sich Regen und Schneewasser ansammelte und sicherlich für die Fußgänger und Fahrenden schon unangenehm geworden wäre, wenn nicht ein frühzeitiges, aber starkes Frostwetter den Boden gehärtet und im nachfolgenden Schneesturme mit seiner weißen Decke wie mit einem großen Mantel christlicher Liebe die Schwächen des residenzlichen Pflasters bedeckt hätte.

Es hat um diese Gasbeleuchtung bei den Vätern der Stadt manche Streitigkeiten gegeben, namentlich hatte die höchst schwierige Frage, was mit den alten Straßenlaternen wohl anzufangen sei, manche Debatte hervorgerufen. So viele Straßenlaternen, die der Stadt ein so bedeutendes Geld gekostet, so mir nichts dir nichts abzuschaffen, war von den jüngern Mitgliedern des Stadtraths freilich mit jugendlichem Leichtsinn bald ausgesprochen; aber die ältern Väter setzten lange Zeit hindurch dem Andringen der Neuerungssüchtigen die Frage entgegen: was geschieht mit den alten Straßenlaternen? eine Frage, die indessen wie so manche andere in der Welt nicht vollständig gelöst wurde.

Genug, die Röhren waren gelegt, die Kandelaber aufgepflanzt, und an einem stillen Abend war die ganze Bevölkerung einiger Stadtviertel in großer Aufregung: es brannten heute die Gaslaternen zum ersten Male.

Ein ganzer Haufen Buben zog hinter dem Anzünder her und verwunderte sich zuerst höchlich über das ungemein kleine Laternchen, das der Mann an einer langen Stange trug, brach aber alsdann in ein ungeheures Jubelgeschrei aus, als sich nun plötzlich die erste Flamme blendend weiß entzündete und hoch aufflackerte. Doch war diese Freude nicht von großer Dauer; denn weil die Einrichtung noch ziemlich mangelhaft war, so sank die Flamme bald wieder in sich zusammen, brannte dunkelroth, sprang wieder plötzlich in die Höhe und geberdete sich zum großen Ergötzen der Straßenjugend auf sehr komische Art.

Die lange, breite Straße, welche zuerst beleuchtet wurde, sah aus, wie mit Irrlichtern besät, die bald groß, bald klein, bald blau, bald roth brannten.

Vorn unter den Zuschauern, die beim Anzünden um jeden Candelaber einen großen Kreis bildeten, sah das häßliche verzerrte Gesicht des Stadtsoldaten Steinmann hervor; er freute sich ganz unsinnig über die neue Einrichtung, und seine Freude war um so größer, als er unter dem Haufen das betrübte Gesicht der alten Winklere erblickte, die bei mehreren ihrer entlassenen Colleginnen stand, die Hände in die Schürze gewickelt und dem neuen Licht traurig zuschauend. Zuweilen, wenn die Flammen ganz niedersanken und sich zu besinnen schienen, ob es nicht besser sei, zu erlöschen, zuckte ein zweifelhafter Hoffnungsstrahl auf ihrem Gesichte empor; Steinmann wurde in solchen Augenblicken ganz ingrimmig und jagte alsdann mit tüchtigen Scheltworten und auf handgreifliche Weise die Buben von der Stelle weg, wo die Röhre lag, indem er sich den Anschein gab, als glaube er, das Herumtrampeln auf denselben thue dem Lichte Schaden; hauptsächlich aber war es seine Lust, Kopfnüsse auszutheilen, was ihn zu diesem Verfahren bewog. Endlich verlief sich der Haufe und Steinmann ging die lange Straße hinab, jede Laterne aufmerksam betrachtend und hie und da einen harmlosen Spaziergänger wegjagend, der ebenfalls zufällig stehen blieb oder auf der verbotenen Rinne lief.

Sein Hauptaugenmerk hatte der Stadtsoldat aber heute Abend der Straßenjugend gewidmet, welche auf den glatten, mit Schnee bedeckten Trottoirs lustig schleifte; da schlich er sich langsam hinzu, stellte dann rasch einen Fuß auf die Schleife und lachte laut auf, wenn die Buben plötzlich und heftig auf ihre Nase purzelten. Wehe auch dem Dienstmädchen, das unter dem Schleier der Nacht Wasser auf die Straße goß! Steinmann war da und Steinmann hielt die Frevlerin am Arme fest und notirte sich augenblicklich den Namen der Herrschaft, sowie die Hausnummer, zur gerechten Strafe.

Unter so harmlosen Scherzen und Privatvergnügungen wandelte der Stadtsoldat seines Weges dahin, mit seinem einzigen Auge aufmerksam wie eine Katze umherspähend. Wo sich zufälliger Weise an einer dunklen Hausthür ein Liebespaar sehen ließ, da eilte er hin; doch war ihm heute Abend die Gasbeleuchtung in Ausübung der Sittlichkeitspolizei hinderlich; denn kaum näherte er sich besagter Hausthür, so verschwand das Mädchen hinter derselben, das Schloß fiel zu, und ein langer, wie es schien, baumstarker Handwerksgesell lachte dem Steinmann in's Gesicht.

Am Ende der Straße blieb der Stadtsoldat vor einem ansehnlichen Hause stehen, ging die Treppen hinauf und erkundigte sich, als auf sein Klingeln die Glasthür geöffnet wurde, ob der Herr Stadtrath zu Hause sei.

»Der Herr Stadtrath sind da,« antwortete das hübsche Dienstmädchen, »und der Herr Stadtrath rasiren sich eben.«

»Fragen Sie ihn, ob ich ihn sprechen kann,« antwortete der Steinmann schmunzelnd und wollte dem Mädchen auf die runden Backen klopfen; doch öffnete sich in demselben Augenblick die Thür des Zimmers, der Herr Stadtrath in eigener Person trat hastig in den Gang, und bei seinem Anblicke sah man deutlich, daß das Dienstmädchen nicht gelogen, als es vorhin seine Beschäftigung angegeben. Der Stadtrath schwang in der linken Hand ein Rasirmesser, hatte eine weiße Serviette umgebunden, und der Seifenschaum auf seiner Wange zeigte deutlich an, wo er mit seiner Arbeit stehen geblieben war.

»Ist Jemand vom Flaschner da?« fragte er hastig und setzte verdrießlich hinzu, als er des Stadtsoldaten ansichtig wurde: »so, der Steinmann! was gibt's Neues?«

Steinmann zog seine Mütze herunter und meldete gehorsamst, daß die Gaslaternen in den Straßen angezündet seien und so hell und freundlich brennen, daß einem das Herz im Leibe lache.

»Schon gut,« sagte der Stadtrath verdrießlich, »ich danke! – Wenn aber nur der Flaschner käme!« setzte er seufzend hinzu »guten Abend!«

Damit zog er sich ins Zimmer zurück, und nachdem der Stadtsoldat einen vergeblichen Versuch gemacht, die Hand des Dienstmädchens zu erfassen, ging er ebenfalls davon.

In dem Zimmer angekommen, nahm der Stadtrath das Geschäft des Rasirens, in welchem er durch die Ankunft des Stadtsoldaten unterbrochen worden war, eifrig wieder auf, doch kann man nicht sagen, daß dieser Eifer ein anhaltender war: denn kaum hatte er einen kräftigen Strich über die linke Wange gethan, so lief er an die Thür des offenstehenden Nebenzimmers und rief hinein: »Gott, wenn mich nur der Flaschner nicht sitzen läßt, ich habe eine solche Angst im Leibe, daß ich vor Zittern kaum das Rasirmesser halten kann. Wenn mich der Flaschner wirklich im Stich ließe, ich wäre blamirt, sowohl als Mensch wie als Stadtrath.«

Aus dem Nebenzimmer antwortete hierauf eine fette weibliche Stimme: »Warum mußt du dir auch beständig solche Geschichten muthwilliger Weise auf den Hals laden? – Kümmere dich künftig um deine eigenen Sachen!« –

Die Stimme sprach so langsam, daß, bevor sie geendigt hatte, der Stadtrath lange wieder vor seinem Toilettespiegel stand und schon einen halben Schnitt gethan hatte; jetzt hielt er aber inne und fuhr wieder an die Thür des Nebenzimmers. »Ich mir auf den Hals laden?« sagte er gereizt; »was lade ich mir auf den Hals? was lade ich mir muthwilliger Weise auf den Hals? Ich lade mir nichts auf den Hals, aber auf meinem Halse liegt das Wohl der Stadt, dafür muß ich treulich sorgen, und zu diesem Wohl der Stadt gehört auch das, was du nennst: muthwillig auf den Hals laden; – aber ihr Weiber habt keine Einsicht, keinen Begriff vom Großen und Schönen!«–

Mit diesen letzten Worten ging der Stadtrath wieder an den Rasirtisch, murmelte aber immer in sich hinein: »Als wenn ich dergleichen gemeinnützige Anstalten zu meinem Privatvergnügen zu unterstützen pflegte! Ich lade mir dergleichen Geschichten auf den Hals, und obendrein muthwillig, sagt sie; ich müßte lachen, wenn ich nicht fürchtete, mich zu schneiden.«

Die fette Stimme im Nebenzimmer hustete gelinde und sagte dann ruhig wie vorher: »Wer ist denn am meisten gelaufen wegen der Gasbeleuchtung, wer hat nicht Ruh' gehabt bei Tag und bei Nacht und so lange gewirthschaftet und graben lassen, bis die ganze Stadt wie ein Morast aussah? Ich für meine Person gehe seit der Zeit nicht mehr aus dem Hause; man läuft ja Gefahr, sich den Hals zu brechen.«

Ungeachtet der Gefahr des Halsabschneidens lachte der Stadtrath bei diesen Worten krampfhaft auf, doch gebrauchte er dabei die Vorsicht, das Rasirmesser weit von sich weg zu halten; mit zwei Schritten war er wieder an der Thür des Nebenzimmers und rief: »Beim Herkules! es ist wirklich stark, was man Alles von dir erleben muß! Eine Einrichtung, von der ich mit Stolz reden kann, von welcher meine Kinder und Enkel ebenso sprechen werden, eine Einrichtung, welche der Nachwelt bis ins hundertste Glied zu Gute kommt, eine Einrichtung, die dadurch, weil eben bei dieser Einrichtung ich die Hauptursache war, wirklich ins Leben trat, und die dadurch für mich so äußerst ehrend ist, und das Alles begreifst du nicht einmal! Aber was schwatz' ich hier, was sprech' ich dir Vernunft vor, wozu nützt's? Ich will mich gar nicht mehr ereifern!« –

Damit ging der würdige Vater der Stadt festen Schrittes zurück an seinen Spiegel, und da er sein Geschäft eifriger als je aufnahm, so wäre er in wenigen Augenblicken fertig gewesen, wenn die fette Stimme im Nebenzimmer nicht auf die lebhafte Rede des Stadtraths nach einer ziemlichen Pause geantwortet hätte: »Für all' das schwere Geld hättet ihr ein solides Schlachthaus bauen können.«

»Ein Schlachthaus!« jauchzte der Stadtrath, und man konnte einen Moment lang ungewiß sein, ob dieses Jauchzen Freude oder Schmerz ausdrückte, aber es war mehr das letztere, was ihn bewegte, und mit einem großen Sprunge stand er abermals in der Thür des Nebenzimmers und wiederholte äußerst zornig: »Ein Schlachthaus, ei, ein Schlachthaus! Frau, man merkt augenblicklich, daß du eine Mezgerstochter bist! Ein Schlachthaus und eine Gasbeleuchtung! ob wohl ein vernünftiger Mensch im Stande sein wird, das in eine Paralelle zu stellen – ja, und in Einem Athem zu nennen? Eine Gasbeleuchtung, eine der edelsten und menschenfreundlichsten Einrichtungen, eine Einrichtung, welche die Stadt und Residenz den ersten und größten gleich stellt, – und haben wir nicht ebenfalls ein Schlachthaus? gelegen, wie ein Schlachthaus gelegen sein muß, in einem finstern Winkel der Stadt, klein, unscheinbar, und ist diese Lage in ihrer Kleinheit und Unbedeutenheit nicht recht sinnig gewählt? Soll man mit einem Schlachthause Staat machen? Nein! Soll man in einem prachtvollen Gebäude zur Schau tragen den schmerzvollen Tod so vieler unglücklicher Geschöpfe, in glänzender Umgebung recht erkennen lassen, welch' ein grausames, blutiges Geschöpf der Mensch ist? weite Hallen bauen, um gefühllose Zuschauer herbeizuziehen, die sich werden an dem fließenden Blut und dem Todesgeröchel unzähliger armer Schlachtopfer menschlicher Grausamkeit? Nein, verehrte Kollegen –«

»Ja so!« verbesserte sich der Stadtrath, denn ihm war im Eifer des Gesprächs etwas von seiner Rede entschlüpft, die er vor einiger Zeit in der Stadtrathssitzung pro Gasbeleuchtung contra Schlachthaus gehalten.

»Ich weiß wohl,« fuhr er hitziger fort, »daß mir gerade aus deiner Familie heftig opponirt wurde, und welche Minen dein Vetter, der Mezgeroberzunftmeister, wider mich springen ließ; ich werd' es ihm nie vergessen, daß er absichtlich den alten Ochsen mehrere Tage hangen ließ, die Nachbarschaft mit dem Geruch verpestete und also eine Bittschrift zu Wege brachte um Erbauung eines Schlachthauses; aber wir triumphirten – welch' eine Himmelsgabe ist das Licht u.s.w.! Aber jetzt spar' deine Bemerkungen und laß' mich mit meinem Rasiren zu Ende kommen.«

Für jetzt wurde dieses Geschäft denn auch ohne Störung vollzogen; der Stadtrath wusch sich mit einem warmen Schwamme das Gesicht, kämmte sein etwas borstiges Haar gerade in die Höhe, legte alsdann eine weiße Halsbinde um, knöpfte sich in eine weiße Weste hinein, schlüpfte in einen schwarzen Frack, und als er sich so im Ballanzuge in seinem Spiegel beschaute, begriff er vollkommen das Gefühl, mit welchem sich Gott der Herr am sechsten Schöpfungstage eingestand, daß er mit seinem Werke zufrieden sei.

So angezogen und gerüstet trat der Stadtrath ins Nebenzimmer; und während er die Hände auf den Nacken legt und mit großen Schritten nachdenkend auf- und abspaziert, und, so oft er ans Fenster kommt, vergnügt auf die hellen Strahlen der Gaslaternen hinabschaut, finden wir Zeit, uns in diesem Zimmer umzusehen und die persönliche Bekanntschaft der Besitzerin jener fetten Stimme zu machen.

Das Zimmer, in welchem der Stadtrath seinen äußeren Menschen geputzt, war einfach möblirt; es hatte einen kleinen Sopha von Rohrgeflecht, einige Stühle, Commode und Spiegel und ein kleines Stehpult, auf dem sich mehrere Actenfascikel befanden; das andere Gemach daneben war mit einer gewissen bürgerlichen Eleganz möblirt, an den drei Fenstern desselben hingen weiße gestickte Vorhänge, diesen Fenstern gegenüber befand sich ein Sopha von Nußbaumholz mit grünfarbenem Plüsch überzogen, und im Zimmer umher eben solche Stühle.

Vor dem Sopha stand ein runder Tisch; auf diesem eine kleine Lampe, ein Kaffee-Service mit zwei Tassen, und vor demselben auf dem Sopha saß die Inhaberin jener fetten Stimme, eine corpulente Frau, die Gemahlin des Stadtraths.

Wir wollen dieser Dame nicht zu nahe treten, indem wir behaupten, daß sie sich im tiefsten Negligé befand, und setzen deßhalb hinzu, daß dieses Negligé einen Anstrich von großer Sauberkeit besaß und daß dasselbe am heutigen Tage eine Uebergangsperiode bildete, durch welche die Stadträthin aus dem Alltagsanzuge in den vollkommensten Ballstaat überzugehen im Begriffe war.

Ja, es war der erste Winterball dieses Jahres, der heute Abend in der Bürgergesellschaft statt finden sollte, der erste Ball dieses Winters und der erste Ball ihres Lebens, den Stadtrath und Stadträten in dieser neuen Würde mit ihrer Gegenwart verherrlichen wollten.

Die Frau war eben mit ihrer sechsten Tasse fertig, und eine außerordentliche Zufriedenheit glänzte auf ihrem dicken, wohlgerundeten, nicht unschönen Gesichte.

Die Stadträthin war aus einer reichen Bürgersfamilie, deren Mitglieder sammt und sonders zur Wohlbeleibtheit sich hinneigten, sie war eines jener Wesen, die sich harmlos ihres Lebens freuen, die keinen Spektakel in der Welt machen wollen und können und in stiller Verborgenheit ein gedeihliches Leben führen. Leidenschaften kannte die Frau nicht, Kinder hatte sie keine, und besondere Vorliebe nur für einen guten Kaffee, im Kreise ihrer vertrautesten Bekanntinnen genossen. Die Stadträthin wäre bei etwas mehr Lebhaftigkeit eine interessante, schöne Frau gewesen; doch nahm sie sich kaum die Mühe, ihre Augenlider zu öffnen, und schien keine Ahnung davon zu haben, daß sie unter diesen Augenlidern ein Paar anziehende, schöne Augen verbarg.

Der Stadtrath dagegen war eine kleine magere Figur, lebhaft, leicht erregt, und im Sprechen sowie in den Bewegungen von einer eidechsenartigen Behendigkeit. Er war Patriot und Vater der Stadt im edelsten Sinne des Wortes. Wir müssen gestehen, daß er vorhin mit vollem Rechte davon sprach, welche große Verdienste er sich um die Gaseinrichtung in der Residenzstadt erworben; rastlos war er von einer Behörde zur andern gelaufen, hatte Eingaben an das Ministerium und an den König zu Dutzenden gemacht und in der betreffenden Stadtrathssitzung durch seine feurige Rede, von der wir vorhin einige Proben hörten, den Ausschlag gegeben.

Jetzt eilte er mit schnellen Schlitten im Zimmer auf und ab, horchte bei jedem Geräusch, das sich auf der Treppe hören ließ, und seufzte bei jeder fehlgeschlagenen Hoffnung nach dem Flaschner, der immer noch nicht erscheinen wollte. Bald trommelte er auf die Fensterscheiben, bald zupfte er an den Fenstervorhängen und trat an den Tisch, seine Frau zu ermahnen, daß sie sich anziehen möge.

»Meine Liebe,« sagte er, »es ist noch eine halbe Stunde, bis der Wagen kommt, und du weißt, daß wir denselben mit dem Regierungsrath und Frau genommen haben und dieselben um alles in der Welt keine Secunde unnöthig vor dem Hause dürfen halten lassen; erzeige mir die Gefälligkeit und laß mich nicht noch obendrein auf dich warten; ich stehe ohnedies wie auf Kohlen und weiß mir vor Unruhe gar nicht zu helfen.«

Dabei begann der Spaziergang durch das Zimmer von Neuem und mit solcher Hast, daß die Frackschöße flogen und der Stadtrath es nur mit größter Mühe vermeiden konnte, einige Stühle und ein Nachttischchen über den Haufen zu rennen.

Die Frau zuckte die Achseln und konnte trotz der vorhin gehörten Strafpredigt sich nicht enthalten, abermals zu sagen: »Ja, wie kann man sich auch nur solche Geschichten auf den Hals laden?«

Der Stadtrath war im Begriff, abermals zornig zu werden, bezwang sich aber, indem er auf der Treppe ein Geräusch hörte, und eilte achselzuckend ins Vorzimmer. Gott sei Dank! es war diesmal der so lange ersehnte Flaschner, und wenn er sich nicht in so außerordentlich rußigem und schwarzem Anzuge befunden hätte, so würde ihn der Stadtrath in der Freude seines Herzens trotz weißer Weste und Halsbinde feierlichst an seine Brust gedrückt haben; doch begnügte er sich ihm die Hand zu schütteln, und vernahm mit freudestrahlendem Gesicht die Botschaft, daß in der Bürgergesellschaft die Gaseinrichtung so eben zu Stande gebracht sei, daß der neue Kronleuchter aufgehängt worden, und daß die Lichter in demselben zu seiner, des Flaschners, vollkommenen Zufriedenheit am Brennen wären.

Jetzt schwamm der Stadtrath in einem Ocean von Seligkeit; sein Schritt wurde gemäßigter und feierlicher, er streckte den Kopf in die Höhe, zog die Halsbinde hoch hinauf, und war selig in dem Gedanken, trotz vieler Mühe und Widersprüche solche Arrangements getroffen zu haben, die jeden der ankommenden Ballgäste aufs Höchste überraschen würden, und daß sein Name, der Name des Stadtraths Schwämmle, von Mund zu Mund gehen und von vielen schönen Lippen feiernd genannt werden würde.

Die Stadträthin hatte sich langsam entfernt und kehrte bald darauf im Ballstaat zurück; sie war in ein schwarzseidenes Kleid hineingezwängt, und wenn man auf ihrem Rücken bemerkte, wie krampfhaft die Hacken und Haften in einander verbissen waren, so konnte man nur mit Schrecken daran denken, wie furchtbar es sein müßte, wenn diese armen Dinger durch allzu starke Bewegung gezwungen würden, einander loszulassen und sich heftig und unaufhaltsam zu trennen. Auf dem Kopfe trug Frau Schwämmle eine zierliche Haube mit Rosaband und hatte sich sogar in ihrer neuen Würde bis zu einer künstlichen Blume verstiegen.

Der Stadtrath zog seine Handschuhe an, befestigte an dem rechten Arm eine weiße Schleife, das Zeichen seiner Würde als Festordner; dann nahm er seinen Hut, denn der Wagen mit Regierungsrath und Frau rollte vor, und nach einigen, durchaus nothwendigen Complimenten saßen alle Vier auf den gemäß ihrem Range ihnen zukommenden Plätzen und rollten dem Locale der Bürgergesellschaft zu.


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