Gustav Falke
Aus dem Durchschnitt
Gustav Falke

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VIII.

Paula, die noch immer von der Erinnerung an jenen einen Tanz mit Beuthien zehrte, hatte auf ihrem Schulweg ihren Tänzer getroffen. Er hatte ihr von seinem Bock herab freundlich zugenickt, und sie hatte seinen Gruß kokett erwidert.

»Kennst Du den?« fragten drei, vier Stimmen zugleich, und ihre Freundinnen drängten sich neugierig an sie.

»Was sollt ich den nich kennen. Ich bin sogar mit ihm zu Tanz gewesen,« erzählte sie.

»Das lügst Du,« riefen die andern wie aus einem Munde.

»Das ist doch wahr,« behauptete Paula. »Fragt ihn doch.«

Ungläubig trennte man sich.

Paula lechzte seitdem nach einer Wiederholung des wunderschönen Walzers. Aber wie sollte sie es anstellen? Zum Ausreißen hatte sie schon Mut, aber wenn man sie dort sähe, es ihrem Vater hinterbrächte?

Sie suchte mit Beuthien näher bekannt zu werden. Sie nickte ihm zuerst zu, wo sie ihn sah. Traf sie ihn vor seinem Stall beim Spülen der Droschken oder bei sonstiger Beschäftigung, so blieb sie keck stehen und redete ihn an.

Das erste Mal hatte er im Scherz mit der tropfenden Bürste nach ihr gespritzt. »Nu haben Sie mir meine reine Schürze naß gemacht,« schalt sie ihn und zog schmollend ab. Aber schon am nächsten Tag dachte sie, ob er mich wohl wieder spritzt, und gesellte sich vorsichtig zu ihm.

Eigentlich hatte sie schon jemand, mit dem sie »ging«, einen dreizehnjährigen Lümmel von Jungen, einen Schüler der Mittelschule. Aber Bernhard Prüßnitz konnte nicht mit ihr zu Tanz gehen. So machte sie sich keine Gewissensbisse daraus, sich neben dem, mit dem sie »ging,« noch eines andern zu versichern, mit dem sie »tanzte.«

Beuthien amüsierte sich über das Kind. Heimlich that es ihm auch wohl, daß jemand aus dem Behnschen Hause seine Freundschaft suchte. Er fragte Paula aus und freute sich, wenn die Kleine auf Lulu schalt.

»Tanzt Deine Schwester auch,« fragte er sie, als sie wieder seinem Reinigungswerk auf der Straße zusah.

»Und ob,« war die Antwort. »Sie thut man immer so etepetete, aber die hat's faustdick hinter den Ohren.«

Er lachte.

»Tanzen Sie Mittwoch wieder, Herr Beuthien?« fragte sie nach einer Pause, in der sie mit anscheinend großem Interesse beobachtete, wie er das linke Hinterrad der Droschke um seine Axe kreisen ließ, es waschend und schmierend.

»Gewiß, komm man hin, Deern,« lachte er, ohne aufzusehen.

»Vor Mutter bin ich nich bange,« meinte sie, »aber Lulu, das Uetz, paßt mir immer auf.«

»Dann bring sie mit,« scherzte er.

Lulu war entrüstet, als Paula ihr diese Einladung in aller Unschuld überbrachte.

»Das sag' ich Papa,« schalt sie. »Du hast solche Dinge im Kopf?«

»Das kannst Du thun,« antwortete Paula möglichst gleichgiltig. »Dann sag' ich Papa, daß Du Anna geschlagen hast.«

Lulu lachte laut auf. »Zu kindlich.«

Am Abend fragte sie die Schwester leise, im Vorübergehen: »Paula, ist es wirklich wahr, mit Beuthien?«

»Was denn?«

»Ach Du weißt ja, was ich meine.«

»Ich lüg nicht so wie Du.«

Zu jeder andern Zeit wäre Paulas Frechheit nicht ohne Erwiderung geblieben. Diesmal hörte Lulu sie kaum.

Eine halbe Stunde später war es Paula, die im Wohnzimmer leise hinter dem Rücken der Schwester auf die Sache zurückkam. »Wenn Du's Vater sagst, hau ich Dich,« flüsterte sie.

Jetzt hätte Lulu gar zu gerne die gehörige Antwort gegeben, aber um die Mutter nicht aufmerksam zu machen, mußte sie auch diese angenehme Eröffnung stillschweigend entgegennehmen.

Im Grunde war Lulu das Treiben der Schwester höchst gleichgiltig. Ihr jetzt etwas in den Weg zu legen, sie sich zu verfeinden, wäre obendrein unklug gewesen. Stand Paula mit Beuthien auf vertrautem Fuß, konnte sie ihr vielleicht noch gute Dienste leisten.

Am Sonnabend kam ein Brief der Altonaer Freundin, der Lulu zum Geburtstag einlud und besonders betonte, den Hausschlüssel nicht zu vergessen. Man wolle recht vergnügt sein, und es würde voraussichtlich spät werden.

»Dat is doch nett von Lene Kröger, dat se noch an Di denkt,« meinte Mutter Behn. »Se war immer so'n lütt anghänglich Deern. Wat schenkst Du ehr denn?«

Lulu entschloß sich zu einem Bouquet und einer Tafel Vanillechocolade, die Lene so sehr liebte, wie sie sagte.


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