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X. Zwischenspiel: Vom emsigen Emil und der verhuhnten Paula

Ich bin kein Weiser vom Fach; durch mich wird die exakte Wissenschaft nicht weiterkommen. Ich kann keine Bausteine schlagen für ihren großen Tempel, der doch nie fertig wird. Doch kann ich ein paar hübsche Rankrosen pflanzen, die an den Säulen hinaufwachsen mögen –

Ich kann nur sehen. Und erzählen, das was ich sah. Kann dazu lesen und schreiben. Wenig mehr.

Als ich die Ameisen sah und von den Ameisen las, da sah ich auch manche Weisen der Ameisenkunde und las vieler andern Weisheit. Und nun, da ich von Ameisen schreibe und erzähle, will mir der und jener durchaus nicht aus dem Sinn.

Ich glaube, jeder Mensch, der sich ausschließlich mit etwas Bestimmtem beschäftigt, bekommt so allmählich, innerlich und äußerlich, eine gewisse Ähnlichkeit damit. Niemand kann den Herrn Zirkusdirektor Schumann anschauen, ohne sofort zu sehen, daß er einen Pferdekopf hat – und solche Pferdeköpfe haben erstaunlich viele Menschen, die sich mit Gäulen beschäftigen. Der alte Maler Deiker, der immer nur wilde Schweine malte, sah schließlich selber aus wie ein Eber. Eheleute gibt es, die mit den Jahren einander so ähnlich geworden sind, daß sie selbst kaum mehr wissen, wer von ihnen Männchen, wer Weibchen ist. Der große Gurkenzüchter Hiram Johnson in Kalifornien war als Sechzigjähriger völlig vergurkt; seine Knollennase hatte dank einem Rhinophyma ganz außerordentliche Ausmaße angenommen, ja es schien, als ob sie geradezu angegrünt wäre.

So kannte ich auch einen Professor der Myrmekologie, der verameist war. Er stand in Beziehungen zu einer jungfräulichen Dame aus St. Gallen, der es im Laufe der Jahre gelungen war, sich ebensosehr zu verhuhnen. Beide sind nun tot; ich kann ihre Geschichte also ruhig niederschreiben.

Denn schließlich: man ist ein Mensch und Menschliches liegt einem am Ende doch näher als Ameisliches. So macht es mir Spaß, diese Geschichte zu erzählen – sie zu lesen, wird, hoffe ich, meinen Lesern Spaß machen. Dann sind wir beide zufrieden.

 

Er hieß Emil Schmitz und drückte ein Jahr lang die Schulbank mit mir auf dem Gymnasium in Kleve – gerade so lange, bis man mich dort wegjagte. Aber nie nannte ihn einer ›Schmitz‹, weder Lehrer noch Schüler; stets rief man ihn den emsigen Emil. Emsig war er, ob er gleich damals noch nicht ausschließlich für Emsen schwärmte. Er war klein, schlank, blaß und trug eine starke Stahlbrille. Er hatte alle Taschen voll interessanter Dinge: Spiritusgläser mit Käfern, Pappschachteln mit aufgepickten Schmetterlingen, auch Heuschrecken, Libellen, Frösche, Eidechsen und Kröten, tot und lebendig. Trotzdem war Emil sehr reinlich, er wusch sich mehr, als alle anderen Jungen zusammen. In der linken Westentasche trug er stets, säuberlich in Papier geschlagen, eine Bürste, ein Stückchen Seife und einen Bimsstein; man konnte an dem Wasserhahn auf dem Flur nicht vorbeigehn, ohne Emil dort herumplätschern zu sehen. Trotz aller Reinlichkeit aber haftete ihm ein gewisser ihm eigentümlicher Geruch an, nicht scharf, auch nicht unangenehm, doch sofort auffallend. Emil war ein guter Kerl; er teilte mit allen, er half allen. Er war immer äußerst beschäftigt, war sehr fleißig; aber sein Fleiß machte ihn selbst bei den faulsten Brüdern nicht verhaßt. Mir baute er mein erstes künstliches Ameisennest.

Ich traf ihn dann auf der Universität wieder; nur so hie und da. Er war erheblich länger geworden, aber bleich und schmalbrüstig wie früher – Leptothorax nannten ihn seine Studiengenossen. Er studierte Naturwissenschaft und hatte sich auf die Insekten geworfen. Es ging ihm schlecht genug; sein Vater war gestorben, seine Mutter in beschränktesten Verhältnissen. Er wußte nicht recht, wie er sein Studium zu Ende bringen sollte. Es kam damals ein Schulkamerad zu mir, der meinte, ich solle ein Drittel eines Monatswechsels für den emsigen Emil hergeben; er habe das auch an eine Reihe anderer Schulfreunde geschrieben. Mir war's gleich, ich hatte längst soviel Schulden, daß es garnicht drauf ankam, ein bißchen mehr zu haben. Viel kam nicht zusammen; aber Emil hatte doch Glück: der Vater eines Freundes verschaffte ihm ein Stipendium, das ihm ermöglichte, weiter zu studieren.

Ich traf ihn zum dritten Male wieder, als ich beim Amtsgericht Protokolle schreiben durfte – da war der emsige Emil Probekandidat. Wir waren beide mit unseren Berufen äußerst unzufrieden und bliesen Trübsal nach Herzenslust. Das brachte uns näher zusammen; wir saßen oft miteinander im Weinhaus und berieten, wie wir herauskommen könnten aus den Tretmühlen. Um diese Zeit trug er stets eine kleine Bürste in der Hosentasche, die er alle paar Minuten herauszog, um ein Stäubchen von dem schäbigen Anzug abzubürsten.

»Um dich ist mir garnicht bange«, meinte Emil. »Dich schmeißen sie über kurz oder lang beim Gericht doch heraus, wie sie dich aus allen Gymnasien auch immer rausgeworfen haben. Dann bist du frei.«

Ich versuchte, ihm auseinanderzusetzen, daß mein Fall viel verzwickter läge; daß es freilich –

Aber Emil ließ mich reden, was ich nur mochte; er hörte kaum hin. Sein Fall allein interessierte ihn – und dieser Fall lag so einfach wie möglich: nur Geld benötigte er. Er besaß nicht einen Heller mehr und bezog auch einstweilen kein Gehalt – lebte von ein paar jämmerlich bezahlten Privatstunden.

Das würde ja nun wohl besser werden mit der Zeit; langsam mußte er Oberlehrer werden und schließlich gar Gymnasialprofessor. Nur: die Aussicht solcher Zukunft verdroß Emil ungemein. Er war durchaus ein Gelehrter; in der Insektenwelt hatte er sich erst auf die Hautflügler eingestellt und war nun ganz zu den Ameisen übergegangen. Myrmekologe war er und nicht Probekandidat. Und wenn er nur ein wenig Geld hätte, könnte er sich auf einer Universität als Privatdozent habilitieren, könnte der Wissenschaft leben und seinen Ameisen.

Ich stachelte seinen Ehrgeiz gründlich an. Die Universitätslaufbahn, erklärte ich, sei ja ganz gut – aber es sei nicht genug. Er müsse hinaus: das sei die Hauptsache! Sei je aus dem Darwin der Darwin geworden, wenn er nicht hinausgezogen wäre in die Welt? Die Ameisen da unten in unsern Kästen, die könne jeder Referendar und Schulamtskandidat genau so gut studieren! Ein echter Myrmekologe aber müsse die Sechsbeiner in freier Wildbahn beobachten, am Jangtsekiang, am Niger und am Orinoko.

Das begriff Emil sehr gut; bald blickte er verächtlich auf seine blutroten Ameisen. Träumte nur noch von Myrmecodia im Bismarckarchipel, von Pogonomyrmex in Arizona, von Carebara auf Borneo.

Wenn wir spazieren liefen im Walde, seine Waldameisen zu besuchen, fragte ich ihn: »Also, Emil, wie steht's mit den Chromosomen bei den Blutroten?«

»Achtundvierzig hat sie«, schnurrte er, »reduziert vierundzwanzig. Alles verläuft wie bei den Bienen. Die Männchen haben die reduzierte Chromosomenzahl und die eine Reifeteilung fällt aus, sodaß alle Samenzellen die reduzierte Zahl haben. Die Weibchen reduzieren in den Eiern von achtundvierzig auf vierundzwanzig; daher unbefruchtete Eier, vierundzwanzig: Männchen. Befruchtete Eier, achtundvierzig: Weibchen.«

»Danke!« sagte ich. Die Zahlen waren mir gleichgültig; aber ich wußte, wie gut es Emil tat, in diesem Saarbrücken mit einem Menschen zu sprechen, der wenigstens wußte, was ein Chromosom war. Nur: ich ließ ihm nicht lange seine Freude. »Und wie ist's bei der Atta?« forschte ich. »Und bei Pheidole? Bei Azteka und Aphenogaster?«

Die schönen Namen kannte ich, weil Emil mir davon erzählt hatte. Ich hatte sie mir gut gemerkt und gebrauchte sie immer, wenn ich Emil ärgern wollte.

»Ich weiß ihre Chromosomenzahl nicht,« knurrte er. »Keiner weiß sie; die Arten sind daraufhin noch nicht untersucht.«

Ganz harmlos tat ich: »Warum untersuchst du sie denn nicht?«

Dann konnte er fuchtig werden. »Wo soll ich sie denn herbekommen, die Bestien?« brüllte er mich an. Wie um sich zu beruhigen, zog er sein Bürstchen heraus und bürstete seinen Ärmel ab.

Ich blieb sehr kühl. »Wenn sie nicht zu dir kommen,« sagte ich. »mußt du eben zu ihnen reisen. Zum Amazonas, Emil, zum Irawadi, zum Panuco!«

Um diese Zeit sah Emil schauderhaft aus. Sehr lang aufgeschossen, schmalbrüstig, affenarmig und schlürferschrittig. Er lief in meinen Anzügen herum, die um ihn schlotterten, obgleich die Hände und Füße weit herausragten. Grünbleich im Gesicht und immer noch mit der alten Stahlbrille geschmückt. Völlig verhungert dazu; warmes Essen bekam er nur, wenn er mit mir ausging. Ich hatte Pump in den Gasthäusern, und man hätte ihm auch geborgt, wenn er nur gewollt hätte. Ich gab mir die größte Mühe, ihn dazu zu überreden; vergeblich.

»Wie soll ich's denn je bezahlen?« wandte er ein. Keinen Pfennig Schulden hatte dieser Mensch.

Einmal aber setzte er mich baß in Erstaunen. Ich sagte ihm: »Du mußt dich entschließen, Emil. Entweder bleibst du Oberlehrer Zeit deines Lebens, oder aber du mußt einen großen Pump aufnehmen!«

Da antwortete er seelenruhig: »Für die Wissenschaft alles! Ich habe schon oft daran gedacht. Könntest du nicht, mit deinen Beziehungen –«

Ganz großartig sagte ich: »Ich mach's schon, Emil, verlaß dich drauf!«

Wie ich dazu kam, mag der Himmel wissen. Beziehungen hatte ich schon – aber es waren meist weibliche. Die männlichen aber waren fast nur feindseliger Natur. Von dem, was blieb, waren gewiß einige Leute, die reich genug waren – aber ebenso gewiß keiner, der Geld gegeben hätte, damit Emil in Brasilien Ameisen fangen könnte.

Von dem Augenblick an hatte ich keine Ruhe mehr. Wenn ich Emil traf, fragte er: »Hast du schon was gehört?« Und wenn er schwieg, so war der ganze Emil nur ein langes Fragezeichen. Ich log, was ich konnte, machte ihm immer neue Hoffnungen, hoffte schließlich selber drauflos.

Damals bildete sich eine Geruchsmanie bei ihm aus. Dieser weiche Duft, der ihm schon als Schuljunge eigen war, war ihm geblieben; er schien, ganz entfernt, an Lavendel zu erinnern. Nun aber war es Emil, der bei allen Menschen einen besondern Geruch wahrzunehmen glaubte. Doch bestimmte er diesen Geruch nie; ihm rochen alle Leute nur entweder freundlich oder feindlich. Ich erinnere mich, daß er einmal abends in mein Zimmer trat, in dem ich den ganzen Nachmittag zigarettenrauchend gelesen hatte. Emil sog die Nüstern weit voll und erklärte: »Du bist mein Freund!«

Dabei rauchte er nicht und jeder Qualm war ihm zuwider. Ich sagte ihm das. Da erwiderte er: »Das mein' ich doch nicht! Dich meine ich!«

»Wie rieche ich denn?« forschte ich.

»Freundlich!« erklärte er.

Es war an diesem Abende, daß mir, ganz plötzlich, der große Gedanke zu Emils Rettung kam. Ich sagte ihm nichts davon; aber ich schrieb noch in derselben Nacht einen langen Brief. Adressierte ihn: Fräulein Paula Hahn, Basel. Die allein konnte ihm helfen – und sie tat es auch.

 

Paula Hahn aus St. Gallen war einmal Modistin gewesen. Dann erbte sie von einer Tante in Genf ein Haus und mit diesem Hause eine große Studentenpension. Sie zog also nach Genf und übernahm das Haus. Ich wohnte nicht bei ihr. Aber ich kam öfter hin, da Bekannte bei ihr hausten; trat bald auch zu ihr in Beziehungen, indem ich ihr meine Wäsche zum Waschen und Flicken überließ. Sie hatte ein hübsches Haus im Plainpalais, einen Garten dazu und in dem Garten einen Hühnerstall. Sie lebte nur für ihre Hühner und für ihre Studenten, wobei freilich die Hühner insofern vorgezogen wurden, als sie deren Behausung selber reinigte, während die Studentenbuden den Mägden überlassen wurden. Tagsüber war sie immer im Hühnerstall zu treffen, abends, wenn die Vögel sich zur Ruhe begaben, bekümmerte sie sich um die Studenten.

Dennoch kamen ihre Studenten nicht zu kurz. Sie war damals vielleicht siebenundzwanzig Jahre alt, nicht hübsch und nicht häßlich, aber angenehm rundlich und gewiß appetitlicher als manch anderes Wesen, das diese fleischhungrigen Studenten mit ihrer Liebe beglückten. Keinem von ihnen jedoch kam es je in den Sinn, sein Heil bei ihr zu versuchen. Sie tat jedem etwas Gutes und bemutterte alle; trotz allen Bemutterns aber machte sie keineswegs den Eindruck einer Henne, sondern vielmehr den eines Huhns. So kam es denn, daß die Studenten ihren guten Namen Paula in ›Poularde‹ wandelten; selbst der alte Pförtner der Universität verwies am Anfange jeden Semesters Studenten, die eine gute, billige, saubere Pension suchten, an Mlle ›Poularde‹ in der ›Basse-court‹.

Sie hatte hübsche Burschen in ihrem Hause, und es ist schon möglich, daß sie den oder jenen heimlich anschmachtete. Nur – die merkten es nicht. Eine halbe Stunde bei einer der sehr gut angelernten Pensionärinnen der berühmten Mdme Adèle deuchte ihnen ein Eden, das man nicht hoch genug bezahlen konnte – aus St. Gallen aber, davon waren sie fest überzeugt, mochte alles mögliche Schöne kommen, aber ganz gewiß nichts Heißblütiges. Nur: Poularden, Hühner und Buttermilch. Auch war es, wenn man die Hilfe der ›Poularde‹ benötigte, garnicht nötig, ihr auch nur entfernt den Hof zu machen. Es genügte völlig, ihre Hühnerzucht anzuerkennen, ein gelbes Küchlein auf die Hand zu nehmen und ihm einen Kuß zu geben, oder zu behaupten, daß ihre Eier die besten in ganz Genf seien. Selbst wenn sie, was zuweilen vorkam, einen Studenten nicht besonders leiden mochte und dann ein wenig harthörig tat, selbst dann war dieser Widerstand sehr leicht zu brechen. Ein dicker Savoyarde, den sie eigentlich nicht ausstehn konnte, weil er's gar zu offen mit einer der Mägde trieb, übte sich ein paar Tage lang im Krähen; krähte ihr dann sehr heiser etwas vor und behauptete, daß er's dem großen Brahmaputrahahn abgelauscht habe, der ein Meisterkräher ersten Ranges sei: hundert Franken borgte sie ihm noch am selben Abend.

Am Ende dieses Semesters reiste ich ein bißchen herum; als ich nach Hause fuhr, traf ich die ›Poularde‹ auf dem Oltener Bahnhof. Da muß man immer warten und dann einen Kaffee mit Kirsch trinken. Sie fand es sehr rührend, daß ich für sie zahlte; so etwas war sie von ihren Studenten nicht gewöhnt. Sie reiste nach Basel; dorthin mußte ich auch – so fuhren wir zusammen. Wir plauderten und sie erzählte mir, was so zu erzählen war.

Eine Tante in Basel war gestorben; es war schon die vierte Tante, die sie beerbte. Sie wollte ihr Genfer Haus verkaufen, Pension, Hühnerstall und alles. Das Baseler Haus, das ihr nun gehöre, sei viel größer und schöner – und ein sehr großer Garten sei dabei. Sie lud mich gleich ein, sie zu besuchen.

Ob sie auch wieder Studenten aufnehmen wolle in Basel?

Nein, das wolle sie garnicht. Sie sei fertig mit den Studenten. Sechs Jahre habe sie das betrieben in Genf – nun habe sie genug davon.

Sie sprach ganz offen und ohne jede Empfindsamkeit. Nicht einmal einen Seufzer hatte sie.

Sie habe sich gedacht, daß einer von ihren Studenten sie doch einmal freien würde. Sie hätte ›Ja‹ gesagt zu dem und zu jenem und zu manchem noch. Aber keiner habe sie je drum gefragt. Sie habe allen geholfen, habe die Kranken gepflegt und den Gesunden Geld geborgt. Und wenn sie auch sagen müsse, daß die Herren Studenten im großen und ganzen ehrliche Leute seien, und daß sie manches schon zurückerhalten habe und von dem, was noch ausstünde, auch das meiste gewiß noch bekommen würde – so sei es doch kein Geschäft, so eine Studentenpension. Und so auf die Jahre rege es auch auf – denn schließlich: man sei doch auch nur ein Mensch.

Sie schlug die Augen nieder und fügte hinzu: »Selbst – selbst wenn man aus St. Gallen ist.« Dabei lachte sie ein wenig und dies Lachen klang wie das sehnsüchtige Gackern eines einsamen Hühnchens. Es war wirklich rührend dies Gackern.

Aber sie faßte sich gleich wieder. Meinte, daß die Hühner viel dankbarer seien als Studenten: sie legten wenigstens Eier.

Ich hatte ein wenig Mitleid mit ihr und gab mir große Mühe, nett zu ihr zu sein. Sie empfand das dankbar. Als wir uns trennten, mußte ich ihr versprechen, sie zu besuchen, wenn ich einmal über Basel käme; oder ihr doch wenigstens zu schreiben.

Ich versprach's und hatte es vergessen eine halbe Stunde drauf.

Aber dann schrieb ich doch, ein Jahr später. Ich sah in einem Schaufenster eine Ansichtskarte – ein komisches Huhn war darauf, das mich im Augenblick an die ›Poularde‹ erinnerte. Ich kaufte die Karte und schickte sie ihr; fragte, wie's mit der Hühnerzucht gehe?

Sie antwortete postwendend mit einem langen Briefe. Wie lieb von mir, mich ihrer zu erinnern. Und was die Hühner anginge, so –. Und ob ich denn garnicht einmal über Basel käme?

Dann hatte ich sie wieder vergessen ein paar Jahre lang. Und nun kam der Gedanke: sie kann dem Emil helfen. Sie kann es – und sie tut's auch, wenn man's nur geschickt anfängt. So schrieb ich meinen Brief.

Die Antwort kam – und sie gab einige Hoffnung. Sie könnte es gewiß tun, schrieb die Poularde, aber – ich möge verzeihen! – es sei doch eine eigentümliche Zumutung. Denn sie kenne diesen Herrn ja nicht einmal. Sie wolle ja gerne glauben, was ich sage, und sei auch gerne bereit, etwas zu tun für die Wissenschaft, wenn sie auch offen gestanden für Ameisen wenig übrig habe. Ob sich denn mein Freund nicht für Hühner interessieren könne – da gäbe es doch gewiß auch manche Fragen? Und dann hätten einige ihrer alten Studenten sie aufsitzen lassen – und mit Dankbarkeit könne man heutzutage ja überhaupt nicht mehr rechnen. Schließlich aber: schriftlich könne man zu so etwas sich doch wirklich nicht entschließen. Ich käme gewiß einmal über Basel; dann möge ich sie besuchen, und man könne darüber sprechen.

Ich überlegte: der Emil muß mit nach Basel. Gefällt er ihr, so ist's gewonnen. Verspielt ist's, wenn er nicht gefällt.

Nur: davon durfte ich kein Wort ihm sagen. Wenn sie so unschuldig war wie ein Huhn, so war er wie eine Emse so unschuldig. Dabei hatte die Poularde, wenn auch noch so sanktgallisch, doch irgendwo ein wenig Liebessehnsucht, während der emsige Emil nichts dergleichen kannte.

Ich begriff, daß ich Emil möglichst vorteilhaft vorstellen müsse. Mein bester Anzug wurde für ihn zurechtgemacht; Ärmel und Hosenbeine genügend verlängert. Hemden bekam er und Unterhosen, auch mit den Socken und Stiefeln ging es einigermaßen. Einen Hut mußte ich freilich kaufen und dabei mußten wir noch in einem halben Dutzend Läden nachfragen, bis wir endlich die passende Nummer für seinen mächtigen Schädelbau fanden. In der Eisenbahn gab ich ihm gute Lehren, wie er sich zu verhalten habe: keine Gelegenheit verabsäumen, ihr die Hand zu küssen und allmählich diese Hand ein wenig zu tätscheln. Ich hatte auch ein Buch über Hühnerzucht gekauft, das mußte er durchlesen, um möglichst sachverständig auftreten zu können.

Wir waren eine Woche in Basel und jeden Tag zweimal draußen in ihrem Hause. Jedesmal mußte Emil einen großen Blumenstrauß mitbringen. Ihre Ähnlichkeit mit den Hühnern fiel ihm gleich auf – und in der Tat hatte in diesen Jahren ihre Verhuhnung schon starke Fortschritte gemacht. Ihre Nase hatte etwas Spitziges bekommen, machte den Eindruck, als ob sie damit picken wollte, ihr Lachen war vollständig zum Gackern geworden. Ganz eigentümlich aber war ihre Art zu trinken. Ich hatte die beiden zum Abendessen in die ›Drei Könige‹ eingeladen; Emil, der garnichts vertragen konnte, war schon nach dem dritten Glase recht lustig. Wie sie ihm zutrank, starrte er sie an und fing dann plötzlich an zu singen:

»Keinen Tropfen Wasser trinkt das Huhn,
Ohne einen Blick zum Himmel aufzutun!«

Ich war wütend; gab ihm unter dem Tisch einen tüchtigen Tritt vors Schienbein. Aber seine Taktlosigkeit hatte gar keine schlimmen Folgen – im Gegenteil. Die Poularde gackerte seelenvergnügt, und als Emil, durch meinen Tritt aufgeschreckt mit der Rechten ihre Hand ergriff, um sie tüchtig abzuschlecken, während er mit der Linken sein Hosenbein abbürstete, meinte sie, daß er ein rechter Kavalier sei, der höfliche Manieren mit fröhlicher Laune zu verbinden wisse.

Ich sah es wohl: dieses arme St. Galler Huhn erträumte sich einen stolzen Hahn in Emil – ausgerechnet in Emil, der doch eine Ameise war!

Es ging alles nach Wunsch und über Erwarten gut. Ich erkundigte mich inzwischen und erfuhr zu meiner großen Befriedigung, daß die Poularde in ganz ausgezeichneten Vermögensverhältnissen war; sie hatte noch einmal geerbt und ihren Genfer Besitz sehr vorteilhaft verkauft. Das beruhigte mein Gewissen außerordentlich.

Emils Erfolg wuchs mit jedem Tage. Es war klar – am liebsten hätte sie ihn gleich als Gatten behalten; freilich merkte er von diesem unausgesprochenen Wunsche garnichts. Sie machte dann noch einen schwachen Versuch, ihn von der Ameisenforschung ab- und zur Hühnerforschung hinzuziehen; bestand aber nicht weiter darauf, als ich ihr erklärte, daß Emil ja noch jung wäre, und daß er, wenn er nur erst die angefangenen Studien beendet habe, später einmal von der Myrmekologie zur Alektrionologie übergehn könne.

Am fünften Tage erklärte sie, daß sie bereit sei, Emil flottzumachen: daß sie aber über die Einzelheiten sich mit ihren Beratern besprechen müsse. Mir fiel das Herz in die Hosen, als ich hörte, daß diese Berater ihr Notar und ihr Bankier seien.

Aber ich hatte mich sehr getäuscht, die beiden Herren versuchten keinen Augenblick, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Dieses harmlose Huhn wußte ganz genau, was es wollte; und war gewiß geschäftlich unendlich viel tüchtiger als Emil und ich es waren.

Emil bildete sich ein, alles mit fünftausend Franken machen zu können. Ich meinte, daß es etwas mehr kosten würde und wollte versuchen, noch ein paar tausend mehr für ihn rauszuholen. Wir waren daher sehr erstaunt, als sie uns erklärte, daß wenigstens fünfzigtausend notwendig seien und daß sie also diese Summe zur Verfügung stelle. Doch setzte sie zur Bedingung, daß sich Emil an der Baseler Universität habilitieren müsse. Sie sah mich etwas scheu an, als sie das sagte.

Ich ließ ihn in Basel – er zog gleich hinaus zu ihr und machte sich an die Arbeit. Ich zog traurig zurück nach Saarbrücken, um meinen Rüffel einzustecken, weil ich wieder mal ohne Urlaub losgefahren war. Die Welt hatte gar kein Verständnis für meine Nächstenliebe: mir ging's noch schlechter als zuvor. Und dazu war ich den Emil und seine Ameisennester auch los, die in mein grauenhaftes Schicksal, Jurist zu sein, doch etwas Abwechslung gebracht hatten.

Der Emil schrieb seine Habilitationsschrift; der Emil wurde an der Universität als Privatdozent zugelassen. Der Emil traf seine Reisevorbereitungen; der Emil fuhr von Hamburg nach Brasilien. Vom Dampfer schrieb er mir eine Postkarte mit den stolzen Worten: »Der ATTA entgegen!«

Dahin, in das Land der Blattschneiderinnen, der Schleppameisen, der Pilzzüchterinnen! Und derweil saß ich immer noch in Saarbrücken. War noch immer ein Jurist, dessen einzige innere Verbindung zu seinem Beruf die war, Aktenpapier zu stehlen, auf dessen hübsche freie Rückseiten man Gedichte kritzeln konnte und andern Kram.

 

Vier Jahre blieb Emil fort; als er zurückkam, war er ein berühmter Mann in dem engen Kreise der Wissenschaft. Er hatte inzwischen für eine ganze Reihe von fachwissenschaftlichen Blättern geschrieben und einiges aufsehenerregende Neue gefunden. Ich traf ihn in Wien wieder, wo er an einem großen myrmekologischen Werke arbeitete, in dem er alle seine Forschungen niederlegen wollte. Materiell ging's ihm gut; das Baseler Geld war längst verbraucht, aber eine wissenschaftliche Gesellschaft hatte dem so anspruchslosen Gelehrten genug zur Verfügung gestellt, um leben zu können. Er war in den Tropen völlig braun gebrannt und behielt diese rotbraune Färbung sein Leben lang. Ich fand ihn völlig verameist.

Das Bürsten war ihm so zur Gewohnheit geworden, daß nun sein Putzapparat mehr in der Hand, als in der Tasche war. Dabei schnupperte er fortwährend; er war überzeugt, es soweit gebracht zu haben, den Nestgeruch der einzelnen Arten unterscheiden zu können.

»Mein Geruch dagegen,« behauptete er. »scheint den Ponerinen feindlich, allen Camponotusarten aber freundlich zu sein.«

Um die Brille nicht wechseln zu müssen, hatte er sich in seine alte Stahlbrille in der Mitte geteilte Gläser setzen lassen, sodaß er oben gewöhnlich sah, unten aber stark vergrößert. Dadurch, und durch den glänzenden Stahlrand hatten seine Augen etwas eigentümlich facettenhaftes bekommen.

Sein Fleiß kannte keine Grenzen mehr; er war nicht zu bewegen, auch nur einmal mit auszugehn, selbst ein halbes Plauderstündchen mit mir schien ihm ein Raub an seiner Arbeit; höchstens fünf Stunden Schlaf gönnte er sich. Dutzende von künstlichen Ameisennestern hatte er in seinem Zimmer; es schien ihm ein Verbrechen, sich von ihnen zu trennen.

Ich fragte ihn, ob er schon in Basel gewesen sei?

Nein, meinte er. Erstens habe die dortige Universität doch keinen Lehrstuhl für Myrmekologie und dann fehle es ihm auch völlig an Zeit für irgendeine Lehrtätigkeit. Ein Gedanke an die Poularde kam ihm garnicht. Er war ganz erstaunt, als ich ihn daran erinnerte; er war überzeugt, seine Pflicht ihr gegenüber völlig erfüllt zu haben: alle seine Veröffentlichungen hatte er ihr ja zugesandt. Ganz verständnislos war er, als ich ihm vorhielt, daß sie wohl eigentlich damit gerechnet habe, daß er sie nach seiner Rückkehr heiraten würde.

»Wo soll ich dazu wohl die Zeit hernehmen?« war seine Antwort. Dann aber riß er ein Schubfach auf, wühlte in den Papieren und brachte schließlich einen Lichtdruck hervor, auf dem ein Dutzend verschiedener Ameisen abgebildet waren. Er hielt mir das Blatt unter die Nase.

»Da, die links oben!« rief er.

»Was ist mit der?« fragte ich.

»Glaube nicht, daß ich undankbar bin,« fuhr er fort. »All das sind von mir neugefundene Arten. Ich gab ihnen Namen nach den berühmtesten Forschern. Die aber, links oben die, die wird meinen Dank für Fräulein Hahn aussprechen; ich nannte sie: Myrmecocystus Wesmael melliger Forel subspecies mimicus Wheeler varietas depilis Hahn.«.

»Ein hübscher Name,« sagte ich, »aber ist er nicht ein wenig lang?«

»Lang?« gab er zurück. »Bei der ungeheuren Anzahl der Arten und Rassen und Specien und Subspecien und Varietäten und Nuancierungen hat man in der Myrmekologie längst das Quadrinominalsystem eingeführt; ich hoffe, daß wir bald, um größere Klarheit zu erzielen, zum Cinquenominalsystem übergehn werden.«

»Das hoffe ich auch,« nickte ich, »es ist dann ja auch soviel einfacher! Im übrigen wird Fräulein Hahn gewiß sehr froh sein, daß du der neuen Ameise, links oben, ihren Namen gegeben hast.«

Er sagte – aber garnicht stolz, ganz still und bescheiden vielmehr und wie selbstverständlich –: »Freilich wird sie. Ich habe ihren Namen unsterblich gemacht. Sie hat es schließlich verdient um die Wissenschaft. Und siehst du,« fuhr er fort, »Myrmecocystus, das ist die Honigameise, die ihren Bauch zu einem Honigtopf macht, um von der köstlichen Speise allen mitzuteilen. Was meinst du – ob Fräulein Hahn die Anspielung versteht?«

»Aber gewiß,« nickte ich, »ohne Frage! Es ist ein feines Kompliment für sie, wie es nur Männer der Wissenschaft machen können!«

 

Einige Wochen später kam Emil zu mir. »Um Gottes willen, was ist geschehen?« fragte ich. »Wenn du dich entschließt, aus deinem Nest herauszukommen, muß es wichtige Gründe haben.«

»Hat es auch!« rief er. Er rannte aufgeregt hin und her, vor jedem Hindernis kehrtmachend, sehr hastig in alle Ecken hineinriechend, ohne auch nur einen kleinen Augenblick anzuhalten. Es war schwer aus ihm herauszubekommen, was eigentlich geschehen war; alles kam ruck- und stoßweise, fast ohne Zusammenhang hervor.

So war es:

Er hatte nach unserem letzten Zusammensein nach Basel geschrieben, hatte der Poularde mitgeteilt, daß er in Anerkenntnis ihrer Verdienste um die Myrmekologie eine neugefundene Ameise nach ihr benannt habe. Er hatte hinzugefügt, daß sein großes Werk beendet sei und sich im Drucke befände; er würde ihr das erste Exemplar senden. Da würde sie die Beschreibung der Hahn-Ameise lesen können.

»Und nun ist's unmöglich!« jammerte er.

»Wieso?« fragte ich. »Hat der Verlag bankerott gemacht? Ist die Druckerei abgebrannt?«

»Nein, nein!« rief er. »Das Buch ist ausgesetzt; Gottseidank noch nicht gedruckt!« Er legte mir die Korrekturbogen auf den Schreibtisch. »Gerade wollte ich alles abschicken mit meinem Imprimatur! Und da bekomme ich heute Morgen – das da!«

Wütend warf er mir ein Blatt auf den Tisch – die jüngste Nummer der ›Mitteilungen der Schweizer Entomologischen Gesellschaft‹.

»Da lies!« rief er. »Ein anderer hat meinen Myrmecocystus auch gefunden! In Kalifornien! Vermutlich später als ich – aber es nutzt nichts! Er hat ihn eher beschrieben als ich. und ihm auch einen Namen gegeben! Den Forel's natürlich, als ob nicht schon fünfhundert andere Ameisen auch diesen Ehrennamen trügen; ich selbst habe drei nach ihm benannt! Und nun heißt das Tier nicht Myrmecocystus Wesmael melliger Forel subspecies mimicus Wheeler varietas depilis Hahn, sondern Myrmecocystus Wesmael melliger Forel subspecies mimicus Wheeler varietas depilis Forel!«

»Entsetzlich!« rief ich, »geradezu grauenhaft! Was willst du machen?«

»Ich weiß nicht,« jammerte er. »Darum kam ich ja zu dir.«

»Also, Emil,« riet ich, »tu so, als ob du nichts davon wüßtest. Gib dein Buch ruhig heraus.«

»Unmöglich!« stöhnte er. »Jedes Kind liest die ›Schweizer Mitteilungen‹! Und übrigens schadet's nichts für das Buch; ich werde da nur auf ein paar Seiten den Namen ändern und in einer Anmerkung auf die Nummer des Blattes hinweisen! Der Kerl nimmt mir nichts weg – dazu ist seine Abhandlung ganz schlecht und durchaus lückenhaft – das werde ich ihm bei der Gelegenheit stecken!«

»Ja. dann ist ja alles gut.« meinte ich.

»Nichts ist gut!« schrie er. »Wie stehe ich vor Fräulein Hahn da? Sie erwartet mein Buch mit dem Namen des Tieres, das sie unsterblich macht! Soll ich's ihr etwa zuschicken – wenn dieses Tier nun einen anderen Namen trägt??« Er trat ganz dicht zu mir hin, hob die Arme rundgebogen in die Höhe, stand da wie eine Emse in Kampfstellung. »Du mußt jetzt helfen.« zischte er, »du hast mir die ganze Sache eingebrockt! Du allein hast mich zu der Dame gebracht: du bist schuld an allem! Also hilf mir!«

Seine Einstellung war so ungeheuerlich, wie seine Haltung drohend war; ich hatte das Empfinden, als müsse er im nächsten Moment aus irgend einer versteckten Drüse Gift auf mich spritzen.

»Wo hast du eigentlich deinen Stachel, Emil?« fragte ich. »Du hast doch gewiß so ein Ding?«

Er lachte nicht; ein heftiges Zittern faßte ihn.

»Na, laß nur,« fuhr ich fort, »wir werden schon einen Ausweg finden.«

»Find' ihn!« stöhnte er.

»Ja, ja!« rief ich, »warte nur. Setz' dich derweil.« Ich stand auf, drückte ihn auf meinen Sessel am Schreibtisch nieder und lief nun selber im Zimmer auf und ab. Bald genug fiel mir was ein.

»Hast du noch andere Korrekturbogen?« fragte ich.

»Gewiß,« antwortete er, »man schickt sie ja immer doppelt.«

»Gut!« bestimmte ich. »Dann wirst du in den Bogen, die du zuhause hast, die nötigen Umänderungen machen. Dies Exemplar aber läßt du hübsch binden, so wie es ist, und schickst es mit einer schönen Widmung versehen nach Basel.«

Emil starrte mich an; er gebrauchte wohl eine Minute, um zu begreifen. Dann nahm er einen weißen Bogen auf, ergriff meine Schere und beschnitt das Papier nach der Größe der Druckseite. Nahm die Feder, schrieb eine lange Widmung darauf. Legte das Widmungsblatt oben auf die Korrekturbogen, schichtete sie sehr sorgfältig zusammen.

»So«, sagte er. »Das Buch binden lassen und nach Basel schicken – das kannst du tun! Du bist schuld an allem. Ich will nichts mehr damit zu tun haben.«

Kein Wort des Dankes, kein Gruß mehr. Draußen war er.

Ich habe Emil nicht wiedergesehen. Wohl schickte er mir regelmäßig seine neuen Bücher zu; auch alle Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften, doch hoffte ich vergebens, daß er einmal einer Ameise – und er fand noch manche unbekannte Arten – meinen Namen geben würde. Das tat er nicht.

Nun ist er tot. Als der Krieg ausbrach, war es für den Vierziger, der nie Soldat gewesen war, völlig selbstverständlich, daß er sich sofort als Freiwilliger meldete. Er empfand echt ameisenhaft: sein Volk war in Gefahr; da mußte er helfen, wie alle andern. Er wurde ausgebildet und kam an die Front – selbst in den Schützengraben nahm er ein paar künstliche Ameisennester mit. Ganz einfache freilich, nur in Flaschen. Er fiel vor dem Feind, starb für sein Volk, wie jede gute Emse.

Auch die Poularde ist nun tot. Ich habe nicht erfahren können, an welcher Krankheit sie litt. Aber ich bin ganz sicher, daß sie am Pips starb, die Arme!


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