Adolf Glaßbrenner
Komischer Volkskalender für 1849
Adolf Glaßbrenner

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Der gute, stammelnde Unterthan.

Nach bekannter Melodie.

        Ich bin ein guter Unterthan,
Das leidet keinen Zweifel;
Mein Fürst, das ist ein frommer Mann:
O wär' er doch beim theu...theuren Volke immer,
So würd' es niemals schlimmer,
Beim theu...theuren Volke immer,
So würd' es niemals schlimmer.

Wir haben ihn wohl oft betrübt,
Doch nimmermehr belogen;
Er sagte, daß er uns geliebt,
Und hat uns doch betro...offen oft auf Thaten,
Die er uns nicht gerathen.
Betro...offen oft auf Thaten,
Die er uns nicht gerathen.

Die Staatsbeamten thaten Recht:
Sie wahrten seine Rechte,
Und Der war ihm der liebste Knecht,
Der sich recht viel erfre...eulich zu uns neigte,
Und Mitleid uns bezeugte,
Erfre...eulich zu uns neigte,
Und Mitleid uns bezeugte.

Den Schwur, so er geleistet hat:
Erfüllung alles Dessen,
Was seine Pflicht an Gottes Statt,
Den hat er ganz verge...ebens halten wollen,
Es hat nicht glücken sollen!
Verge...ebens halten wollen,
Es hat nicht glücken sollen!

Du, Polizei, die dazu da,
Das wilde Volk zu zügeln,
Dich möchte ich nur ein Mal, ja,
So recht von Herzen prü...prüfen und Dich fragen:
Wer über Dich könnt' klagen?
Prü...prüfen und Dich fragen:
Wer über Dich könnt' klagen?

Ihr Ritter des Philisterruhms,
Und ihr, gelahrte Raben
Am Friedenshof des Alterthums:
O laßt euch doch begr...eiflich alle machen,
Wie sehr wir euch bewachen!
Begr...eiflich alle machen,
Wie sehr wir euch bewachen!

Ihr Mönche, vornehm, schwarz und weiß:
Das Volksglück, das verpuffte,
Wird eurer steten Mühe Preis,
Denn ihr seid große schu...ulgerechte Lehrer,
Und eifrige Bekehrer,
Ja, schu...ulgerechte Lehrer
Und eifrige Bekehrer.

Ihr Stolzen, ihr im deutschen Land
Vom Rheine bis nach Polen,
Ihr seid mir durch und durch bekannt,
Euch soll der Kuckuck ho...hohes Alter melden,
Euch weisen Friedenshelden,
Ja, ho...hohes Alter melden,
Euch weisen Friedenshelden!


Rede
des deutschen Reichsnarren
an
das vereinigte Deutschland.

Geliebte Unterthanen!

Es ist geschehen. Was mir, dem Narren, niemals geträumt hat, das habt Ihr gescheidten Leute erlebt: ein deutscher Kaiser ist gewählt. Dem Willen des Höchsten zufolge ist mein Allerhöchster Herr aus der Wahl Eurer Vertreter hervorgegangen – unverantwortlich! Wenn ein Volk souverain ist, wie Ihr es gewesen seid, so kann's ihm Niemand verwehren, sich unter einen Kaiser zu stellen. Ich habe mir neulich eine Maulschelle gegeben, weil mein Freund bezweifelte, daß ich Alles thun könne, was ich wolle. Durch Eure glorreichen Revolutionen, deren Blut und böse Folgen mir leid thun, habt Ihr jede Freiheit errungen, also auch die der Kaiserwahl. Innig geliebte Brüder, ich müßte mich und meine ganze Stellung verkennen, wenn ich nicht sagen wollte: Ihr habt Recht gethan. Ein Land muß stark sein und die Fürsten repräsentiren das Land; Ihr aber hattet im Frühling des verflossenen Jahres Eure Fürsten schwach gemacht, folglich waren Eure Länder schwach. Ich gebe Euch mein Wort, sie werden wieder stark werden, Kraft und Macht kriegen, denn Eure Fürsten haben nun einen gewaltigen Halt an den Kaiser, und der Kaiser meint es gut mit ihnen. Er trägt seine Krone nicht allein, die Kaiserkrone ist eine Collectivkrone, Eure Fürsten tragen sie Alle. Und die vier freien Städte, welche Ihr bisher noch hattet, genießen fortan ihren Segen auch. Ich habe meine Nachtmütze zu Hause von allen Seiten betrachtet und darüber schöne Gedanken gehabt, aber der letzte war: jede Nachtmütze muß einen Zipfel haben. Wenn Ihr keine Fürsten gehabt hättet, so würde ich weder Euch zu dem Kaiser, noch dem Kaiser zu Euch gerathen haben: da Ihr aber Fürsten habt, oder die Fürsten Euch, so ist Jeder glücklich, der zufrieden ist.

Geliebte Unterthanen! Ich spreche im Namen meines allerdurchlauchtigsten Kaisers zu Euch. Da er weiß, mit wem ich spreche, so hat er mich dazu auserkoren, obschon er noch eine Menge anderer Minister und Bedienten hat. Er läßt Euch grüßen und versichert Euch vorläufig seiner allerhöchsten Gnade, bis er zu Handlungen schreitet. Da ihm gestern der Oberreichsmundschenk zum Schlusse der wohlbesetzten, nicht genug zu rühmenden Tafel noch einen güldenen Becher güldenen Weines kredenzte, hat er sogar auf Euer Wohl getrunken. Er trank aus voller Seele und fügte hinzu, daß er dasselbe keinen Tag seines Lebens vergessen werde. Es war ein sehr feuriger Wein, die Flasche kostet zehn Thaler Gold, und ich kann ihn Euch empfehlen, denn man wird sehr leicht selig darnach und vergißt alle seine Sorgen. Seine Majestät läßt Euch sagen, auf daß Ihr es wüßtet, daß Deutschland nunmehr einig wäre. Er, der Kaiser, sei mit den Fürsten durchaus einig geworden, die Fürsten mit ihm, die Fürsten verträten Euch und die Sache wäre richtig. Die Einigkeit aber, geliebte Deutsche, ist das höchste Gut, und so freut es mich, Euch versichern zu dürfen, daß Ihr fortan Alle Glieder Einer Kette seid. Und Eisen ist eine feste Masse, das wird Niemand bestreiten. Denn sonst würde ich gesagt haben: man kann eine Menge einzelner Hanffäden zusammendrehen, bevor sie eine einige Knute werden. Auf die rechte Handhabung aber kommt Alles an und, wie gesagt, der Kaiser läßt Euch grüßen.

Wegen der Freiheit soll ich auch mit Euch sprechen. Ich thue es gern, weil ich weiß, daß es Euch Freude macht, von Freiheit zu hören und mitunter selbst ein Wörtchen darüber mitzureden. Auch ist heute sehr schönes Wetter und da plaudert man gern von Allem, was man erlebt hat. Das geht durch alle Geschöpfe. Ich habe zu Hause in meinem goldnen Käfig einen Vogel, der das Lied pfeift: Ein freies Leben führen wir! und es wäre sehr unrecht von mir, wenn ich ihn nicht pfeifen lassen wollte. Ein freier Vogel kann übrigens fliegen, wohin er will, sich des Sonnenscheins freuen, von Baum zu Baum flattern, den Blüthen Liebeslieder singen und fressen, was seinem Schnabel gefällt. So viel werdet Ihr wohl aus der Naturgeschichte wissen. Die Naturgeschichte ist eine große, heilige Wissenschaft, und wenn wir nicht verstanden hätten, die furchtbare Kraft des Feuers in seinem Dampfe zu zähmen und zu unserm Besten anzuwenden, so hättet Ihr müssen mit elenden Postkleppern nach Frankfurt kommen, statt daß Ihr jetzt fast hergeflogen seid, Euch einen Kaiser zu wählen und zu krönen. Und mit ihm habt Ihr auch die freie Verfassung gekrönt, welche Eure Vertreter für 4 Millionen Gulden zu Ende gebracht haben. Sie wird Euch theuer sein und noch theurer werden. Es ging Alles, wie's Einer nur wünschen konnte. Der Kaiser hat die Verfassung beschworen; er hat sie mit seinem Fürstenworte beschworen, und was das sagen will, wißt Ihr. Mehr konnte Seine Majestät vorläufig nicht thun: mit der Verfassung hat es nun seine Richtigkeit. Dagegen erwartet er von Euch Ruhe, Ordnung und Ehrerbietung vor seinem Gesetze, ohne welche es keine Freiheit gäbe. Das ist richtig: wenn Einer die Ruhe und die Ordnung stört, so kann von Freiheit keine Rede sein. Darüber seid Ihr gewiß einig, wie Ihr in Allem einig sein müßt, da Ihr Euch einen Kaiser gewählt habt, dessen Befehlen Gehorsam werden muß. Den Letztern fordert er auch vorzugsweise von denjenigen Eurer Brüder, welche zum Militair gehören. Ich kenne übrigens den Kaiser persönlich: er ist voller Gaben, zu Vielem fähig, und ein freundlicher Mann, wenn man ihn bei Laune erhält. Des Morgens spült er sich den Mund aus wie jeder wissenschaftlich gebildete Mensch, aber er hat die spaßhafte Gewohnheit, wenn's ihn irgendwo juckt, einen Andern zu kratzen.

Während der verdrüßlichen Vorgänge im Februar und März des verflossenen Jahres sind manche Wünsche aus Eurer Mitte laut geworden. Sie werden hiermit verbürgt. Es giebt keinen unglücklicheren Menschen, als den, der keinen Wunsch mehr hat. Unter meiner Verwandtschaft war auch ein reicher Vetter, der Alles besaß, was sein Herz verlangte und darüber so melancholisch wurde, daß er sich das Leben nahm. Innig geliebte Brüder und Schwestern, Ihr sollt Euch nicht das Leben nehmen – denn das ist frecher Selbstwille – und es soll Euch auch nicht genommen werden, wenn Ihr nicht selbst die Veranlassung dazu gebt. Das Leben ist so süß; es ist einstweilen das Beste was wir haben, und darum bewahrt es jeder gute Staatsbürger so sorgsam und opfert es nur seinem Fürsten und seinem Kaiser. Ich bin Nichts weiter als ein Narr, aber ich denke eben so. Was bietet das schöne Leben nicht Alles! Kann Einer zu Bett gehen, der nicht lebt? Kann Einer Abgaben geben und unter dem Schutze der Polizei für sich und die Seinigen sorgen, der nicht lebt? Kann Einer illuminiren an hohen Geburtstagen; kann Einer Hurrah schreien, wenn ein neuer Prinz geboren ist, der nicht lebt? Kann Einer essen und trinken, wenn er was hat, der nicht lebt? Kann Einer von einem Grafen oder sonst einem vornehmen Manne herablassend behandelt werden, der nicht lebt? Geht mir doch mit dem Tode und mit der künftigen Seligkeit, die ich nicht Schwarz auf Weiß besitze und worüber ich kein Fürstenwort habe! Ich glaube an keine Seligkeit, ich wohne in meinem Deutschland, und ehe ich nicht verhungre oder mich zu Tode ärgre, oder mich für meine Herrscher opfern kann, soll mir Keiner mit dem Tode kommen. Fürchten thu' ich mich aber auch nicht, wenn er selbst zu mir tritt. Der Tod ist die Krone des Lebens, sagen unsre Gelehrten, und wenn der Tod eine Krone ist, so wird schon für mich gesorgt werden.

Ihr habt gewünscht, Euch zu bewaffnen. Nun, es hat Euch Geld und Zeit und Strapazen genug gekostet, bevor Ihr den uniformirten Bauerjünglingen das Wache halten und der Polizei das Arretiren erleichtern konntet. Meine siebenjährige Nichte zu Hause ist ein eitles Aeffchen und putzt sich über die Maaßen gern. Sie bedauerte neulich, niemals ein Mann werden, sich nie so allerliebst bunt kleiden und Waffen tragen zu können. Ich antwortete auf diesen nichtigen Wunsch: das Loos, ein Mann zu werden, sei nur Wenigen beschieden und Vielen wär's besser, sie bewaffneten ihre Augen als Lenden und Arme. Denn da ist zum Beispiel die Freiheit. Das Ding, so groß es ist, kann sich so klein machen, daß man's mit bloßen Augen gar nicht gewahr wird, wenn es durch Tausend und Millionen Bajonette, Büchsen, Piken und Säbel durchschlüpft. Ein noch größerer Narr, wie ich, rief neulich: Gott im Himmel, wo ist mein gemüthvolles, romantisches Deutschland geblieben? Wenn man über die grünen Gebirge zieht, läuft man Gefahr, in Bajonette zu rennen; wenn man an einem plätschernden Bach träumen und dichten will, trommeln sie einem die Ohren voll; der Mehlmüller hat bunte Kleider an wie ein Lakai; der Fischer hat eine Angel, die er mit Pulver ladet; der Schuster paradirt auf der Straße als geschnürter Lieutenant und die Frau Pech-Lieutenantin zu Hause hungert; der Hauspapa erschreckt seine Kinder durch einen neuen Schnauzbart und einen langen Säbel; auf dem Nähtische der Frau liegt ein großes Pulverhorn, und Dörthens Liebster kommt zum traulichen Mondschein-Stelldichein mit der Pike! Gegen Wen führt denn das plötzliche Lager von 40 Millionen Krieg? Gegen Niemand, es ist ringsum Friede. Gegen Wen schützt es denn seine Freiheit? Gegen 34 Mann – Fürsten? Oder gegen 35 Mann, da noch zwischen all den Waffen ein Kaiser aufgewachsen ist? Nicht möglich, denn wenn die Fürsten Feinde der Freiheit wären, würde man sie nicht im Lande dulden. Und wenn's Ernst ist, wozu die spaßigen bunten Röcke und das spaßige bunte Treiben? Dem ächten Bürger ist die Waffe angewachsen; man sieht sie nicht und er trägt sie doch, und der Teufel holt Den, der ihn und seinen Staat anrühren wollte! So sagt mein Freund. Wie gesagt, mein Freund ist ein übergroßer Narr, welchen mein Herr, der Kaiser, nächstens in ein apartes Narrenhaus sperren wird, was ich allerdings für überflüssig halte.

Preßfreiheit habt Ihr auch. Aber ich bitte Euch, geliebte Unterthanen, nicht davon zu reden, denn es steht einem Menschen Nichts übler als Prahlerei. Was Censur ist, habt Ihr erfahren: es ist ein Polizeicommissarius, den uns die Vorsehung auf die Zunge gesetzt hat. Das war ein Schaden vorn. Nun giebt es aber auch Menschengeschlechter, die haben einen Criminalrichter auf dem Rücken, und ich kann Euch im Augenblicke nicht sagen, was ich vorziehe. Am liebsten zög' ich den Criminalrichter vor, um ihn durchzuprügeln, wenn aber Einer einen angewachsenen Buckel hat, so kann er sich denselben nicht abreißen, ohne seine ganze Constitution auf's Spiel zu setzen. Ich bin ein Narr, ich setze sie nicht aufs Spiel. Als Narr habe ich den Vorzug, jedem Esel und jeder Katze ungestraft die Wahrheit sagen zu können, und ich danke Gott, daß ich Keiner von den Gescheidten geworden bin. Ich habe einen Widerwillen gegen Gefängnisse wie der Fisch gegen das Continentalsystem, und wenn ich sitzen will, so setze ich mich am liebsten selbst. Es ist freilich wahr, daß man nach der Bauart im deutschen Styl nicht genau angeben kann, wo das Gefängniß aufhört – aber ich vertrete mir gern die Beine und mache gern meine tägliche Promenade über die Felder. Später bin ich wieder zu Hause und trinke meinen Kaffee, und wenn Ihr mich besuchen wolltet, um vielleicht über Preßfreiheit mit mir zu plaudern, so würde ich Euch von meiner Frau einen Kuchen backen lassen, wenn ich verheirathet wäre.

Die Bureaukratie hat, wie Ihr gewünscht, ihren letzten Klecks gemacht. Die verwerfliche, weiche Feder-Regierung hat aufgehört, Euer politisches Leben wird nicht mehr geschrieben. Von nun an beginnt der Druck.

Das freie Versammlungsrecht ist Euch auch zugestanden. Aber der Kaiser, mein Herr, ist sehr ängstlich. Er meint: wenn Ihr da Vier oder Fünf Tausend Mann beisammen ständet, so könnte Euch leicht ein Malheur passiren. Die Fürsten hätten ihm gesagt, es gäbe noch Spitzbuben und Räuber, und die wüßten es am besten, weil ihnen von ihren Beamten immer statistische Tabellen zukämen. Deshalb muß es die Polizei vorher wissen, wenn Ihr zusammen singen oder plaudern wollt, und wenn es irgend Gefahr hat, so wird sie es Euch unter keinen Umständen erlauben, denn sie ist eine gute Seele und hat Euch gern. Die deutsche Großmutter macht es darin wie alle Mütter mit ihren Kindern: sie erdrückt einen fast mit ihren Aufmerksamkeiten. Nun, man muß auch gestehen, Vorsicht schadet nie, und da Vorsicht die Mutter der Weisheit ist, so ist die Weisheit eine Tochter der Polizei. Also vorsichtig! Wie leicht kann ein Kind übergefahren werden oder in die Gosse fallen, oder von bösen Buben zu dummen Streichen verführt werden! Ihr habt Euch einen Kaiser gewählt, also hört auch auf ihn in Erziehungsangelegenheiten. Er meint, es sei immer besser, die Kinder gingen an der Hand ihrer Mutter aus oder sie blieben hübsch zu Hause. Kann es nicht auch regnen? Gewiß, ich habe es neulich selbst erlebt, als ich meine Blumen im Garten begießen wollte! Kann sich solch ein kleines Wurm nicht erkälten? Oder erhitzen? Schon Pestalozzi, Metternich, Lancaster und andere Pädagogen sind von dem Prinzip ausgegangen, daß man auf Kinder ein wachsames Auge haben muß, und ich sehe nicht ein, warum ein Kind vernünftiger sein sollte als seine Eltern.

Ferner wolltet Ihr den Adel abgeschafft haben. In dieser Angelegenheit, läßt Euch der Kaiser sagen, sei Manches geschehen, nur möchtet Ihr nicht vergessen, daß er selbst aus adligem Blut stamme und sein Ahnherr sich, in dem Kampfe gegen reisende Kaufleute, rühmlichst ausgezeichnet und viele Verdienste erworben hätte. Einstweilen hat man, das kann ich Euch versichern, dem Adel alle Vorrechte genommen und ihm nur das tättowirte Von gelassen, denn man soll keinen Menschen um seine Vergangenheit, und wäre sie noch so verächtlich, noch um seine Zukunft bringen. Ich habe in meinem Garten, von dem ich schon vorher sprach, einen Stammbaum mit giftigen Früchten. Um Unglück zu verhüten, schüttelte ich die Früchte alle ab, ließ aber die Wurzel in der Erde. Im nächsten Jahre schon war der Baum wieder ganz mit Gift bedeckt und verpestete mit seinen stolzen Zweigen ringsum die Luft. Daraus seht Ihr, wie fruchtbar der Boden Deutschlands ist, und daß Ihr Unrecht habt, sogleich zu klagen und zu jammern, wenn einmal eine schlechte Ernte eintritt und Eure armen Arbeiter keine Kartoffeln haben, weil die Schweine gemästet werden müssen. Gott läßt keinen Sperling auf dem Dache verhungern, geschweige ein Schwein im Stall: er sorgt für alle Thiere. Blos für die Raubthiere sorgt er nicht, weil diese für sich allein sorgen. Die Adler sind auch Raubthiere und es sind keine Lämmer, die sich in ihre Nähe drängen. Das Lamm ist ein geduldiges Vieh; wenn es älter wird, so wird es ein Schaf, das sich Alles gefallen läßt. Wenn Ihr's mir nicht glaubt, so könnt Ihr in Buffons Naturgeschichte nachschlagen, in welcher Ihr, auch ohne Vorkenntnisse zu besitzen, Euch schon finden werdet. – In demselben Garten, von welchem ich eben sprach, habe ich auch den Baum der Freiheit, den ich Euch gern näher beschreiben möchte, wenn er Euch interessirte. Aber wie kann Euch ein Baum interessiren, der, wie die Erfahrung lehrt, keine Reichsäpfel trägt?

Ihr habt auch auf Verminderung der stehenden Heere angetragen, weil Euch diese halb auffräßen. Oder ganz, denn sie hätten den Bürger im Magen. Nun, was wollt Ihr? Das Militair verdaut gut und so werdet Ihr bald wieder zum Vorschein kommen. Vorläufig hat Seine Majestät, um Sich, also um Euch und Euer Land zu schützen – von der Bürgerwehr kann hier keine Rede sein – die stehenden Herre vermehren müssen. Er hat aber, denkt Euch, nur 2 Prozent von Eurer Bevölkerung verlangt! Sagt selbst, geliebte Unterthanen und Brüder, ist das nicht über die Maaßen billig? Fünf Prozent kann der Sohn von seinem Vater nehmen, und als ich neulich kein Geld hatte, um für die Miethe, welche ich meinen Wirth bezahle, Miethssteuer an die Regierung zu zahlen, mußte ich bei einem Capitalisten borgen und – 10 Prozent geben. Und wie viel Prozent zahlt Ihr, wenn Eure Fürsten zum Wohle des Staates Anleihen machen, damit die Hofleute Gehalt kriegen? Wenigstens eben so viel. Also seht Ihr ein, daß Euer allergnädigster Kaiser kein Wuchrer ist, sondern ein solides Geschäft unternimmt. Und was würden denn Eure Frauen sagen, wenn keine Paraden mehr wären? Und was soll denn aus den armen, adligen jungen Männern werden, die sich doch nicht mit Euch auf gleiche Stufe stellen und damit befassen dürfen, etwas zu lernen, wenn, da sie nicht Gemeiner werden können, keine Lieutenantschargen zu vergeben sind? Und was soll denn daraus werden, wenn Revolutionen ausbrechen, und nicht hinreichend Militair vorhanden wäre, um den einzelnen guten Bürger gegen die allgemeine Empörung zu schützen? Ihr seid während der verdrießlichen Vorgänge im Februar und März des verflossenen Jahres sehr voreilig gewesen und habt Forderungen gestellt, die kein Fürst der Welt bewilligen kann, der Euer Bestes möchte.

So, zum Beispiel, wollt Ihr auch die Polizei vom Gericht, den Staat von der Kirche und die Kirche von der Schule getrennt haben. Lauter Trennungen, und dabei ein einiges Deutschland: ist das möglich? Könnt Ihr Euch ein einiges Deutschland träumen lassen, wenn Ihr mehr als ein Viertel desselben, die Polizei, von dem allgemeinen deutschen Vaterlande losreißt? Wenn Ihr die arme Kirche allein, von Gott und der Welt verlassen, ohne Staat stehen laßt? Warum wollt Ihr sie trennen? Sie werden sich nicht beißen. Der Staat und die Kirche können sich sehr gut vertragen, sich gegenseitig unterstützen. Es sind, so zu sagen, Eure Eltern, und wenn auch der Papa ein wenig unter dem Pantoffel steht, oder ein Mal schilt, wenn die Frau die Kleinen zu viel mit dem Licht spielen läßt, was geht das die Kinder an? Doch ich will nicht weiter davon reden, denn von dem Lebenswandel mancher Frau sagt man nicht viel Gutes und es steht einem Hagestolz, wie mir, sehr schlecht, sich in Familienangelegenheiten zu mischen. Aber von der Schule will ich sprechen. Wie, Ihr wollt sie von der Kirche unabhängig machen? Ist die Kirche nicht die eigentliche Schule der Menschheit? Hat ihr nicht die Menschheit das Schulgeld bezahlen müssen? Seht unsre ganze Geschichte näher an: sie ist von den Pfaffen gemacht. Alles, was wir bisher genossen haben, verdanken wir den Pfaffen. Und zum Lohn dafür, und zu unserm, zu unsrer Fürsten Unheil, wollen wir ihnen die Schule nehmen? Wißt Ihr, was Das heißt? Das heißt, wenn auch nicht die Religion – denn die nimmt uns kein Gott! – die ganze Theo- oder Pfaffologie aus der Weit bringen! Das heißt, alle die heiligen Männer, welche Eure Kinder für Einen Thaler Acht Groschen taufen, und Eure Liebe für Zwei Thaler Sechszehn Groschen im Namen des Herrn segnen, nach und nach um allen Einfluß, an den Bettelstab oder zu einem nützlichen Handwerk bringen! Seid gescheidt, wenn Ihr auf einen Narren hören wollt, und thut es nicht. Der Kaiser, unser allerhöchster Herr, läßt Euch darüber noch Nichts Gewisses sagen. Er wird sich die Sache noch mit seinem Beichtvater überlegen. Seid überzeugt, er wird das Rechte wählen, denn der Beichtvater ist einer von den Heiligen und weiß Bescheid, und der Kaiser ist ein Mann, der in seinem kleinen Finger mehr Verstand hat als sonst wo.

Ueber die socialen Fragen wird Seine Majestät erst mit Euch sprechen, sobald er mit seinen Militairangelegenheiten fertig geworden und ein sichres, festes Reichsheer geschaffen hat. Schließlich freut es mich, Euch versichern zu können, daß allen Euren Wünschen in Beziehung auf gleiche Münze, gleiches Maaß und Gewicht keine Hindernisse entgegenstellen. Daß Niemand mehr auf Lebenszeit eingesperrt wird, der die schwarz-roth-goldene Kokarde trägt, versteht sich von selbst, da aus dem Schwarz Eurer Vergangenheit und dem Rothe Eures Blutes der Kaiser hervorgegangen ist und sich durch Euer Gold halten und befestigen wird. Auch kann fortan jeder Deutsche zu jedem Deutschen, welcher niest: Helf Gott! sagen.

Um nun endlich auch von mir zu reden, so bin ich, der allerhöchst ernannte deutsche Reichsnarr, weder stolz noch hoffärtig, sondern betrachte Jeden von Euch als meinen Bruder. Der Himmel beschütze uns und unser Vaterland! Amen!


Wichtige Notiz für Geschichtsschreiber.

Die preußische Regierung, so heftig ihr diese Angabe auch von allen Seiten bestritten wurde, hat ganz Recht, daß in dem heiligen Kampfe am 18. und 19. März nicht mehr als 20 Mann Militair in Berlin geblieben sind. Die Uebrigen wurden fortgeschafft.


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