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[Schluss]

Wir sind mit dem Werk des Autors, so weit es uns hier bekümmert, zu Ende.

Ich habe diese Arbeit mit tiefem Widerwillen durchgeführt. Mit einem ernsten Gegner schwere und schicksalsvolle Fragen zu erörtern und ihn bekämpfen zu müssen, kann erhebend oder schmerzlich sein, aber sich mit solchem Machwerk beschäftigen müssen, ist peinlich.

Wir haben ein Buch vor uns, dessen Titel gestohlen, dessen Inhalt gefälscht ist; von einem Verfasser, der zu unwissend ist, um die Dinge, über die er zu schreiben wagt, irgend zu beurteilen, aber gewissenlos genug, um sie, wo es ihm passt, zu entstellen, zu voreingenommen und unehrlich, um Gegengründe loyal zu erörtern, aber schlau und tückisch genug, um sie zu verdrehen, zu verworren, um zusammenhängend oder logisch zu schreiben, zu verlogen, um seine Belege auch nur ordentlich zu lesen und zitieren, zu feige, um sich zu nennen.

Aus allem Verkehrten, was er unwissend und unehrlich hingeschrieben, zieht er in den hier nicht berücksichtigten Teilen seines Buches Schlüsse auf die Zukunft, um sich zuletzt als eine Art Märtyrer seiner Ueberzeugung hinzustellen, der in seinem Vaterlande die Wahrheit nicht sagen dürfte, von seinem «reinen Gewissen» zu reden und von der «Geschichte, die seinen Schuldspruch bestätigen werde». Wüsste man nicht, wie weit Narreneitelkeit gehen kann, man müsste seinen «Epilog» mit weit härteren Worten beurteilen. Aber man weiss, dass pathetische Komödianten dieser Art sich in jede Pose und Rolle hineinreden können.

Man kann über die Schuld am Kriege verschieden denken; und wer in den grossen Fragen, die diese Zeit aufwirft, sich gegen Deutschland und seine Verbündeten erklärt, wer auf Grund irgend welcher Tatsachen oder Anschauungen auf der andern Seite das Heil sieht, mit dem kann man rechten, auch wenn man ihn im Irrtum glaubt. Ich hin der letzte, der auf der einen Seite alles hell und auf der andern nur Schatten sehen würde. Es gibt kein Gebiet, auf dem man nicht von verschiedenen Standpunkten zu verschiedenen Meinungen gelangen könnte. Nur die Tatsachen darf man nicht fälschen.

Aber dass dieses Buch Erfolg haben konnte, das wirft, wie manche andere Erscheinung unserer Tage, auf den Wert der sogenannten öffentlichen Meinung ein böses Licht.

Wenn es von feindlicher Seite gelobt und angepriesen wird, so mag dies Interesse sein. Dass es auch von anderer Seite Bewunderer gefunden, dass Artikel und Broschüren darüber geschrieben wurden, das beweist die unvergängliche Wahrheit des grausamen Satzes, den Voltaire auf Herrn Freron schrieb: «Un sot trouve toujours un plus sot qui l'admire!»

Das Buch «J'accuse» bleibt eine jener skurrilen Erscheinungen, die die tragischen Ereignisse der Weltgeschichte zu begleiten pflegen, ein politischer Hanswurststreich, und wenn es trotzdem von so vielen ernst genommen wurde, so weiss man nicht, ob man das mehr traurig oder lächerlich finden soll.


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