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XVI. Seltsame Sklavenstaaten

 

»Die Sklaverei in jeder Form ist verboten!«

Abraham Lincoln.

 

»Ist erlaubt!!«

Stimme aus der Höhe.

 

Räubergastameisen

Als die Sklaverei in der Menschheit noch selbstverständlich war, kannte man mehrere Verfahren, um zu Sklaven zu gelangen. Man machte die im Kriege Gefangenen zu Sklaven oder man veranstaltete Sklavenjagden; man züchtete Sklaven oder man kaufte sie auf dem Markte. Man konnte auch durch Gerichtsspruch zum Sklaven werden: ja, man konnte sich selbst als Sklaven verkaufen.

In der Ameisenheit haben wir bisher erst eine Art, zu Sklaven zu gelangen, kennen gelernt: die Sklavenjagden. Sie zeigen eine von den der Menschen abweichende Eigenart, insofern Kriegszüge von ganzen Völkern veranstaltet werden, die außer dem Erwerb von Sklaven auch dem von Nahrungsvorräten dienen. Nur die Brut wird geraubt, aus der dann Sklavinnen gezüchtet werden. Neben diesem Sklavenraub ganzer Völker sahen wir dann auch einzelne Tiere sich in den Besitz von Sklavinnen setzen: junge Königinnen, die das Wagnis auf eigne Faust unternahmen: sie machen auch erwachsene Emsen zu Sklavinnen.

Doch kennt die Ameisenheit noch mehr Verfahren.

Da lebt im Norden Europas eine Ameise, die – vorgestern noch – ›Tomognathus sublaevis‹ hieß – ein Name nach dem Herzen aller Fachgelehrsamkeit! Er bezeichnet eine glatte Ameise mit schmalen, schneidigen Oberkiefern. Ein Blick durch das Mikroskop zeigt zwar, daß die Ameise gar nicht glatt, sondern sehr dicht und rauh behaart ist, und daß ihre Kiefer garnicht schmal, sondern vielmehr ganz auffällig breit sind – daß sie also gerade umgekehrt so aussieht, wie sie ihr Name beschreibt! Leider, hat sie neulich diesen schönen Namen verloren – freilich durchaus nicht, weil er so ungeheuer blödsinnig war, sondern nur, weil ein anderes unglückseliges Tierchen schon diesen Prachtnamen führte. ›Harpagoxenus‹ heißt sie also seit gestern – das ist der Räubergast; den köstlichen ›Tomognathus‹ schleppt sie seither in Klammern mit sich herum.

Die Ameise haust, in kleinen Völkern, mit einer andern ihr verwandten Art zusammen, aus dem Geschlechte der Schmalbrüstigen.

So etwa haben sich die Räubergastameisen ihr Leben eingerichtet:

Ein kleines Volk von ihnen, Arbeiterinnen allein oder solche mit einer jungen Königin, ziehen aus, ein fremdes Nest zu erobern. Sie vertreiben alles, was darin ist, nehmen das Nest als Wohnung für sich und ziehen die fremde Brut auf. Freilich ist dieser Vorgang durchaus nicht so einfach. Im allgemeinen nämlich sind sie selbst weder kriegerisch, noch tapfer, noch zur Arbeit besonders tüchtig; die Angegriffenen werden mit ihnen verhältnismäßig leicht fertig. Jedoch scheint es, daß unter einem Räubergastvolke sich fast stets das eine oder gar mehrere Individuen befinden, die den Unternehmungsgeist, der der Allgemeinheit mangelt, in sich allein zusammenfassen. Vor diesen Überemsen nun haben die Fremden eine erstaunliche Angst. So jagt eine einzelne Räubergastameise ganz allein das fremde Volk aus dem Neste heraus, Emsen, Königin, auch Männchen – was halt da ist! Dann, nur mangelhaft unterstützt von ihren Schwestern, sorgt die Tatkräftige für das Aufziehen der Sklavenbrut. Ist diese Brut erst einmal groß geworden, so mag sie für die Ernährung und Brutpflege des ganzen Räubergastvolkes sorgen.

Nun aber werden von der Sklavenart nicht nur, wie bei den andern sklavenhaltenden Ameisen, die Arbeiterinnen aufgezogen, sondern außer diesen auch die Weibchen und Männchen. Bald gibt es auch eine Königin des Sklavenstammes im Neste, die entweder dort selbst von ihren Brüdern befruchtet worden ist oder aber von den Sklavenemsen hereingeholt wird. Ebenso machen es auch die Räubergastemsen, falls sie allein, ohne im Besitze einer eigenen Königin, das Sklavennest erobert haben: sie suchen dann ein befruchtetes Weibchen nach der Hochzeit ins Nest zu bringen.

Ganz gelegentlich mag auch eine Sklavenjagd auf fremde Brut stattfinden – jedenfalls hat man einmal in einem Räubergastneste zwei verschiedene Arten von Sklavinnen gefunden, von denen die zweite, nur in Arbeiterinnen vertretene, nur durch einen Brutraub ins Nest gekommen sein kann.

Die Räubergäste haben also das Sklavenvolk in allen drei Formen vertreten; die Sklavenkönigin hat für immer neuen Nachwuchs von Sklavinnen zu sorgen: hier ist die größte Ähnlichkeit in der Sklavenhaltung zwischen Ameisenheit und Menschheit.

Schon aus der Art, wie die Räubergäste ihre Siedlung gründen, ersieht man, daß sie an sich zur Arbeit wohl fähig sind, wie sie sich auch selbständig zu ernähren vermögen. In der Tat machen sie aber, wenn einmal ihr Staat fest gegründet ist, von dieser schönen Fähigkeit herzlich wenig Gebrauch. Sie sind der Ansicht, daß nun die Arbeit ihres Volkes getan sei und daß für alles andere in Zukunft die Sklavenart zu sorgen habe. Da man nun nicht zeitlebens Däumchen drehen kann, so beschäftigen sie sich, wie die Amazonen, in der Hauptsache mit ihrer Toilette, daneben mit Spielen und sportlichen Kämpfen, die manchmal gar in bitteren Ernst ausarten. Sie lassen sich, wie die Amazonen, von ihren Sklavinnen füttern und überlassen diesen auch völlig die Nahrungsbeschaffung, die Brutpflege beider Arten, die Sorge um die Sicherheit und den Nestbau. Selten nur, wie um ihre Langweile einmal zu unterbrechen, greifen sie selbst mit an oder ziehen einmal auf Puppenraub aus.

Jahrzehntelang glaubte man, daß die Räubergäste sich nur durch Jungfernzeugung fortpflanzten, da man durchaus keine Männchen auffinden konnte. Schließlich hat man doch ein paar geflügelte Männchen entdeckt, die sehr den Arbeiterinnen gleichen; aber sie sind so außerordentlich selten, daß die Annahme jungfräulicher Zeugung für die meisten Generationen dennoch gerechtfertigt erscheint. Eine gelegentliche normale Zeugung ist ja selbst bei der durchgeführtesten Jungfernzeugung durchaus notwendig. Dabei ist aber die Jungfernzeugung der Räubergäste sehr verschieden von der sonst bei Ameisen üblichen. Während im allgemeinen aus unbefruchteten Eiern von Ameisenweibchen oder auch Arbeiterinnen nur Männchen entstehn, ist es bei den Räubergästen gerade umgekehrt: es entstehen nur Weibchen und Arbeiterinnen und erst nach einer Reihe von Geschlechtern wieder einmal Männchen. Ist das merkwürdig genug in der Ameisenheit, so doch keineswegs in der Natur – bei den Blattläusen haben wir dieselbe Erscheinung.

Sind die Männchen der Räubergäste, die übrigens denen ihrer Sklavenart recht ähnlich sehen, geflügelt, so sind die Weibchen ihrerseits, die wieder ihren Arbeiterinnen gleichen, ungeflügelt: die Paarung wird infolgedessen in der Nähe des Nestes mit von andern Nestern auffliegenden Männchen stattfinden. Zuweilen freilich kommen neben dieser Form von Weibchen auch geflügelte vor.

Huberameisen

Wenn die Oberkiefer der Amazonen Sicheln gleichen, so gleichen die der Säbelameisen, aus der Familie der Knotenameisen, krummen Türkensäbeln. Wir kennen eine Reihe von Arten der Säbelträgerinnen: sie zeigen recht die Entwicklung von einem über eine Sklavenschar herrschenden, körperlich sehr kräftigen Herrenvolke zu einem Volke, das, als schwächliche Schmarotzer lebend, von der Gnade der Sklavinnen völlig abhängig geworden ist.

Alle Säbelameisen, kleine Geschöpfe, im weiten Umkreise um das Mittelmeer hausend, haben als Sklavenvolk dieselbe Art, die viergeteilte Rasenameise, die ihnen nahe verwandt und sehr ähnlich ist; die gemeinsame Wohnung ist stets das Nest der Viergeteilten.

Dem stolzen Volke der Amazonen zwar durchaus nicht verwandtschaftlich, wohl aber der Lebensart am nächststehenden ist die Hubersche Säbelameise, so genannt nach dem ausgezeichneten Ameisenforscher. In manchen Stücken steht sie gar den Blutroten näher, denn sie vermag, auch ohne fremde Hilfe, einige Arbeiten zu leisten, sogar zu graben.

Die Gründung eines neuen Staates der Huberameisen geht auf ähnliche Weise vor sich wie bei den Amazonen: die Königin zieht auf eigne Faust auf Eroberung einer fremden Stadt aus. Das Volk erhält sich dann später durch neuen Sklavenraub. Man hat das zwar bezweifelt, da man einmal beobachtete, daß von den Sklavinnen alle geraubten und eingetragenen Puppen – man hatte einem Hubervolke ein Volk von Rasenameisen nebst Brut vor das Nest geschüttet – später wieder hinausgetragen und weggeworfen wurden. Warum dies in diesem einzelnen Falle geschah, warum die guten Puppen sowohl zur Nahrung wie zur Aufzucht verschmäht wurden, vermag ich nicht zu sagen; jedenfalls wird ein besonderer Grund schon vorgelegen haben. Für mich steht die Tatsache, daß die Huberameise Sklavenraubzüge unternimmt und daß die so gewonnene Sklavenbrut von den Sklavinnen daheim großgezogen wird, außer Frage. Man hat nie eine Rasenkönigin in ihrem Neste entdeckt; dann aber habe ich selbst bei der spanischen Säbelameise, einer der Huberameise sehr nahe verwandten Abart, Sklavinnen zweier verschiedener Arten gefunden, von denen wenigstens die eine nur durch Brutraub ins Nest gekommen sein kann – selbst wenn man annehmen will, daß die andere Art im Neste durch eine Königin vertreten war. Im Kampfe ist die kleine Huberameise sehr tüchtig, in ihrer Taktik gleicht sie den Amazonen. Auch ihr häusliches Leben ist dem der Amazonen ähnlich: verächtlich blickt sie auf alle Arbeit, läßt sich füttern und überläßt alle Sorgen um das Gemeinwohl den Sklavinnen.

Gelbrote Säbelameisen

Nicht so selten, wie ihre Base, die Huberameise – und einige ihrer nahverwandten Arten mit gleicher Lebensführung – ist die gelbrote Säbelameise; trotz ihrer Verbreitung aber ist sie schwer genug zu finden. Sie ist noch kleiner als die Rasenameise, in deren Nestern sie haust, während die Huberameise ein wenig größer als diese ist; die Gelbrote hat ferner zwar richtige glatte Säbelkiefer, aber sie ist viel zu schwach, um damit auch nur den geringsten Schaden anrichten zu können. Während die Huberameise an Zahl genau so stark im Neste vertreten ist, wie ihre Sklavin, sind bei den Gelbroten die Sklavinnen viel zahlreicher, manchmal gar in fast zwanzigfacher Anzahl vertreten.

Gewiß ist, daß eine Sklavenjagd für die Gelbroten ein Ding der Unmöglichkeit ist. Einmal sind die fremden Städte der Rasenameisen meist sehr volkreich, deren Bürgerinnen einem gelbroten Volke gegenüber also stets in ungeheurer Überzahl, dann aber ist auch jede einzelne Rasenemse viel kräftiger und stärker als eine Gelbrote. Freilich scheut sich diese durchaus nicht vor dem Kampfe. Führt man einen solchen herbei – man braucht dazu nur einen Haufen von fremden Rasenameisen mit ihren Puppen vor das Nest der Gelbroten auszuschütten – so wird man ein eigentümliches Schauspiel erleben. Sogleich eilen die Sklavinnen aus der gelbroten Stadt und greifen die Fremden an. Beide sind schwarz, beide gehören derselben Art an – aber sie kommen aus verschiedenen Städten, betrachten sich als verschiedene Völker und hassen einander wie die Birkebeiner und Wolfsbälge im alten Norwegen, wie die Franken und Sachsen der Karolingerzeit, wie die Florentiner und Genuesen, die Venediger und Mailänder der Renaissance einander haßten. Der Streit ist heftig, auf beiden Seiten werden eine Menge der Schwarzhemden getötet. Da kommt aus der Stadt ein kleiner Trupp der Gelbroten hervor – bis auf die letzte Kriegerin ziehen sie aus, keine bleibt zurück. Sie kämpfen nach Art homerischer Helden oder der Kreuzritter – viele jagen aus der Kampflinie heraus und stürzen als rasende Ajaxinnen in die dichteste Masse der Feinde. Dieser wilde, tollkühne Ansturm trägt Verwirrung in die mächtigen Scharen der feindlichen Schwarzhemden – sie wenden sich zur Flucht. Die Sklavinnen verdoppeln ihre Kraft: für sie und ihre Herrinnen ist der Tag entschieden.

Nur: dieser Sieg ist von den Gelbroten sehr teuer erkauft. Sie versuchen stets, nach Amazonenart, die Köpfe der Feindinnen zu fassen und mit den Oberkiefern zu durchbohren – aber sie sind viel zu klein und zu schwach dazu. Nicht eine einzige der fremden Rasenemsen können sie töten, während ihrerseits fast jede einzelne der den Linien voranstürmenden Heldinnen als Leiche auf dem Schlachtfelde liegt. Inzwischen haben die schwarzen Sklavinnen viele Gefangene gemacht; die Gelbroten versuchen, an ihnen den Tod ihrer Schwestern zu rächen. Vergebliche Mühe – sie vermögen ihnen – trotz all ihrer wilden Wut und trotzdem diese, als Gefangene, nach Ameisenart sich nicht mehr wehren, sondern alles mit sich geschehen lassen – kaum Leides anzutun: so übernehmen die Sklavinnen selbst die Hinrichtung der Gefangenen. Dann wird die Beute ins Nest getragen: auch hieran versuchen sich die Gelbroten zu beteiligen. Nun: ›Das ging!‹ würde vielleicht die eine oder andere von ihnen stolz behaupten, wenn sie eine Puppe mit unendlicher Mühe einen Zoll weit fortschleppte. Aber, mit Faust, würde die schwarze Sklavin ihr lachend antworten:

»Das ging? Das hinkte, fiel, stand wieder auf,
Dann überschlug sich's, rollte plump zuhauf!«

Und schließlich sind es allein die Sklavinnen, die die Beute in die Stadt tragen.

Wie bei einer Schlacht, so geht's im ganzen Leben der gelbroten Säbelameisen. Sie sind vollblütig, haben Mut und Unternehmungslust, Entschlossenheit und Willenskraft. Aber: nirgends reicht es aus. Sie bekümmern sich ein wenig um die Brut, können sie aber nicht aufziehen, sondern müssen das den Sklavinnen überlassen. Sie können selbständig essen, aber doch nicht genug, um sich auf die Dauer ernähren zu können. Sie graben und bauen auch, doch leisten die Schwarzen die Hauptarbeit. Die Nahrungssorge vollends ist den schwarzen Freundinnen allein überlassen. Mann kann sagen: die Gelbroten helfen überall ein wenig mit, aber sie sind dabei mehr hinderlich, als sie Nutzen bringen. Einzig beim Kampfe vermag ihr tollkühner, aufopfernder Mut einen Überraschungssieg zu veranlassen.

Wie kommt nun dieser seltsame Bund zustande? An und für sich sind die schwarzen Rasenanmeisen den Gelbroten keineswegs freundlich gesinnt. Setzt man Gelbrote, Arbeiterinnen und Geschlechtstiere, zu Rasenameisen, so reißen diese die kleinen Gelbroten meist ohne jede Gnade in Stücke. An einem Sklavenraub, wie ihn die Blutroten und die Amazonen ausführen, können die gelbroten Säbelemsen nicht im Traume denken; trotz all ihrer Tapferkeit würde nicht eine von einem solchen Zuge zurückkehren. Ebenso ist die Möglichkeit von der Hand zu weisen, daß eine junge gelbrote Königin ein Nest der Schwarzhemden, sei es durch List oder mit Gewalt erobern könne: selbst wenn das gelingen würde, so müßte ja, da kein Nachrauben von Sklavinnenbrut stattfinden kann, mit dem vorhandenen schwarzen Geschlecht auch das von diesem großgezogene Volk der Gelbroten aussterben.

Nun findet man in jeder Stadt der Gelbroten auch eine schwarze Königin; ihre Brut wird von ihren Töchtern wie die der gelbroten Königin aufgezogen. Wenn man also nicht annehmen will, daß ein junges, befruchtetes Säbelweibchen von einem Volke von Rasenameisen freundlich aufgenommen wurde, oder daß gar ein ganzes gelbrotes Volk mit einem schwarzen ein Bündnis schließe – und beides ist wenig wahrscheinlich – so bleibt für die Entstehung des gemischten Staates nur eine Möglichkeit. Die nämlich, daß nach dem Hochzeitsfluge, der bei beiden Arten zu gleicher Zeit stattfindet, die gelbrote Königin sich der schwarzen Königin anschließt, mit ihr ehrliche Freundschaft hält und sich von ihr helfen läßt, ihre Brut aufzuziehen.

Wir hätten es also in dem gelbrot-schwarzen Staate mit einem regelrechten Bundesstaate zu tun, in dem zwei Völker friedlich zusammenleben. Die Schwarzgerockten wären dann keineswegs als die Sklavinnen der Gelbroten zu betrachten, sondern lediglich als deren engverbündete Freundinnen. Daß die Lasten in dem Mischstaate einigermaßen ungleich verteilt sind, daß den Schwarzen alle wirkliche Arbeit zufällt, den Gelbroten aber in der Hauptsache nur das Vergnügen, würde dabei nicht besonders ins Gewicht fallen. Dagegen gibt's in diesen gemischten Staaten noch eine andere merkwürdige Tatsache, welche die Annahme, daß sich Gelbrot und Schwarz gleichberechtigt gegenüber stehn, doch einigermaßen ins Schwanken geraten läßt. Man findet nämlich zwar bei den Gelbroten außer der Königinmutter alle drei Formen, bei den Schwarzen dagegen außer dieser nur Arbeiterinnen, nicht aber Männchen und Weibchen. Ja, selbst unter den Puppen der Rasenameisen hat man nur ein einziges Mal ein paar männliche Puppen gefunden, während umgekehrt bei den Säbelameisen die Anzahl der Geschlechtstiere größer ist als die der Arbeiterinnen.

Man mag hieraus zwei Schlüsse ziehen. Einmal liegt bei der Artentwicklung der gelbroten Säbelameisen die Neigung vor, allmählich die Arbeiterkaste – die ja eigentlich überflüssig ist, da die Schwarzen vollkommen für sie sorgen – auszumerzen. Daneben haben umgekehrt die Rasenameisen – soweit sie mit den Gelbroten in einem gemischten Staate wohnen – die individuelle Neigung, die geschlechtlichen Formen auszumerzen. Und nicht nur solche Neigung: sie tun das in der Tat.

Daß dies Vorgehn von Seiten der Rasenemsen für das Wohlergehn des gemeinsamen Staates von großem Nutzen ist, scheint klar. Sie haben ja sowieso für die Gelbroten zu sorgen; sie ersparen also Arbeit, wenn sie für die Puppen der eigenen Geschlechtstiere nicht sorgen – sie vielmehr auffressen oder verfüttern. Dafür, daß sie hierzu gerade die eigenen Geschlechtspuppen wählen, führt die Wissenschaft als Grund an, daß diese viel größer seien, also auf der einen Seite viel mehr Nahrung verlangten als die Brut der Gelbroten, auf der andern Seite auch fettere Bissen abgäben.

Ich halte diese Erklärung für sehr dürftig. So einfach und bequem ist diese Frage denn doch nicht zu lösen. Bei allen einheitlichen Völkern der Ameisenheit gilt das Gesetz, daß die eigene Brut heilig ist, nur in besonderen Fällen der Not wird davon gegessen. Bei den Sklavenstaaten gilt dagegen die Brut der Herrenart den Sklavinnen als heilig; daneben geben die Sklavinnen von der aus fremden Nestern geraubten Brut auch stets der Brut ihrer eignen Art den Vorzug, ziehen jedoch auch von dieser niemals Geschlechtsformen groß. Wenn nun in dem gelbrot-schwarzen Staat die Schwarzen ihre eigne gesamte geschlechtliche Aufzucht vernichten, die der Gelbroten dagegen aufziehen, so tun sie damit etwas, was nie bei einem einheitlichen Volk, sondern nur in Sklavenstaaten von den Sklavinnen – dort aber regelmäßig – geschieht. Sie geben sich dadurch also als echte Sklavinnen zu erkennen und die Fachwissenschaft irrt, wenn sie das Verhältnis der Gelbroten zu den Schwarzen ein gleichberechtigtes Bündnis nennt. In allen Stücken sind die Gelbroten die Herrinnen: sie arbeiten sozusagen nichts, sie lassen sich vorne und hinten von den Schwarzen bedienen. Da sie zu schwach sind, um auf Raubzüge auszuziehen, so legen sie freilich gelegentlich, um nicht ganz vor Langeweile zu sterben, ein wenig Hand mit an, aber etwa so, wie wenn ich in der Küche herumhantiere und die Köchin mir mehr entschieden als höflich bedeutet, doch bitte endlich hinauszugehn, da ich ihr überall nur im Wege stehe. Alle wirkliche Arbeit verrichten die Schwarzen und sie geben ihre echte Sklavinnennatur dadurch zu erkennen, daß sie zugunsten des besonderen Wohlergehns der Herrinnen ihren eigenen Nachwuchs vernichten. Freilich sind sie größer, freilich sind sie viel stärker als ihre Herrinnen. Aber wie die kleinen Gelbroten im Kampfe, ohne Waffen und völlig unfähig, auch nur eine Verwundung dem Feinde beizubringen, dennoch durch ihren tollkühnen Mut Schrecken und Verwirrung in seine Reihen tragen und dadurch ihrer Seite den Sieg erringen, so verstehen sie es auch im Neste selbst, allein durch ihr Auftreten sich in Hochachtung zu setzen und den Schwarzen den Glauben beizubringen, daß sie die Sklavinnen sind, die den Herrinnen zu dienen haben. Diese kleinen, schwachen Tierchen, die alles nur ihrer Tatkraft und ihrem Willen zu danken haben, verächtlich als ›entartet‹ zu erklären – dazu gehört die verbohrte Liebe der Wissenschaft zum herrlichen Schema F!

Ein Jammer ist's, daß wir ebensowenig die Ameisensprache verstehn wie die Ameisen die Menschensprache. Ich möchte so gern einem Gespräch zuhören, in dem ein weiser Professor einer Säbelemse auseinandersetzt, wie entartet sie im Grunde sei. Da, meine ich, möchte das kleine muntere Kerlchen sich Goethe zuhilfe rufen und dem Herrn Professor antworten:

»Was Henker! Freilich Händ' und Füße,
Und Kopf und Hinterer – die sind dein!
Doch alles, was ich frisch genieße,
Ist das drum weniger mein?«

Arbeiterlose

Es gab viele Ameisenvölker in grauer Vorzeit, die sich von fröhlichem Weidwerk oder von der ehrlichen Viehzucht nährten – genau so, wie manche das noch heute tun. Im Laufe der Zeit wurden sie sich mehr und mehr der eignen Kraft bewußt, die sie in Kämpfen mit Nachbarn übten: ihre Völker wurden zahlreicher; größer und mutiger die einzelnen Geschöpfe. Kühne Raubritterinnen wurden aus den Jägerinnen und Hirtinnen, die nun durch Wegelagerei, Kriege und Eroberung fremder Städte und Herden Beute erwarben und ihren Lebensunterhalt gewannen. Nur auf solch wilden Kampf gestellt, mißfielen ihnen mehr und mehr die notwendigen häuslichen Geschäfte; sie lernten es, einen Teil der geraubten Brut großzuziehen und diesen Fremden nun die Arbeit zu überlassen: so wurden Sklavenjägerinnen aus den Raubritterinnen. Selbst noch zu jeder Arbeit fähig sehen wir die Blutroten, von denen einzelne Städte überhaupt keine Sklavinnen haben; haben sie solche, so sind diese nur eine willkommene Hilfe, den stolzen Staat noch kräftiger und mächtiger zu machen. Sie also stehn auf dem Gipfelpunkte solcher Entwicklung. Wieder einen Schritt weiter – aber nun schon auf der absteigenden Seite des Berges – haben wir die Amazonen. Sie haben einesteils ihre Gestalt und Stärke, ihre natürlichen Waffen wunderbar entwickelt, dabei alles, was mit Krieg, Raub, Sklavenjagd zu tun hat, in höchster Weise vervollkommnet, haben aber diese Vervollkommnung als Kriegerinnen nur auf Kosten ihrer sonstigen Fähigkeiten erwerben können. Sie können weder graben noch bauen, können ihre eigene Brut nicht mehr aufziehen: müssen all das ihren Sklavinnen überlassen. Ja, sie haben gar die Fähigkeit, selbständig zu essen, verloren und müssen sich von ihren Dienerinnen füttern lassen, von denen sie also vollständig abhängig sind: die ›Entartung‹ hat eingesetzt. Schritt um Schritt geht es nun bergab, dank des entnervenden Einflusses, den das Halten von Sklaven mit sich bringt. Statt der großen, starken, kampffähigen Amazonen finden wir kleine und immer kleinere Formen. Die Huberameise kann zwar noch kämpfen und gelegentlich Sklavenjagden machen; die gelbrote Säbelameise ist zu beidem schon völlig unfähig: sie ersetzt den Mangel an körperlicher Kraft lediglich durch eine fast komisch-wilde Tatkraft, hat also ihr ganzes Leben eigentlich nur auf einem frechen Bluff aufgebaut. Auf der tiefsten Stufe stehen dann einige Arten, die sich völlig zu verächtlichen Schmarotzern bei ihrer früheren Sklavenart entwickelt haben. Sie sind klein und schwach an Körper und Hirn, haben die Arbeiterklasse völlig verloren, sind sehr gering auch an Volkszahl – kurz, sie stehn dicht vor dem Aussterben.

So stellt die Wissenschaft die Entwicklung dar. Fraglos – dieses Bild des Aufstiegs und Niedergangs einer Ameisenart durch den Sklaveninstinkt ist sehr hübsch und hat etwas außerordentlich Verlockendes, zumal jede einzelne Entwicklungsstufe sich durch greifbare Beispiele belegen läßt. Einige Ameisenarten stehn erst am Beginn dieser Entwicklung, andere, wie die Blutroten und die Amazonen, sind auf ihrem Höhepunkt, während die Arbeiterlosen die ganze Laufbahn schon durchlaufen haben und nun vor ihrem Ende stehn. Der Kreis ist geschlossen: die Ameisen sind wieder da angelangt, wo sie vor Jahrbillionen anfingen: ohne Arbeiterinnen.

Wirklich, ein bestechender Gedanke und eine ausgezeichnete Anordnung. Auch kann man solch prächtige Nutzanwendung daraus ziehen. (Denn die Wissenschaft ist immer sehr fürs sittlich Fördernde!)

Nur leider – es stimmt nicht. Die Schuppenameisen, denen die Blutroten und Amazonen angehören, haben ganz und gar nichts zu tun mit den Langhalsigen und den Knotenameisen, zu denen die Grubenameisen, Raubgastameisen, Säbelameisen und die Arbeiterlosen gehören. Der Körperbau der Arbeiterlosen zeigt, daß sie durchaus nicht von Sklavenjägerinnen abstammen; weit eher waren ihre Vorfahren einmal Gastameisen. Alle diese einzelnen Stufen bestehn – aber zwischen ihnen ist kein Zusammenhang: von einer durchlaufenden Entwicklung kann nirgends die Rede sein.

Den passiven Sklaveninstinkt hat die Fachwissenschaft bis zum heutigen Tage ja überhaupt noch nicht begriffen – so sind uns hierüber gelehrte Abhandlungen bisher erspart geblieben. Auch da könnte man ja mit einigem guten Willen eine Entwicklung zur Entartung hin sich zurecht bauen: von den roten Waldameisen an, bei denen der Herreninstinkt, also der aktive Sklaveninstinkt umschlagen kann in den passiven Sklaveninstinkt, die Lust, sich als Sklave zu fühlen – über die Lumpenameisen, bei denen nach der Ermordung ihrer Königin die Emsen der fremden Königin dienen – bis hin zu den schwarzen Rasenameisen, die in allen möglichen Formen ihren Sklaveninstinkt dartun und Herrinnen mancher Arten dienen, die viel kleiner und schwächer, als sie selbst sind. Aber auch hier ist zu sagen: nicht der geringste Zusammenhang besteht zwischen den einzelnen Ameisenarten, die passiven Sklaveninstinkt zeigen: eine Entwicklung ist nirgends festzustellen.

Die Naturwissenschaft ist entzückt über jedes Schema – aber die Natur selbst wirft alle Schemata über den Haufen.

 

Wir kennen bereits ein halbes Dutzend arbeiterloser Arten; gewiß werden mit den Jahren noch mehr entdeckt werden. Alle sind selten genug; ihre Völker sind wenig zahlreich; die einzelnen Tiere sehr klein.

Die Wheelerameise ist vor zwei Jahrzehnten in Tunis gefunden worden; sie haust bei der Salomonameise, einer Knotenameise, wie sie selbst. Männchen und Weibchen sind geflügelt; dennoch findet kein Hochzeitsflug statt, sondern Brüder und Schwestern vermählen sich schon im Neste selbst. Später erst fliegen beide aus, die Männchen nur, um zu sterben, die Weibchen, um neue Völker zu gründen. Die junge Königin sucht ein Salomonnest und spaziert in seiner Nähe herum, bis sie von einigen Arbeiterinnen ›verhaftet‹ wird. Sie läßt sich diese Verhaftung geduldig gefallen, läßt sich von den Salomonemsen an Beinen und Fühlern ins Nest schleppen. Dauert es ihr zu lange, bis sie gefaßt wird, so geht sie auch wohl selbst ins Nest hinein, läßt sich dann drinnen festnehmen. Die Salomonemsen nehmen sie meist sehr liebenswürdig auf, beginnen bald, sie zu füttern und zu putzen; nach wenigen Tagen schon fängt sie an, Eier zu legen. Die junge Brut wird von den Salomonemsen gepflegt, deren Liebe zu der fremden Königin von Tag zu Tag wächst. In demselben Maße aber schwindet die Liebe zu ihrer eigenen Königin-Mutter; diese wird mehr und mehr vernachlässigt, bis sie eines Tages von ihren eignen Töchtern getötet wird – einer der wenigen Fälle zwangsläufigen Muttermordes, die die Tiergeschichte kennt.

Ähnlich spielt sich die Gründung eines Volkes bei der amerikanischen ›Mitsparerin‹ ab, die bei einer Sparameise haust und die noch kleiner ist als die Wheelerameise, sowie bei einigen anderen seltenen Arten. Immerhin sind alle diese Arten körperlich durchaus normal und nicht verkümmert. Den wirklichen Tiefstand hat allein die europäische ›Arbeiterlose‹ erreicht; bei ihr allein kann man von einer Entartung reden. Sie haust bei der schwarzen Rasenameise, dieser Ameisenart, bei der der Knechtsinstinkt so besonders stark entwickelt ist.

Trifft eine junge Königin der Arbeiterlosen eine Stadt der Schwarzen, so mag sie darauf rechnen, daß diese Stadt in kurzer Zeit ihr gehört und niemandem sonst.

Sie wird liebevoll aufgenommen, gehegt und gepflegt und kann sich gleich daran machen, Eier zu legen. Pech ist es freilich, wenn nicht sie allein, sondern mit ihr einige ihrer Schwestern in das Nest gedrungen sind, dann werden alle andern getötet oder hinausgetrieben: nur eine einzige bleibt zurück als die Herrscherin.

Die rechtmäßige Königin der Schwarzhemden wird vernachlässigt, wird schließlich von ihren Töchtern gemordet und hinausgeschafft: in selbstgewählter Knechtschaft dienen diese als Sklavinnen der neuen Königin.

Die Bevölkerung der Stadt sieht nun so aus: viele schwarze Arbeiterinnen und eine Königin der Arbeiterlosen. Sie ist sehr klein, diese Königin, aber ihr Leib beginnt jetzt ungeheuerlich anzuschwellen; sie sieht bald genau so aus, wie eine der ballonbäuchigen Arbeiterinnen der Honigameisen, die ihr Leben als lebendige Honigfässer zubringen. Nur hängen diese hübsch nebeneinander an der Decke ihres Kellers, während die Arbeiterlosenkönigin am Boden herumliegt und sich nicht regen kann; sie vermag mit den Beinen den Grund kaum mehr zu berühren und hält sich darum an der Wand fest. Stets sind ihre Dienerinnen um sie beschäftigt, füttern sie, putzen sie, schleppen sie auch wohl von einer Kammer in die andere. Inzwischen legt die Königin Eier; in den Kinderstuben sammelt sich die junge Brut. Was mit der noch im Neste vorhandenen Brut der alten, getöteten Rasenkönigin wird, ist nicht recht klar, da man niemals in solchem Neste Brut von Rasenameisen fand. Möglich, daß mit dem widernatürlichen Haß gegen die eigene Königin-Mutter sich bei ihren Töchtern auch eine plötzliche Abneigung gegen deren Brut entwickelt, sodaß diese aufgefressen oder weggeworfen wird. Wahrscheinlicher scheint mir freilich, daß wenigstens die älteren Larven und Puppen noch großgezogen werden und daß man diese Rasenameisenbrut nur deshalb noch nicht fand, weil eben bisher noch kein Mensch das Glück hatte, auf ein solches Nest zu stoßen, in dem erst vor kurzer Frist eine Arbeiterlosenkönigin ihren Einzug hielt.

Inzwischen wächst deren Brut, wohlgepflegt, allmählich heran – aber es sind nur Geschlechtstiere. Eine Arbeiterinnenkaste ist nicht mehr nötig, da ja alle Arbeit, ohne jede Ausnahme, von den Schwarzhemden getan wird. Die jungen Weibchen sind kleine, zierliche, geflügelte Geschöpfe, aber die Männchen sind recht üble Mißgeburten. Sie sehen viel eher aus wie verkrüppelte Flöhe als wie ehrliche Ameisen. Flügel haben sie nicht; die Farbe ist ein ungesundes Gelb, der Hinterleib ist, wie bei Larven, stark nach unten gebogen. Gehn kann die Mißgeburt auch nicht recht; sie schwankt so wackelnd herum. Ja, meistens fehlt ihr gar das den Ameisen so sehr notwendige Stück, die Reinigungsbürste an den Vorderbeinen, sodaß sie sich nicht einmal ordentlich reinigen kann. Ebenso sind die Oberkiefer ganz klein und schwach. Auch die Augen, die sonst bei den Geschlechtstieren der Ameisen besonders gut entwickelt sind, sind bei den Männchen der Arbeiterlosen verkümmert. Für diese armseligen Scheusäler nun hegen die schwarzen Sklavinnen eine ganz besondere Vorliebe. Sie tragen sie herum, lecken und putzen sie andauernd. Um die mehr selbständigen geflügelten Weibchen bekümmern sie sich weniger, wenn auch diese wie die Männchen stets gefüttert werden; selbständig Nahrung zu sich zu nehmen, vermögen sie nicht, weil die Mundteile verkümmert sind.

Da die Männchen nicht fliegen können, muß die Hochzeit zwischen Brüdern und Schwestern im Neste selbst stattfinden. Aber selbst bei dieser Verrichtung zeigen sich die Männchen blöd und ungeschickt, stellen immer wieder erneute, oft erfolglose Versuche an, sodaß stets eine Reihe von Weibchen unbefruchtet bleibt. Die Paarung selbst macht garnicht den Eindruck einer Ameisenhochzeit; es sieht vielmehr so aus, als wenn Käfer plump und lange aneinander hängen.

Nach der Hochzeit fliegen die Weibchen aus. Die Sklavinnen haben nun plötzlich jede Liebe zu den Männchen verloren; sie tragen sie aus dem Neste und überlassen sie dort ihrem Schicksal.

Wie der Lebensinhalt, so ist auch die Lebensdauer eines solchen Arbeiterlosenvolkes vollkommen abhängig von den sie betreuenden schwarzen Dienerinnen. Das Geschlecht der Schwarzen kann etwa ein Alter von drei bis vier Jahren erreichen. Möglich, daß sich ihnen zuweilen verirrte Rasenemsen eines fremden Volkes anschließen – aber das kann die Dauer des Staates nicht wesentlich verlängern. Eine nach der andern sterben die schwarzen Dienerinnen; mit ihrem Tode ist auch das Schicksal der Arbeiterlosenkönigin und ihrer Brut, ihrer Töchter und mißgestalteten Söhne besiegelt, höchstens mag ein schon befruchtetes Weibchen ausfliegen und sich zu andern Rasenameisen retten. Die übrigen sind unweigerlich zum Hungertode verdammt: diese Todesart ist also für jede Arbeiterlosenkönigin, der es gelingt, ein Volk zu gründen, das natürliche Ende.

Lebt wohl, Sechsbeiner!

Heute habe ich all meine Nester ausgeschüttet.

Nun bin ich bald fertig mit diesem Buch – da brauch' ich sie nicht mehr. Im allgemeinen haben sie's ganz gut bei mir gehabt – dennoch bin ich überzeugt, daß es ihnen draußen besser gefällt.

Ich habe ihnen gute Plätze ausgesucht, in Wald und Wiesen; den ganzen Tag bin ich herumgelaufen. Ein paar Arten sind dabei, die's bisher nicht gab auf der Insel: mögen sie blühen, wachsen und gedeihen!

Schöne Abschiedsreden hab' ich ihnen gehalten, gute Ratschläge ihnen gegeben. Und habe ihnen allen noch hübsch Futter hingelegt, für die erste Zeit.

Am Abend hat mir die Hoteldirektion einen großen Hummer geschickt und zwei Flaschen Brioniwein, Vino Scelto, bestes Gewächs der Inseln. Die Direktion denkt, daß ich endlich vernünftig geworden sei und es ihr zuliebe getan habe.

Zum Weine hab ich Don Lello eingeladen – der ist auch ein Dichter. Auf das Wohl aller Ameisen in der ganzen Welt haben wir getrunken.


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