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Zwanzigstes Kapitel

Die Schloßtürme von Floringhof ragten sonnenvergoldet in die blaue Sommerluft empor. Selten hatte sich der alte Prachtbau so herrlich präsentiert wie heute, stolz aus dem Blütenmeer des Parkes aufwachsend, umgrenzt von weitgedehnten Waldungen und überragt von der malerischen Bergkette eines der lieblichsten Gebirge, die das deutsche Vaterland aufweisen kann.

Wo sich die rotblühenden Kastanien zu schattigem Dach wölben, wo der Rotdorn in Blüte steht und die letzten Goldregentrauben im Gebüsch verwelken, hat Marga Daja oder – wie sie sich nunmehr nennt – Frau Dallberg den Spielplatz für die Kinder errichtet.

Margas Blick hängt wie trunken vor Glück an dem rosigen, vollwangigen Gesichtchen ihres Kindes, als könne sie das Wunder, das sich mit dem blassen, elenden Geschöpfchen begeben, gar nicht begreifen.

Was ist aus dem Kinde geworden, seit die neue Liebessonne dieses Hauses es bescheint, seit Eckerts zärtliche Sorge es beschirmt!

Nicht der See hatte Marga verschlungen, sondern der große, breite Strom der Liebe, der eine Schiffbrüchige an rettend Land trägt.

Und diese Wogen der Liebe sind seit jener Stunde ihr Lebenselement geworden.

Sie umrauschen sie Tag und Nacht, sie wiegen sie treu und sanft, als sei sie von Engelsschwingen getragen. – Marga Daja mußte in der grossen, kalten, grausamen Welt sterben, damit Margarete Dallberg in dem Paradies dieser trauten Weltvergessenheit zum Leben erwachen konnte.

Seit gestern sind ihrem Herzen Schwingen gewachsen, die tragen es über die letzten Abgründe hinweg – nun liegt alles, was da Nacht und Elend war, hinter ihr –

Sie ist frei! – Sie hat nach unsagbar schweren Kämpfen endlich wieder errungen, was sie ehemals verblendet und unsinnig von sich geworfen, – sich selbst und ihr besseres Ich, sich und ihre Freiheit.

Sie wartet auf ihn: sie weiß, daß er kommen wird.

Und nun klangen seine Schritte auf dem Kiesweg: Fritz und Gretel stürmten ihm jubelnd entgegen, und Ada lachte und streckte die Ärmchen nach ihm aus.

Eckert setzte sich neben Marga auf die Bank nieder und nahm ihr mit strahlendem Lächeln das Kind, das ungestüm zu ihm verlangte, von dem Arm.

»Wenn Sie kommen, ist selbst die Mutter vergessen!« lächelte die junge Frau und sah doch gar nicht ärgerlich oder eifersüchtig dabei aus.

Adalberts Blick hing an dem Gesichtchen des Kindes.

»Es weiß wohl, daß es keinen besseren Platz auf der Welt gibt, als den auf dem Arme eines Vaters!« sagte er bewegt, »und da der seine es kaltherzig und gewissenlos verlassen hat, sucht es sich einen andern, der es treuer und besser mit ihm meint!«

Eine kurze Stille, nur Ada zauste voll Wonne die bunten Blumen und streute sie über die beiden lieben Menschen, als wolle sie dieselben mit Rosenketten zusammenschließen.

»Nun ist Roman Ermönyi für ewige Zeit von Ihnen geschieden, Margarete!« atmete Adalbert plötzlich tief auf.

»Gott im Himmel sei gelobt dafür!«

»Und das Kleinod, das er verständnislos von sich geworfen, habe ich gefunden!«

Er nahm sanft die Hand der jungen Frau in die seine: »Dieser Tag hat Ihrem Kinde den Ernährer genommen, Margarete, Ihnen selber die stützende, sorgende Liebe, deren das Weib im Leben bedarf, gleichviel, ob es auf Rosen oder Dornen wandelt. Solange Sie den Ring Ihres Gatten trugen, konnte ich Ihnen nur ein Obdach in meinem Hause bieten: jetzt, wo Sie losgelöst sind von allem, was Sie gekettet, jetzt kann ich Ihnen mehr geben als das tägliche Brot, – ein Herz voll treuinniger Liebe, – einen Vater für Ihr Kind, – eine Heimat für uns

Sie senkte das Haupt nicht mehr, – sie wich seinem Blicke nicht verlegen und verschämt aus, sie lächelte durch Tränen zu ihm auf und reichte ihm die zitternden Hände.

»Gott lohne dir diese Treue, Adalbert!« flüsterte sie weich, »wie Ada und ich sie dir ewig danken wollen.«

Schlicht und aus tiefstem Herzen empor klangen ihre Worte. Da war kein Hauch mehr, der an die beifallumjubelte, lorbeerüberschüttete Heldin der Bretter erinnerte, – – diese Stimme log nicht mehr, sie war echt und wahr geworden, und was sie sprach und ausdrückte, war keine erlernte Komödie, sondern tiefinnerste Empfindung.

Das Gold der Wahrheit war in den Flammen eines Fegefeuers geläutert, das auch aus dem Kind ein ernstes, lieblich sinnendes Weib erwachsen ließ.

Adalbert Eckert aber küßte voll unbeschreiblichen Glücks die Lippen, deren Lieder ehemals viel tausende begeistert, deren Sprache aber nur einem einzigen die ganze Fülle ihrer Seele dargetan.

 

Wie frisch und köstlich klar die Waldluft durch Herz und Seele weht!

Pannkeuken geht recht gern ein wenig unter dem sonnendurchleuchteten Laubdach spazieren. Er pfeift sich ein hübsches Liedchen und schlendert gemächlich den Waldweg entlang.

Kaum aber war er etliche Minuten gegangen, als er Schritte hinter sich vernahm.

Mißtrauisch schielte er rückwärts.

War's zu glauben! Da wimmelt so ein Berliner Tourist durch diese Einsamkeit. Der Fremde sieht sehr elegant und vornehm aus, unwillkürlich lüftet Pannkeuken die Mütze. Sie sind schon ganz in der Nähe des Schlosses, vor Räubern braucht er sich nicht mehr zu fürchten. Der Herr macht auch einen durchaus zuverlässigen Eindruck und tritt höflich näher.

»Verzeihen Sie, – Sie sind ein Bediensteter des Schlosses Floringhof?«

»Justement, mei bestes Herrechen.«

»Ist hier im Schloß eine Dame Marga Daja anwesend?«

»Justement. Das heeßt – frieher, wie se noch bei de Schnurranten an Deahter war, da hat se sich so bedittelt, jetzt is se zur Vernunft gekomm' und nennt sich Margarete Dallberg!«

»Ah! Dallberg! So hießen ihre Eltern?«

»Geraten, Dallberg hießen se, – een' Dag wie'n andern. Ihr Vormund, der friehere Gutspächter hier, hieß Sie nämlich och so!«

»Marga Daja ist verheiratet?«

»Jemersch, das wissen Se och? – Na – so richtig is es nich mehr dermit, dieser Dage läßt se sich von dem Kerle scheiden. Was nu der neie Pächter is, der nimmt sich ihrer höllisch an, un' ... na ... wenn Se versprechen, mei gutestes Herrechen, daß Se muddermeischenstille sein wollen, un mich nich' verraten –«

»Sprechen Sie!«

»Marga Daja soll ja Eckerten seine alte Flamme sein – un' – – wetten, daß? – Übersch Jahr is se längst mit'n gedraut!«

»Marga Daja – mit – – mit –«

»Mit Eckerten! Ganz richtig! – Aber bscht ... treten Se mal sachtgen uff ... potz Deitchen, ich globe wahrhaft'g, da kommen se!«

»Wo?« – Prinz Percy war stehengeblieben. Seine Augen starrten glanzlos geradeaus, tiefe Blässe bedeckte sein Antlitz. Darum also! Darum entfloh sie vor ihm!

»Wenn Se hier ans Parkgitter treten, können Se die beeden akkerad sehn! Alle Wetter! Gucke – gucke, gucke – grade hat'r se bein Koppe und küßt se, was d's Leder hält! – Sag' ich's nich? – Nu backen mer gar heile schon Verlobungsschnittchen!«

Percy zuckte zusammen. Gewaltsam öffnete er die Augen und schaute. Ein junges Paar, – Arm in Arm auf einer Bank sitzend. Die zierliche Frauengestalt hält ein Kind auf dem Schoß, – ihr Haar' leuchtet in der Sonne wie geschmolzenes Gold.

»Wo ist Marga Daja?« ringt es sich über Percys Lippen.

»Na – sehen Se doch auf de Bank dorten!«

» Das? – Das soll Marga Daja sein?«

»Se soll's nich bloß sein, mei schönstes Herrechen, – se is es Sie nämlich werklich un wahrhaftig!«

»Undenkbar! Sie irren! Marga Daja ist eine hohe, stolze Frauengestalt mit schwarzem Haar und dunkel leuchtenden Augen!«

»Potz Deitchen. was Se nich sagen!« Pankeuken lacht aus vollem Halse: »Da hat sich irgend e Luderchen das Schnärzchen gemacht und Ihnen unsre Benedikta als Marga Daja gezeigt!«

»Benedikta!? – Wer ist Benedikta?«

»Na unsre Baroneß! Dem alten Exzellenz Floringhoven seine Enkelin, – der de ganze Herrschaft hier gehört!«

»Baroneß Floringhoven? Undenkbar! – Marga Daja war sehr schwerhörig –«

Pannkeuken schnitt eine sehr heitere Grimasse und tippte den Prinzen mit dem Finger gegen die Schulter. »Siehste, wie de guckst? – Nachen meenen Se erscht recht die Baroneß!«

»Fräulein von Floringhoven schwerhörig?«

»Eene Zeitlang war se sogar daub wie 'ne Nuß!«

»Hielt sie sich in einer Klinik auf?«

»Das versteht sich! Zweemal warsche in der Residenz, un' jetzt noch wieder irgendwo!« Der Alte neigte sich vertraulich näher: »Da driber herrscht Sie nämlich e mordsmäßiges Geheimnis! Keene Seele erfuhr, wo die Gräfin –«

»Welche Gräfin?«

»Na, die Lotzenburgen!«

»Ah – sie? – O nun wird mir vieles klar!«

»Zusammen hingemacht sin! 's war aber ooch in 'ne große Stadt, un' die Gräfin wohnte alleene in Hotel, und Baroneß bei irgendeenen Quacksalber von Pillendreher. Na – er muß ja wohl de Sache gut fingeriert hamm, denn jetzt heert se wieder wie e Luchs! – Aber sehn Se, – zufrieden sin de Damens doch nie in Leben! Statt daß se sich nu ihres Gehörs freite un' deckenhoch sprang – nee, da unkt se mit rotgenatschten Oogen umher und bläst Driebsal nach Noden! So'n hibsches, reiches Mädchen, – 's is nich zu glooben!«

Percy konnte vor Erregung kaum reden. Feurige Sonnen tanzten vor seinen Augen, und der Rausch dieser glückseligen Überraschung erfaßte ihn wie ein Schwindel.

»Wann ist Baroneß hierher zurückgekommen?« stieß er schweratmend hervor.

»Na, – 's is so in der dritten Woche rum! – Lang genug hat se sich mit ihrem Elend rumplagen missen! Wenn ich noch an den Dag denke, wo se sich die verdeiwelte Krankheit holte –«

»Davon wissen Sie auch?«

»Na – wenn ich nich – wer etwa sonsten?«

»Sie haben es mit erlebt, daß Marga Daja einen gestürzten Parforcereiter rettete?«

»Marga Daja? – Jawohl! Deitchen! Die saß hibsch warm in ihrer Pelzdecke in Schlitten und schrie vor Angst wie an Spieße! – Die hätte de ganze Parforschjagd die Hälse brechen lassen! Aber die Baroneß! Ja Deiwel! Die hatte Kurasche un ging druff los wie 'ne Wallkire un packte Sie das Pferd mit beeden Händchens, daß es den Rotrock nich schleifen sollte! Un nachen hat se 'n aufgepackt un in Schoße gehalten un sein Kopp verwickelt, – mit ihren eegenen Schaale, un dann hat se 'n mit mir zusamm' nach 'n Schlitten gewärcht – un Konrad un ich schpedierten 'n nach Altenfähre. Hm, so is es gewesen. – An dann hat das arme Dierchen zu Fuße in Schneeschturm nach Hause latschen missen, ohne was um de Ohren – na, da kam's Mallehr!«

»Und dies alles tat Baroneß Floringhoven, und nicht Marga Daja?«

»Liewer gar! Wie hätte Marga Daja wohl so was fertichgebracht! – Die hockte bei Eckerten uffs Pferd un ließ sich wie 'ne Prostemahlzeit nach Hause galobbieren!«

Percy stand an dem Parkgitter und strich mit dem Batisttuche über Augen und Stirn: sein Gesicht glühte, die Augen strahlten wie verklärt. Er legte die Hand auf den Arm des Sprechers. »Noch eins, Alter! Wäre es möglich, daß ich die Baroneß einen Augenblick unbemerkt sehen kann?«

»Ei jemersch – gewiß, mei bestes Herrchen! So um diese Zeit sitzte se merschtendeels auf der Feranda. Ich werde Sie mal dorthier durch'n Park führen, – dann setzen Se sich e bißchen der Feranda gegenüber in de Laube un warten, bis de Damens erscheinen.«

Der Prinz drückte dem Sprecher ein Goldstück in die Hand:

»Also hier kann ich warten? Ich danke Ihnen, guter Alter, – auf Wiedersehn!«

Und Percy ließ sich auf die versteckte Bank nieder und schloß momentan die Augen, wie ein Mann, der lange gegen Sturm und Fluten angekämpft hat und endlich den Boden der Heimat unter den Füßen fühlt.

Stille, sonnige, – blütenduftige Einsamkeit. Himmel und Erde fließen zusammen in einem Strom von Licht und Glanz.

Still und einsam liegt die Veranda vor ihm. Blühende Blumen und Palmen türmen sich zu reizendem Schmuck empor: in großem Goldbauer zwitschern bunte Vögel, und aus der weit offenen Salontür weht der Lufthauch den zarten Spitzenschleier des Stores.

Ein Laut durchzittert die Stille.

Klavierklänge, – und nun eine Stimme, – ihre Stimme!

Percys Herz erbebt in unbeschreiblicher Wonne, er fühlt und empfindet wieder ihre Nähe mit all dem süßen Zauber, den sie auf ihn ausgeübt. Und welche Klange sind es, die zu ihm herabtönen, weich und sehnsuchtsvoll, so wunderbar tief und innig empfunden, wie er es noch nie zuvor gehört?

»Dahin – dahin, laß mich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!«

Mignon, – sie singt das Sehnsuchtslied der Mignon! Percy stützt das Haupt in die Hand und lauscht wie im Traume. Diese Klänge rufen ihn! Ihn allein, – und er hört sie und kommt. – In ihrem Lauschen durchkostet er die ganze Wonne eines Glückes, dessen Becher man schon in der Hand hält und nur noch an die Lippen zu heben braucht, um sich an seiner ganzen Fülle zu berauschen.

Er darf es, – und darf es sogar, ohne das schwere Opfer zu bringen. Für die Liebe Kron' und Purpur hingeben zu müssen? In ernster, stiller Stunde hat er mit dem Bruder über seine Zukunft verhandelt.

»Deiner Ehe mit einem braven, unbescholtenen Mädchen aus dem Volk – und wäre sie der Geringsten eine – würde ich nie ein Hindernis in den Weg stellen; mit der geschiedenen Frau eines Roman Ermönyi, – mit der Mutter seines Kindes jedoch kann nie und nimmer ein Prinz unsers Hauses verbunden werden. Kannst du nicht von ihr lassen – so mußt du von Namen und Titel lassen!«

Dazu hatte sich Percy entschlossen, als er nach Altenfähre weiter reiste – und nun war ein Wunder geschehen und hatte dieses Opfer unnötig gemacht.

Eine Depesche wird den Herzog von der Wendung der Dinge unterrichten, und Percy ist seiner Zustimmung sicher, führt er doch die Bravste und Beste seines Volkes heim!

Und dann erhebt er sich und steigt langsam die weißen Steinstufen der Verandatreppe empor.

Pannkeuken steht unweit in dem Gebüsch und beobachtet den Fremden.

Eine gewisse Menschenkenntnis ist auch ihm eigen, und wenn er den Gesichtsausdruck des vornehmen Herrn – und das Lied der Barone» droben zusammenreimt...

Pannkeuken nickt plötzlich mit starren, runden Augen vor sich hin, als gehe ihm ein großes, großes Licht auf.

Er faltet schier unbewußt die Hände und lauscht. Richtig, – ein leiser, zitternder Jubelschrei von Benediktas Lippen, – und dann eine lange Stille. – Die Vögel zwitschern im Käfig, und die Rosen neigen sich grüßend in der lauen Luft.

Eine Stunde später aber flatterten die Fahnen von den Türmen, und ein unbeschreiblicher Jubel erfüllte das Schloß.

Baroneß Benedikta hatte sich mit dem Prinzen Percy verlobt. Das war des Frohen und Überraschenden beinah zuviel!


 

Die Nacht sank hernieder.

Floringhof war ein Dornröschenschloß, das aus tiefem, langem Schlaf zu neuem Leben erwachte, als eines Prinzen Fuß seine Schwelle überschritten, als der Königssohn erschienen war, die liebliche Träumerin mit bräutlichem Kuß zu wecken!

Lichtglanz flutete aus allen Fenstern, Lachen, Jubeln, Hasten und Treiben – der Petrefaktenhof war jung und lebendig geworden.

Und gleich wie jene grauen Mauern die Lichter festlicher Pracht erstrahlen ließen, flammten auch an dem nächtlichen Himmel Milliarden von Sternlein auf, die funkelten zu Häupten der beiden glückseligen Menschen, die Arm in Arm auf die Terrasse getreten waren.

Percy und Benedikta.

Aus den weitgeöffneten Flügeltüren fiel der Lichtschein verklärend über die duftigen Blütenzweige, die die weißgekleidete Mädchengestalt wie in zärtlicher Huldigung umrankten: in den dunklen Laubwipfeln des Parkes gurrten leise die wilden Tauben, und fern her schickte noch eine Nachtigall ihren Liebesgruß.

Sonst war es still und feierlich wie in der Kirche. Gräfin Lotzenburg saß am Schreibtisch und verfaßte mit stolzglühenden Wangen unzählige Depeschen, und Eckert und Marga, die an dem Festmahl im Ahnensaale der Floringhoven teilgenommen, das bräutliche Glück des Hauses zu verdoppeln, saßen traulich in einem Plaudereckchen des Salons und hatten zum erstenmal der getreuen Kindermuhme allein die liebe Pflicht überlassen, die Kleinen daheim zu betten. – Nachher, wenn die Kerzen im Schloß erloschen, wollten sie Hand in Hand an die Bettchen treten, ein Gebet aus übervollem Herzen zum Himmel zu schicken.

Es hatte Prinz Percy lebhaft interessiert, die wirkliche Marga Daja kennenzulernen, um sowohl sie, wie Gräfin Lotzenburg voll schier übermütiger Laune zu necken, daß beide Damen sich doch einer Täuschung, böswilligen, falschen Vorspiegelung und eines Mißbrauchs von Dokumenten schuldig gemacht hätten, welche Verbrechen eigentlich mit dem Strafgesetzbuch bekanntgemacht werden müßten!

Nur die so sehr erfreulichen Folgen dieser Hinterlist erwirkten die Absolution – und nur dann, wenn alle drei schwerbelasteten Damen zur Sühne Tag und Nacht die fleißigen Hände regen wollten, die Ausstattung der Braut binnen sechs Wochen fertigzustellen, wollte er einer Benedikta vergeben, daß sie ihm als Marga Daja das Herz gestohlen!

Und nun sitzt er unter der Terrasse, unter den sich sanft wiegenden Fächerblättern und den duftenden Rosenzweigen, und küßt voll himmelhoch jauchzender Liebe die Lippen der Braut. Wie viel haben sie einander zu sagen, – wie viel des Wunderbaren und Rätselhaften aufzuklären!

Was gestern noch ein Traum war, ist heute Wahrheit geworden, was ihnen gestern noch unerreichbar fern geschienen, ist heute erreicht.

Percy blickt empor zu dem hellen, auffallend großen Stern, der just über ihnen am Himmel blitzt.

»Der Stern des Glückes!« sagte er weich, die Geliebte fester noch in den Arm schließend: »Die Wolken, die ihn verhüllten, sind verflogen. Die Liebe allein hat uns den Weg zu ihm gezeigt. Das Glück, das keine Nacht der Welt, nicht Gold, Krone und Purpur erkaufen können, – die Liebe macht es zum Geschenk!«

Eine Sternschnuppe zog ihren leuchtenden Weg über den Himmel, und Benedikta faltete die Hände um die des Sprechers.

»Auch der Liebe Macht ist zu klein, um stets das Glück an sich zu fesseln und es allen, denen sie das Herz verwundet, zu schenken! Nur Gottes Gnade allein verleiht die zauberkräftigen Schwingen, die über Felsen und Abgründe hinweg empor zum Himmel tragen!«

Leise, weiche Klänge ertönten im Salon und wuchsen und schwollen an zum jauchzenden Liebeslied.

Marga Daja saß seit langer, trüber Zeit zum erstenmal wieder an dem Klavier und sang:

»Hell wie das Mondenlicht
Lächelt die Ferne –
Glückliche Sterne, täuschet mich nicht!«

Nein, diesmal täuschten sie nicht.

Klar und rein wölbte sich des Firmamentes Unendlichkeit, keine Wolke drohte am Horizont, und über Floringhof und seinen seligen Herzen wachte treu, strahlend und liebevoll der Stern des Glücks.


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