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Das Gastmahl

Admet, der Sohn reicher Eltern, der, früh verwaist, bei einem strengen aber weisen Lehrer erzogen war, besuchte, als er zum Jüngling herangereift war, seine entfernten Verwandten, die im Besitze großer Reichtümer in der Hauptstadt lebten.

Von edlem Ansehen und in allen Wissenschaften erfahren, machte er überall den angenehmsten Eindruck. Jeder bestrebte sich, den Jüngling auf seine Weise zu ehren, und lud ihn zu den glänzendsten Festen.

Cristipp, der Aelteste der Familie, begann mit einem prächtigen Gastmahl. Verwundert betrachtete Admet die Fülle köstlicher Speisen und den Ueberfluß an Wein, der auf den Tischen des reichen Mannes strömte. »Du übst die Tugenden der Gastfreiheit in vollem Maß,« sprach Admet zu ihm, »und gewiß hast du deinen Ueberfluß mit solchen geteilt, die an diesen Erquickungen Mangel leiden.«

»Mit nichten!« entgegnete Cristipp. »Die du an meinen Tischen gesehen, sind die Reichsten und Wohlhabendsten der Stadt. Ich mache es mir zum Vergnügen, mit diesen zu wetteifern, und mein größter Ruhm würde sein, sie in Anordnungen zu übertreffen, wie sie unsers Ranges und unsers Vermögens würdig sind.«

»Wohl ist dein Wunsch eines redlichen Strebens wert!« versetzte Admet. »Auch ich habe manche löbliche Sitte aus meiner Heimat mitgebracht, vielleicht daß du sie der Nachahmung würdig findest, wenn du mir erlaubst, dich bei mir zu bewirten!«

Cristipp sagte lächelnd zu, und Admet verließ ihn, um sich zu Alcindor, dem zweiten seiner Freunde zu begeben.

»Admet,« begann dieser, als sich der Jüngling an seiner Seite an der glänzenden Tafel niedergelassen, »du warst vorhin in einer großen Gesellschaft; ich biete dir nur einen kleinen, aber auserwählten Kreis. Du siehst hier nur Bischöfe und Grafen, die Ersten der Stadt! Es ist gut. Freunde unter den Mächtigen zu haben und von den Angesehensten geachtet zu sein, und ich freue mich, daß solches Glück mir gewährt ist!«

»Mich dünkt,« erwiderte Admet, »du könntest diesen Wunsch in noch weit größerem Umfange erfüllt sehen. Kenne ich doch, so fremd ich hier bin, einen Fürsten, der es gewiß nicht verschmäht hatte, zu deiner Tafel zu kommen, und der noch viel angesehener ist, als alle die, die dich umgeben!«

»Wen kannst du meinen?« fragte Alcindor in gespannter Erwartung.

»Du sollst ihn kennen lernen, wenn du meine Bitte erfüllst, zu meiner Tafel zu kommen!« erwiderte Admet. Verwundert blickte Alcindor den Jüngling an, dieser aber wandte sich, seinem Forschen zu entgehen.

»Komm,« rief Leander, der dritte der Verwandten, als Admet am folgenden Tage seiner Einladung folgte, »komm und sei fröhlich mit den Fröhlichen! Alles, was du siehst und hörst, ist bestimmt, heitern Frohsinn zu verbreiten. Keinen findest du unter uns, der, von Ueberfluß abgestumpft, die Gaben des Himmels mit verwöhntem Gaumen zergliederte und unmutig hinwegwiese, was Tausenden Labung und Erquickung wäre. Heitere, muntere Freunde sind es, unverdorbene Naturen, die ich zu meiner Tafel geladen, und wenn andere auch glänzendere Mahlzeiten halten, die dankbarsten Gäste sind es doch, die meine Säle verlassen, weil nicht Prunk, sondern allgemeine Freude der Zweck ist, nach dem ich gestrebt.«

»Unser Ziel grenzt demnach recht nah aneinander,« versetzte Admet. »Du sollst dich selbst davon überzeugen, wenn ich dich bei mir bewirte! Jetzt aber will ich froh sein mit den Fröhlichen und dir in deinem liebevollen Streben die Hand bieten.«

*

Mehrere Gastmähler folgten also aufeinander, denn Admets Verwandtschaft war groß, und einer gedachte es dem andern zuvorzutun an üppigem Glanze. Admet aber wurde, je länger diese Festgelage dauerten, immer stiller und ernster, ja oft fiel eine Träne in seinen Pokal, und er verließ nicht selten früher denn die andern die Säle der Freude. Endlich kam der Tag, an welchem Admet seine Verwandten zu sich geladen. Sorglich bereiteten sich diese zu dem Feste, denn es ging das Gerücht, daß ein mächtiger Fürst zugegen sein würde, der seine Gunst dem Jünglinge geschenkt.

An den Pforten seines Palastes empfing Admet mit heiterm Ernst seine Verwandten. Staunend überblickten diese die zahlreichen Tafeln, die in den Sälen bereitet waren; Admet aber begleitete jeden zu seinem Platz und winkte dann seinen Dienern, die Nebengemächer zu öffnen. Siehe, da erschienen Paar um Paar die dürftigen, vergessenen Brüder der Reichen. Greise, in armselige Gewänder gehüllt, sieche Gestalten, auf Krücken gelehnt, Kinder verschiedenen Alters, mit blassen, eingefallenen Wangen, auf denen Mangel und Elend geschrieben war. Schüchtern folgten sie dem Winke Admets, sich an die Tafeln zu begeben; dieser aber begann auszuteilen, ein reicher, glücklicher Wirt! Freudig reichte er dem entkräfteten Alter den labenden Pokal, den Kindern des Mangels die erquickende Speise, und bald kehrte auf die farblosen Wangen seiner Gäste der Schimmer neuen Lebens zurück.

Es war aber eine tiefe Stille in dem Saal, und der große Kreis umher war anzusehen wie eine andächtige Versammlung. Da ging dem Jüngling das Herz auf, und er sprach:

»Habt Dank, o meine Freunde, daß ihr an diesem meinem Feste teilnehmen wolltet! Mögen seine Anordnungen euch nicht mißfallen und meine Freuden die euren sein! Vieles habe ich von euch gelernt, was ich nach meiner Weise benutzte. – Du, o Cristipp, strebst danach, von den Glücksgütern, die dir der Herr geliehen, einen weisen Gebrauch zu machen und hierin deine Freunde zu übertreffen. Ich glaube dir zu gefallen, wenn ich die meinen mit denen teilte, die von dem Glücke vergessen sind, denn dies schien mir der weiseste und natürlichste Gebrauch. – Durch dich, Alcindor, lernte ich den Wert mächtiger Freunde erkennen. Ich lud den mächtigsten an meinen Tisch, ihn, der da sprach: was ihr einem dieser Geringsten tuet, das habt ihr mir getan! Und hoffte dich also mit dem Herrn der Herren zu befreunden. – Dir aber, mein Leander, wußte ich kein höheres Vergnügen zu bereiten, als wenn ich dich zum Zeugen eines Freudenfestes machte, das dauernd in diesen Herzen fortleben wird; und somit, meine Freunde, hoffe ich, allen euren Wünschen begegnet zu sein.«

Es erhob sich aber ein Murren in der Versammlung, und viele senkten das beschämte Antlitz unwillig zu Boden. Vor allem aber schleuderte Alcindor Blicke stolzen Unmuts auf den Jüngling, und er schaute auf sein Purpurgewand finster nieder. Mit dem Lächeln des Mitleids betrachtete Cristipp die ungewohnte Umgebung; andere blickten nicht ohne Teilnahme auf dieselben herab und schienen über die rührenden Gruppen ihre getäuschte Erwartung zu vergessen. Admet aber ließ sich von all dem in seiner Freude nicht stören und winkte seine Diener herbei, die bereiteten Geschenke an Mänteln und Gewändern zu verteilen. Während der Dank der Beglückten ihn umtönte, hatten sich seine Verwandten, einer nach dem andern, aus dem Saale entfernt, Leander allein war an seiner Seite geblieben und mischte seine Freudentränen mit denen der reichlich Beschenkten.

»Ich danke dir von Herzen,« rief er, den Jüngling umschlingend, »daß du mich wert hieltest dieses Winkes deiner Liebe! Ich weiß, was du meinst, und mein künftiges Leben soll es aussprechen, daß ich dich und das Wort unseres Herrn verstanden!«

Da blickte Admet in stillem Entzücken empor, und den Gewonnenen an sich ziehend, rief er: »Preis dir, o Ewiger, mein Besuch in diesen Kreisen war nicht vergeblich, meine Zeit nicht verloren!« Zu Leander aber sprach er freundlich: »Werde du fortan eine Leuchte den Verblendeten, vielleicht daß sich ihr Zürnen dereinst in Liebe verwandelt!«

Und er nahm seinen Wanderstab, drückte seinem Freunde die Hand und begab sich in seine Heimat zurück.


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