Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil IV
Henry Fielding

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel.

Ein Plan der Madame Fitzpatrick und ihr Besuch bei Lady Bellaston.

Beim zu Bett gehen waren Madame Fitzpatrick einzige Gedanken ihre Cousine und Herr Jones. Sie war etwas böse auf die erstere wegen der jetzt entdeckten Falschheit. Sie hatte lange über die Sache nachgedacht, als sie auf den Einfall gerieth, daß sie sich, wenn es durch ihre Vermittelung gelänge, Sophien vor diesem Manne zu bewahren, aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach durch einen so wichtigen, der Familie geleisteten Dienst sowohl ihren Onkel als ihre Tante wieder versöhnen werde.

Da dies einer ihrer Lieblingswünsche war, so schien die Hoffnung auf glücklichen Erfolg so vernünftig, daß ihr nichts übrig blieb, als den geeigneten Weg zur Ausführung ihres Plans aufzufinden. Der Versuch, die Sache mit Sophien reiflich zu überlegen und zu besprechen, schien ihr nicht jener Weg zu sein; denn wie ihr Betty erzählt hatte, hegte Sophie eine heftige Neigung zu Jones und sie sah ein, daß ein Versuch, Sophien die Heirath zu widerrathen, gerade so viel fruchten würde, als wenn man 168 eine Motte durch die freundlichsten und ernstesten Vorstellungen warnen wollte, in ein Licht zu fliegen.

Wenn der Leser sich erinnert, daß die Bekanntschaft zwischen Sophie und Lady Bellaston sich aus dem Hause des Fräulein Western herschrieb, und daß dieselbe gerade zu der Zeit entstanden sein mußte, wo Madame Fitzpatrick bei dieser letztern Dame lebte, so bedarf es keiner besondern Erwähnung, daß Madame Fitzpatrick gleichfalls mit ihr bekannt sein mußte. Sie waren überdies beide in gleichem Grade mit ihr verwandt.

Nach vielem Ueberlegen faßte sie daher den Entschluß, des Morgens ganz früh zu dieser Dame zu gehen, um zu sehen, ob sie dieselbe, ohne daß Sophie etwas davon erführe, sprechen und von der ganzen Angelegenheit unterrichten könnte. Denn sie zweifelte nicht im Geringsten daran, daß diese kluge Dame, die die romantische Liebe und ohne kluge Berechnung geschlossene Ehen häufig bespöttelt hatte, ihren Ansichten über diese Heirath beitreten und sich gern bereit erklären werde, ihr zu deren Verhinderung nach Kräften behülflich zu sein.

Diesen Entschluß führte sie denn auch aus; und ehe am nächsten Morgen die Sonne aufgegangen war, hüllte sie sich ihre Kleider und begab sich zu dieser unfashionabeln, für einen Besuch höchst ungeeigneten Stunde zu Lady Bellaston, wo sie auch, ohne daß Sophie die geringste Kenntniß oder Ahnung davon hatte, vorgelassen wurde.

Madame Fitzpatrick machte viele Entschuldigungen wegen ihres so frühen und plötzlichen Besuchs und sagte, daß sie die Lady nicht zu einer solchen Stunde gestört haben würde, wenn sie nicht Geschäfte von der höchsten Wichtigkeit dazu bewogen hätten. Sie eröffnete ihr dann alles und erzählte ihr, was sie von Betty gehört hatte; auch vergaß 169 sie nicht des Besuchs zu erwähnen, den ihr Jones am vergangenen Abende gemacht hatte.

Lady Bellaston erwiederte mit einem Lächeln: »Nun so haben Sie ja diesen fürchterlichen Mann gesehen; ist er denn wirklich so schön, als er geschildert wird? Etoff hat mich gestern Abend fast zwei Stunden lang von ihm unterhalten. Ich glaube, die Närrin ist schon von der blosen Beschreibung in ihn verliebt.« Damit dies den Leser nicht etwa Wunder nehme, müssen wir ihm sagen, daß Mamsell Etoff, welche die Ehre hatte, Lady Bellaston ein- und auszuschnüren, die vollständigsten Nachrichten über besagten Herrn Jones bekommen hatte und dieselben ihrer Herrin vergangenen Abend (oder vielmehr diesem Morgen) beim Auskleiden treulich hinterbrachte, woher es denn kam, daß sie gegen zwei Stunden dabei aufgehalten worden war.

Die Lady, die zwar in der Regel zu dieser Zeit den Erzählungen der Mamsell Etoff gern zuhörte, schenkte ihrer von Jones entworfenen Schilderung in der That außerordentliche Aufmerksamkeit; denn Honour hatte ihn als einen sehr schönen Mann gerühmt und Mamsell Etoff setzte ihrem Berichte von seiner Schönheit in ihrem Eifer so viel hinzu, daß Lady Bellaston ihn für eine Art Naturwunder zu halten anfing.

Die Neugierde, welche ihr Mädchen in ihr rege gemacht hatte, wurde jetzt durch Madame Fitzpatrick noch um vieles gesteigert, indem diese sich eben so günstig über Jones' Persönlichkeit äußerte, als sie zuvor sich ungünstig über seine Geburt, seinen Character und seine Vermögensumstände ausgesprochen hatte.

Nachdem Lady Bellaston von allem unterrichtet war, sagte sie mit vielem Ernst: »Allerdings, Madame; das ist ein Gegenstand von großer Wichtigkeit. Es kann gewiß nichts lobenswerther sein als der Antheil, welchen Sie an 170 der Sache nehmen; und es soll mich sehr freuen, wenn ich zum Schutze einer jungen Dame, die so viele Vorzüge besitzt, und die ich so hoch achte, etwas beitragen kann.«

»Meinen Sie nicht,« sagte Madame Fitzpatrick schnell, »daß es das Beste sein würde, sogleich an meinen Onkel zu schreiben und ihn wissen zu lassen, wo meine Cousine ist?«

Die Lady dachte ein wenig darüber nach und antwortete dann: – »Doch, nein, Madam; ich meine nicht. Fräulein Western hat mir ihren Bruder als einen so rohen Menschen geschildert, daß ich nicht beistimmen kann, irgend ein Weib in seine Gewalt zu geben, wenn sie ihr einmal entgangen ist. Ich habe gehört, daß er sich wie ein wahres Ungeheuer gegen seine eigene Frau benommen hat; denn er ist einer jener Elenden, welche ein Recht zu haben glauben, uns zu tyrannisiren; und ich werde es immer zur Sache meines Geschlechts machen, jedes Weib zu erlösen, wenn sie das Unglück hatte, in ihre Gewalt zu fallen. – Unser Geschäft, liebe Cousine, wird es blos sein, zu verhüten, daß Sophie diesen jungen Mann sehe, und zwar so lange, bis die gute Gesellschaft, welche sie hier finden wird, sie auf bessere Gedanken bringen wird.«

»Wenn er aber ihren Aufenthalt ausfindig machen sollte,« entgegnete die andere, »so sein Sie versichert, daß er nichts unversucht lassen wird, um zu ihr zu gelangen«

»Aber, Madame,« versetzte die Lady, »er wird doch unmöglich hierher kommen;.– und wenn es auch möglich wäre, daß er ihren Aufenthalt erführe und dann um das Haus herumschliche – ich wünschte darum, daß ich ihn von Person kennte. Giebt es denn keinen Weg, Madame, ihn von Ansehen kennen zu lernen? denn sonst wissen Sie wohl, Cousine, kann sie es dahin bringen, ihn ohne mein Vorwissen zu sehen.«

171 Madame Fitzpatrick antwortete, daß er sie auf diesem Nachmittag mit einem zweiten Besuch bedrohet habe, und daß, wenn die Lady sie beehren wolle, sie ihn zwischen sechs und sieben Uhr mit ziemlicher Gewißheit bei ihr finden werde; käme er früher, so wollte sie ihn bis zu ihrer Ankunft aufhalten. Lady Bellaston versprach zu kommen, sobald sie vom Diner abkommen könnte, was frühestens um sieben sein würde. Denn das wäre durchaus nöthig, daß sie ihn von Person kennen lernte. »Es ist wirklich sehr gut, Madame,« fügte sie hinzu, »diese Vorsorge zu treffen; denn nicht allein die Menschlichkeit, sondern auch die Rücksicht auf unsere Familie, macht es uns beiden zur Pflicht; das wäre ja wirklich eine schreckliche Heirath.«

Madame Fitzpatrick versäumte nicht, eine passende Erwiederung auf das Compliment zu geben, das Lady Bellaston ihrer Cousine gemacht hatte und zog sich nach einem kurzen, für uns wenig Interesse darbietenden Gespräch wieder zurück, wobei sie so schnell als möglich in ihren Wagen eilte, um nicht von Sophien oder Honour gesehen zu werden.


 << zurück weiter >>