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Zweiundvierzigstes Kapitel.

Die Frist, welche Gryce verlangt hatte, war vorüber. Vor dem Bezirksanwalt standen die Detektivs, um ihm Bericht zu erstatten.

Nun, haben Sie gefunden, was Sie suchten? fragte Ferris gespannt.

Mein Verdacht hat sich bestätigt, war Gryces Erwiderung. Orkutt hat in der Tat Frau Klemmens umgebracht, weil sie seiner Heirat mit Imogen Dare im Wege stand. Sie war nämlich seine eigene Frau.

Orkutts Frau?! –

Ja, und zwar schon seit vielen Jahren, schon ehe sie nach Sibley kamen.

Ferris glaubte zu träumen.

Sie lernten sich während ihres Aufenthalts im Westen kennen, nahm jetzt Byrd das Wort. Der arme Schulmeister verliebte sich in die hübsche Kellnerin und beredete sie, ihn zu heiraten, aber die Ehe geheim zu halten, damit sie ihre einträgliche Stelle in dem Gasthaus nicht verliere. Hierin tritt schon seine kalt berechnende Natur zutage.

Und sie wurden wirklich getraut?

Sie stehen im Register.

Hat er denn seine Heirat niemals veröffentlicht?

Es scheint nicht. Die Frau war ihm zu ungebildet, und als er einen Monat später den Ruf hierher erhielt, wo sich ihm die glänzende Laufbahn als Rechtsanwalt eröffnete, dachte er sie im Stich zu lassen. Er entfernte sich heimlich aus der Stadt und hatte bereits die zwanzig Meilen entfernte Eisenbahnstation erreicht. Die Abfahrt des Zuges verzögerte sich jedoch, und es gelang ihr, den Flüchtigen einzuholen. Ein stürmischer Auftritt fand statt, von dem ich natürlich nichts Näheres weiß. Orkutt sagte ihr ohne Zweifel, daß ihm eine Frau aus niederem Stande, wie sie, in seiner veränderten Lebensstellung nur hinderlich sein würde, worauf sie dann erwidert haben mag, wenn er schlecht genug sei, sie zu verlassen, so wolle sie ihn nicht halten; die Lebensgefährtin eines solchen Menschen zu sein, wäre ohnehin kein Glück. Er möge gehen, aber zuvor ihre Ansprüche anerkennen und ihr ein Jahrgeld aussetzen. Jedenfalls ward ein derartiges Abkommen getroffen, denn er kam hierher und sie ging nach Swanson zurück. Lange hielt sie es jedoch dort nicht aus, bald darauf finden wir sie in Sibley, wo sie in seiner nächsten Nähe ihren kleinen Haushalt einrichtete. Ja noch mehr, sie bewog ihn, sie täglich zu besuchen und bei ihr zu speisen. Daß er ihr wenigstens diese Aufmerksamkeit erweise, hielt sie für recht und billig, und begnügte sich mit dem Bewußtsein, daß keine andere Frau die Stelle einnehmen dürfe, die ihr gebührte.

Wahrscheinlich ist dies der Anlaß zu ihrem Tode gewesen, Sie wollte alles ertragen, aber eine Nebenbuhlerin duldete sie nicht. Er kannte sie und beging das Verbrechen, um nicht auf den Besitz des Weibes zu verzichten, das er liebte.

Sie scheinen ja sehr genau unterrichtet zu sein, sagte Ferris, darf ich fragen, woher Sie das alles wissen?

Aus Briefen, erwiderte Gryce, und zog ein dickes Paket vergilbter Blätter aus der Rocktasche. Glücklicherweise war Frau Klemmens eine von denen, die ihre Gefühle gern zu Papier bringen.

Wo haben Sie das entdeckt? fragte Ferris, die ihm bekannten Schriftzüge der Witwe betrachtend.

An einem merkwürdigen Ort, entgegnete der Detektiv; die alte Frau Firman hatte die Aufzeichnungen in Verwahrung. Vor etwa zwei Jahren nämlich vermißte Frau Klemmens – das heißt Frau Orkutt – ihren Trauschein, den sie an einem verborgenen Ort aufbewahrte. In der Angst, daß Orkutt sich ihrer entledigen wolle, beschloß sie, ihre alte Tante, Frau Firman, ins Vertrauen zu ziehen und übergab ihr jene Blätter, eine Art Tagebuch, das sie von Zeit zu Zeit fortgeführt hatte.

Hier ist noch ein Brief von anderer Hand, bemerkte Ferris.

Ein Versuch der alten Dame, die Geschichte aufzuschreiben, wie sie ihr erzählt worden, und zu erklären, wie die Blätter in ihren Besitz gekommen sind, für den Fall ihres plötzlichen Todes oder eintretender Altersschwäche. Es war eine weise Vorsicht. Frau Firman ist infolge des Schrecks über die Ermordung ihrer Cousine schwachsinnig geworden; wir hätten also über das Tagebuch der Witwe keinen Aufschluß mehr von ihr erhalten können. Ja, wir würden von dem Vorhandensein dieser wichtigen Papiere vielleicht noch lange Zeit nichts erfahren haben, wäre mir das Glück nicht besonders günstig gewesen.

Ich will die Blätter lesen, sagte Ferris dumpf.

Hier ist auch noch ein Telegramm aus Swanson mit der Nachricht, daß die Heirat von Tremont Orkutt und Marie Mansell in dem alten Kirchenregister steht, fügte Gryce hinzu.

Mit kummervollem Blick nahm der Bezirksanwalt die Papiere in Empfang. Als sich die Detektivs entfernt hatten, blieb er noch lange in trübe Gedanken versunken sitzen und konnte sich nur schwer entschließen, diese Beweise von der Falschheit und Treulosigkeit seines ehemaligen Freundes einer genauen Durchsicht zu unterwerfen.

Aber als er endlich mit dem Lesen des Tagebuchs zu Ende war, mußte er zugeben, daß ihm Gryce die volle Wahrheit mitgeteilt hatte.


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