Gustav Falke
Der Mann im Nebel
Gustav Falke

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4.

So war es Winter geworden und war wieder Frühling geworden. Das einsame Fremdenzimmer hatte nie wieder Blumen gesehen. Hatten die Stürme, die über die Insel gebraust, die »Eulennester in seinem Schädel«, wie Randers sagte, weggeblasen? Hatte der tägliche Verkehr mit den gesunden Insulanern, denen er sich in der langen Winteröde immer mehr angeschlossen hatte, wohltuend auf ihn gewirkt? Oder war es Moiken, die flachsblonde Kellnerin beim Rantumer Wirt und Strandvogt Brork Hansen, die ihn vernünftig gemacht hatte?

Abend für Abend hatte er während des langen Winters in der Rantumer Wirtsstube gesessen und sich gut und schlecht von Moiken behandeln lassen, wie ihr gerade der Sinn stand. Er machte ihr den Hof, machte ihr kleine Geschenke, gab reichlich Trinkgeld, und sie liess sich, wenn sie allein waren, dafür mal von ihm küssen. Weiter ging's nicht. Er hatte seinen Spass daran, und ihr brachte es etwas ein.

Um die Weihnachtszeit war er wieder melancholisch geworden, wie immer, wenn andere Leute den Christbaum anzünden. Und er hatte sich ein Bäumchen verschafft, hatte es mit ein paar Lichtern geschmückt und ins Fremdenzimmer gestellt. Das sollte ihm nun Abend für Abend bis in die Neujahrsnacht leuchten.

Moiken war gekommen und hatte seinen Baum bewundert. Sie hatte sich auf den Bettrand gesetzt, ihm zwischen die Kerzen hindurch in die Augen geblitzt. Aber er hatte sie plötzlich weggejagt, sie versäume gewiss was in der Wirtschaft.

»Durchaus nicht.«

»Ja, doch! Geh.«

Und er schob sie fast zur Tür hinaus.

Nein, das wäre doch. Unterm Tannenbaum!

Er strich das Bett glatt, wo sie gesessen hatte, löschte die Lichter und ging in sein Zimmer hinunter.

Nachts träumte er von Moiken.


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