Gustav Falke
Gedichte
Gustav Falke

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Optische Täuschung

        Schwankt dort in der Ferne nicht
Leis im Wind ein roter Mohn –
Oder täuscht mich mein Gesicht?
Aber näher kommt es schon,
Und es ist kein roter Mohn.

Bauernrosenriesige Blüte
Naht es, und der Herr behüte
Gnädig uns vor allem Bösen!
Wenn sich erst die Blumen lösen,
Einzeln durch die Welt zu rennen,
Muß der Teufel mit im Bund sein.

Doch wie könnt ichs nur verkennen.
Was könnt auch so rot und rund sein?
Meine liebe, hübsche, runde,
Morgenfrische, kerngesunde
Kleine ist es, mit dem strammen
Schritt, mein tapfrer Füselier.

Wie die drallen Wangen flammen!
Aber röter flammt die Zier
Über ihrem Sommerhut
Mit dem zarten Federlila.
Wär ein Stier ich zu Sevilla,
Ich geriet in große Wut
Vor dem Sonnenschirm, dem roten,
Den sie schultert, wie der Krieger
Sein gefährlich Schießgewehr:
Wollt ihr was, so kommt nur her.

Jede Wut ist hier verboten,
Denn ich wär der Unterlieger,
Wenn ich wild, wie zu Sevilla,
Auf den Bandiller der Stier,
Stürzte auf den Füselier
Mit der Feder zart und lila
Auf dem neuen Sommerhut,
Und dem Schirm, so rot wie Blut.

Und ich hab doch sonst wohl Mut.
Aber hier geht er verloren.
Kalte, scharfe Blicke bohren
Tapfer drohend sich in meine,
Und es schwenkt dabei die Kleine,
Diese liebe, hübsche, runde,
Morgenfrische, kerngesunde
Mit der unbeschirmten Rechten;
Alles ist so klar zum Fechten,
Daß ich klug zur Seite weiche.

Und der bauernrosengleiche
Schirm entwandelt, schrumpft zusammen
Und verzwergt sich, bis sein Flammen
Wieder aus der Ferne scheint,
Daß man einen Mohn vermeint
Auf bewegtem Halm zu sehn,
Einen Mohn im Sommerwehn.

 


 


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