Gustav Falke
Der Mann im Nebel
Gustav Falke

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9.

Am folgenden Tage waren alle Wege aufgeweicht. Auf der Landstrasse standen grosse Pfützen, und im Garten, gerade vor der Haustür, hatte sich ein kleiner See gebildet.

Als Randers, halb angezogen, durchs offene Fenster die erquickende Morgenluft einatmete, sah er Christine vor diesem See stehen und ihren Holzpantoffel mit der Spitze des Fusses wie einen Kahn übers Wasser lenken. Sie war ganz vertieft in diese kindliche Unterhaltung, so dass sie das Kommen der Mutter nicht hörte. Auf einmal hatte sie eine kräftige Ohrfeige weg. Es war Randers, als hätte er sie selbst bekommen.

»Verdammte Deern, das sag ich aber Vater. Das is doch rein zu arg!«

Randers trat bei diesen Scheltworten vom Fenster zurück. Dann hörte er Weinen und das Klappern sich entfernender Holzpantoffel.

Wie konnte man ein so grosses Mädchen noch schlagen. Er war erbost darüber.

Am Kaffeetisch war er wortkarg vor Ärger. Christine nahm nicht teil am Frühstück, sie erhielt ihre Milch und ihr Brot wie immer in der Küche.

Nachher traf er sie auf dem Hofplatz. Sie stand hochaufgeschürzt, mit blossen Armen, und scheuerte die Milcheimer mit einem kurzen Reisbesen. Sie war heiss von der Arbeit und ihre Backen glühten. Sie grüsste ihn sehr verlegen und sah kaum auf von ihrer Arbeit.

Er hatte den wunderlichen Gedanken, auf welche Backe sie wohl den Schlag empfangen hätte.

Ein richtiges Ohrfeigengesicht, dachte er.

Sie kam ihm so »tumpig« vor, wie sie so verschämt dastand. Und er empfand gar nichts für sie.

Den Vormittag benutzte er zum Briefschreiben. So sehr er das feuchte Wetter liebte, diese Wege waren ihm doch zu kotig. Vielleicht war's am Nachmittag besser, wenn die Sonne ihre Arbeit getan hatte. Sie stand hell am Himmel und trank die Feuchtigkeit der Luft. Ein leichter Dampf lag über dem Lehrersacker, über der Waldwiese, die mit einem Zipfel den Landweg berührte, und über der feuchten, schwarzen Gartenerde, den Reseda-, Astern- und Stiefmütterchenbeeten.


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