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Fünfzehntes Kapitel.

Ich werde boshaft. – Der Unfall. – Geopfert.

 

Seit meiner großen Entdeckung kümmerte ich mich nicht mehr um Predigten und Religionsunterricht; ich dachte nur daran, so gut als möglich zu leben. Die Seele war das unsterbliche Wesen im Menschen, und ich hatte ja keine Seele. Es blieb mir nichts übrig, als die Freuden zu genießen, welche das Leben mir bot, solange man es mir ließ. Ich gestehe, ich gab mich der Wohlschmeckerei hin, dem Eigennutz, dem Hochmut; ich verstand es, das beste Stück, das beste Plätzchen zu wählen; ich unterdrückte den guten Mustasch, ich ärgerte alle Tiere, die am Pfarrhof vorübergingen, alle, deren ich im Dorfe ansichtig wurde. Ein Schnabelhieb ist ja bald gegeben und ein Samenkorn rasch aus der Erde gescharrt.

»Buntscheckchen wird boshaft«, sagte manchmal der kleine Peter, wenn er mich über solchen Schnabelhieben überraschte, oder wenn ich alles im Garten durcheinander gescharrt hatte.

»Aber es ist trotz alledem so artig«, meinte die alte Kreszenz, in deren Gunst ich mich festgesetzt hatte.

»Hm, hm«, sagte der gute Pfarrer, »es ist artig, ich will dem nicht widersprechen, aber es achtet nicht mehr unsere Gärten; Herr Thomas kann in seinen Beeten nichts mehr säen, ohne daß Buntscheckchen daran herumnascht. Man meint, das boshafte Tier ahne die Saatzeit.«

»Dann soll Herr Thomas Vogelscheuchen aufstellen, Onkel«, erwiderte Peter, der mich, wenn wir allein waren, schmähte und andern gegenüber entschuldigte.

»Er stellt deren alle Tage neue auf, Kleiner, aber Buntscheckchen lacht ihn aus. Vorgestern hatte er eine Windmühle aufgestellt und dazu noch eine Strohpuppe mit wehenden Gewändern, alle Raben flogen davon, aber Buntscheckchen hat ganz ruhig seine Erbsen gefressen; es ist ein kleiner Schlemmer ohne eine Spur von Gewissen.«

Ei, dachte ich, da ich keine Seele besitze, brauche ich auch nicht, wie Sie, Herr Pfarrer, ein künftiges Leben zu erwarten; ich richte mich darum so gut als möglich jetzt ein und denke die zarten Erbschen aus der Saat des Schullehrers alle zu verzehren.

Ich machte die Erfahrung, daß nichts leichter ist, als seinen schlechten Neigungen zu folgen, und es gab Augenblicke, in denen ich vor meinen eigenen Gedanken erschrak. Das Wohlleben, das ich im Pfarrhause führte, gestattete mir, alle meine Eigenschaften zu meinen Gunsten auszubeuten, und so fuhr ich denn fort, Bosheiten zu verüben und mich im Wohlleben zu wälzen.

Ich kann sagen, ich lebte in Ungerechtigkeiten, und ich kann nicht ohne Selbstvorwürfe daran denken, welcher Grausamkeiten ich mich gegen meinen Gefährten, den alten Pudel, schuldig machte; und doch war Mustasch das beste Tier von der Welt. Der wackere Hund hatte seine Hütte neben dem Eingange zum Pfarrhofe. Dort lag er den ganzen Tag über und kündigte treulich alle Besuche an. Man hörte schon an seinem Bellen, welcher Art der Besuch war, und wenn Kreszenz ganz hinten im Garten war, so hörte sie den Hund. Ohne dieses Gebell hätte jeder Vorübergehende im Pfarrhofe seine Wohnung aufschlagen können; denn die Türen schlossen nie recht. Der gute Hund wußte auch wohl, wie nützlich er hier sei, und verließ nie seinen Wächterposten. Nur an Abenden und regnerischen Tagen schlief er gern auf einem Haufen alter Säcke in einem Winkel des Schuppens, in welchem auch ich untergebracht war. Das Dach seiner Hütte war nämlich nicht wasserdicht, und an der Hütte selbst, einem engen und wurmstichigen Kasten, hatte der alte Pudel überhaupt wenig Behagen. Die freie Luft im offenen Schuppen war ihm viel lieber, und so kam er denn des Abends ganz still herbei und legte sich auf die alten Säcke, welche gar keine üble Matratze abgaben. Auf einmal fuhr mir der abscheuliche Gedanke durch den Kopf, daß darin eigentlich eine Beeinträchtigung meiner Rechte läge; denn ich war die einzige Bewohnerin des Schuppens. Ich beschloß darum, diesen Einfall in mein Gebiet nicht länger mehr zu dulden, und von diesem Tage an war der arme Mustasch von seinem Lager verbannt; so oft er sich mit herabhängenden Ohren und freundlich wedelndem Schweife im Schuppen blicken ließ, fuhr ich wütend auf ihn los und trieb ihn mit scharfen Schnabelhieben hinaus. Das dauerte so einige Tage, dann wagte er nicht mehr zu kommen; aber die Strafe für diesen Frevel sollte auch nicht ausbleiben.

Ich zwang ihn in einer Nacht, während eines heftigen Platzregens, draußen zu bleiben; am folgenden Tage wurde der arme Hund krank. Der kleine Peter, der ihn sehr gern hatte, widmete ihm die zärtlichste Sorge und erwirkte von seiner Tante, daß der Hund in der Ecke des Schuppens bleiben durfte, aus welcher ich ihn hinausgejagt hatte. Ich war noch nicht verhärtet genug, um darüber nicht Gewissensbisse zu empfinden, und stattete ihm einige Besuche ab, die er sehr herzlich aufnahm.

Bei meinem ersten Besuch hob er seinen Kopf von dem Kissen, das ihm Peter gebracht, in die Höhe, um mich besser ansehen zu können. Mein unwürdiges Benehmen, das ich gegen ihn beobachtet, stand damals klar vor meinen Augen, und die herzliche Aufnahme, die Mustasch mir widmete, zeigte mir dasselbe nur um so schwärzer. Ich hätte mir das für die Zukunft zur Lehre dienen lassen und mit meinen boshaften Streichen einhalten sollen. Aber Mustasch überwand rascher seine Krankheit als ich die böse Neigung, von der ich einmal befallen war. Tag für Tag sann ich auf neue Bosheiten, und nicht nur richtete ich dieselben ausschließlich gegen Tiere, sondern ich ging darin noch weiter. Wie oft habe ich nicht die Asche aus dem Herde gescharrt, zu keinem andern Zwecke, als um die ganze Umgebung des Herdes schmutzig zu machen! Denn ich wußte, daß die Schwester des Pfarrers kein Stäubchen duldete, und daß ihr nichts größeren Verdruß bereitete, als wenn sie die bereits gereinigten Plätze wieder aufs neue unnötigerweise beschmutzen sah. Aber auch das war mir noch nicht genug; ich watete in den Schlamm, so daß damit meine Füße über und über bedeckt waren, und dann hatte ich meinen Spaß daran, über die glänzenden Schnallen auf den sauberen Schuhen des Herrn Pfarrers, während derselbe ruhig im Hofe saß, hin und her zu spazieren. Am folgenden Morgen lachte ich dann boshaft, wenn Kreszenz, in der einen Hand einen Schuh, in der andern eine Bürste, ärgerlich brummte:

»Jetzt möchte ich wissen, woher eigentlich der Herr Pfarrer bei diesem schönen Wetter den Kot nimmt, um damit seine neuen Schnallen zu beschmutzen.«

Das ging mir alles hin, weil man mir keine Beachtung schenkte; ich mochte noch so wichtig tun, ich mochte stehlen und, was ich nicht brauchen konnte, verderben, man lachte über mich, und das ärgerte mich. Ich glaube, ohne ein trauriges Ereignis, welches mir meine Eigenschaft als einfaches Huhn wieder zum Bewußtsein brachte, wäre ich ungestraft alt geworden.

An einem schönen Augustmorgen verließ ich frühe das Pfarrhaus, um mich auf dem Felde herumzutreiben, auf welchem ich eine mir unbekannte Maschine in Tätigkeit fand.

Ich liebte außerordentlich die Erntearbeiten; einmal, weil ich bei denselben nichts zu tun hatte, und zum zweiten, weil es bei der Ernte für Wesen meiner Art die kostbarsten Abfälle gibt, und ich zog selbstverständlich die frischen, goldenen Getreidekörner bedeutend dem gewöhnlichen Futter, das Kreszenz mir gab, vor.

Als ich einmal im Freien war, nahm ich vor allem ein reichliches Frühstück zu mir. Des Herrn Pfarrers Buntscheckchen wurde nirgends weggejagt, und dabei befand ich mich ganz wohl. Nachdem mein Hunger gestillt war, wollte ich auch die fremdartige Maschine näher kennen lernen. An dem einen Ende verschlang sie unersättlich Garbe um Garbe, und am andern Ende war ein Holzkandel angebracht, durch welchen ein ganzer Strom von Getreide lief, man brauchte nur die Säcke unterzuhalten und zu füllen. Ich schlüpfte unter den Kandel; doch kaum war ich da, so stand die Maschine plötzlich still – die Arbeiter wurden zum Frühstück abgerufen. Nun konnte ich meine Neugierde um so besser befriedigen. Ich ging um die ganze Maschine herum; sie ruhte auf einem breiten, vierräderigen Wagengestell, und da sie von einem Garbenhaufen zum andern gefahren wurde, waren die Pferde angespannt. Ich bemerkte allerlei Zahnräder, deren Bedeutung ich natürlich nicht verstand. Endlich flatterte ich auf den Wagen und zuletzt auf die Deichsel. Dort saß ich, als ich Reinhard mit Mustasch und einigen sehr zerlumpt aussehenden Knaben herankommen sah. Die Arbeiter, welche abseits beim Frühstücke saßen, stießen laute Warnungsrufe aus.

»Kommt den Pferden nicht zu nahe!« rief der eine.

»Rührt mir die Maschine nicht an!« schrie ein anderer.

Wie das Kinder häufig zu tun pflegen, kümmerten sie sich nicht um diese wohlgemeinten Winke, sondern übten ihren Vorwitz. Ehe noch die Arbeiter herbeikommen konnten, fühlte ich, wie die Deichsel, auf der ich saß, sich bewegte, und zugleich hörte ich von hinten ein jämmerliches Geschrei. Ich blickte um mich; die geneckten Pferde hatten angezogen und waren einen Schritt vorwärts gegangen; Reinhard hatte unvorsichtigerweise die Hand in ein Zahnrad gelegt, und als die Pferde anzogen, war dieses Zahnrad in Bewegung gekommen und hatte seine Finger zerquetscht. Ich sah die Arbeiter herbeieilen und den Kleinen, der niedergestürzt war, aufheben. Er ließ die Hand hängen, und das Blut rieselte an derselben herab auf den Boden; ein blinder Schrecken ergriff mich, und ich flüchtete so schnell als möglich nach dem Pfarrhause.

Am folgenden Morgen kehrte der Pfarrer nicht zur gewohnten Stunde heim, obwohl mehrere seiner Amtsbrüder, die bei ihm speisten, ihn erwarteten. Ich war gerade in der Küche, als er mit gerötetem Gesichte keuchend und schweißtriefend ankam.

»Aber, wo bist du denn so lange geblieben, lieber Bruder? Wir begannen schon, unruhig zu werden. Nicht wahr, Michels?«

»Sehr unruhig«, bestätigte dieser, welcher, wenn Gäste da waren, den Tisch zu besorgen pflegte und eben in Erwartung dessen gemütlich seine Pfeife schmauchte.

»Was war denn bei hellichtem Tage zu fürchten? Du bist wohl nicht recht bei Trost? Meinst du, eine derartige Operation mache man in fünf Minuten?«

»Er wurde also wirklich operiert, lieber Bruder?«

»Natürlich; der Wundarzt erklärte, es gebe kein Mittel, den Finger zu erhalten. Ach, diese Toren! Wann werden sie endlich bei dieser Maschine vorsichtig werden! Nun ist Reinhard für sein ganzes Leben verstümmelt, weil sich der dumme Bube eingebildet, er könne die Hand zwischen den Mechanismus legen. Jetzt ist's freilich geschehen, und es handelt sich darum, dem Unglück möglichst enge Grenzen zu ziehen. Ich ließ etwas Geld dort, aber bei der Mutter Reinhards geht auch rein alles auf. Der arme Junge hat so viel Blut verloren, daß der Arzt mindestens einen ganzen Monat hindurch kräftige Nahrung angeordnet hat. Ich habe ihm für morgen etwas Wein und ein Huhn oder eine Ente versprochen.«

»Wein?« wiederholte Luise bestürzt.

»Nun ja«, sagte der Pfarrer, »wir haben doch noch welchen?«

»Noch ein wenig, lieber Bruder, einen ganz kleinen Rest.«

»Das tut nichts; nimm nur eine Flasche und besorge mir für morgen ein gebratenes Huhn.«

»Woher soll ich denn ein Huhn bekommen?« fragte Luise.

»So nimm eine Ente«, sagte der Pfarrer gleichgültig.

»Die letzte Ente haben wir vorige Woche gegessen.«

»Nun, wenn es nicht anders geht, so nimm Buntscheckchen da. Ich habe ein Hühnchen versprochen, und ich kann das arme Kind nicht ohne kräftige Nahrung lassen.«

»Herr Thomas hat ja Hühner, lieber Bruder!«

»Ich habe aber kein Recht, über die Hühner des Herrn Thomas zu verfügen.«

»Peter wird untröstlich sein, wenn er hört, daß Buntscheckchen ans Messer soll.«

»Es wird mir auch leid tun, aber meine Pfarrkinder gehen doch allem andern vor. Nicht?«

»In zwei Tagen ist Markt, und wir ...«

»In zwei Tagen!« erwiderte der Pfarrer. »Verstehst du denn nicht, daß das für morgen ist? Morgen muß der Knabe essen; ich opfere das kleine Buntscheckchen nur schwer, aber es muß sein, es muß sein, und jetzt fertig. Richte das Essen zu und rede mir nicht mehr darüber.«

Damit ging er in das Speisezimmer. Ich war starr vor Bestürzung, als ich dieses Urteil erfuhr. An meiner Kehle glaubte ich schon das Messer zu fühlen, womit Kreszenz die Operation des Hinschlachtens an meinesgleichen vollzog.

Als ich wieder zu mir kam, war das Mittagessen bereits aufgetragen, und Kreszenz und Michels rückten in der Küche ebenfalls ihre Stühle zurecht.

»Es ist für den Herrn Pfarrer ganz unmöglich«, sagte Kreszenz, dem Küster ein schönes Stück Speck hinüberreichend, »zu seinem Vergnügen irgend ein Tierchen auf dem Pfarrhofe zu erhalten: Hühner, junge Enten, Tauben, alles ist fort. Ich glaubte wenigstens unser Hühnchen gerettet, ja weit gefehlt! Da hat der arme Bub sich die Hand in einer Maschine zerquetscht, und jetzt soll Buntscheckchen ihn stärken. Es ist wenigstens ein Glück, daß die Kranken keine Hunde verspeisen, sonst wäre der alte Mustasch schon in jüngeren Jahren für den Bratspieß reif gewesen.«

Die Idee, Mustasch zu braten, schien Michels so sonderbar, daß er, um nach Gebühr lachen zu können, den Becher Obstwein, den er in der Hand hielt, erst auf den Tisch stellen mußte.

»Wie ich Euch sage«, begann die alte Kreszenz wieder; »oh, ich kenne den Herrn Pfarrer durch und durch. Ich diene ihm jetzt keine zwanzig Tage, sondern zwanzig Jahre. Aber einerlei, ich hatte mich an Buntscheckchen gewöhnt, es leistete uns Gesellschaft, der Fräulein Luise und mir, wir hatten unsern Spaß an seinen drolligen Streichen, und jetzt zum Bratspieß verurteilt!«

»Aber Kreszenz, Herr Thomas würde Euch gewiß nicht ein Huhn verweigern, wenn Ihr ihn darum bätet.«

»Das würde der Herr Pfarrer gar nicht gestatten, höchstens wenn noch ein anderes Unglück einträte und vielleicht noch ein Kranker eines Bratens bedürfte. In jedem Frühjahr, lieber Herr Michels, kommen uns alle Brustleidenden auf den Hals; eben freilich brauchen wir darum nicht besorgt zu sein; aber um so weniger duldet der Herr Pfarrer, daß ich fremde Hilfe in Anspruch nehme, und doch werde ich nie den Mut haben, diesem Tierchen den Hals abzuschneiden.«

Arme Kreszenz! welche dankbaren Blicke warf ich dir aus dem Winkel zu, in welchen ich mich geflüchtet!

»Das wäre auch in der Tat hart«, bemerkte Michels salbungsvoll. Dann fügte er, angenehm lächelnd, nach einer Weile bei: »Ich will das übernehmen, Kreszenz; ja, ich werde Euch mit Vergnügen diesen Gefallen tun.«

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»Wie ich Euch sage«, begann die alte Kreszenz wieder.

Und ihn habe ich für meinen Freund gehalten! Zähle noch einer auf die Freundschaft der Menschen! Um sich der Gunst der Kreszenz zu befestigen, wollte er, ohne weitere Schwierigkeiten zu machen, mein Mörder werden!

»Gut, Herr Michels, ich rechne dann auf Euch!« erwiderte Kreszenz.

»Soll ich es abtun? Dort sitzt's in der Ecke.«

»Nein, nein, nein!« bemerkte Kreszenz rasch. »Gehe heute abend in den kleinen Schuppen, dort findet Ihr Buntscheckchen schlafend; und jetzt wollen wir nicht mehr darüber sprechen, sonst kann ich gar nichts essen, so leid tut mir das Tierchen.«

Sie sprachen von etwas anderem; wovon sie sprachen, weiß ich nicht, es ist mir auch vollständig gleichgültig. Ich wußte mehr als genug, um an einen sofortigen Abzug ohne Pauken und Trompeten zu denken. Ich sagte dem kleinen Peter, dem guten Schullehrer, dem Herrn Pfarrer, Mustasch, Kreszenz und Fräulein Luise in meinem Herzen Lebewohl lief, was ich konnte, in den Garten, schwang mich über die Mauer und marschierte lustig weiter. Ich kam endlich auf die Landstraße und unter eine Gruppe hoher Nußbäume, welche ihre Zweige beschattend über die Straße hinausstreckten. Wenn ich dort oben saß, war ich wohl fürs erste von jeder Verfolgung sicher, und ich konnte in ungestörter Ruhe überlegen, was ich jetzt anzufangen hätte. Gedacht, getan, es fiel mir nicht schwer, hinaufzukommen, und bald saß ich wohlbehalten auf einem Zweige gerade über der Landstraße.

Aus meinem tiefen Sinnen weckte mich das Geräusch eines auf der Straße daherkommenden Wagens. Es war ein ungeheurer, von zwei schönen Pferden gezogener Heuwagen. Der Wunsch, von Lohstadt fortzukommen, beherrschte mich so vollkommen, daß ich jedes Mittel ergriff, und der Wagen duftigen Heues war wirklich nicht die schlechteste Gelegenheit, die sich mir zur Rettung meines bedrohten Lebens darbot. Ich ließ mich also ganz sachte von dem Zweige mitten auf den Heuwagen herunterfallen und hatte mir auf demselben bald genug ein schönes Nest gemacht.

So fuhr ich also, jedem Auge, selbst dem Auge meiner eigenen Fährleute, unsichtbar, einer unbekannten Bestimmung entgegen. Das Pfarrhaus von Lohstadt lag auf Nimmerwiedersehen hinter mir.

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