August Neidhardt von Gneisenau
1813 - Briefe
August Neidhardt von Gneisenau

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45. An die Gattin

Radmeritz, unweit Görlitz, den 9. September 1813.

Wir stehen hier mit unserm Hauptquartier in einem Fräuleinstift, und wohnen alle mit selbigen in einem Schlosse, teilen den Tisch mit ihnen, aber nicht Bette, so viel mir wenigstens bekannt ist. August ist mit meinem Jäger auf die Entenjagd gegangen, ein Beweis, daß er gesund und wohlbehalten ist.

Wir waren bereits bis über Görlitz hinaus vorgedrungen, als uns auf einmal Napoleon mit seiner Hauptmacht von Königstein aus entgegenkam und uns zu einer Schlacht verleiten wollte. Es lag dies weder in unserm Plane, noch in unsern Instruktionen. Wir wichen daher durch einen Marsch hinter die Neiße aus. Napoleon, als er gewahr ward, daß wir nicht in die Falle gingen, eilte wieder nach Dresden zurück und stellte uns drei Armeekorps und ein Kavalleriekorps entgegen. Wir nahmen solche heut in der rechten Flanke, und in diesem Augenblick sind solche in vollem Rückzug gegen Dresden. Wir werden nicht weit folgen. Höhere Pläne halten uns vorerst in hiesigen Gegenden zurück; ein Vorsatz, der unsere keuschen Fräulein erschreckt.

Bei Dresden hatten am 26. und 27. August unsere Waffen Unfälle erlitten, mehr durch Mißverständnisse oder Mangel an Einverständnis, als durch eine Überlegenheit feindlicher Waffen. Der König hat alles, was andere verdorben haben, wiederhergestellt. Die russischen Garden, 8 000 M[ann] stark, schlugen sich gegen 40 000 Franzosen mit höchster Tapferkeit und hielten deren Anfall mutig aus.

Des anderen Tages gingen die Preußen diesen Franzosen in den Rücken, und nun wurden diese von allen Seiten zugleich angegriffen. Man kann mir das Blutbad nicht gräßlich genug beschreiben, das das Geschütz unter den zwischen den Bergen steckenden Franzosen anrichtete. Leichen und Verstümmelte lagen übereinander zu Haufen. Nur ein Teil der Kavallerie entkam. Der Rest wurde getötet oder gefangen. Viele wurden in die unwegsamen Gebirge in der Nähe von Töplitz gesprengt, wo die Bauern selbige aufgreifen. – In Dresden, Bautzen und dem Umkreis der französischen Armeen ist die größte Not.

Danke der Agnes für ihren Brief. Grüße Amalie und die Kinder. Gott erhalte Euch.


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