Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel

Fräulein Daja schien während der Probe etwas zerstreut, was ihr kein Mensch übel nahm, da sie offiziell ihre Verlobung mitteilte, von deren Feier die Kollegen bereits erzählt hatten.

Eine heitere Gratulationscour, ein übermütiges Hin und Her, das die verschlafenen Gesichter wieder anregt, – das Erscheinen des Bräutigams, der mit einem Tusch begrüßt wird – und doch, trotz aller jungen Liebessonne liegt's dennoch wie ein seiner Schatten der Verstimmung auf den Zügen der allerliebsten Braut.

Als sie während einer Pause neben Roman sitzt, blickt sie ihm plötzlich mit eigenartigem Blick in die Augen. »Warum bist du eigentlich nie Soldat gewesen, Herzliebster?«

Er lachte laut auf. »Warum? Weil der junge Mann Glück haben muß! Weil ich Gott sei Dank aus etwas feinerm Teig wie Kommißbrot gebacken bin!«

Sie zupft an dem Rosenstrauß: »Könntest du nicht jetzt noch Reserveoffizier werden?«

Er glaubt nicht verstanden zu haben: »Wie? Was? Ich soll Offizier werden?«

»Ja, es wäre doch sehr nett ... oder –«

Er fällt plötzlich aus der Rolle des Courmachers,

»Bist du verrückt, ich – Offizier? Wie kommst du auf solch rasende Idee? Bin ich dir nicht gut genug, so wie ich bin?«

Sie lacht ein wenig verlegen. »Die Uniform sieht bei der Trauung so hübsch aus –«

Seine Augen zwinkern. »Ach so, nur die liebe Eitelkeit!« Er beherrscht sich und lacht auch. » Diesen Wunsch kann ich dir leider nicht erfüllen, Kind.«

»Unter keinen Umständen?«

»Unter keinen Umständen.« Er warf spöttisch den Kopf zurück. »Ich bin kein Deutscher, vergiß das nicht. Ich würde auch nie in deutsche Militärverhältnisse passen. Haha! Was verlangt und beansprucht man nicht von einem preußischen Leutnant! Halbgott muß man sein, wenn man die geheiligte Uniform tragen will! Da wird erst durch allerhand Spürnasen in der Vergangenheit eines Mannes herumgeschnüffelt, und findet sich auch nur ein Tüpfelchen, was in den Augen der Sittenrichter als unehrenhaft gelten könnte, wird sofort die Offizierswahl beanstandet. Ich habe es ja versucht –«

»Wie, du hast es versucht?«

»Je nun, warum soll ich ein Hehl daraus machen? Dir gegenüber kann ich wohl offen sein. Ja, ich hatte einmal die verschrobene Idee, einzutreten; wenn man jung ist, kommen zuweilen eitle Anwandlungen, solche, wie sie soeben wohl auch in deinem Köpfchen spukten. – Glücklicherweise eignete ich mich absolut nicht zum Ritter St. Georg! Man fand mancherlei an meinem Vorleben auszusetzen, man verlangte Examinas und Ansichten – na, Ansichten, die sich mit den meinen nicht vertrugen. Zum Beispiel, dich, mein Liebchen, hätte ich als aktiver Offizier nicht heiraten dürfen, oder deine Karriere wäre beendet gewesen!«

Er sagte es mit einem beinahe boshaften Gesichtsausdruck, und Marga zuckte leicht zusammen. Dann hob sie jählings das Haupt wie in plötzlichem Verstehen:

»Ah so, richtig; ein Offizier darf keine ausübende Künstlerin vom Theater heiraten! ... Daher wohl die Aversion –«

»Welche Aversion?«

»Diejenige, die –«, sie unterbrach sich kurz und erhob sich, ihr Antlitz schien bleicher wie zuvor. »Ja, es ist gut, Roman, daß du ein freier Mann geblieben! Frei in deinen Ansichten und frei in deinem Handeln.« –

Nach beendigter Probe schlägt Ermönyi eine kleine Spazierfahrt vor.

Marga wiegt das Köpfchen. »Ich muß einen Besuch bei Baroneß Floringhoven machen.«

»Bei diesem marmornen Gnadenbild? Warum das so in aller Dringlichkeit? Hat diese Plauderstunde nicht bis zum Nachmittag Zeit?«

»Nein, undenkbar.«

»Geheimnisse?«

»Durchaus nicht. Ich hoffe den Inspektor noch bei ihr zu treffen und will ihm ein paar Aufträge für Tante Dallberg mitgeben!«

»So, so! Das ist etwas andres. Aber ich könnte dich vielleicht hinfahren und warten, ob du den blonden Tölpel noch antriffst, oder ob du vielleicht doch noch Zeit für mich findest!«

»Gut, – ich bin einverstanden. Willst du Benedikta vielleicht auch einen Besuch machen?«

Er schüttelte sich. »Ich sterbe lieber. Ihr Genre ist mir aufs höchste unsympathisch. Ich hasse Menschen, die aussehen, als sei es eine Gnade und Herablassung, wenn sie uns andres Gewürm überhaupt bemerken!«

»Sie ist meine Jugendfreundin! Wir kennen uns seit unsern frühesten Lebensjahren, und es würde doch etwas merkwürdig sein, wenn mein Mann einer Dame absolut fern stünde, mit der ich zeitlebens gute und treue Freundschaft halten werde!«

Sie hatten einen Wagen bestiegen. Roman lehnte sich mit seinem etwas sarkastischen, überlegenen Lächeln in die Polster zurück. »Wirklich, kleiner Engel, gedenkst du diese Freundschaft auch in Zukunft zu kultivieren? Zu welchem Zweck? Der Verkehr mit dieser tauben Klosterjungfrau schließt nicht die mindesten Vorteile in sich ein.«

Marga zuckte die Achseln. »Ich verdanke der Fürsprache des Ministers meine ganze Karriere!«

»Jetzt stehst du ja auf eignen Füßen und bedarfst dieser Fürsprache nicht mehr.«

»So wird mich die Dankbarkeit für vergangene Wohltat stets seinem Hause verbinden.«

Er lachte scharf auf: »Welch ein gutes, sentimentales Kind du bist! – Mein Himmel, wo sollte ich bleiben, wenn ich für jede ›Wohltat‹ eines Gönners zeitlebens erkenntlich sein wollte!«

»Nun – auch abgesehen davon, – wir werden doch wohl Tante und Onkel öfters in Floringhof besuchen, und dann ist ein Verkehr mit Benedikta unvermeidlich; das siehst du doch ein!«

Er kniff die Augen blinzelnd zusammen. »Wirklich? Wollen wir sie öfters besuchen? – Ich glaube, Herzchen, wir werden beide keine sonderliche Freude an solch einer Gutsidylle finden! Mir ist das ewige, geisttötende Einerlei eines Landaufenthaltes unerträglich! Weiß ja, wie das geht! Um sieben Uhr gemeinsamer Kaffee und ironisches Lächeln über jeden Langschläfer, der sich diesem Brauch nicht fügt, um zwölf Uhr klingelt's zum Mittagessen, um vier Uhr zum ›Stippekaffee‹, und abends sieben Uhr endet die Skala des wohlgeregelten und gutbürgerlichen Haushalts mit saurer Milch und Quetschkartoffeln! Nein, – für derartige Erholungen sind mir meine Sommerferien zu lieb und zu knapp bemessen!«

Marga war verlegen errötet, » Mon dieu! Ich würde ja auch mehr für Ostende oder Abazzia schwärmen – aber vielleicht sind wir ganz froh, ein paar Wochen am gastlichen Tisch des Onkels sparen zu können!«

Wieder lachte er auf. »Sparen! – Liebstes Kind, ich will doch dringend hoffen, daß wir dieses fatale Wort nie in Betracht ziehen! Deine Gagen und meine Einnahmen werden uns doch wohl eine sorgenfreie und sehr behagliche Existenz sichern, bei der ein eleganter Sommeraufenthalt selbstverständlich ist! Ich würde Floringhof hassen, müßte ich aus Vernunftgründen daselbst für längere Zeit Quartier nehmen!«

Sie lachte harmlos: »Wie dein Feuerblut doch gleich in Haß oder Liebe emporschäumt! Und wie schrecklich du dir meine hübsche Heimat ausmalst! Ich gestehe ja ehrlich ein, daß ich mich auch nicht fürs Leben in ländlicher Einsamkeit begraben möchte, aber ich bekenne andrerseits auch offen, daß ich mich während meiner Ferien selbst als Marga Daja sehr wohl dort gefühlt habe. Je nun, – ich denke, wir beeinflussen uns gegenseitig nicht in unsern Passionen, und du bist tolerant genug, mir auch als Frau zu gestatten, dem Hause meiner Pflegeeltern treu zu bleiben!«

Er neigte sein blasses Gesicht nahe zu dem ihren und sah ihr mit seinem berühmten »zwingenden« Blick in die Augen: »In dieser Beziehung bin ich ungern tolerant, mein Liebling, denn ich huldige der Ansicht, daß eine Frau von allen Familienbeziehungen losgelöst und ganz und gar allein auf ihren Gatten angewiesen sein muß, wenn die Ehe harmonisch bleiben soll. Selbst eine ›Pflegeschwiegermutter‹ hält sich verpflichtet, über das Glück einer jungen Hausfrau zu wachen! Unzählige Tanten halten es für dringend nötig, der ›Unerfahrenen‹ in jeder Beziehung die Augen zu öffnen, das Mißtrauen in ihr Herz zu säen und, wo es nur angeht, die arme ›Tyrannisierte, Unterdrückte‹ gegen ihren Mann aufzuhetzen! Ich habe genugsam im Leben beobachtet, und dulde keine Götter und Ratgeber neben mir. Du bist ein kluges, geistreiches Mädchen, meine Marga –,« fuhr er schmeichelnd fort, ihre Hand zwischen der seinen drückend, »und wirst es selber einsehen, wie lästig es auch für eine Frau ist, sich permanent noch von andern gängeln und bevormunden zu lassen! Du sollst das naive, harmlose Kind, der süße Unschuldsengel bleiben, der du bist! Es sollen sich keine fremden Elemente zwischen unsre Herzen drängen! In dieser Beziehung bin ich eifersüchtig, meine kleine Göttin! Jene Verehrer und Anbeter, die sich vor deinen Triumphwagen spannen, um dir verdienterweise zu huldigen und deinen Ruhm in alle Welt zu tragen, die werde ich ohne jede Spur von Eifersucht dulden, denn mein Selbstbewußtsein ist zu groß, um die Macht eines andern neben mir zu fürchten, und ich wüßte keinen Mann der Erde, der einen Roman Ermönyi und seine Liebe ersetzen könnte! – Aber auf die Verwandtschaft und Sippe meiner Frau werde ich eifersüchtig sein wie ein bengalischer Tiger, und werde von vornherein das Tischtuch zwischen ihnen und uns zerschneiden. Ist dir dieser mein dringender Wunsch nicht zu Willen, und willst du mich um deiner Verwandten willen aufgeben, so sage es lieber sofort, damit wir die Bande rechtzeitig lösen, die uns in diesem Falle doch nicht zu Glück und ungetrübter Wonne verbinden würden!«

Seine weiche, leise Stimme verstand es, mit vollster Eindringlichkeit zu flüstern, seine Augen brannten, und die Leidenschaft, die dennoch eine Eifersucht bekennen mußte, ließ seine Hände beben.

Mit strahlenden Augen des Entzückens schaute Marga ihn an. Wie recht hatte er! Wie sorgsam war er bemüht, alles fernzuhalten, was jemals ihren häuslichen Frieden stören könnte!

Klug und geistreich nannte er sie. Er soll sich nicht in ihr getäuscht haben. Sein stolzes Selbstbewußtsein imponiert ihr, seine männliche Festigkeit, sein energischer Wille entzückt sie. Ja, es gibt keinen zweiten Mann auf der Welt, der einen Roman Ermönyi ersetzen könnte.

Sie faßte lächelnd seine Hände, sie lehnt das Köpfchen an seine Schulter, sie schmiegt sich so fest an ihn, als wolle sie ihn nie wieder lassen. Der alte Rausch schwärmerischer Anbetung kommt zurück.

Er lächelt: »Sieh mir in die Augen, Feinslieb, und sag, ob du mich um jener Leute in Floringhof willen gehen heißest!«

Sie schüttelt leidenschaftlich das Köpfchen: »Nie, nie! Ich bin dein eigen – ganz und gar. Ich bin dein Kind – deine Sache – dein Nichts! Dein Willen ist der meine, ich lebe nur noch durch dich! Du sollst bestimmen, und ich will blindlings folgen, wie sich das Eisen ohne Widerstehen nach seinem Magneten dreht!«

So wollte er es hören.

Sein Arm umschließt sie gewaltiger. »Du willst dich loslösen von jenen – um meinetwillen?« klingt es in zischendem Flüsterton von seinen Lippen.

»Ich will's, Roman! Ich will's!«

»Ganz und gar dich freimachen von ihnen? Keine Briefe an sie schreiben oder empfangen? – Auch das will ich!«

Ihre Lippen zuckten momentan unter dem Kampf, der ihr braves Herz durchtobt. Ihr Gefühl kindlicher Dankbarkeit gegen die Menschen, denen sie alles verdankt, schreit wild auf gegen die rohe Zumutung, die man an sie stellt.

Aber Roman fasziniert sie mit seinem Blick. »Zur Hochzeit müssen sie aber noch kommen!« fleht sie mit zitternden Händen.

»Zur Hochzeit, – meinetwegen. Dann soll der Verkehr langsam einschlafen. Bist du zu feige, um zu brechen? Je nun, ich werde dir zu Hilfe kommen; ich werde die Schuld auf mich nehmen! ›Gründe sind feil wie Brombeeren‹, sagt Shakespeare, und warum sollt' ich nicht auch einen kleinen Disput heraufbeschwören, um unsre Beziehungen zu jenen Leuten zu lösen! So werden sie nicht dir, sondern nur mir allein zürnen und es doch begreiflich finden, wenn du zu deinem Manne hältst und seine Antipathien respektierst! Ich will ja nicht nur mein Glück, süßes Kind, ich will hauptsächlich das deine! Und ich will mehr noch, ich will dein Herz besitzen, ganz, ungeteilt, nicht ein Pulsschlag soll mehr jenen andern gehören! Ist deine Liebe nicht stark und groß genug, um mir dieses Opfer zu bringen? Beseligt dich nicht der Gedanke, mir deine Gefühle beweisen zu können? Habe ich nicht auch für dich gearbeitet und dich kraft deiner neuen Glanzrolle hoch empor zu Ruhm und Ehren gehoben? Hättest du je diesen eklatanten Erfolg gefeiert, hätte ich dir nicht die Partie geschrieben, die alle deine Vorzüge und dein Talent in das rechte Licht setzt, und willst du mir nicht durch den kleinsten Beweis selbstloser Hingabe dafür dankbar sein?«

Ihre Wangen glühten auf, sie senkt das Köpfchen wie in tiefer Scham zur Brust, und dann preßt sie das Antlitz sekundenlang auf seine Hand und murmelt mit halb erstickter Stimme:

»Ach, ich will es ja, Roman! Ich will alles, was du verlangst! – –« Der Wagen rollt durch die menschenleeren Anlagen, und Ermönyi drückt schnell einen Kuß auf ihre Lippen. »Dies ist das Siegel unter deinen Schwur!« sagt er mit seltsamem Blick.

Und dann ist er von ausgelassener, überschwenglicher Heiterkeit und Liebenswürdigkeit.

Er versteht es, durch die rosigen Zukunftbilder die letzten Skrupel zu verscheuchen, und ihr wachsweiches Herzlein schon jetzt so geschickt zu kneten, daß es nur noch ein willenloses Etwas zwischen seinen gewalttätigen Händen ist.

Fernab im Park, an der großen Verkehrsader, die ihn durchschneidet, liegt die elegante Villa, die der Professor zu seiner Privatklinik eingerichtet. Der Wagen hält, und Roman springt heraus, die Braut voll ritterlicher Höflichkeit zur Erde zu heben.

Noch ein schneller Händedruck, dann eilt Marga durch den eleganten Vorgarten, der in aller Blütenpracht des Frühlings duftet, und eilt an dem Portier vorüber, der sie bereits kennt und mit respektvollem Lächeln grüßt.

Sie klopft ungestüm an der Salontür Benediktas.

Sophie öffnet behutsam und tritt auf den Flur heraus. Sie hebt bedeutsam den Finger an die Lippen. »Baroneß liegt hier auf dem Diwan und schläft! Sie würde uns zwar nicht sprechen hören, aber sie erwacht so leicht, wenn sich etwas um sie her bewegt, sie sieht es wohl am Licht und Schatten.«

»Sie schläft? Um diese Zeit?«

»Es war ein anstrengender Tag heute! Morgens hat eine sehr schmerzliche Behandlung der Ohren die Ärmste sehr erschöpft, – dann war Eckert da und hat endlose Dinge zu erledigen gehabt –«

»So, so! Ist er schon wieder fort?«

»Abgereist.«

»Natürlich nach Floringhof zurück?«

»Ich denke, ja. Er wollte den Mittagszug benutzen! Komischer Mann! Ihm brannte der Boden wahrhaft unter den Füßen, und die schöne Residenz hat ihn gar nicht fesseln können, sondern ihn im Gegenteil wie eine böse Macht heimgejagt! Eine brave, goldgetreue, solide Haut ist er! Mein Gott, wenn ich bedenke, wie andre junge Männer solch einen Aufenthalt in der Großstadt ausgenutzt hätten! Aber er hat nur an die Kleinen daheim gedacht, ob die auch gut verwahrt und behütet seien, und ist auf und davon, wie die zärtlichste Mutter, die nicht von der jungen Brut fort kann!

»Lächerlich! Wie unmännlich und schlapp ist doch diese Anstellerei für einen solch baumlangen Riesen Goliath!« – Marga warf spöttisch das Köpfchen zurück. »Hat er noch etwas über die Aufführung gestern gesagt?« forschte sie mit flimmerndem Blick.

Die Kammerfrau rang nach Atem: »Ach, liebes Fräulein, der Inspektor ist ein guter, braver Mensch, aber von dem Theater versteht er wohl nicht viel, da müssen Sie nichts darauf geben –«

»Sagte er, daß ich nicht hübsch ausgesehen hätte?«

»Je nun, er meinte, das sei alles so unnatürlich gewesen, die Wahrheit wäre ihm lieber!«

»So unnatürlich!«

»Ja, ich fand das auch wunderlich! Baroneß und ich hätten doch darauf geschworen, daß er zum Sterben in Sie verliebt sei, Fräulein Marga, und doch scheinen wir uns gewaltig geirrt zu haben, der Inspektor denkt gar nicht an Liebe!«

»Sollte es nicht Eifersucht sein, die ihn plötzlich so abfällig über mich reden läßt?«

Sophie trat vertraulich näher: »Glaubte ich ja auch, glaubte ich ja auch, Fräulein Margachen! Ich dachte, aha, wenn die Trauben zu hoch hängen, sind sie sauer! Aber es war doch nicht so. Er meinte, Herr Ermönyi sei just der Mann für Sie, der habe alles an sich, was Ihnen so recht imponiere. Auch paßten Sie nur in solch ein Theaterleben hinein, er begreife es nicht, daß Sie die Einsamkeit von Floringhof acht Tage lang ertragen hätten! Das sagte er ohne alle Bitterkeit, und Ihre schöne Stimme und den Gesang lobte er ja auch und war überzeugt, daß Sie noch sehr berühmt werden würden.«

»Oho, davon war er überzeugt?«

»Aber ob Sie so recht glücklich werden würden? Das bezweifelte er doch und meinte, er habe so andre Begriffe vom Glück, daß ihm ein Leben wie das einer berühmten Frau Ermönyi eher ein Unglück deuchte.«

Marga lachte scharf auf. »O ahnungsvoller Engel du!« spottete sie, aber wieder trat der gehässige Zug der Erbitterung in ihr Antlitz. »Je nun, es ist ja ein Glück, daß der Herr Inspektor kaltherzig genug war, keine unglückliche Liebe als Überfracht nach Floringhof zurückzuschleppen. Ich werde mich ja über den Verlust dieses Verehrers zu trösten wissen und hoffe, auch ohne den Beifall des Herrn Eckert meinen Weg zu gehen und ohne seine Überzeugung das wahre Glück an Ermönyis Seite zu finden! Leben Sie Wohl, Sophie! Grüßen Sie Baroneß sehr herzlich und bestellen Sie, in nächster Zeit hätte ich enorm viel zu tun, so daß ich wohl nicht oft hier vorsprechen könne. Baroneß möchte mein Nichtkommen doch nicht übelnehmen.«

»Nein, nein, im Gegenteil, liebes Fräulein Dallberg!« versicherte Sophie eifrig, »das trifft sich ganz gut so! Der Herr Professor fängt ja jetzt die strenge Kur mit dem gnädigen Fräulein an, und da soll sie sich ganz und gar von jedem Verkehr zurückziehen und ganz der Ruhe leben! Ich werde das schon so zu drehen wissen, daß Baroneß glaubt, es sei ein Gebot des Herrn Doktors, daß Sie seltener kommen, Fräulein Marga!«

»Vortrefflich! Das paßt ja wunderschön! Nun, denn Gott befohlen, Sophie! Behalten Sie mich in gutem Andenken.«

Marga wandte sich und ging. Sie hatte das Gefühl, als schiede sie für ewige Zeiten. Aber sie empfand es durchaus nicht als Schmerz.

Der Ingrimm über Adalbert Eckert durchtobte sie abermals, und unwillkürlich übertrug sie den Haß auf ganz Floringhof. Nicht allein Eckert war ein beschränkter, engherziger Pedant, sondern all diese »Provinzler«, die viel zu niedrig an der Erde krauchen, um den Sonnenflug eines Künstlers begreifen zu können. Sie paßte nicht mehr unter diese Menschen, und Roman hat recht, wenn er sie von ihnen loslösen will. Die ewig moralisierende und ermahnende Benedikta, die trotz all ihrer Freundschaft doch immer eine gewisse Scheidewand aufgestellt hatte und stets die Gutsherrin gegenüber der Nichte des Pächters geblieben, war für die Dauer auch mehr eine lästige Verpflichtung als ein Genuß. Gut denn so! Roman Ermönyi soll allein in ihrem Herzen regieren, sein Wunsch soll ihr Wille sein, und kein andrer Gott neben ihm existieren!


 << zurück weiter >>