Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte. Ausgabe letzter Hand
Johann Wolfgang von Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sprichwörtlich

 

Lebst im Volke; sei gewohnt,
Keiner je des andern schont.

 

 

Wenn ich den Scherz will ernsthaft nehmen,
So soll mich niemand drum beschämen;
Und wenn ich den Ernst will scherzhaft treiben,
So werd ich immer derselbe bleiben.

*

Die Lust, zu reden, kommt zu rechter Stunde,
Und wahrhaft fließt das Wort aus Herz und Munde.

*

Ich sah mich um, an vielen Orten,
Nach lustigen gescheiten Worten;
An bösen Tagen mußt ich mich freuen,
Daß diese die besten Worte verleihen.

*

Im neuen Jahre Glück und Heil,
Auf Weh und Wunden gute Salbe!
Auf groben Klotz ein grober Keil!
Auf Einen Schelmen anderthalbe!

*

Willst lustig leben,
Geh mit zwei Säcken,
Einen zum Geben,
Einen um einzustecken.
Da gleichst du Prinzen,
Plünderst und beglückst Provinzen.

*

Was in der Zeiten Bildersaal
Jemals ist trefflich gewesen,
Das wird immer einer einmal
Wieder auffrischen und lesen.

*

Nicht jeder wandelt nur gemeine Stege:
Du siehst, die Spinnen bauen luftge Wege.

*

Ein Kranz ist gar viel leichter binden,
Als ihm ein würdig Haupt zu finden.

*

Wie die Pflanzen zu wachsen belieben,
Darin wird jeder Gärtner sich üben;
Wo aber des Menschen Wachstum ruht,
Dazu jeder selbst das Beste tut.

*

Willst du dir aber das Beste tun,
So bleib nicht auf dir selber ruhn,
Sondern folg eines Meisters Sinn;
Mit ihm zu irren ist dir Gewinn.

*

Benutze redlich deine Zeit!
Willst was begreifen, suchs nicht weit.

*

Zwischen heut und morgen
Liegt eine lange Frist;
Lerne schnell besorgen,
Da du noch munter bist.

*

Die Tinte macht uns wohl gelehrt,
Doch ärgert sie, wo sie nicht hingehört.
Geschrieben Wort ist Perlen gleich;
Ein Tintenklecks ein böser Streich.

*

Wenn man fürs Künftige was erbaut,
Schief wirds von vielen angeschaut.
Tust du was für den Augenblick,
Vor allem opfre du dem Glück.

*

Mit einem Herren steht es gut,
Der, was er befohlen, selber tut.

*

Tu nur das Rechte in deinen Sachen;
Das andre wird sich von selber machen.

*

Wenn jemand sich wohl im Kleinen deucht,
So denke: der hat ein Großes erreicht.

*

Glaube nur, du hast viel getan,
Wenn dir Geduld gewöhnest an.

*

Wer sich nicht nach der Decke streckt,
Dem bleiben die Füße unbedeckt.

*

Der Vogel ist froh in der Luft gemütet,
Wenn es da unten im Neste brütet.

*

Wenn ein kluger Mann der Frau befiehlt,
Dann sei es um ein Großes gespielt;
Will die Frau dem Mann befehlen,
So muß sie das Große im Kleinen wählen.

*

Welche Frau hat einen guten Mann,
Der sieht mans am Gesicht wohl an.

*

Eine Frau macht oft ein bös Gesicht,
Der gute Mann verdients wohl nicht.

*

Ein braver Mann! ich kenn ihn ganz genau
Erst prügelt er, dann kämmt er seine Frau.

*

Ein schönes Ja, ein schönes Nein,
Nur geschwind! soll mir willkommen sein.

*

Januar, Februar, März,
Du bist mein liebes Herz.
Mai, Juni, Juli, August,
Mir ist nichts mehr bewußt.

*

Neumond und geküßter Mund
Sind gleich wieder hell, und frisch und gesund.

*

Mir gäb es keine größre Pein,
Wär ich im Paradies allein.

*

Es liesse sich alles trefflich schlichten,
Könnte man die Sachen zweimal verrichten.

*

Nur heute, heute nur laß dich nicht fangen,
So bist du hundertmal entgangen.

*

Gehts in der Welt dir endlich schlecht,
Tu, was du willst, nur habe nicht recht.

*

Züchtge den Hund, den Wolf magst du peitschen;
Graue Haare sollst du nicht reizen.

*

Am Flusse kannst du stemmen und häkeln;
Überschwemmung läßt sich nicht mäkeln.

*

Tausend Fliegen hatt ich am Abend erschlagen;
Doch weckte mich Eine beim frühsten Tagen.

*

Und wärst du auch zum fernsten Ort,
Zur kleinsten Hütte durchgedrungen,
Was hilft es dir? du findest dort
Tabak und böse Zungen.

*

Wüsste nicht, was sie Bessers erfinden könnten,
Als wenn die Lichter ohne Putzen brennten.

*

Lief' das Brot, wie die Hasen laufen,
Es kostete viel Schweiß, es zu kaufen.

*

Will Vogelfang dir nicht geraten,
So magst du deinen Schuhu braten.

*

Das wär dir ein schönes Gartengelände,
Wo man den Weinstock mit Würsten bände.

*

Du mußt dich niemals mit Schwur vermessen:
Von dieser Speise will ich nicht essen.

*

Wer aber recht bequem ist und faul,
Flög dem eine gebratne Taube ins Maul,
Er würde höchlich sichs verbitten,
Wär sie nicht auch geschickt zerschnitten.

*

Freigebig ist der mit seinen Schritten,
Der kommt, von der Katze Speck zu erbitten.

*

Hast deine Kastanien zu lange gebraten;
Sie sind dir alle zu Kohlen geraten.

*

Das sind mir allzu böse Bissen,
An denen die Gäste erwürgen müssen.

*

Das ist eine von den großen Taten,
Sich in seinem eignen Fett zu braten.

*

Gesotten oder gebraten!
Er ist ans Feuer geraten.

*

Gebraten oder gesotten!
Ihr sollt nicht meiner spotten.
Was ihr euch heute getröstet,
Ihr seid doch morgen geröstet.

*

Wer Ohren hat, soll hören;
Wer Geld hat, solls verzehren.

*

Der Mutter schenk ich,
Die Tochter denk ich.

*

Kleid' eine Säule,
Sie sieht wie ein Fräule.

*

Schlaf ich, so schlaf ich mir bequem;
Arbeit ich, ja, ich weiß nicht wem.

*

Ganz und gar
Bin ich ein armer Wicht.
Meine Träume sind nicht wahr,
Und meine Gedanken geraten nicht.

*

Mit meinem Willen mags geschehn! –
Die Träne wird mir in dem Auge stehn.

*

Wohl unglückselig ist der Mann,
Der unterläßt das, was er kann,
Und unterfängt sich, was er nicht versteht;
Kein Wunder, daß er zugrunde geht.

*

Du trägst sehr leicht, wenn du nichts hast;
Aber Reichtum ist eine leichtere Last.

*

Alles in der Welt läßt sich ertragen,
Nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.

*

Was räucherst du nun deinem Toten?
Hättst dus ihm so im Leben geboten!

*

Ja! Wer eure Verehrung nicht kennte:
Euch, nicht ihm, baut ihr Monumente.

*

Willst du dich deines Wertes freuen,
So mußt der Welt du Wert verleihen.

*

Will einer in die Wüste predgen,
Der mag sich von sich selbst erledgen;
Spricht aber einer zu seinen Brüdern,
Dem werden sies oft schlecht erwidern.

*

Lass Neid und Mißgunst sich verzehren,
Das Gute werden sie nicht wehren.
Denn, Gott sei Dank! es ist ein alter Brauch:
Soweit die Sonne scheint, so weit erwärmt sie auch.

*

Das Interim
Hat den Schalk hinter ihm.
Wie viel Schälke muß es geben,
Da wir alle ad interim leben.

*

Was fragst du viel: Wo wills hinaus?
Wo oder wie kanns enden?
Ich dächte, Freund, du bliebst zu Haus
Und sprächst mit deinen Wänden.

*

Viele Köche versalzen den Brei;
Bewahr uns Gott vor vielen Dienern!
Wir aber sind, gesteht es frei,
Ein Lazarett von Medizinern.

*

Ihr meint, ich hätt mich gewaltig betrogen;
Habs aber nicht aus den Fingern gesogen.

*

Noch spukt der babylonsche Turm,
Sie sind nicht zu vereinen!
Ein jeder Mann hat seinen Wurm,
Kopernikus den seinen.

*

Denn bei den alten, lieben Toten
Braucht man Erklärung, will man Noten;
Die Neuen glaubt man blank zu verstehn,
Doch ohne Dolmetsch wirds auch nicht gehn.

*

Sie sagen: Das mutet mich nicht an!
Und meinen, sie hättens abgetan.

*

In meinem Revier
Sind Gelehrte gewesen;
Außer ihrem eignen Brevier
Konnten sie keines lesen.

*

Viel Rettungsmittel bietest du! was heißts?
Die beste Rettung: Gegenwart des Geists!

*

Lass nur die Sorge sein,
Das gibt sich alles schon;
Und fällt der Himmel ein,
Kommt doch eine Lerche davon.

*

Dann ist einer durchaus verarmt,
Wenn die Scham den Schaden umarmt.

*

Du treibst mirs gar zu toll,
Ich fürcht, es breche!
Nicht jeden Wochenschluß
Macht Gott die Zeche.

*

Du bist sehr eilig, meiner Treu!
Du suchst die Tür, und läufst vorbei.

*

Sie glauben miteinander zu streiten,
Und fühlen das Unrecht von beiden Seiten.

*

Habens gekauft, es freut sie baß;
Eh mans denkt, so betrübt sie das.

*

Willst du nichts Unnützes kaufen,
Mußt du nicht auf den Jahrmarkt laufen.

*

Langeweile ist ein böses Kraut,
Aber auch eine Würze, die viel verdaut.

*

Wird uns eine rechte Qual zuteil,
Dann wünschen wir uns Langeweil.

*

Dass sie die Kinder erziehen könnten,
Müßten die Mütter sein wie Enten:
Sie schwämmen mit ihrer Brut in Ruh;
Da gehört aber freilich Wasser dazu.

*

Das junge Volk, es bildet sich ein,
Sein Tauftag sollte der Schöpfungstag sein.
Möchten sie doch zugleich bedenken,
Was wir ihnen als Eingebinde schenken.

*

»Nein! heut ist mir das Glück erbost!« –
Du, sattle gut und reite getrost!

*

Über ein Ding wird viel geplaudert,
Viel beraten und lange gezaudert,
Und endlich gibt ein böses Muß
Der Sache widrig den Beschluß.

*

Eine Bresche ist jeder Tag,
Die viele Menschen erstürmen.
Wer auch in die Lücke fallen mag,
Die Toten sich niemals türmen.

*

Wenn einer schiffet und reiset,
Sammelt er nach und nach immer ein,
Was sich am Leben, mit mancher Pein,
Wieder ausschälet und weiset.

*

Der Mensch erfährt, er sei auch, wer er mag,
Ein letztes Glück und einen letzten Tag.

*

Das Glück deiner Tage
Wäge nicht mit der Goldwaage.
Wirst du die Krämer-Waage nehmen,
So wirst du dich schämen und dich bequemen.

*

Hast du einmal das Rechte getan
Und sieht ein Feind nur Scheeles daran,
So wird er gelegentlich, spät oder früh,
Dasselbe tun, er weiß nicht wie.

*

Willst du das Gute tun, mein Sohn,
So lebe nur lange, da gibt sichs schon;
Solltest du aber zu früh ersterben,
Wirst du von Künftigen Dank erwerben.

*

Was gibt uns wohl den schönsten Frieden,
Als frei am eignen Glück zu schmieden?

*

Lasst mir die jungen Leute nur
Und ergetzt euch an ihren Gaben!
Es will doch Großmama Natur
Manchmal einen närrischen Einfall haben.

*

Ungebildet waren wir unangenehm;
Jetzt sind uns die Neuen sehr unbequem.

*

Wo Anmaßung mir wohlgefällt?
An Kindern: denen gehört die Welt.

*

Ihr zählt mich immer unter die Frohen;
Erst lebt ich roh, jetzt unter den Rohen.
Den Fehler, den man selbst geübt,
Man auch wohl an dem andern liebt.

*

Willst du mit mir hausen,
So laß die Bestie draußen.

*

Wollen die Menschen Bestien sein,
So bringt nur Tiere zur Stube herein;
Das Widerwärtige wird sich mindern,
Wir sind eben alle von Adams Kindern.

*

Mit Narren leben wird dir gar nicht schwer,
Erhalte nur ein Tollhaus um dich her.

*

Sag mir, was ein Hypochondrist
Für ein wunderlicher Kunstfreund ist.
In Bildergalerien geht er spazieren
Vor lauter Gemälden, die ihn vexieren.

*

Der Hypochonder ist bald kuriert,
Wenn euch das Leben recht kujoniert.

*

Du sollst mit dem Tode zufrieden sein,
Warum machst du dir das Leben zur Pein?

*

Kein tolleres Versehn kann sein,
Gibst einem ein Fest und lädst ihn nicht ein.

*

Da siehst du nun, wie's einem geht,
Weil sich der Beste von selbst versteht.

*

Wenn ein Edler gegen dich fehlt,
So tu, als hättest dus nicht gezählt;
Er wird es in sein Schuldbuch schreiben
Und dir nicht lange im Debet bleiben.

*

Suche nicht vergebne Heilung!
Unsrer Krankheit schwer Geheimnis
Schwankt zwischen Übereilung
Und zwischen Versäumnis.

*

Ja, schelte nur und fluche fort,
Es wird sich Beßres nie ergeben;
Denn Trost ist ein absurdes Wort:
Wer nicht verzweiflen kann, der muß nicht leben.

*

Ich soll nicht auf den Meister schwören,
Und immerfort den Meister hören!
Nein, ich weiß, er kann nicht lügen,
Will mich gern mit ihm betrügen.

*

Mich freuen die vielen Guten und Tüchtgen,
Obgleich so viele dazwischen helfen.
Die Deutschen wissen zu berichtgen,
Aber sie verstehen nicht nachzuhelfen.

*

»Du kommst nicht ins Ideen-Land!«
So bin ich doch am Ufer bekannt.
Wer die Inseln nicht zu erobern glaubt,
Dem ist Ankerwerfen doch wohl erlaubt.

*

Meine Dichterglut war sehr gering,
Solang ich dem Guten entgegen ging;
Dagegen brannte sie lichterloh,
Wenn ich vor drohendem Übel floh.

*

Zart Gedicht, wie Regenbogen,
Wird nur auf dunklen Grund gezogen;
Darum behagt dem Dichtergenie
Das Element der Melancholie.

*

Kaum hatt ich mich in die Welt gespielt
Und fing an aufzutauchen,
Als man mich schon so vornehm hielt,
Mich zu mißbrauchen.

*

Wer dem Publikum dient, ist ein armes Tier;
Er quält sich ab, niemand bedankt sich dafür.

*

Gleich zu sein unter Gleichen,
Das läßt sich schwer erreichen:
Du müßtest, ohne Verdrießen,
Wie der Schlechteste zu sein dich entschließen.

*

Man kann nicht immer zusammenstehn,
Am wenigsten mit großen Haufen.
Seine Freunde, die läßt man gehn,
Die Menge läßt man laufen.

*

Du magst an dir das Falsche nähren,
Allein wir lassen uns nicht stören;
Du kannst uns loben, kannst uns schelten,
Wir lassen es nicht für das Rechte gelten.

*

Man soll sich nicht mit Spöttern befassen;
Wer will sich für 'nen Narren halten lassen!
Darüber muß man sich aber zerreißen,
Daß man Narren nicht darf Narren heißen.

*

Christkindlein trägt die Sünden der Welt,
Sankt Christoph das Kind über Wasser hält;
Sie haben es beid uns angetan,
Es geht mit uns von vornen an.

*

Efeu und ein zärtlich Gemüt
Heftet sich an und grünt und blüht.
Kann es weder Stamm noch Mauer finden,
Es muß verdorren, es muß verschwinden.

*

Zierlich Denken und süß Erinnern
Ist das Leben im tiefsten Innern.

*

Ich träumt und liebte sonnenklar;
Daß ich lebte, ward ich gewahr.

*

Wer recht will tun, immer und mit Lust,
Der hege wahre Lieb in Sinn und Brust.

*

»Wann magst du dich am liebsten bücken?«
Dem Liebchen Frühlingsblume zu pflücken.

*

Doch das ist gar kein groß Verdienst,
Denn Liebe bleibt der höchste Gewinst.

*

Die Zeit, sie mäht so Rosen als Dornen,
Aber das treibt immer wieder von vornen.

*

Geniesse, was der Schmerz dir hinterließ!
Ist Not vorüber, sind die Nöte süß.

*

Glückselig ist, wer Liebe rein genießt,
Weil doch zuletzt das Grab so Lieb als Haß verschließt.

*

Viele Lieb hab ich erlebet,
Wenn ich liebelos gestrebet;
Und Verdrießliches erworben,
Wenn ich fast für Lieb gestorben.
So du es zusammengezogen,
Bleibet Saldo dir gewogen.

*

Tut dir jemand was zulieb,
Nur geschwinde, gib nur, gib.
Wenige getrost erwarten
Dankesblume aus stillem Garten.

*

Doppelt gibt, wer gleich gibt,
Hundertfach, der gleich gibt,
Was man wünscht und liebt.

*

»Warum zauderst du so mit deinen Schritten?«
Nur ungern mag ich ruhn;
Will ich aber was Gutes tun,
Muß ich erst um Erlaubnis bitten.

*

Was willst du lange vigilieren,
Dich mit der Welt herumvexieren?
Nur Heiterkeit und grader Sinn
Verschafft dir endlichen Gewinn.

*

Wem wohl das Glück die schönste Palme beut?
Wer freudig tut, sich des Getanen freut.

*

Gleich ist alles versöhnt;
Wer redlich ficht, wird gekrönt.

*

Du wirkest nicht, alles bleibt so stumpf.
Sei guter Dinge!
Der Stein im Sumpf
Macht keine Ringe.

*

In des Weinstocks herrliche Gaben
Gießt ihr mir schlechtes Gewässer!
Ich soll immer unrecht haben,
Und weiß es besser.

*

Was ich mir gefallen lasse?
Zuschlagen muß die Masse,
Dann ist sie respektabel;
Urteilen gelingt ihr miserabel.

*

Es ist sehr schwer oft, zu ergründen,
Warum wir das angefangen;
Wir müssen oft Belohnung finden,
Daß es uns schlecht ergangen.

*

Seh ich an andern große Eigenschaften,
Und wollen die an mir auch haften,
So werd ich sie in Liebe pflegen;
Gehts nicht, so tu ich was anders dagegen.

*

Ich, Egoist! – Wenn ichs nicht besser wüßte!
Der Neid, das ist der Egoiste;
Und was ich auch für Wege geloffen,
Aufm Neidpfad habt ihr mich nie betroffen.

*

Nicht über Zeit- noch Landgenossen
Mußt du dich beklagen;
Nachbarn werden ganz andere Possen,
Und auch Künftige, über dich sagen.

*

Im Vaterlande
Schreibe, was dir gefällt:
Da sind Liebesbande,
Da ist deine Welt.

*

Draußen zu wenig oder zu viel,
Zu Hause nur ist Maß und Ziel.

*

Warum werden die Dichter beneidet?
Weil Unart sie zuweilen kleidet,
Und in der Welt ists große Pein,
Daß wir nicht dürfen unartig sein.

*

So kommt denn auch das Dichtergenie
Durch die Welt, und weiß nicht wie.
Guten Vorteil bringt ein heitrer Sinn;
Andern zerstört Verlust den Gewinn.

*

»Immer denk ich: mein Wunsch ist erreicht,
Und gleich gehts wieder anders her!«
Zerstückle das Leben, du machst dirs leicht;
Vereinige es, und du machst dirs schwer.

*

»Bist du denn nicht auch zugrunde gerichtet?
Von deinen Hoffnungen trifft nichts ein!«
Die Hoffnung ists, die sinnet und dichtet,
Und da kann ich noch immer lustig sein.

*

Nicht alles ist an Eins gebunden;
Seid nur nicht mit euch selbst im Streit!
Mit Liebe endigt man, was man erfunden;
Was man gelernt, mit Sicherheit.

*

Wer uns am strengsten kritisiert?
Ein Dilettant, der sich resigniert.

*

Durch Vernünfteln wird Poesie vertrieben,
Aber sie mag das Vernünftige lieben.

*

»Wo ist der Lehrer, dem man glaubt?«
Tu, was dir dein kleines Gemüt erlaubt.

*

Glaubst dich zu kennen, wirst Gott nicht erkennen,
Auch wohl das Schlechte göttlich nennen.

*

Wer Gott ahnet, ist hoch zu halten,
Denn er wird nie im Schlechten walten.

*

Machts einander nur nicht sauer;
Hier sind wir gleich, Baron und Bauer.

*

Warum uns Gott so wohlgefällt?
Weil er sich uns nie in den Weg stellt.

*

Wie wollten die Fischer sich nähren und retten,
Wenn die Frösche sämtlich Zähne hätten?

*

Wie Kirschen und Beeren behagen,
Mußt du Kinder und Sperlinge fragen.

*

»Warum hat dich das schöne Kind verlassen?«
Ich kann sie darum doch nicht hassen:
Sie schien zu fürchten und zu fühlen,
Ich werde das Prävenire spielen.

*

Glaube mir gar und ganz,
Mädchen, laß deine Bein' in Ruh;
Es gehört mehr zum Tanz
Als rote Schuh.

*

Was ich nicht weiß,
Macht mich nicht heiß.
Und was ich weiß,
Machte mich heiß,
Wenn ich nicht wüßte,
Wie's werden müßte.

*

Oft, wenn dir jeder Trost entflieht,
Mußt du im stillen dich bequemen.
Nur dann, wenn dir Gewalt geschieht,
Wird die Menge an dir Anteil nehmen;
Ums Unrecht, das dir widerfährt,
Kein Mensch den Blick zur Seite kehrt.

*

Was ärgerst du dich über fälschlich Erhobne!
Wo gäb es denn nicht Eingeschobne?

*

Worauf alles ankommt? Das ist sehr simpel!
Vater, verfüge, ehs dein Gesind spürt!
Dahin oder dorthin flattert ein Wimpel,
Steuermann weiß, wohin euch der Wind führt.

*

Eigenheiten, die werden schon haften;
Kultiviere deine Eigenschaften.

*

Viel Gewohnheiten darfst du haben,
Aber keine Gewohnheit!
Dies Wort, unter des Dichters Gaben,
Halte nicht für Torheit.

*

Das Rechte, das ich viel getan,
Das ficht mich nun nicht weiter an;
Aber das Falsche, das mir entschlüpft,
Wie ein Gespenst mir vor Augen hüpft.

*

Gebt mir zu tun,
Das sind reiche Gaben!
Das Herz kann nicht ruhn,
Will zu schaffen haben.

*

Ihrer viele wissen viel,
Von der Weisheit sind sie weit entfernt.
Andre Leute sind euch ein Spiel;
Sich selbst hat niemand ausgelernt.

*

»Man hat ein Schimpf-Lied auf dich gemacht;
Es hats ein böser Feind erdacht.«

*

Lass sie's nur immer singen,
Denn es wird bald verklingen.

*

Dauert nicht so lang in den Landen
Als das: Christ ist erstanden.

*

Das dauert schon 1800 Jahr
Und ein paar drüber, das ist wohl wahr!

*

Wer ist denn der souveräne Mann?
Das ist bald gesagt:
Der, den man nicht hindern kann,
Ob er nach Gutem oder Bösem jagt.

*

Entzwei' und gebiete! Tüchtig Wort;
Verein' und leite! Beßrer Hort.

*

Magst du einmal mich hintergehen,
Merk ichs, so lass ichs wohl geschehen;
Gestehst du mirs aber ins Gesicht,
In meinem Leben verzeih ichs nicht.

*

Nicht größern Vorteil wüßt ich zu nennen,
Als des Feindes Verdienst erkennen.

*

»Hat man das Gute dir erwidert?«
Mein Pfeil flog ab, sehr schön befiedert;
Der ganze Himmel stand ihm offen,
Er hat wohl irgendwo getroffen.

*

»Was schnitt dein Freund für ein Gesicht?«
Guter Geselle, das versteh ich nicht.
Ihm ist wohl sein süß Gesicht verleidet,
Daß er heut saure Gesichter schneidet.

*

Ihr sucht die Menschen zu benennen
Und glaubt am Namen sie zu kennen.
Wer tiefer sieht, gesteht sich frei,
Es ist was Anonymes dabei.

*

»Mancherlei hast du versäumet:
Statt zu handeln, hast geträumet,
Statt zu danken, hast geschwiegen,
Solltest wandern, bliebest liegen.«

*

Nein, ich habe nichts versäumet!
Wißt ihr denn, was ich geträumet?
Nun will ich zum Danke fliegen,
Nur mein Bündel bleibe liegen.

*

Heute geh ich. Komm ich wieder,
Singen wir ganz andre Lieder.
Wo so viel sich hoffen läßt,
Ist der Abschied ja ein Fest.

*

Was soll ich viel lieben, was soll ich viel hassen
Man lebt nur vom leben lassen.

*

Nichts leichter als dem Dürftigen schmeicheln;
Wer mag aber ohne Vorteil heucheln?

*

»Wie konnte der denn das erlangen?«
Er ist auf Fingerchen gegangen.

*

Sprichwort bezeichnet Nationen;
Mußt aber erst unter ihnen wohnen.

*

Erkenne dich! – Was soll das heißen?
Es heißt: Sei nur! und sei auch nicht!
Es ist eben ein Spruch der lieben Weisen,
Der sich in der Kürze widerspricht.

*

Erkenne dich! – Was hab ich da für Lohn?
Erkenn ich mich, so muß ich gleich davon.

*

Als wenn ich auf den Maskenball käme
Und gleich die Larve vom Angesicht nähme.

*

Andre zu kennen, das mußt du probieren,
Ihnen zu schmeicheln oder sie zu vexieren.

*

»Warum magst du gewisse Schriften nicht lesen?«
Das ist auch sonst meine Speise gewesen;
Eilt aber die Raupe sich einzuspinnen,
Nicht kann sie mehr Blättern Geschmack abgewinnen.

*

Was dem Enkel so wie dem Ahn frommt,
Darüber hat man viel geträumet;
Aber worauf eben alles ankommt,
Das wird vom Lehrer gewöhnlich versäumet.

*

Verweile nicht und sei dir selbst ein Traum,
Und wie du reisest, danke jedem Raum,
Bequeme dich dem Heißen wie dem Kalten;
Dir wird die Welt, du wirst ihr nie veralten.

*

Ohne Umschweife
Begreife,
Was dich mit der Welt entzweit;
Nicht will sie Gemüt, will Höflichkeit.

*

Gemüt muß verschleifen,
Höflichkeit läßt sich mit Händen greifen.

*

Was eben wahr ist allerorten,
Das sag ich mit ungescheuten Worten.

*

Nichts taugt Ungeduld,
Noch weniger Reue;
Jene vermehrt die Schuld,
Diese schafft neue.

*

Dass von diesem wilden Sehnen,
Dieser reichen Saat von Tränen
Götterlust zu hoffen sei,
Mache deine Seele frei!

*

Der entschließt sich doch gleich,
Den heiß ich brav und kühn!
Er springt in den Teich,
Dem Regen zu entfliehn.

*

Dass Glück ihm günstig sei,
Was hilfts dem Stöffel?
Denn regnets Brei,
Fehlt ihm der Löffel.

*

Dichter gleichen Bären,
Die immer an eignen Pfoten zehren.

*

Die Welt ist nicht aus Brei und Mus geschaffen,
Deswegen haltet euch nicht wie Schlaraffen;
Harte Bissen gibt es zu kauen:
Wir müssen erwürgen oder sie verdauen.

*

Ein kluges Volk wohnt nah dabei,
Das immerfort sein Bestes wollte;
Es gab dem niedrigen Kirchturm Brei,
Damit er größer werden sollte.

*

Sechsundzwanzig Groschen gilt mein Taler!
Was heißt ihr mich denn einen Prahler?
Habt ihr doch andre nicht gescholten,
Deren Groschen einen Taler gegolten.

*

Niederträchtigers wird nichts gereicht,
Als wenn der Tag den Tag erzeugt.

*

Was hat dir das arme Glas getan?
Sieh deinen Spiegel nicht so häßlich an.

*

Liebesbücher und Jahrgedichte
Machen bleich und hager;
Frösche plagten, sagt die Geschichte,
Pharaonem auf seinem Lager.

*

So schliessen wir, daß in die Läng
Euch nicht die Ohren gellen;
Vernunft ist hoch, Verstand ist streng,
Wir rasseln drein mit Schellen.

*

Diese Worte sind nicht alle in Sachsen,
Noch auf meinem eignen Mist gewachsen
Doch, was für Samen die Fremde bringt,
Erzog ich im Lande gut gedüngt.

*

Und selbst den Leuten du bon ton
Ist dieses Büchlein lustig erschienen:
Es ist kein Globe de Compression,
Sind lauter Flatterminen.

 


 << zurück weiter >>