Ferdinand Emmerich
Jenseits des Äquators
Ferdinand Emmerich

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel

Der Mörder

Agosto verrät das Geheimnis. – Acare auf der Wacht, – Was der Fischer sah. – Ahundas fürchterliche Rache.

Wenige Tage später ging Don Agosto nach Huancane. Er nahm nur wenig Silber mit, um es in Puno zu verkaufen. Nach einer Woche kehrte er zurück und erklärte mir, daß er allein die Mine nicht ausbeuten könne. Er brauche dazu einen zuverlässigen Mann, der auch mit dem Handel in den großen Dörfern der Weißen vertraut sei.

Aus seinen Reden merkte ich, daß die Zunge mit dem jungen Mann durchgegangen war. Ich fragte ihn sofort: ›Wer ist der Mann, dem du das Geheimnis anvertraut hast?‹

Er wurde rot im Gesicht. Nach einer kurzen Pause antwortete er: ›Pedro Martini!‹

Der junge Mensch war mir bekannt. Er war schon lange in unsern Bergen, die er, ebenso wie Don Agosto es tat, nach allen Seiten durchforschte, um Metall zu finden. Über seinen Charakter aber wußte ich nichts. Ich sandte daher insgeheim Acare aus, um Nachrichten zu sammeln.

Bevor aber mein Sohn zurückkehrte, reiste Don Agosto plötzlich noch einmal nach Huancane. Dieses Mal würde er länger ausbleiben, sagte er, als er mir die Hand zum Abschied schüttelte. Er war an jenem Morgen in einer besonders weichen Stimmung. Immer wieder drückte er meine Hände und dankte mir stets von neuem für das reiche Geschenk. – Als ich ihn nochmals vor dem Fremden warnte, wandte er sich ab, sprang auf sein Maultier und sprengte davon. – Er lenkte aber das Tier noch einmal zurück. Unter dem Vorwande, ich solle Niama noch seinen Abschiedsgruß zubringen, beugte er sich zu mir nieder und drückte mir stumm die Hand.

Es war das letztemal, daß ich meinen jungen Freund lebend wiedersah.«

Die in seiner Erzählung aufsteigende Erinnerung brachte den Alten vorübergehend zum Schweigen. Sein Blick verlor sich ins Wesenlose. Nur langsam fand er sich zurück und fuhr fort:

»Was nun folgt, berichtete mir mein Sohn Acare, der den jungen Deutschen kurz vor dessen Eintreffen in Huancane auf der Straße traf. Meiner Weisung entsprechend, ließ er ihn nicht aus den Augen – bis ihn die Örtlichkeit zwang, die Überwachung aufzugeben. Acare wußte ja nichts von der Mine, sonst wäre er zum Schutze des jungen Mannes auf seinen Fersen geblieben.

In Huancane traf Don Agosto mit dem Menschen zusammen, der sich Pedro Martini nennen ließ.

Don Agosto mietete ein Boot für mehrere Tage. Er wollte keine Begleitung der Schiffer. Sein Freund Pedro und er könnten auch ohne des Besitzers Hilfe fertig werden. Als Acare sah, daß die beiden Fremden die gleichen Werkzeuge wie damals und große Ledersäcke einluden, ahnte er, wohin die Fahrt gehen sollte. Er nahm sich ein leichtes, kleines Kanu und eilte den Weißen voraus an den Platz, an dem wir damals gelandet waren.

Die Fremden kamen kurz vor Einbruch der Nacht. Sie zogen das Boot in eine Felsenhöhle und schritten, mit den Werkzeugen beladen, bis zu dem Platze, wo wir bei unserer ersten Fahrt die Nacht verbracht hatten. Dort zündeten sie ein großes Feuer an und legten sich zum Schlafe nieder.

Diesen Augenblick benutzte Acare, um sich in die nächste Nähe der Fremden zu schleichen. Er legte sich auf den Felsen über dem Platze und konnte von da aus jede Bewegung und jedes Wort, das gesprochen wurde, belauschen.

Don Agosto schlief ruhig und fest. Nicht so der andere. Er hob oft den Kopf und blickte zu seinem Gefährten hinüber. Endlich stand er leise von seinem Lager auf und schritt wie ein Puma, der auf Mord ausgeht, aus dem hellen Feuerschein in die Finsternis hinaus. Acare folgte ihm geräuschlos. – Leider führte er keine Waffe, sonst lebte Don Agosto heute noch.

Beim Boot angekommen, zerrte der Fremde einen Ledersack unter dem Sitz hervor, dem er einen Revolver und ein langes Messer entnahm. Beides steckte er in seine Beinkleider. Dann schob er den Sack wieder an seinen Platz und lief schnell zum Feuer zurück.

Don Agosto schlief noch immer. Pedro setzte sich neben ihn auf einen Baumstamm und betrachtete lange den Schlafenden wie ein Raubtier, das auf seine Beute springen will.

Dann hob er den Revolver und richtete den Lauf gegen den Kopf des Deutschen. Aber ehe er noch die Absicht ausführen konnte, gellte der wilde Schrei meines Sohnes durch den Wald. Der Mordbube ließ entsetzt seine Waffe fallen und rüttelte nun selbst den Schläfer wach. Darauf forderte der Bösewicht den jungen Deutschen auf, der Spur Acares zu folgen. Er selbst war zu feige dazu. Don Agosto griff auch zu seiner Waffe und lief hinaus in die Finsternis. Natürlich fand er den geheimnisvollen Warner nicht, obwohl ihm Acare ein Zeichen gab. Offen durfte sich mein Sohn nicht zeigen, da ich ihm das streng verboten hatte. Mein Mißtrauen würde den jungen Mann schwer gekränkt haben. Als aber Don Agosto auf dem Rückweg dicht an dem Versteck meines Abgesandten vorüberkam, rief ihm dieser eine kurze Warnung zu.

Der Deutsche vernahm die Worte und blieb stehen. In demselben Augenblick aber kam Pedro, der den Ruf ebenfalls gehört hatte, und fragte: ›Wer rief da? Wer spioniert hier unsere Wege aus?‹

Und ehe er noch eine Antwort erhalten konnte, feuerte er aus seiner Drehpistole fünf Schüsse in den Wald, die zum Glück alle fehlgingen. Der Fremde lud nun seine Waffe wieder und forderte Don Agosto auf, ihm in den Wald zu folgen. Sie wollten das Dickicht durchsuchen.

Das wartete Acare nicht ab. Er sprang in sein Kanu und ruderte, so schnell es gehen wollte, nach Huancane zurück. Dort ließ er sich vom Alkalden ein Maultier geben und berichtete mir, was er gesehen.

Ich ahnte Unheil. Sofort rief ich einige meiner besten Leute zusammen und eilte an den See hinunter, um ein Boot zu mieten. Numa, der Fischer, erbot sich, uns an die Stelle zu führen, wo die beiden Freunde gelandet waren.

›Woher kennst du den Ort?‹ fragte ich verwundert.

›Ich war zufällig beim Fischfang, als ich bemerkte, wie zwei weiße Männer mit Werkzeugen in den Wald gingen. Da ich fürchtete, die Weißen könnten uns in unserm Eigentum schädigen, wie sie dich und die Deinen geschädigt haben, folgte ich ihnen. Sie kamen nur langsam vorwärts. Der blonde Mann war sehr müde, oder er wollte vielleicht nicht mitgehen, denn er blieb oft stehen. Dann sprach der andere heftig auf ihn ein, und er ging weiter.

Ich stieg nun rascher und befand mich bald vor den Männern: Oben, auf dem freien Steppenland, durfte ich mich nicht sehen lassen. Ich blieb daher im Wald. Von meinem Versteck aus sah ich, wie die Fremden eine Strecke weit am Bach emporstiegen. Dann verschwanden sie.

Da ich keine Lebensmittel bei den Männern gesehen hatte, dachte ich, sie würden nicht lange ausbleiben. Ich kletterte auf einen großen Baum, versteckte mich in seinen Ästen und wartete.

Lange, lange blieben sie aus. Endlich, als bereits die Sonne hinter den Bergen niedersank, erschien erst der Blonde, dann der andere. Jeder trug einen schweren Sack. Das Werkzeug hatten sie nicht mehr bei sich.

Jetzt wußte ich genug. Die Weißen hatten Schätze gefunden. Sie würden bald unsere Berge mit ihren Arbeitern überschwemmen, und dann würden auch wir aus unserm Eigentum vertrieben. Der Zorn übermannte mich. Waffen hatte ich bei den Männern nicht gesehen. An Körperkraft war ich ihnen überlegen. Sie sollten ihre Heimat nicht wiedersehen. Ich bereitete mich auf den Kampf vor.

Die beiden Fremdlinge waren unterdessen in meine Nähe gekommen. Der Blonde warf seinen Sack zu Boden und setzte sich darauf. Er war sehr erschöpft. Der andere stellte sich hinter ihn und sprach viel auf ihn ein, worauf der Blonde aber nichts erwiderte.

Plötzlich bemerkte ich, wie der Schwarzhaarige einen blanken Gegenstand aus seinem Beinkleid zog. Er rief dem Blonden etwas zu und zeigte nach der Richtung, in der ich verborgen war. Ich glaubte schon, er wolle auf mich schießen.

Kaum aber hatte der Blonde den Kopf gewendet, als zwei Schüsse krachten. Ich hörte einen fürchterlichen Schrei und sah, wie der arme Mensch zu Boden stürzte. – Dann lief ich davon.‹

Ich hatte dem Bericht des Fischers bis zu Ende gelauscht«, fuhr Ahunda mit trauriger Stimme fort, »um alle Einzelheiten des furchtbaren Unglücks kennenzulernen. Daß mein weißer Freund tot war, hatte mir eine innere Stimme schon gesagt. Jetzt blieb mir nur übrig, den Aufenthaltsort des Mörders zu erforschen. Der Fischer glaubte ihn auf einer Barke gesehen zu haben, die nach Puno segelte.

Ich beauftragte meine Leute, die Ufer des Sees bis nach Puno abzusuchen. Nur zwei meiner Stammesgenossen durften mich im Boot begleiten. Wir landeten genau an derselben Stelle, an die uns vor einem Monde der Sturm verschlagen hatte. Wir sahen sofort an den Fußeindrücken und den Speiseresten, daß hier zwei weiße Männer gewesen waren. Die Spuren führten in den Wald hinauf, aber nur eine führte wieder zum See zurück. Auf der kahlen Höhe fand ich die Stelle, an der mein junger Freund ausgeruht hatte. Ich sah die Spuren der niedergeworfenen Säcke und einen Eindruck im Erdreich, wie wenn eine schwere Last weggeschleift worden sei.

Als ich mich niederbückte, bemerkte ich auf dem Grase trockene Blutspuren und dicht dabei viele blonde Haare.

Hier sind sie!« unterbrach Ahunda seine Erzählung und holte ein kleines Lederbeutelchen aus dem Gürtel, das er vor uns öffnete. Eine Menge blonder Haare, zu einem sichelförmigen Büschel geformt und mit dürrem Gras umwickelt, lagen vor unsern Augen. Liebevoll ließ der Alte die Finger über die teuere Reliquie gleiten, dann sprach er mit einem tiefen, schmerzlichen Seufzer weiter: »Meine Leute fanden die Leiche im Walde. Der Mörder hatte sie unter einen umgestürzten Baumstamm gezerrt und dort liegenlassen. Den Raubtieren zum Fraß, die auch bald jede Spur vertilgt haben würden, wenn ich nicht so rasch gekommen wäre.

Groß war mein Schmerz, als ich hier vor den sterblichen Resten des so feige Gemordeten stand. Daß er sein Wort gebrochen und das Geheimnis der Mine Fremden anvertraut hatte, verzieh ich ihm. Er hat es mit dem Tode gebüßt. An der Leiche meines weißen Freundes aber schwur ich, daß ich nicht ruhen wolle, bis ich den Toten an seinem Mörder gerächt haben würde.

Wir gruben ein tiefes Grab und senkten den Leichnam im Schatten einiger Riesenbäume in die kühle Erde. – Meinen Leuten befahl ich, an den See zurückzukehren und mich dort zu erwarten.

Mit Einbruch der Nacht schritt ich den Bach hinauf in das Tal der Silbermine. Ich verwünschte den Tag, an dem ich meinen jungen Freund hierhergeführt hatte. Das weiße Metall, das schon so vielen Menschen das Leben gekostet, mußte auch mir den besten Freund meines Stammes nehmen. – Er sollte aber das letzte Opfer sein. Kein menschliches Auge sollte je wieder die unterirdische Schatzkammer erblicken. Ihre Spur mußte unerkennbar vernichtet werden. – Das gelobte ich mir in jener Nacht.

Als ich die Schlucht erreichte, sah ich auf den ersten Blick, daß die Weißen den Schacht geöffnet hatten. Es lag eine Menge zerschlagenen Gesteins vor dem Eingang. Nach einigem Suchen fand ich auch die Werkzeuge, die man zurückgelassen hatte. Das gab mir die Gewißheit, daß der Mörder sehr rasch an den Ort seines Verbrechens zurückkehren würde.

Nun mußte ich zunächst jede Spur von dem Vorhandensein eines Schachtes unkenntlich machen. Kein Mensch sollte je wieder imstande sein, das weiße Metall aufzufinden, selbst wenn der Mörder andern Männern den Ort genau beschrieben haben sollte. Er selbst war meiner Rache verfallen.

Ich begann damit, das Gestein, das in der Schlucht lag, in das Flußbett zu wälzen. Die wenigen Bäume, die etwa als Kennzeichen angegeben werden konnten, hieb ich ringsum an der Rinde ein. Sie mußten bald dem Sturm zum Opfer fallen. Die Werkzeuge der weißen Männer warf ich in den Schacht. Dann sammelte ich die Reste des glänzenden Gesteins und warf sie ebenfalls in die Grube, damit sie nicht zum Verräter werden konnten. Hierauf schüttete ich so viel Steine in das Loch, bis es ganz damit angefüllt war, und endlich rollte ich einen schweren Felsblock vor die Mine, den ich so vollkommen mit dem übrigen Gestein verband, daß kein Auge die Spalte darunter entdecken konnte. Nachdem ich das alles geordnet, legte ich mich zur Ruhe. Am kommenden Tage wollte ich mich wiederholt überzeugen, daß jede Spur der Mine verwischt war.

Der neue Tag begann mit einem gewaltigen Sturm. Er brachte die Bäume in der Schlucht zu Fall und warf sie in den Bach hinunter. Mit stiller Freude gewahrte ich diese Hilfe des Großen Geistes. Ich dankte ihm dafür und schrie ein Gelöbnis in den Wald hinaus: ›Nie, nie sollen weiße Männer diesen Schatz unserer Berge heben. Einmal habe ich einem Weißen vertraut. Er hatte das Herz eines Kindes, aber die Zunge eines alten Weibes. Aber wehe dem, der seine Zunge löste und ihn dann tötete.‹

Ich machte noch einmal die Runde durch die Schlucht. Selbst der flutende Regen hatte nicht vermocht, die Felsenspalte wieder bloßzulegen, die hinabführte zu dem Fluch der Menschheit. Befriedigt suchte ich das Lager meiner Leute auf. Auch hier ließ ich jede Spur einer Landung vertilgen. – Dann kehrten wir nach Huancane zurück. Im Hause des Fischers verborgen, erwartete ich Nachrichten von meinen Spähern.

Am dritten Tage erhielt ich die Meldung, daß Pedro in Huancane eingetroffen sei. Er war allein. Mein Spion sagte mir aber, daß er in Puno mit weißen Männern zusammengetroffen sei und viel mit ihnen beraten habe. Sie hätten viele Werkzeuge aufgekauft und mit mehreren Seglern lange Mietverträge abgeschlossen.

Ich ging zu Pedro und fragte ihn: ›Wo ist Don Agosto, mein weißer Freund? Du warst mit ihm im Walde!‹

Pedro schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie in frechem Tone: ›Was geht mich dein Agosto an? Such ihn dir selbst, roter Hund!‹

›Meine Haut ist wohl rot, aber deine Hand ist noch röter‹, erwiderte ich ruhig. ›Du willst mir also nicht sagen, wo der Deutsche ist?‹

Mit einem rohen Fluch sprang Pedro auf, zog einen Revolver und schrie: ›Wenn du nicht sofort das Haus verläßt, schieße ich dich nieder.‹

›Wie den Deutschen – hinterrücks!‹ sagte ich und ging hinaus.

Draußen begann es zu dunkeln. Ich suchte die Fischerhütte auf und sagte zu meinem Freunde Numa: ›Der Mörder ist hier. Er wird, bevor der Mond aufgeht, eine Barke nehmen und von hier fliehen. Suche es einzurichten, daß keiner deiner Freunde ihn fährt. Vermiete ihm dein Boot. Wenn du mit ihm fortruderst, wirst du mein Kanu hinter dir sehen. Rudere auf die Stelle zu, wo du die Fremden in jener Nacht fandest, auch wenn der Weiße ein anderes Ziel nennt. Dort findest du mich.‹

Es geschah, wie ich vorausgesehen. Pedro suchte vergeblich eine größere Barke zu mieten, die ihn durch die Kraft ihrer Segel schneller von der Küste fortgebracht haben würde. Es blieb ihm nur das Ruderboot meines Freundes. Er mietete es für drei Tage. Es sollte ihn hinüber an die Ufer des bolivianischen Staates bringen.

Der volle Mond warf sein bleiches Licht über den gelben Ufersand, als das Boot Numas über den flachen Strand glitt. Ich war schon vorher an dem Platz angekommen.

Pedro fluchte und drohte. Er wollte hier nicht ans Ufer gehen. Aber Numa gab nicht nach. Er erklärte, er könne nicht weiterfahren, sein Boot sei leck, Pedro solle aussteigen, damit er es ausbessern könne.

Endlich sprang Pedro fluchend ans Ufer und lief bis an die Felsenhöhlung. Als er den Fuß vor den Eingang setzte, trat ich ihm entgegen.

Mit einem Fluch sprang er zurück und griff zur Waffe: ›Bist du schon wieder da, du roter Hund!‹ schrie er. ›Warte!‹

Aber Numa umschlang seinen Körper mit einem festen Seil und nahm ihm die Waffe ab.

»Ja, ich bin wieder da, du Mörder. Ich bin gekommen, um meinen toten Freund zu rächen.«

Diese Worte wirkten wie ein Blitzschlag. Der feige Mensch sank zu Boden und wimmerte um Gnade. Er habe den Deutschen im Streit erschlagen, um nicht selbst getötet zu werden.

»Fahre jetzt zurück, Numa. Reicher Lohn wird dir von mir«, sagte ich, zu meinem Freunde gewendet, der auch sofort begriff, daß er bei dem, was nun folgen mußte, überflüssig war.

»Was willst du mit mir tun?« schrie Pedro in Todesangst, als ich ihm Hände und Füße mit festen Lederriemen umschnürte.

»Ich will dich zu deinem gemordeten Gefährten bringen«, erwiderte ich gelassen.

»Du hast kein Recht, mich zu töten«, brüllte er. »Hilfe, zu Hilfe!«

»Rufe nur«, sagte ich lächelnd. »Kein Mensch wird dich lebendig aus den Händen des alten Ahunda retten. Du gehörst mir und sollst noch in dieser Nacht dafür büßen, daß du meinen Freund Agosto gemordet hast.«

Ich lud den Körper auf meine Achsel und trug ihn hinauf zu der Stätte, auf der mein armer Freund sein Leben ausgehaucht hatte. Auf dem Hügel, der die sterbliche Hülle deckt, errichtete ich einen großen Haufen dürren Holzes. Auf dieses legte ich grüne Zweige.

Pedro sah diesen Vorbereitungen mit stieren Blicken zu. Endlich begriff er meine Absicht.

»Du willst mich doch nicht lebendig verbrennen?« schrie er voll Entsetzen.

»Die Strafe ist noch viel zu milde für dich«, gab ich zur Antwort.

Ich ergriff ihn und legte ihn auf das grüne Lager. Rasch zündete der Funke. Die Flammen prasselten in dem trockenen Holz und dämpften die gellenden Schreie des elenden Mörders.

Die aufgehende Sonne beleuchtete die letzten Reste glimmender Kohle. Von dem Körper blieben nur wenige Aschenteilchen zurück. Der Wind trug sie mit sich fort.

»So rächte Ahunda seinen weißen Freund!«

Schweigend und tief erschüttert von dem Drama, das hier in all seinen grausigen Einzelheiten vor unsern Augen aufgerollt worden war, drückten wir dem alten Häuptling die Hand. Nach den Anschauungen seines Stammes hatte er eine edle Tat verrichtet. In diesem Sinne wußten wir ihm auch Dank für seine offenherzige Erzählung. War doch damit der Zweck unseres Besuches in dem kleinen Aymaradorfe erreicht.

Auf die inständige Bitte des alten Mannes schenkten wir ihm das Lichtbild seines so jäh dahingerafften weißen Freundes. Er wird es in hohen Ehren gehalten haben.

Nach zwei Tage mußten wir die Gastfreundschaft des braven Indianers in Anspruch nehmen. Er gab uns das Geleit bis zu jener ärmlichen Rindenhütte, in der sein junger Freund gelebt hatte. Dort drückte er uns zum letzten Male die Hand.


 << zurück weiter >>